PiD - Psychotherapie im Dialog 2003; 4(4): 380-381
DOI: 10.1055/s-2003-45299
Forschung aus der Praxis
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Rechtliche Leitlinien zur Schweigepflicht bei Suizidgefährdung

Manfred  Busch
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Publication Date:
05 December 2003 (online)

Vertrauensschutz als relevantes Rechtsprinzip

Ein Vertrauensverhältnis zwischen KlientInnen und TherapeutInnen ist für die therapeutische Tätigkeit unerlässlich. Ohne die Wahrung der therapeutischen Schweigepflicht kann das Vertrauensverhältnis nicht bestehen. Dazu gehört nicht nur die Einhaltung der beruflichen Schweigepflicht nach § 203 StGB durch TherapeutInnen selbst, sondern kumulativ auch die Beachtung anderer Gesetze, wie des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und der speziellen Regelungen im Sozialgesetzbuch (SGB), insbesondere hier SGB V, VI und SGB X. Es besteht also Veranlassung, sich mit den unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen auseinander zu setzen. Denn die Weitergabe von Informationen über KlientInnen ist nur dann zulässig, wenn sie sowohl mit § 203 StGB als auch mit anderen datenschutzrechtlichen Vorgaben vereinbar ist. Dabei ist stets der verfassungsrechtliche Rang des Rechts (der KlientInnen) auf informationelle Selbstbestimmung zu berücksichtigen, wenn es um Schlussfolgerungen geht.

Im Ausgangspunkt umfasst das informationelle Selbstbestimmungsrecht, das nicht vom Alter der Klientin oder des Klienten abhängig ist, jedwede personenbezogene Information der KlientInnen - keines ihrer Daten ist „belanglos”. Auch beim Umgang mit der Diagnose „Suizid(gefährdung)” des Klienten oder der Klientin ist das die Würde des Menschen widerspiegelnde besondere Charakteristikum der „Selbstbestimmung” zu wahren. Rechtlich scheidet daher ein frei in der Entscheidung von TherapeutInnen stehender Umgang mit der Information „Suizidgefährdung” von vornherein aus. Vielmehr kommt es bei der Frage nach der zulässigen Weitergabe von (therapeutischen) Informationen an Dritte, einschließlich Familienangehörige und Behörden, wesentlich darauf an, ob ohne eine Einwilligung des Klienten oder der Klientin „berechtigte Interessen” (auf Seiten der TherapeutInnen) gegeben sind, die den Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der KlientInnen rechtfertigen. Für das Bestehen der therapeutischen Schweigepflicht ist nicht von Bedeutung, ob sich der Klient/die Klientin bewusst in eine Vertrauensbeziehung zum Therapeuten/zur Therapeutin begeben hat, da diese von Gesetzes wegen unterstellt wird. Schon die Tatsache, dass sich KlientInnen überhaupt in Therapie befinden, unterliegt der therapeutischen Schweigepflicht.

1 § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

2 Beratungsrecht, 2. Aufl. 2003, S. 214 ff.

3 in Palandt, BGB-Kommentar, 62. Aufl. 2003, § 1906 Rz. 9.

4 M. Busch (2002): Einwilligung Alleinentscheidungsrecht von Kindern und Jugendlichen, in: Evangelische Jugendhilfe 5, 261 - 264.

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