Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2003; 38(10): 623-629
DOI: 10.1055/s-2003-42506
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Geschichte der Notfallmedizin in Deutschland - unter besonderer Berücksichtigung des Notarztdienstes

History of the Rescue Service in Germany - Especially in Regard to Emergency MedicineP.  Sefrin1
  • 1Klinik für Anaesthesiologie - Sektion für präklinische Notfallmedizin (Direktor: Prof. Dr. med. N. Roewer) der Universität Würzburg
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Publication Date:
25 September 2003 (online)

Zusammenfassung

Die Notfallmedizin gehört zu den ältesten Bereichen der Heilkunde, wobei ein organisiertes Rettungswesen allerdings erst Ende des 19. Jahrhunderts, bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts zu erkennen ist. 1908 wurde in Frankfurt auf dem ersten Internationalen Kongress für Rettungswesen der präklinische Bereich als eine Sonderwissenschaft bezeichnet, zu der eine ärztliche Unterweisung erforderlich sei. Trotz zunächst allgemeiner Ablehnung eines ärztlichen Engagements im Rettungsdienst wurde schon früh die Ausübung der Ersten Hilfe bei Unglücksfällen und plötzlichen Erkrankungen Ärzten zugeschrieben. Kirschner forderte 1958 eine frühe ärztliche Versorgung am Unfallort. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das öffentliche Rettungswesen im Wesentlichen durch die Besatzungsmächte bestimmt. Die Durchführung des Rettungsdienstes wurde den Hilfsorganisationen und den Feuerwehren übertragen. Bauer war 1956 der Wegbereiter des Notarztdienstes, indem er einen Arzt mit einem Omnibus an den Unfallort entsandte. Hieraus resultierte das erste Notarztwesen, das in vielen Großstädten der Bundesrepublik seinen Nachahmer fand. Nachdem am Anfang die Versorgung der Unfallverletzten im Vordergrund stand, waren es auch Chirurgen, die diesen Dienst vornehmlich ausübten. Mit der zunehmenden Etablierung des Systems kam es zu einer Veränderung des Patientenkollektives, wobei in zunehmendem Maße internistische Notfallpatienten das Patientenkollektiv im Notarztdienst ausmachten. Dies führte auch zu einer Verschiebung der Fachdisziplinen der Ärzte, die am Notarztdienst teilnahmen. Bezüglich der Qualifikation wurden 1983 durch die Bundesärztekammer konkrete Vorgaben gemacht. Der Notarztdienst ist heute am Erfolg der präklinischen Versorgung maßgeblich beteiligt.

Abstract

Emergency medicine is part of the oldest fields in medicine, however, organized rescue services were at first recognizable in the end of the 19th century or rather in the beginning of the 20th century. In 1908, on the first international congress for rescue services in Frankfurt, the preclinical part was described as a special science, for which a medical instruction would be necessary. In spite of an initially general rejection of an envolvement of physicians in the rescue services, it was ascribed to physicians very early to carry out first aid in accidents or sudden illness. In 1958 Kirschner demanded an early medical care at the scene of the accident. After the second world war, the public rescue services were mainly controlled by the occupying powers. The realization of the rescue service was delegated to aid agencies and the fire brigades. In 1956 Bauer was the pioneer of the emergency physician service by dispatching a physician to the scene of the accident with a bus. Out of this resulted the first emergency physician service, which was imitated in many big cities within the Federal Republic of Germany. Since the care for accident causalities stood in the foreground at the beginning, surgeons mainly carried out this service. As the system became more and more established, the characteristics of the patients changed and medical emergency patients increasingly constituted the population of patients. That leaded to a shift in the specialties of the physicians taking part in the emergency physician service. Regarding the qualification specific guidelines were released in 1983 by the federal chamber of physicians in Germany.

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Prof. Dr. med. P. Sefrin

Klinik für Anästhesiologie, Sektion für Präklinische Notfallmedizin

Josef-Schneider-Straße 2

97080 Würzburg

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