PiD - Psychotherapie im Dialog 2005; 6(1): 1
DOI: 10.1055/s-2004-834666
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Arbeit mit Schmerzpatienten - immer interdisziplinär

Hanne  Seemann, Jochen  Schweitzer
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Publication Date:
24 March 2005 (online)

Mit diesem Schmerz-Heft begibt sich PiD in ein traditionell medizinisch (allgemeinmedizinisch, orthopädisch, rheumatologisch, neurologisch, anästhesiologisch …) geprägtes Arbeitsfeld hinein, in dem psychologische Erkenntnisse und Behandlungsverfahren aber immer größeren Raum einnehmen. Psychologische Schmerztherapie ist ein exzellentes Beispiel dafür, wie die Leib-Seele-Dichotomie in beide Richtungen immer mehr überwunden wird. Und sie ist ein „Wachstumsfeld” für die psychotherapeutische Profession.

Deshalb bietet dieses Heft für Psychotherapeuten viele Informationen

über die neurobiologischen und neurophysiologischen Grundlagen der Schmerzwahrnehmung, die es uns erlauben, mit Patienten ein körpernahes Beschwerdenverständnis zu erarbeiten über die Möglichkeiten und Grenzen somatischer Behandlung des Schmerzes - durch Pharmaka, durch Sport- und Bewegungstherapie insbesondere aber durch die Adaptation psychotherapeutischer Verfahren für die Arbeit mit Schmerzpatienten.

Dabei informieren wir über die Besonderheiten des Schmerzes in unterschiedlichen Körperregionen: über Kopfschmerz, Rückenschmerzen, Zahnschmerzen und die den ganzen Körper umspannende Fibromyalgie. Und wir schildern, wie psychologische Konzepte in der ambulanten Praxis und im Krankenhaus umgesetzt werden können.

Eine auffällige Besonderheit der psychotherapeutischen Arbeit mit Schmerzpatienten ist ihr immer interdisziplinärer Ansatz. Psychotherapeuten müssen ganz konkret über die neurophysiologische, psychologische und soziale, oft auch die interkulturelle Dynamik der Schmerzentstehung und Chronifizierung Bescheid wissen und dabei auch noch die Unterschiede bei verschiedenen Schmerzsyndromen beachten. Interdisziplinäre Schmerzkonferenzen, bei denen ein Patient von vielen an der Diagnostik und Behandlung beteiligten Fachvertretern gesehen, befragt und diskutiert wird - was nicht selten zwei volle Zeitstunden füllt - bieten eine hervorragende Gelegenheit, das fachübergreifende Denken einzuüben, zumal auch sehr oft Vertreter verschiedener Psychotherapieschulen bzw. psychotherapeutischer Herangehensweisen an diesen Schmerzkonferenzen regelmäßig beteiligt sind. Das viel zitierte biopsychosoziale Schmerzkonzept findet hier konkrete Anwendung. In kaum einem anderen Problemfeld gab es eine Entwicklung hin zu solch großer konzeptueller und methodischer Vielfalt wie derzeit in der ärztlichen und psychotherapeutischen Behandlung chronischer Schmerzen. Dies resultiert auch aus der allgemein akzeptierten Maxime, dass nur multimodale Behandlungsansätze bei chronischen Schmerzen Wirkung entfalten können - eine Maxime, die nicht nur gut überprüft und deshalb handlungsleitend wurde, sondern auch zu gegenseitiger Wertschätzung und Integration andernorts als gegensätzlich erachteter Methoden geführt hat.

Wir wünschen Ihnen interessante neue Erkenntnisse beim Lesen.

Hanne Seemann, Jochen Schweitzer

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