Psychiatr Prax 2008; 35(7): 361-364
DOI: 10.1055/s-0028-1100471
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Aktuelle Probleme der ambulanten psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung - zur Rolle der PIA

Andreas Spengler
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20 October 2008 (online)

 

Ein zentrales Vorhaben der Enquete, die Schaffung leistungsfähiger ambulanter Angebote am psychiatrischen Krankenhaus, ist den Kinderschuhen entwachsen und etablierte Versorgungsrealität. Drei Jahrzehnte später drohen die Psychiatrischen Institutsambulanzen (PIA) in den Sog von Ökonomisierung, Rationierung und Verteilungskämpfen zu kommen. Sind Aufbruchstimmung und Reformwille der Psychiatrieenquete 1975 und ihre Weiterentwicklung vergessen? Wir geben eine Standortbestimmung zur Rolle der PIA und gehen auf aktuelle Debatten ein.

Wir haben allen Grund, die PIA als unverzichtbaren Eckpfeiler psychiatrischer Versorgung anzusehen, ohne den viele psychisch Kranke nicht ausreichend versorgt werden könnten.

PIA machen heute das einzige ambulante psychiatrische Versorgungsangebot, in dem schwer chronisch Kranke mit ungünstigen Risiken bedarfsangemessen, mit genauer Diagnostik, genügend Therapiezeit, multiprofessioneller Unterstützung, adäquater Medikation, aufsuchend und unter Einbeziehung ihres Umfeldes versorgt werden können. Es geht insbesondere um Patienten mit schizophrenen und affektiven Psychosen, Persönlichkeitsstörungen, gerontopsychiatrischen und komplexen Suchtleiden, besonders auch um Kinder und Jugendliche. Eine Selektion zuungunsten schwierig zu versorgender komplex erkrankter Patienten kann in PIA weitgehend vermieden werden.

Die PIA-Arbeitsgruppen der Bundesdirektorenkonferenz (BDK), der Abteilungspsychiatrien (ACKPA) und der Kinder- und Jugendpsychiater haben die Aufbauarbeit der PIA der letzten 25 Jahre mit den Trägern gemeinsam erfolgreich gestaltet [1], [2], [3], [4] und die PIA bedarfsgerecht und leistungsfähig ausgebaut. PIA erreichen nicht nur ihre Zielgruppen, im case-mix auch extrem schwierige Patienten und sogenannte "heavy user". Sie arbeiten auch effektiv. Die kumulative Inanspruchnahme stationärer Betten und der Gesamtkosten kann nach Köster [5] signifikant reduziert werden. Dies ist ein Kernstück guter Sozialpsychiatrie und erfolgreicher Psychiatriereform.

In den meisten Bundesländern und Regionen haben PIA

eine vernünftige Vertragsbasis mit den Krankenkassen, ein gutes Miteinander mit den Nervenärzten vor Ort, eine gute Integration innerhalb der Krankenhäuser und Abteilungen und sehr gute Vernetzung mit dem Umfeld.

Literatur

  • 01 Spengler A . Hrsg. Institutsambulanzen in der psychiatrischen Versorgung. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1991. 
  • 02 Spengler A . Thematische Einführung. Tagungsdokumentation: Ambulante Versorgung am psychiatrischen Krankenhaus. AG Institutsambulanzen der Bundesdirektorenkonferenz. Nds. Landeskrankenhaus Wunstorf, 9.-10.11.2007; http://wunstorf.krh.eu/index.php?option=com_content&task=view&id=58&Itemid=1
  • 03 Spengler A . Lorenzen H . Egetmeyer A . Institutsambulanzen an psychiatrischen Abteilungen - eine Übersicht zur neuen Gesetzes- und Vertragslage.  Spektrum der Psychiatrie und Nervenheilkunde. 2001;  4 79-84
  • 04 Spengler A . Psychiatrische Institutsambulanzen - ein Überblick. In: Mitteilungen der DGPPN.  Nervenarzt. 2003;  5 476-478
  • 05 Köster M . Psychiatrische Institutsambulanzen in Baden-Württemberg. Dissertation, Tübingen 2005. 
  • 06 "Arbeitshilfe für die Umsetzung der Vereinbarung über Psychiatrische Institutsambulanzen gem. §118 Abs.2 SGB V des Kompetenzzentrums für Psychiatrie und Psychotherapie der MDK Mecklenburg-Vorpommern und Bayern, München, April 2001". 
  • 07 Hübner J . Lorenzen H . Spengler A . et al . Kritischer Kommentar zur "Arbeitshilfe für die Umsetzung der Vereinbarung über Psychiatrische Institutsambulanzen" Nervenarzt 2002; 73: 383-385 - Psycho 1/2002 39-41. 
  • 08 Gesundheitsministerkonferenz der Länder, Hrsg. Psychiatrie in Deutschland. Strukturen, Leistung, Perspektiven. Tabellenanhang. 2007. 
  • 09 Melchinger H . Strukturfragen der ambulanten psychiatrischen Versorgung unter besonderer Berücksichtigung von Psychiatrischen Institutsambulanzen und der sozialpsychiatrischen Versorgung außerhalb der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung. Expertise im Auftrage der KBV. Hannover, 2008. 
  • 10 Melchinger H . Rössler W . Machleidt W . Ausgaben in der psychiatrischen Versorgung. Ist die Verteilung der Ressourcen am Bedarf orientiert?.  Nervenarzt. 2006;  77 73-80
  • 11 Spengler A . Psychiatrische Institutsambulanzen. Funktionierende integrierte Versorgung.  Dt Ärztebl. 2004;  101 (12) A 767
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