Diabetologie und Stoffwechsel 2016; 11(01): 28-29
DOI: 10.1055/s-0036-1580100
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Referat – Sexuelle Dysfunktion oder Inkontinenz verringern Lebensqualität

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Publication Date:
02 March 2016 (online)

Hintergrund: Unter den Komplikationen eines Typ-1-Diabetes finden sich neben Erkrankungen des Auges, der Niere und den peripheren Nerven häufig auch urologische Beschwerden, wie sexuelle Dysfunktion oder Symptome des unteren Harntrakts (LUTS: lower urinary tract symptoms) sowie Harninkontinenz. Bisher liegen keine klaren Ergebnisse zur Frage vor, wie stark solche Komplikationen – auch unter Berücksichtigung anderer Beschwerden – die Lebensqualität von Männern und Frauen mit Typ-1-Diabetes beeinträchtigen. Dieser Frage gingen Jacobson et al. auf der Grundlage von Datenmaterial des zwischen 1983 und 1989 begonnenen „Diabetes Control and Complication Trial“ nach, dessen ursprünglich 1441 Teilnehmer mit Typ-1-Diabetes langfristig weiter untersucht wurden. 2008 begann in dieser Gruppe von Probanden die sogenannte UroEDIC, eine Untersuchung urologischer Komplikationen und der Lebensqualität. Hier nahmen 664 Männer und 580 Frauen mit einem Durchschnittsalter von etwa 51 Jahren und einer Krankheitsdauer von rund 30 Jahren teil.

Methoden: Mittels spezifischer standardisierter Fragebögen ermittelten die Autoren Symptome einer sexuellen Dysfunktion, LUTS und Harninkontinenz (letzteres nur bei Frauen). 31 % der Männer berichteten über Symptome einer erektilen Dysfunktion, weitere 15 % erhielten diesbezüglich eine Therapie; 26 % der Frauen gaben eine sexuelle Dysfunktion an. Über Beschwerden im Sinne von LUTS klagten 25 % der Männer und 22 % der Frauen, letztere litten zu 30 % an einer ausgeprägten Inkontinenz. Zur Beurteilung der Lebensqualität dienten der SF-36-Gesundheitsfragebogen, der EuroQol-5D (Beurteilung der Gesundheit) sowie der diabetesspezifische DQOL. In diesen Fragebögen zeigten sich für Frauen fast durchgehend niedrigere Ergebnisse. Auch psychiatrische Symptome wurden erfasst.

Ergebnisse: Wie sich herausstellte, gingen urologische Beschwerden bei Männern und Frauen mit deutlichen Einbußen der Lebensqualität einher: Männer mit einer erektilen Dysfunktion beispielsweise wiesen im Vergleich 3,01 × häufiger sehr niedrige Werte bei der Lebensqualität auf; für LUTS lag dieser Faktor bei 2,65. Für Frauen mit sexueller Dysfunktion oder Inkontinenz / LUTS galt ein 2,05 × bzw. 2,71 × so hohes Risiko für eine sehr geringe Lebensqualität wie für die Probandinnen ohne entsprechende Komplikationen.

An einer Depression waren bis 2008 insgesamt 19 % der Männer und ein Drittel der Frauen erkrankt. Die zuvor erhobenen Korrelationen von Lebensqualität und urologischen Beschwerden blieben jedoch unabhängig davon signifikant. Auch unter Berücksichtigung anderer Komplikationen des Diabetes blieben urologische Beschwerden ein wichtiger unabhängiger Prädiktor für eine eingeschränkte Lebensqualität sowie psychiatrische Symptome.

Folgerung: Typ-1-Diabetiker mit sexueller Dysfunktion oder anderen urologischen Beschwerden leiden gehäuft unter einer klinisch bedeutsam eingeschränkten Lebensqualität sowie psychiatrischen Symptomen – und zwar unabhängig von anderen Komplikationen des Diabetes oder einer bestehenden Depression, schlussfolgern die Autoren. Da es sich hier um sensible Themen handle, so die Autoren, sollten Ärzte durch gezielte Fragen urologische Beschwerden ansprechen, um ggf. eine geeignete Therapie in die Wege zu leiten.

Dr. Susanne Meinrenken, Bremen