Notfall & Hausarztmedizin 2008; 34(12): 575
DOI: 10.1055/s-0029-1202131
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Sesam öffne dich – Studie gibt Einblick in Praxisalltag

Hagen Sandholzer
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Publication Date:
19 January 2009 (online)

In dieser Ausgabe finden Sie Artikel von praktizierenden Ärzten, die – zusammen mit vielen anderen Kollegen – die Datenbasis für die Sächsische Epidemiologische Studie in der Allgemeinmedizin (SESAM) zusammengetragen haben. An der Studie beteiligten sich 209 in Sachsen und Thüringen niedergelassene Hausärzte, die die Daten von 8877 Patienten erfassten. Notiert wurden Beratungsanlass, Beratungsergebnisse und Verordnungen. Die SESAM-Studie ermittelte, wie die tägliche Praxis in Hausarztpraxen tatsächlich mit den in Lehrbüchern und Leitlinien vermittelten Differenzialdiagnosen und Versorgungsformen übereinstimmt. Zudem wurde untersucht, inwieweit das Klassifikationsschema ICD 10 in der ambulanten Medizin angemessen ist. Ziel der Studie ist, die Datenbasis sinnvoll dafür einzusetzen, das eigene Arbeitsgebiet zu überdenken, im Gegensatz zur gedankenlosen Weitergabe von Praxisdaten, wie es leider häufig vorkommt.

So widmet sich Dipl.-med. Rosemarie Wockenfuß der Frage, was es mit der ICD 10-Kodierung auf sich hat und ob das Klassifikationsschema in der ambulanten Medizin angemessen ist. Dr. Roger Voigt untersucht in seinem Beitrag die Differenzialdiagnose von Fieber in der hausärztlichen Sprechstunde. Dabei sind Syphilis, Malaria und Co. – in der ärztlichen Medienkultur zelebriert – hier kaum anzutreffen. Welche abwendbar gefährlichen Verläufe außer Acht zu lassen sträflicher Leichtsinn wäre, können Sie hier lesen. Husten tritt vor allem in der kalten Jahreszeit auf. Die große Bandbreite der Differenzialdiagnosen aus Lehrbüchern wird in der Sprechstunde jedoch nicht bestätigt. Worauf Sie aber unbedingt achten sollten, erläutert Thomas Frese in seinem Beitrag. Rückenschmerz ist für Patienten und Ärzte ein alltagsbestimmendes Problem. Immer wieder wird jedoch Kollegen vorgeworfen, sie hätten diese oder jene Rarität unbedingt erkennen müssen – aus einer „ex post Perspektive“. Dass gefährliche, außerhalb der Wirbelsäule liegende Krankheiten extrem selten in der Hausarztpraxis sind, legen Erik Bodendieck und Mitarbeiter dar. Auch Brustschmerz ist ein regelmäßiger Beratungsanlass in der allgemeinmedizinischen Sprechstunde. Inzwischen wird er von Patienten und Ärzten vorwiegend mit kardiovaskulären Erkrankungen assoziiert, meist sind die Ursachen allerdings muskuloskeletaler Genese. Dennoch ist Brustschmerz immer ernst zu nehmen, wie Thomas Frese beschreibt. Bei Harnwegsbeschwerden hat es der Hausarzt meist mit unkomplizierten Harnwegsinfekten zu tun. Thomas Frese zeigt, dass die Aufgabe des Allgemeinmediziners hauptsächlich in der Differenzierung zwischen einfachen und komplizierten Harnwegsinfekten besteht.

Es wird viel gesprochen von Forschung in der Allgemeinmedizin und dabei vergessen, dass enorme Papiermengen inzwischen von jenen produziert werden, die die Alltagsbedingungen in der hausärztlichen Sprechstunde nicht kennen. In Sachsen haben etliche Kolleginnen und Kollegen kontinuierlich dazu beigetragen, das eigene Arbeitsgebiet zu reflektieren. Ihr Engagement verdeutlicht, dass auch der praktizierende Hausarzt eine hoch wissenschaftliche Tätigkeit im Dienste seiner Patienten ausübt.

Allen an der SESAM-Studie beteiligten Kollegen, die hier genannt werden, danke ich sehr herzlich:

Abb. 1

Prof. Dr. med. Hagen Sandholzer

Leipzig

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