Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(4): 175
DOI: 10.1055/s-2006-943527
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Niereninsuffizienz und ihre Folgen

Winfried Fassbinder
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Publication Date:
17 May 2006 (online)

Auch in Zeiten zunehmender Spezialisierung sind fachübergreifende Kenntnisse wichtiger Behandlungsstandards von großer praktischer Bedeutung. Dies gilt insbesondere für die chronische Niereninsuffizienz, deren zahlreiche Folgeerkrankungen Auswirkungen auf nahezu alle anderen Organsysteme haben können und somit eine Vielzahl von medizinischen Teilgebieten betreffen.

Mäßige bis deutliche Einschränkungen der Nierenfunktion sind häufiger als allgemein angenommen. Daten von US-amerikanischen Krankenversicherungen (> 1,1 Mio. Personen mit einem mittleren Alter von 52 Lebensjahren) belegen, dass mehr als 18 % der amerikanischen Bevölkerung eine mäßig bis deutlich eingeschränkte Nierenfunktion aufweisen (glomeruläre Filtrationsrate < 60 ml/min).

Zur frühzeitigen Erfassung der eingeschränkten Nierenfunktion ist die alleinige Bestimmung der Serum-Kreatinin-Konzentration nicht ausreichend, da im so genannten „Kreatinin-blinden Bereich”, also bei einer Serum-Kreatinin-Konzentration unter 1,45 mg/dl beziehungsweise unter 130 μmol/l eine Absenkung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) bis auf etwa 50 % des Normalen vorkommen kann, ohne dass das Serum-Kreatinin auffällig erhöht wäre. Durch geeignete Formeln (Cockcroft-Gault oder MDRD-Formel) lässt sich jedoch auch im „Kreatinin-blinden Bereich” das Ausmaß der Einschränkung der GFR aus der Bestimmung der Serum-Kreatinin-Konzentration berechnen (eGFR).

Die [Abbildung] zeigt eine neue Stadieneinteilung der chronischen Niereninsuffizienz, die eine frühzeitigere Erfassung der eingeschränkten Nierenfunktion ermöglicht. Es ist zu hoffen, dass durch das frühzeitige Erkennen der chronischen Niereninsuffizienz nicht nur die Progression der Erkrankung als solche, sondern insbesondere auch die kardiovaskulären Folgeerkrankungen durch adäquate Prävention verhindert oder zumindest in Ihrem Auftreten verzögert werden können.

Prof. Dr. med. Winfried Fassbinder

Fulda

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