physioscience 2016; 12(03): 132
DOI: 10.1055/s-0035-1567115
Buchbesprechung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gehirn und Moral

Contributor(s):
A. Schäfer
,
D. Zietz
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Publication History

Publication Date:
09 September 2016 (online)

Hochaktuell und spannend präsentiert

Der Titel „Gehirn und Moral“ lässt erstmal trockenen Lesestoff vermuten, jedoch ziehen die Autoren die Leser schnell in den Bann einer höchst spannenden Thematik. Diese wird in der Ausbildung eher wenig angesprochen, hat im Klinik- und Forschungsalltag jedoch weitreichende Folgen.

Jedes Buchkapitel beginnt mit einer Kasuistik, deren ethische Fragestellungen und Dilemmata im Anschluss intensiv, umfassend und verständlich besprochen werden. Da die Patientenbeispiele der täglichen klinischen Praxis entspringen, erkennen Therapeuten, Pflegekräfte und Ärzte mit Sicherheit den einen oder anderen ihrer Patienten in den Kasuistiken wieder.

Aha-Effekte kommen beim Lesen sehr häufig vor. In der Aufarbeitung der Kasuistiken unter dem Fokus Ethik verstehen es die Autoren hervorragend, aus der historischen Perspektive und mit philosophischen Hintergründen die Leser auch durch komplexe Zusammenhänge zu führen. So beinhaltet das Buch z. B. einen Abriss der Entwicklung von Ethik in der Medizin, geht den Konstrukten von Herz- und Hirntod nach, setzt sich mit Tierversuchen auseinander und verschweigt auch nicht die unethischen Entscheidungen und Entwicklungen, die auf dem Weg zu heutigen Ethikstandards zurückgelegt wurden.

Jedes Kapitel endet mit einer Schlussfolgerung, die den Kapitelinhalt zusammenfasst und gelegentlich Empfehlungen ausspricht. Vor allem regt die Schlussfolgerung zum Nachdenken an, da sich nicht alle ethischen Fragestellungen abschließend beantworten und beurteilen lassen. Es wird immer deutlich, dass die kontinuierliche Diskussion von ethischen Fragestellungen im therapeutischen Team notwendig ist und die Entwicklung von Ethikstandards auf Grund des technischen Fortschritts noch lange nicht abgeschlossen ist.

Die Autoren bieten den Lesern weiterführende Informationen. Diese sind als Boxen im Text integriert, können jedoch getrennt vom Text gelesen werden. Eine umfangreiche Linkliste komplettiert die zur Verfügung gestellten Informationen hervorragend.

Fazit: Den Autoren ist ein umfassendes und aktuelles Werk gelungen, das sich thematisch von alltäglichen klinischen Fragestellungen über Fragen zu Zufallsbefunden bei Forschungsarbeiten bis hin zu zukünftigen Technologien intensiv auseinandersetzt. Die Empfehlung an Therapeuten, Pflegekräfte und Ärzte, die im Bereich der Neurologie arbeiten oder Fachleute, die sich mit dem Thema Ethik im klinischen Alltag beschäftigen wollen, lautet glasklar: Lesen, weiterempfehlen und mit Kollegen diskutieren!

Prof. Dörte Zietz, Bochum