Psychother Psychosom Med Psychol 2003; 53(8): 325
DOI: 10.1055/s-2003-40950
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

e-learning für psychosoziale Lehrinhalte

e-Learning for Psychosocial MedicineHarald  C.  Traue
Further Information

Publication History

Publication Date:
29 July 2003 (online)

In den Semesterferien findet an der Universität Ulm eine summer-school zum e-learning statt. Die Medizinische Fakultät in Ulm macht sich für die Entwicklung von e-learning stark. Grips und Geld wird investiert und vor allem die Integration in das medizinische Curriculum wird voran getrieben. Docs 'n Drugs, ein leistungsfähiges und webbasiertes Lehr- und Lernsystem, wird auf der Basis von authentischen Patientendaten in Kooperation zwischen Medizin und Informatik hier entwickelt. Die Psychosomatische Medizin ist an der Entwicklung und Evaluation des Systems beteiligt.

Die Zeit, in der euphorische Hochschullehrer erhofften und skeptische IT-Ignoranten befürchteten, dass sich die real existierenden Universitäten mit richtigen Menschen in eine virtuelle Welt verflüchtigen würden, sind vorbei. Außerdem ist die Idee, dass Maschinen das Lernen erleichtern, schon seit dem Nürnberger Trichter in der Welt und erreichte ihren ersten Höhepunkt in den 80er-Jahren als hinter schrankgroßen Rechnern verborgene Computerbegeisterte den rechnerunterstützten Unterricht erfanden.

Eine Zeit lang dümpelte dieses Geschäft ebenso dahin wie das von Joseph Weizenbaum 1966 geschriebene Programm ELIZA, mit dem man psychotherapeutisch kommunizieren konnte. Es ging dabei gar nicht um Psychotherapie, sondern um die Untersuchung natürlicher Sprache, aber John Suler hat als einer der ersten ELIZA als Medium genutzt, um psychotherapeutische Kommunikation zu lernen.

Was ist e-learning heute? Man versteht darunter die Vermittlung von Lerninhalten mit Hilfe von elektronischen Medien in mehreren Szenarien. Erstens: der Studierende bearbeitet multimedial in einem Lernsystem vorliegende Inhalte. Oft wird dieses Lernen durch anwesende, virtuelle oder per e-mail erreichbare Tutoren unterstützt. Intelligente Systeme (beispielsweise docs 'n drugs) stellen sich dabei auf die Vorgehensweise des individuellen Lernenden ein. Zweitens können elektronische Medien die Gruppenarbeit fördern, entweder durch die Informationssuche im Internet oder durch Chat- oder Forendiskussionen. Drittens können Lehrinhalte auf Medien wie Video, Audio, PP oder Animationen in die Lehre eingebettet bzw. dort verfügbar gemacht werden.

Webbasiertes Lernen ist gewiss kein Allheilmittel gegen Mängel in der akademischen Lehre. Es bietet aber anders als die meisten Medien die Möglichkeit, durch die Verknüpfung von Medien und interaktiven Visualisierungen eine didaktisch anregende Gestaltung. Zahlreiche Studien belegen, dass die selbstgesteuerten Lernprozesse Wissen und Fertigkeiten besser verankern. Wenn mit dem vernetzten PC gearbeitet wird, können per Hyperlinks ergänzende Informationsquellen aufgetan werden. Die Harvard University arbeitet derzeit daran, ihre gesamten Vorlesungsskripte webwide verfügbar zu machen.

Fallsimulationen mit individualisierten Lösungen leiten den Studierenden an, Problemlösungsstrategien zu entwerfen und Fälle beliebig oft durchzuspielen. Das kann kaum eine andere Lehrform leisten, zumal durch den erheblichen Aufwand bei der Fallerstellung didaktisch hoch angereichertes Material immer wieder nutzbar wird, das ein einzelner Hochschullehrer in dieser potenziellen Vielfalt nicht produzieren könnte.

Leider gibt es bislang wenig Lernmaterialien in der Medizinischen Psychologie oder Psychosomatischen Medizin. Immerhin: Karl Köhle und Walter Thomas haben ein multimediales, computerunterstütztes Lernprogramm mit zahlreichen Beispielen zur ärztlichen Gesprächsführung entwickelt.

Noch besser als einzelne Entwicklungen wäre eine Entwicklungsstrategie für e-learning psychosozialer Lehrinhalte, bei der diese Inhalte in vorhandene Lehrsysteme (Docs 'n Drugs, LaMedica, Medianovo) integriert werden. Allerdings: Notwendig ist eine konkrete Didaktik zum Einsatz von multimedialen Lernsystemen, in der lerntheoretische Erkenntnisse eingesetzt werden.

Prof. Dr. Harald C. Traue

Email: harald.traue@medizin.uni-ulm.de

    >