NOTARZT 2020; 36(02): 98-110
DOI: 10.1055/a-0807-4931
CME-Fortbildung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Tranexamsäure in den ersten Stunden der Traumaversorgung

Use of Tranexcamic Acid within the First Hours of Trauma Care
Stefan Hofer
,
Martin Wolber
,
Thorsten Brenner
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Publication Date:
08 April 2020 (online)

Zusammenfassung

In der klinischen Betrachtung wird die Tranexamsäure (TXA) von vielen Therapeuten als eine Art „Magic Bullet“ bei der präklinischen Behandlung von schwer blutenden Patienten gesehen. Obwohl durch Leitlinien angeraten, wird die generelle Verwendung der TXA im Rahmen des zeitlichen Aspekts der Applikation als auch im Zusammenhang mit speziellen traumaassoziierten Krankheitsbildern wie der traumainduzierten Koagulopathie (TIK) zunehmend kritisch diskutiert.

Abstract

The early use of tranexamic acid (TXA) has become more and more popular during the last couple of years. Some therapists even see it as a kind of “magic bullet” for preclinical treatment of massive hemorrhage. The primary goal is to use TXAʼs procoagulant characteristics by inhibition of the fibrinolytic system by intravenous administration of TXA (1 g), thus reducing the need of blood transfusion. Already on arrival in the emergency department, coagulation is limited in ⅓ of the patients, but most of them show a fibrinolysis shutdown, not a hyperfibrinolysis. Although recommended by guidelines, the general use of tranexamic acid in the context of the temporal aspect of the application, as well as in connection with special trauma-associated diseases, such as trauma-induced coagulopathy (TIC) is increasingly critically discussed. Viscoelastic testing procedures like thromboelastography or ROTEM become more and more important in diagnostics and seem to be a good option in acute care of patients with traumatic hemorrhage. This article tries to summarize the current state of knowledge and to sensitize emergency physicians in their therapy with TXA.

Kernaussagen
  • Neben dem Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist bei Schwerverletzten in den ersten Stunden nach dem Ereignis nach wie vor die Hämorrhagie die häufigste Todesursache.

  • Im Rahmen einer Gerinnungsstörung kann unterschieden werden zwischen

    • der akuten traumaassoziierten Koagulopathie durch Blutung,

    • der iatrogenen Koagulopathie durch Verdünnung und

    • der prothrombotischen sekundären Verbrauchskoagulopathie.

  • Faktoren, welche die Entgleisung des Gerinnungssystems weiter negativ beeinflussen, sind

    • die Größe des Gewebetraumas,

    • Schock und Hypoperfusion,

    • Hämodilution,

    • Hypothermie,

    • Azidose und

    • Imflammation.

  • Etwa ⅓ aller Polytraumatisierten weist bei Ankunft in der Notaufnahme eine Gerinnungsstörung auf, deren Schwere mit der Sterblichkeit korreliert. Doch nur ein geringer Teil hat eine Hyperfibrinolyse.

  • Nicht jeder Patient profitiert von Tranexamsäure (TXA). Der frühzeitige Einsatz von viskoelastischen Tests (VET) noch im Schockraum kann eine zügige Diagnosestellung ermöglichen.

  • Der Einsatz von TXA sollte innerhalb der ersten 3 h nach Trauma stattfinden – zunächst 1 g i. v. über 15 min und ggf. im Verlauf der nächsten 8 h eine weitere Dosis.

  • TXA kann stets nur einen Baustein der Gerinnungstherapie darstellen – fehlendes Fibrinogen sollte bei Werten < 1,5 g/l nach TXA-Gabe substituiert werden.

  • Nicht jeder Patient profitiert von der Gabe von TXA. Der präklinische Einsatz ist an die örtlichen und situativen Gegebenheiten anzupassen.