Laryngorhinootologie 2000; 79(11): 690-691
DOI: 10.1055/s-2000-8274
HAUPTVORTRAG
Georg Thieme Verlag Stuttgart ·New York

Langzeitergebnisse und neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Schlafapnoe

Teil IW. Pirsig, Th Verse
  • Ulm
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Einleitung

Behandelt wird die obstruktive Schlafapnoe (OSA) vereinzelt seit den 60er Jahren und im breiten Ausmaß seit Beginn der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts, und zwar konservativ, apparativ und operativ. Die Effizienz dieser Therapien sollte den Kriterien der „Evidence Based Medicine” (EBM) genügen, was jedoch nur für einen Bruchteil der Publikationen gilt. So fassen Bridgman et al. [1] ihre Auswertung von allen Arbeiten über Operationen, die bis zum 12. 11. 1997 zum Thema erschienen, zusammen: „A total of 666 articles were identified and assessed. No articles fulfilled the inclusion criteria of randomized controlled trials-” Wir werden im Folgenden überwiegend auf Arbeiten Bezug nehmen, welche die Diagnose OSA mittels Polysomnographie gesichert haben. Um überhaupt gewisse Trends erkennen zu können, wird als „Langzeit” drei Jahre und mehr definiert (Tab. [1]).

Gewichtsreduktion

Guilleminault [2] berichtet, dass nur 3 % der Patienten mit OSA ihren Gewichtsverlust, der zur signifikanten Reduktion der Schlafapnoe-Symptomatik führte, bei der 5-Jahres-Kontrolle gehalten hatten und dass viele sogar wieder über ihr Ausgangsgewicht hinaus zugenommen hatten. In einer neueren Serie von 216 übergewichtigen Patienten mit OSA gelang in 11,1 % (n = 24) eine Heilung nur durch Gewichtsreduktion [3]. Diese 24 Patienten wurden nach durchschnittlich 94 Monaten nachuntersucht. 13 Patienten hatten ihr Gewicht gehalten, 6 von ihnen aber wieder eine OSA entwickelt. 11 der 24 hatten wieder zugenommen und bei 9 dieser 11 fand sich wieder eine OSA.

Nächtliche Ventilationstherapie

Die nasale Überdrucktherapie im Schlaf (nCPAP) hat sich für die mittelgradige und schwere Form der OSA als Standard durchgesetzt, kann sie doch relativ komplikationslos das Schnarchen, die Tagesmüdigkeit und die kardiovaskulären Risiken reduzieren oder eliminieren. Der große Nachteil der nCPAP-Behandlung ist ihre relativ niedrige Compliance, die langfristig um 60 % angegeben wird [4]. Dies wird auch durch eine der wenigen prospektiven Langzeitstudien an 1155 Patienten bestätigt [5], die Daten über eine Behandlung von 12 bis 36 Monate vorlegt. 68 % der Patienten setzten ihre nCPAP-Therapie fünf Jahre lang fort. In der Regel entscheiden die ersten drei Monate zu Hause, ob nCPAP langfristig angenommen wird. Unter nCPAP, besonders ohne Luftbefeuchter, stellen sich auch zahlreiche Nebenwirkungen auf die Schleimhäute der Nasenhöhlen und des Pharynx ein [6]. Trotzdem scheinen diese ungünstigen nasopharyngealen Symptome die Compliance weniger zu beeinflussen, wie die Studie von Lojander et al. [7] zeigt. Trotz verstopfter Nase (37 %), trockener Nase (46 %), Niesreiz (35 %) und Rhinorrhoe (27 %) unter nCPAP benutzten 71 % der 151 Patienten nach durchschnittlich 30 Monaten noch ihre Maske.

Orale Applikatoren

Die Behandlung von SBAS mit oralen Geräten, die den Unterkiefer mittels Befestigung am Gebiss im Schlaf vorverlagern (Unterkieferprotrusionsapparate, Esmarch-Schienen), wurde 1984 von Meier-Ewert et al. [8] eingeführt. In den letzten fünf Jahren haben randomisierte, kontrollierte Studien gezeigt [9 - 11], dass die experimentelle Phase dieser Therapiemodalität der SBAS beendet ist (Übersichten bei [12 - 16]. Leider gibt es für die oralen Applikatoren kaum Langzeitergebnisse zur Compliance. Pantin et al. [17] berichten besonders über die Nebenwirkungen der mandibulären Protrusionsschiene, die bei 132 Patienten über 5 Jahre zur Behandlung der SBAS eingesetzt wurde. 100 Patienten (76 %) trugen ihre Applikatoren für die Dauer von 31 ± 18 Monaten regelmäßig, während 32 (24 %) die Schienenbehandlung abgebrochen hatten. 107 Patienten (81 %) berichteten über meist geringe oder temporäre Nebenwirkungen, während 7,5 % die Behandlung wegen Schmerzen und Okklusionsveränderungen beendeten. Menn et al. [18] berichten über 70 % Compliance nach 3,4 Jahren Gebrauch einer mandibulären Protrusionsschiene in einer Serie von 29 Patienten. Die Autoren erreichten bei 70 % der Patienten, dass der AHI um mehr als 50 % und auf Werte unter 20 gesenkt werden konnte. Aus Kostengründen hat sich als neuer Trend das Konzept der „boil and bite” Applikatoren entwickelt: aus preiswertem thermolabilen Kunststoff wird nach Erwärmung im Wasserbad die Bissschiene am Patienten angepasst und dient als Provisorium zur Überprüfung des Therapieerfolges vor Anpassung eines vom Zahnarzt gefertigten oralen Applikators [19].

Chirurgie der Nase

Die Nachbeobachtungszeiten nach Nasenoperationen bei 80 Patienten aus sieben Arbeitsgruppen liegen zwischen einem und 44 Monaten. Die einzige Studie, welche Langzeitergebnisse über ein Jahr vorstellt, umfasst nur 6 Patienten [20]. Auffällig ist bereits bei den Kurzzeitresultaten, dass lediglich eine Studie eine signifikante Reduktion der Atmungsereignisse nach erfolgreicher Nasenoperation beschreibt [21]. Die anderen Arbeiten finden entweder eine nicht signifikante Reduktion [20, 22 - 24] oder gar eine Zunahme der Apnoen und Hypopnoen [25 - 27]. Aufgrund fehlender Daten kann die Erfolgsrate der Nasenchirurgie in der Behandlung der OSA noch nicht abgeschätzt werden. Es gibt noch kein Vorhersagekriterium für den Operationserfolg.

Adenotonsillektomie im Kindesalter wegen OSA

In mehreren Arbeiten wurde gezeigt, wie sich bei den meisten Kindern die obstruktiven Symptome infolge der Schlafapnoe nach der Adenotonsillektomie fast komplett zurückbilden. Bei einigen Kindern traten jedoch die obstruktiven Symptome nach Jahren wieder auf. Guilleminault [28] berichtet von rezidivierender OSA mit dem pubertären Wachstumsschub bei Adoleszenten, die im Kindesalter durch die Adenotonsillektomie einige Jahre ohne obstruktive Symptome waren. Er fand nach durchschnittlich 7,5 Jahren radiokephalometrische Abweichungen besonders im Raum hinter der Zunge (PAS) und am Unterkiefer als Gründe für das OSA-Rezidiv [28]. Deshalb sollte man Kinder nach erfolgreicher Adenotonsillektomie wegen OSA nicht aus den Augen verlieren, besonders wenn in der Familie Bissanomalien vorliegen, die oft erst in der Pubertät ihr volles Ausmaß erreichen.

UPPP

Sher et al. [29] haben in ihrer Metaanalyse bei nicht selektierten Patienten Kurzzeiterfolge nach UPPP um 50 % gefunden. Ein Problem von Langzeitstudien besteht in der Vergleichbarkeit der Schlafparameter über die Jahre, deren Erfassung sich mit der Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung immer wieder änderte. Dies zeigte sich auch bei der Auswertung von 292 Arbeiten über die UPPP, wobei 6 unkontrollierte Langzeitstudien über den Einsatz der UPPP bei Patienten mit OSA gefunden wurden. Diese Studien vergleichen die Kurzzeit- mit den Langzeitergebnissen bis zu zehn Jahren. Es ergeben sich Erfolgsquoten von 31 % bis 74 %, wobei unterschiedliche Kriterien benutzt werden. Diese Langzeiterfolgsraten liegen im Mittel damit bei den von Sher et al. [29] in ihrer Metaanalyse für Kurzzeitergebnisse angegebenen 52,6 %. Aus der Diversität der Daten lassen sich auch keine Kriterien für einen Operationserfolg voraussagen. Über Laser-assistierte Velumeingriffe [30] liegen zwar Langzeitergebnisse zur Therapie des primären Schnarchens, nicht jedoch zur Behandlung der OSA vor.

Maxillomandibuläre Umstellungsosteotomien

Zu den erfolgreichsten Operationsverfahren in der Therapie der OSA gehört die maxillomandibuläre Umstellungsosteotomie (MMO) mit einer mittelfristigen Erfolgsrate deutlich über 90 %. Nach sorgfältiger Diagnostik, u. a. mit Radiokephalometrie, wird die maxillomandibuläre Umstellungsosteotomie bei etwa 40 % der Patienten mit OSA auch als primäre Therapieform angesehen [31 - 33].

Tracheotomie

Partinen et al. [34] verglichen die Überlebenschancen von 198 Patienten mit OSA, von denen 71 mit einer Tracheotomie und die übrigen mit einer Gewichtsreduktion therapiert wurden. In einem Nachbeobachtungszeitraum von 5 Jahren ereigneten sich 14 Todesfälle, sämtlich in der konservativ therapierten Gruppe. Ledereich et al. [35] verglichen 30 dauertracheotomierte Patienten mit 71 Patienten, die eine andere Therapie erhalten hatten (UPPP, Tonsillektomie, Nasenoperationen oder atemstimulierende Medikamente). Der Beobachtungszeitraum betrug 5 Jahre. Über exzessive Tagesmüdigkeit klagten nach fünf Jahren 24 % der Tracheotomierten, aber 59 % der anders therapierten Patienten. Apnoephasen wurden bei 3 % der Tracheotomierten und bei 35 % der anderen Patienten registriert. 13 % der dauertracheotomierten Patienten gaben noch an zu schnarchen. In der Vergleichsgruppe waren es 58 %. Zusammenfassend lässt sich aus der Literatur schließen, dass die Tracheostomie nach bis zu 7,5 Jahren Kontrollzeit zu den wirkungsvollsten Behandlungsformen der OSA gehört.

Tab. 1Publizierte Langzeitergebnisse und wesentliche neue Trends auf dem Gebiet der Schlafapnoe Therapie Langzeitergebnis neue Trends konservativ Gewichtsreduktion ja nein Konditionierung nein nein Medikamente nein nein apparativ nächtliche Ventilationstherapie ja ja nasale Dilatatoren nein nein orale Hilfsmittel (ja) (ja) operativ Nase und NNH (ja) nein Gaumenmandeln (ja) nein weicher Gaumen ja ja Zunge nein ja Ober- und Unterkiefer (ja) nein Tracheotomie ja nein

Prof. Dr. W. Pirsig

Universitäts-HNO-Klinik Ulm Sektion Rhinologie und Rhonchopathien

Prittwitzstraße 43 89075 Ulm

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