Psychiatr Prax 2008; 35(7): 365
DOI: 10.1055/s-0028-1100473
Serie ˙ Szene ˙ Media Screen
Media Screen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Psychiatrische Innenwelten

Further Information

Publication History

Publication Date:
20 October 2008 (online)

 

E. Mader, klinischer Psychologe in einem Psychiatriespital Berlins, schreibt diese 30 "Einblicke in die Welt der verletzten Seelen" aus seiner Begegnung mit Psychiatriepatienten. Der Haupttitel "Fenster nach innen" sagt mehr als vielleicht beabsichtigt: auch der Autor, wiewohl kritisch distanziert von der etablierten Psychiatrie seiner Region, sieht den anderen, die andere durch die Fensterscheiben, gar Vorhänge der Fenster ins dunkle Innere der Menschen hinter den Scheiben, die ja auch den Einblickenden spiegeln - so entstehen da und dort Bilder des anderen, verschmolzen mit dem Schauenden selbst, eine Geste, ein Wort, oft ein Schrei, manchmal direkt, oft verzerrt, umgestaltet in rätselhafte Äußerungen. Der Autor ließ sich davon berühren, mehr: betreffen, sosehr, dass er mit seinen Texten den Leser trifft. Die skizzenartigen Texte sind gebaut aus Beobachtetem, Gehörtem, in der Krankenakte Gelesenem, aus Anamnesebruchstücken, Selbstdarstellungen, verbalen Mitteilungen - aus all dem nährt sich die Produktion des Autors mittels seiner empathisch angeregten Fantasie. Entstanden ist so ein "einzigartiges Buch", wie der Vorworttexter zweimal betont. Dies sollte allerdings nicht im Sinne einer hohen Wertung verstanden werden, sondern das idiosynkratisch Eigene dieser Texte, das Ungewöhnliche (bei Ausblendung anderer Versuche ähnlicher Art), das Seltsame betonen, was da ein Autor aus den Psychoberufen mit journalistisch-literarischer Ambition aus der Betroffenheit in seinen Begegnungen schuf: Sprachgestalten, oft ernst und engagiert, manchmal salopp und sprunghaft, fragmentarisch, manches kafkaesk gestaltet. Aber aus allem ist hörbar der Schrei, auch wenn er stumm bleibt, nur in verzerrter Gestalt, verborgen, verbogen, in Grimassen und vielen Gestalten verstellt vernehmbar ist. Es ist der Schrei der Lebensnot der Menschen, der Patienten sowohl wie der Psychiater, die hilflos sich in Institutionen und ihren kognitiven und emotionalen Abwehrstrategien verschanzen - mit vielen wertvollen Ausnahmen (das sollte auch betont werden).

Christian Scharfetter, Zürich

Email: chschask@bli.unizh.ch

Mader E. Fenster nach innen. Einblicke in die Welt der verletzten Seelen. Baltmannsweiler. Schneider Verlag, 2007; € 18,-. ISBN: 3834002798

    >