Psychiatr Prax 2011; 38(05): 259
DOI: 10.1055/s-0031-1283089
Szene
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gugging – Andere Geschichten über eine andere Einrichtung

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Publication Date:
01 July 2011 (online)

 

In dem im März 2010 im Auftrag der niederösterreichischen Landeskliniken-Holding fertig gestellten Dokumentarfilm erinnern sich ehemalige Patientinnen und Patienten des psychiatrischen Krankenhauses Maria Gugging sowie ihre damaligen Betreuungspersonen an ihren Lebensalltag in dieser Institution.

Die Klinik wurde bereits 1885 als "Irrenanstalt Kierling-Gugging" gegründet. Der niederösterreichische Reformpsychiater Alois Marksteiner (1928–2000), der von 1975–1994 die Landesnervenklinik Gugging leitete, beschreibt die dortigen Zustände zur Mitte der 70er-Jahre folgendermaßen: "Das abgewohnte Krankenhaus war mit 1000 Patienten extrem überbelegt. Auf den Stationen lebte eine homogene Mischung von Neuaufnahmen mit Langzeitpatienten aller Alters-, Diagnose-, Gefährdungs- und Behinderungsgrade auf engstem Raum zusammengepfercht Zusammengehalten wurde das Ganze durch verschlossene Türen und den Hospitalismus aller Beteiligten." Infolge der Psychiatriereform erfolgte schließlich eine Öffnung der Stationen, die Bettenanzahl wurde reduziert und umfassende Verbesserungen in der Behandlung und Betreuung der Patientinnen und Patienten wurden umgesetzt. Im Sinne des Reformgedankens der Gemeindenähe wurden in den letzten Jahren an mehreren Standorten in Niederösterreich moderne psychiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern errichtet, an denen jetzt eine regionale psychiatrische Versorgung erfolgt.

Die erfolgreiche Umsetzung dieser Reformschritte lieferte den Anlass dafür, einen Film zu produzieren, in dem Personen, deren Lebens- oder Arbeitsmittelpunkt über viele Jahre eine psychiatrische Klinik war, als Zeitzeugen über diese Vergangenheit berichten. Viele der im Film interviewten Langzeitpatientinnen und -patienten haben ja das Anstaltsleben besser kennen gelernt als die Welt draußen.

Peter Denk, der die Idee für das Filmprojekt hatte und Regie führte, war selber rund 20 Jahre an dieser Klinik tätig. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus dieser Zeit hat er das Drehbuch verfasst und umfangreiche Archivaufnahmen, die bis in die 70er-Jahre zurückreichen, aufbereitet.

Das Kernstück der Dokumentation bilden die Interviewszenen mit den Hauptdarstellern, den ehemaligen Patientinnen und Patienten, die heute größtenteils in betreuten Wohneinrichtungen leben. Sie wurden dort von Peter Denk und seinem Filmteam besucht und – nicht zuletzt dank der nach wie vor bestehenden persönlichen Beziehungen – ist es gelungen, dass sie mit ihren Erzählungen ein authentisches und gefühlsbetontes Bild eines nicht mehr existierenden Lebensraumes mit seiner Faszination und seinen Schattenseiten zeichnen. Die Erinnerungen reichen zurück bis in die frühen 70er-Jahre und spannen somit einen Bogen von der Zeit vor der Psychiatriereform bis zum Ende der psychiatrischen Versorgung an diesem Standort im Jahr 2007.

Eine erste Version des Films wurde den Mitwirkenden und vielen geladenen ehemaligen Gugginger Langzeitpatientinnen und -patienten präsentiert, bevor anschließend die eigentliche Premiere im April 2010 stattfand. Damit wurde nochmals das Kernmotiv für die Herstellung dieser Dokumentation deutlich gemacht: Es sollten jene Personen zur Sprache kommen, die lange Zeit ihres Lebens zumeist sprachlos in einer lebensfernen Institution verbracht haben. Der Film ist aber auch eine symbolische Verneigung vor all diesen Personen, die trotz der widrigen Lebensumstände ihre sehr persönlichen Lebensgeschichten gefunden haben und bereit sind, einiges davon mit uns zu teilen.

Die DVD kann in einer begrenzten Stückzahl online bestellt werden unter
barbara.weibold@holding.lknoe.at

Peter Denk, St. Pölten
E-Mail: Peter.Denk@holding.lknoe.at