Laryngorhinootologie 2024; 103(05): 333-334
DOI: 10.1055/a-2210-6279
Referiert und Diskutiert

Kommentar zu „Weltweite Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen: Wie ist der Stand?“

Contributor(s):
Hendrik Bracht

*** Die ständig zunehmenden Antibiotikaresistenzen sind eine globale Bedrohung. Mit mehr als 1,2 Millionen Todesfällen, die 2019 direkt auf Infektionen mit resistenten Bakterien zurückzuführen waren, gilt die Wirksamkeit antimikrobieller Substanzen mittlerweile als ein globales öffentliches Gut, das es bestmöglich zu schützen gilt (Aussage World Bank).

Sowohl globales Handeln als auch gezielte nationale Reaktionen sind gefragt, um die Menschen vor übermäßigem Gebrauch von Antibiotika, Missbrauch von Antibiotika für nicht infektiologische Indikationen und der daraus resultierenden Resistenzentwicklung zu schützen. Antimikrobielle Resistenz ist jedoch ein komplexer Prozess, der auf vielen unterschiedlichen Ebenen stattfindet. Interventionen müssen über adäquat ausgestaltete Pläne koordiniert werden, die von einem politischen Rahmen (Governance) unterstützt werden.

2015 hat die WHO z. B. den Globalen Aktionsplan (GAP) zur Antibiotikaresistenz gebilligt, der die Länder ausdrücklich auffordert, nationale Aktionspläne (NAPs) zu entwickeln, Prioritäten zu identifizieren, Ressourcen für die NAP-Umsetzung zuzuweisen und nationale und lokale Governance-Regelungen festzulegen.

Im vorliegenden Artikel haben Patel et al. Governance-Scores für 114 Länder auf der Grundlage eines Governance-Rahmens für antimikrobielle Resistenz entwickelt und gemessen. Die Analyse von Tausenden von Datenpunkten aus den nationalen Aktionsplänen und anderen relevanten Quellen führte zu einem gründlichen, aber auch sehr heterogenen Überblick.

Die weltweiten Bemühungen, die Resistenzentwicklung zu bremsen, lagen auf einer Skala von 0–100 durchschnittlich bei 51 und variierten sehr stark. Es gab drei Bereiche, die bewertet wurden: Überwachung und Evaluation, Politik und Instrumente zur Umsetzung. Überwachung und Evaluierung erzielte im Schnitt niedrigste Werte. Im Bereich der Überwachung und Bewertung erzielten z. B. Feedback-Mechanismen und die Finanzierung von nationalen Aktionsplänen die niedrigsten Werte, obwohl sie entscheidende Komponenten der Best-Practice-Leitlinien der WHO zur Umsetzung von nationalen Aktionsplänen sind.

Eine nachhaltige und langfristige Reaktion auf die Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen ist das Hauptziel der nationalen Aktionspläne. In Anbetracht sowohl der niedrigen Punktzahlen für Überwachung und Bewertung als auch der Tatsache, dass die Indikatoren mit der niedrigsten Punktzahl im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit und Rechenschaftspflicht standen, muss die Umsetzung der nationalen Aktionspläne global eindeutig verbessert werden.

Dies zeigt, dass die Erstellung eines nationalen Aktionsplans nicht nur eine politische Absicht darstellen darf, sondern die Themengebiete Rechenschaftspflicht, Nachhaltigkeit sowie Überwachungs- und Bewertungsmechanismen zwingend vorgeschrieben werden müssen.

Die uneinheitliche Speicherung von Informationen aus öffentlichen Quellen verursacht häufig Schwierigkeiten bei der Bewertung der einzelnen Komponenten, was auch zur Unterschätzung des Erfüllungsgrads führen kann. Allerdings sollten andere Kriterien zur Bewertung der Wirksamkeit eines NAP und Gründe für eine unangemessene Verwendung, wie z. B. der Umgang mit Interessenkonflikten bei Bildungsaktivitäten oder die Entwicklung von Leitlinien, berücksichtigt werden.

Die 2015 in Deutschland entwickelte „Deutsche Antibiotika Resistenz Strategie DART 2020“ stellt den nationalen Aktionsplan für Deutschland dar. Die Komponenten „One-Health-Ansatz stärken“, „Resistenz-Entwicklungen frühzeitig erkennen“, „Therapie-Optionen erhalten und verbessern“, „Infektionsketten frühzeitig unterbrechen und Infektionen vermeiden“, „Bewusstsein fördern und Kompetenzen stärken“ und „Forschung und Entwicklung unterstützen“ waren hier wesentliche Bestandteile. Allerdings stellt auch die Messbarkeit von Erfolgen weiterhin eine Herausforderung dar; so gibt es z. B. bis dato keine zentrale Erfassung von standardisierten Antibiotikaverbräuchen auf Intensivstationen, dem Ort in jedem Krankenhaus mit dem höchsten Antibiotika-Verbrauch und den meisten Infektionen mit multiresistenten Erregern.

Abschließend lässt sich sagen, dass das von Patel und Kollegen entwickelte Tool zur Bewertung der Governance im Bereich der antimikrobiellen Resistenz als wesentlicher Bestandteil des facettenreichen Länderansatzes integriert werden sollte. Gleichzeitig müssen verlässliche und leicht messbare Ergebnisindikatoren entwickelt und regelmäßig und unabhängig auf Länderebene gemessen werden, um sie mit anderen Ländern vergleichen zu können. Die hohe Varianz beim Erfüllungsgrad der einzelnen Komponenten demonstriert den Bedarf.

Ohne die Bewertung nationaler Bemühungen, Ergebnisindikatoren auf Länderebene und die Einrichtung eines globalen Kooperationsnetzwerks wird die Überwindung der unnötigen Belastung durch antimikrobielle Resistenzen zweifellos scheitern.



Publication History

Article published online:
02 May 2024

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