Zentralbl Chir 2014; 139(4): 384-385
DOI: 10.1055/s-0034-1382888
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das (Gastro-)Intestinum (Reflexionen zu Heft 4/2014 – Editorial)

(Gastro-)Intestinal Tract (Reflections to Issue 4/2014 – Editorial)
H. Lippert
,
F. Meyer
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Publication History

Publication Date:
13 August 2014 (online)

Heft 4 ist jährlich die Ausgabe zur Herbsttagung der DGAV, gemeinsam mit der Jahrestagung der DGVS – in diesem Jahr ist sie dem „(Gastro-)Intestinum“ (außer Appendix & kolorektal) mit OP-pflichtigen Erkrankungen gewidmet, einem ureigenen Feld des Viszeralchirurgen, nachdem zahlreiche andere assoziierte Organe/Organsysteme („Leber“, „Pankreas“, „oberer GI-Trakt“, „Hepatobiliäre Chirurgie“) bereits erst jüngst thematisch in den Vordergrund gerückt worden waren. Bereits im Vorjahr waren Artikelthemen diesem Problemkreis gewidmet, wie die eruierte Manuskriptzahl von immerhin 15 (!), 17 (+ zwei Themen des oberen GI-Trakts) oder 20 (incl. Artikel zu Appendix und oberer GI-Trakt) je nach Einbeziehung angrenzender Segmente des GI-Trakts ausweist (beispielhaft: [1], [2], [3], [4]) – bei allein 7 außergewöhnlichen und berichtenswerten Fallkonstellationen (z. B. [1]). So war es hinreichend an der Zeit, diese Thematik als eigenes Heftmotto zu wählen. Dabei wird hier tatsächlich ein breites Themenspektrum bedient, das von Hiatushernie über Registerdaten der Hohlorganverletzung bis zur Clostridium-difficile-Infektion reicht.

Neben den Titelthemen „Immunmodulatorische Aspekte beim postoperativen Ileus“, „konfokale Endomikroskopie“ und „Barrett-Neoplasie“ (s. u.) wurde „Hereditäre Syndrome neuroendokriner Tumore“ als online-verfügbarer Artikel festgelegt.

Nicht zuletzt veranlasst das Heftthema auch zu interdisziplinären Betrachtungen [5], wie auch in den folgenden Kurzbetrachtungen der Übersichtsarbeiten (und sich anschließenden Originalarbeiten) ersichtlich – z. B.:

  • Krugmann et al. (Bayreuth – Gruppe M. Vieth/Erlangen) warfen bereits in ihrem Anschreiben auf, dass „gerade das Thema Barrett sehr emotional diskutiert wird. Insbesondere ist klinisch nicht klar, warum es so oft Diskrepanzen unter den Pathologen bez. der Graduierung der Barrett-Neoplasie gibt“ bei „bis heute keiner weltweit einheitlichen Definition“ (z. B.: Abgrenzung einer niedrig- von einer hochgradigen Dysplasie/intraepithelialen Neoplasie!), weshalb morphologische Hilfestellungen inkl. endoskopischer Diagnostik und aktueller Biomarker der Barrett-Schleimhaut gegeben werden.

  • Koch et al. (Linz, Mönchengladbach, Zell am See) mit dem Thema „Diagnose und chirurgische Therapie der Hiatushernie“ stellten fast wörtlich fest: „Bis dato lässt sich kein eindeutiges Urteil in Bezug auf die ideale Versorgung der Hiatushernie mit oder ohne Netz, welches Netz und welche Form fällen“ (weitere Langzeitstudien erforderlich) – „die Entscheidung sollte nach dem intraoperativen Befund und nicht nach der präoperativ bestimmten Größe getroffen werden“.

  • Selgrad et al. (Magdeburg) aus einer der bekannten „Helicobacter-pylori“-Forschergruppen erörterten „die Bedeutung für die klinische Medizin, insbesondere auch die Chirurgie“ – So konnte vor allem mit der Eradikation von H. pylori der ätiologische Therapie- wie auch Präventivansatz der Erkrankungen chronische Gastritis, peptische Ulkuskrankheit, MALT-Lymphom und Magenkarzinom „krankheits-, befund- und stadienadaptiert“ bzw. manifestationsspezifisch entwickelt und die Rolle der Chirurgie neu definiert werden.

  • Zur „Mittleren GI-Blutung“ (MGI) schrieb May (Wiesbaden): Während bei chronischer MGI sich die Kapselendoskopie als Screeningverfahren empfiehlt, ist bei der akuten MGI die flexible Enteroskopie zu bevorzugen (5 nicht chirurgische flexible Enteroskopietetechniken existent – Doppelballonenteroskopie [DBE] dominierend), da hohe diagnostische Ausbeute und endoskopische Therapieoption gegeben sind – ausweichend haben CT-Angiografie (Diagnostik) und konventionelle Angiografie mit Embolisation (Therapie) ihren Stellenwert, wohingegen

  • Glaser (Fulda) zu „Gastrointestinalen Blutungen im fortgeschrittenen Lebensalter“ umriss, dass auch in fortgeschrittenem Alter die Blutungsquelle (getriggert durch zunehmendes Alter und NSAR-Begleitmedikation) meist endoskopisch diagnostiziert und therapiert wird – bei Blutungsrezidiven oder kontinuierlichem Blutverlust sollten gerade im Alter und bei Multimorbidität zeitgerecht eine transarterielle Embolisation oder eine Operation erfolgen.

  • Hörsch et al. (Bad Berka) zu „Hereditären Syndromen neuroendokriner Tumore“: Neuroendokrine Zellen (größte Population endokrin aktiver Zellen) können als neuroendokrine Tumoren (NET) maligne entarten, vorwiegend sporadisch mit engem Zusammenhang zwischen hereditären (Syndrome wie multipel endokrine Neoplasien) und sporadischen neuroendokrinen Tumoren. Zur Erkennung ist die Kenntnis von prädisponierenden und Leit-Syndromen wichtig für die individuelle Diagnosestellung und Therapieplanung wie auch Vorsorge bei erstgradig Verwandten.

  • Goetz et al. (Mainz): Die konfokale Endomikroskopie als „molekulare Bildgebung“ und „Verbindung von klinischer Diagnostik mit translationaler Wissenschaft“ erlaubt, die Schleimhaut in deren natürlicher Umgebung mikroskopisch unter Applikation geeigneter Fluoreszenzfarbstoffe artefaktarm zu untersuchen – Indikation: Entzündliche und (prä-)neoplastische Läsionen im oberen/unteren GI-Trakt, Gallengang, Pankreas und in der Leber.

  • Kalff et al. (Bonn): Der postoperative Ileus (POI), definiert als vorübergehender Stillstand oder Hemmung der koordinierten Darmperistaltik nach operativen Eingriffen multifaktorieller Pathogenese (durch inhibitorische neuronale Reflexbögen, Gabe von Opioiden oder immunologisch), welcher eine ausreichende Passage des Darminhaltes bzw. die Toleranz der oralen Nahrungsaufnahme verhindert, ist verbunden mit

    • einem Anstieg der perioperativen Morbidität,

    • einer Verlängerung der Krankenhausverweildauer und

    • einer Erhöhung der Kosten.

Als neuer, zu Prokinetika alternativer Therapieansatz gilt die Immunmodulation der durch das chirurgische Trauma aktivierten residenten Makrophagen der Tunica muscularis mit ihren freigesetzten proinflammatorischen Mediatoren und folgenden Ausbreitung der Entzündung auf den gesamten GI-Trakt.

In weiteren nunmehr Originalarbeiten beschrieben z. B.

  • Heuer et al. (Essen) zur „Inzidenz von Hohlorganverletzungen“ aus dem Traumaregister, dass Hohlorganverletzungen beim schwerstverletzten Patienten an großen Gruppen bisher nur unzureichend untersucht wurden. Patienten mit führender Hohlorganverletzung (Grad IV und V) zeigten dabei eine signifikant erhöhte Letalität. „Mit zunehmendem Grad der Hohlorganverletzung stieg auch die Gesamtverletzungsschwere (ISS) an. Die Verletzung der Hohlorgane stellte aber keinen zusätzlichen Risikofaktor dar und führte nicht zu einer Steigerung der zu erwartenden Letalität nach ‚Revised Injury Severity Classification Score‘ (RISC-Score).“

  • Loh et al. (Berlin) behandeln das Meckel-Divertikel (MD), das als häufigste angeborene Fehlbildung des GI-Traktes besonders bedeutsam für den Viszeralchirurgen ist. Die Resektion des asymptomatischen MD – kann empfohlen werden, wenn keine Kontraindikationen wie

    • Peritonitis,

    • Lebenszeit beschränkende Tumorerkrankung,

    • Aszites oder

    • Immunsuppression

bestehen – zeigte tendenziell seltener postoperative Komplikationen als bei symptomatischen MD, bei denen wiederum ektopes Gewebe signifikant häufiger vorkommt (vor allem wenn blutend). Bei unklarer GI-Blutung ist ein MD ursächlich zu erwägen.

  • Lübbert et al. (Leipzig) führen zu Clostridium-difficile-Infektionen (CDI) an, dass toxinbildende Stämme weltweit die häufigsten Erreger von antibiotikaassoziierten Darmerkrankungen und nosokomialer Diarrhö darstellen mit kontinuierlichem Inzidenzanstieg in den letzten 10 Jahren aufgrund der Antibiotikaeinnahme als Hauptrisikofaktor. Fidaxomicin-Einführung (Verbesserung der konservativen Therapie) und Stuhltransplantation von gesunden Spendern (effektiver als Antibiotika, jedoch bisher ohne Alltagsrelevanz) stehen dem chirurgisch-operativen Ansatz (ausbleibender Therapieerfolg; möglichst kolonerhaltend/-sparend) gegenüber.

  • Vetter-Kauczok et al. (Aachen) beschließen mit der lesenswerten historischen Reminiszenz an Alfred Gütgemann (1907–1985) – im Artikel genannter „Pionier, strafrechtlich genehmigt!“, dem ersten Lebertransplanteur der Bundesrepublik Deutschland das Heft, dem sich onlinebasierte Kongressberichte mit zunehmend gehaltvolleren, da akzentuierteren inhaltlichen Zusammenfassungen und Wiedergaben autorenseitiger Wertungen anschließen (Aufführung im hefteigenen Inhaltsverzeichnis).

Autoren, Editoren und Verlag würden sich freuen, wenn die behandelten Artikelthemen ebenso reger Diskussionsgegenstand neben den Leitthemen der Partnerkongresse von DGAV und DGVS im September 2014 werden, denen dieses Heft gewidmet ist.

H. Lippert et F. Meyer

 
  • Literatur

  • 1 Balgon S, Wex C, Rapp L et al. Dünndarmvolvulus – diagnostisches und therapeutisches Management einer chirurgischen Rarität des akuten Abdomens im Erwachsenenalter mit befundspezifischer moderner Bildgebung per impressiver CT-basierter Videosequenz. Zentralbl Chir 2013; 138: 313-316
  • 2 Feisthammel J, Jonas S, Mössner J et al. Endoskopische Therapieoptionen für Perforationen und Insuffizienzen des Gastrointestinaltrakts. Zentralbl Chir 2013; 138: 295-300
  • 3 Henne-Bruns D, Kramer K. Inzidenz, Risikofaktoren und Prävention der intestinalen Nahtinsuffizienz. Zentralbl Chir 2013; 138: 301-306
  • 4 Lieske B, Keller E, Scheidbach H. Versorgung enteroatmosphärischer Fisteln im Rahmen von Vakuumversiegelungen beim offenen Abdomen. Zentralbl Chir 2013; 138: 307-308
  • 5 Krause H, Heiduk M, Wachowiak R et al. Altersabhängige Viszeralmedizin: pädiatrische Viszeralmedizin – viszeralmedizinische Pädiatrie – Überlegungen zum Kurzdarmsyndrom im Kindesalter. Zentralbl Chir 2013; 138: 463-470