Psychiatr Prax 2005; 32(2): 100-101
DOI: 10.1055/s-2005-863777
Fortbildung und Diskussion
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Salzwedel? Wo liegt eigentlich Salzwedel?

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Publication Date:
18 February 2005 (online)

 

Sie möchten wissen, wieso ich mich das frage? Weil, um dies hier bildlich darzustellen, Salzwedel offensichtlich so etwas wie eine Auster mit sozialpsychiatrischer Perle ist. Die Auster, das wäre Salzwedel. Die Perle ist dann das Zentrum für Soziale Psychiatrie, deren Leiter Dr. med. N. Nowack mit der Herausgabe des Buches "Interdisziplinäre Rehabilitation chronisch psychisch kranker Menschen" einen innovativen und anregenden Impuls für die sozialpsychiatrische Diskussion gegeben hat.

Worum geht es in dem Buch? Der Untertitel, "beziehungs-reich" gibt Aufschluss. Verschiedene Aspekte der Beziehung mit und zu chronisch psychisch Kranken werden beleuchtet. Nun kann der erfahrene Leser einwenden, dass dies keine innovative Herangehensweise sei, ist doch über dieses Thema seit Jahren eine Flut von Veröffentlichungen erschienen. Nicht das Thema selbst, ganz sicher jedoch die Art der Bearbeitung, machen das Buch so spannend. Denn hier wird das Thema "Beziehung" aus vielen, ganz neuen Aspekten beleuchtet.

Aufschlussreich schon das erste Kapitel von K. Lehmann, dem Präsidenten des Landesamtes für Versorgung und Soziales in Sachsen-Anhalt, der einen detaillierten Überblick über die psychiatrische Versorgungssituation in Sachsen-Anhalt gibt. Erstaunlich und erfreulich zugleich sind auch die klaren Worte eines Politikers über Verbesserungswünsche und offene Fragen.

Im dritten Kapitel des Buches wird von zwei Mitarbeiterinnen des Zentrums für Soziale Psychiatrie, M. Oehlenschläger und A. Müller, die Reha-Visite, ein im Zentrum für Soziale Psychiatrie entwickeltes Konzept zur Beziehungsgestaltung und Planung der Rehabilitation, vorgestellt. In der Reha-Visite geht es darum, unter Einbeziehung der Bewohner, der Mitarbeiter verschiedener Berufsgruppen sowie Angehöriger und rechtlicher Betreuer einen für alle Beteiligten verstehbaren, nachvollziehbaren und auch überprüfbaren Prozess der Weiterentwicklung des Bewohners zu entwickeln. Gerade weil dieses Projekt so spannend und neu ist, wäre hier eine noch ausführlichere Darstellung wünschenswert gewesen. Aber auch so gibt es interessante Anregungen für die Diskussion in Einrichtungen zur Rehabilitation chronisch psychisch Kranker.

Das Kapitel "Möglichkeiten des Einsatzes von Tieren in der Rehabilitation" von C. Wenz hat mich selbst als Leserin am meisten gefesselt, da es einen auch für den Laien gut verständlichen Einstieg in dieses bisher im sozialpsychiatrischen Rahmen noch nicht allzu intensiv diskutierten Themas gibt. Ich erinnere mich gut an die spöttisch-skeptische Bezeichnung als "Delphinwissenschaften", die ich im Zusammenhang mit dem Einsatz von Tieren in der Rehabilitation oft hörte. C. Wenz zeigt klar und deutlich, dass es keiner Delphine bedarf, um Tiere sinnvoll und nutzbringend in die Rehabilitation chronisch psychisch Kranker einzubinden. Es ist zu wünschen, dass das von ihr geschilderte Beispiel auch in anderen Einrichtungen Schule macht.

Das von N. Nowack selbst verfasste Kapitel "Beziehungsorientiertes Arbeit und Gruppenarbeit mit chronisch psychisch kranken Menschen" gibt zum Ende des Buches einen hervorragenden Überblick über den Einsatz von vor allem gruppentherapeutisch orientierten Ansätzen zur Psychotherapie mit chronisch psychisch Kranken. Ein hilfreicher Einstieg für Berufsanfänger gleichfalls wie eine gelungene Auffrischung für Berufserfahrene, die sich nicht regelmäßig mit diesem Thema theoretisch auseinandersetzen können und es doch täglich praktizieren.

Bleibt nur noch die Frage offen, wo Salzwedel eigentlich liegt. Salzwedel liegt im Norden Sachsen-Anhalts, an der Grenze zu Niedersachsen. Und falls jemand der Leser mal in der Nähe ist, bin ich sicher, dass er freundlich begrüßt wird und die Perle "Zentrum für Soziale Psychiatrie" aus der Nähe anschauen darf. Ich ermuntere dazu!

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