Psychiatr Prax 2009; 36(5): 250-251
DOI: 10.1055/s-0029-1233428
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Psychoanalyse, Neurobiologie, Trauma

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Publication Date:
06 July 2009 (online)

 

Durch die moderne Technik mit immer differenzierteren Messmethoden und ausgereifteren bildgebenden Verfahren, rückte ein alter Traum Sigmund Freuds der Verwirklichung ein Stück näher. Seine Hoffnung war es, dass es möglich werden könnte, klare Zusammenhänge zwischen psychoanalytischen und naturwissenschaftlichen Prozessen zu entdecken.

Das vorliegende Buch stellt nun die neuesten Erkenntnisse im Dialog zwischen Psychoanalyse und Neurobiologie, bezogen auf das Thema des Traumas, vor. Das Psychotrauma wurde als Fokus der Forschung ausgewählt, da Traumatisierungen in erster Linie stärkere neurobiologische Effekte zeigen als Depressionen oder andere psychische Phänomene, wodurch sie gerade den bildgebenden Verfahren besser zugänglich sind.

Die Beiträge in diesem Buch wurden aus Vorträgen renommierter Experten auf der internationalen und interdisziplinären Expertenkonferenz im Hansewissenschaftskolleg Bremen im Februar 2006 zusammengestellt und beleuchten die Brücke, die zwischen den beiden Fachdisziplinen entsteht, von ganz unterschiedlichen Blickwinkeln.

Das Buch ist gegliedert in eine Einführung in die psychoanalytische sowie die neurobiologische Traumaforschung, die jeweils in mehrere Unterkapitel unterteilt ist, und schließt mit einem Ausblick über klinische, konzeptuelle und wissenschaftstheoretische Überlegungen. Die unterschiedlichen Themenbereiche werden einerseits anhand spezifischer Krankheitsbilder wie dem Korsakow-Syndrom, der multiplen Persönlichkeitsstörung und der Borderline-Persönlichkeitsstörung, angereichert durch Fallbeispiele, abgehandelt. Andererseits werden sie durch die Erklärung neuronaler Grundlagen von z.B. Stress, Emotion und Gedächtnis - immer bezogen auf den Brennpunkt Trauma - dargestellt.

Da jedes Kapitel von einem anderen Autorenteam verfasst wurde, muss sich der Leser sehr oft auf einen neuen Schreibstil einstellen, was zuweilen den Lesefluss hemmt und eine gewisse Flexibilität verlangt. Die Vermittlung von viel Inhalt ohne schmückendes Beiwerk auf relativ beschränktem Raum, setzt einige Kenntnisse sowohl in der Psychoanalyse als auch in der Neurobiologie voraus, sodass dies sicher kein geeignetes Buch für Anfänger oder nur mal zum "hineinschnuppern" ist. Wer sich jedoch schon mit der Traumaforschung auseinandergesetzt hat, wird nicht enttäuscht. Dadurch, dass viele Bereiche - mit einem besonderen Gewicht auf der Rolle der Bindung in der neurobiologischen Traumaforschung - gestreift werden, wird ein Einblick in die Vielfalt und den Fortschritt der gegenwärtigen Forschungsprojekte gewährt. In gleichem Maße werden jedoch auch die derzeitigen Grenzen und das, was in der Zukunft noch geleistet werden könnte, deutlich. Eine besondere Faszination geht davon aus, dass der früher erbitterte Kampf zwischen den beiden Disziplinen einem "Miteinander" gewichen ist. Es werden sowohl hirnorganische Schädigungen bei traumatisierten Patienten benannt als auch psychoanalytische Behandlungsmethoden von hirngeschädigten Patienten aufgezeigt. Insgesamt eröffnet das Buch dem Leser eine neue Dimension für das Verständnis von psychischen Traumata und damit auch neue Möglichkeiten der Bearbeitung und Behandlung derselben.

Susanne Bachthaler, Ravensburg

Email: susanne.bachthaler@zfp-zentrum.de

Leuzinger-Bohleber M, Roth G, Buchheim A. Psychoanalyse, Neurobiologie, Trauma. Stuttgart: Schattauer, 2008, 39,95 €, ISBN: 978-3-7945-2547-8

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