Geburtshilfe Frauenheilkd 2005; 65(5): 474-481
DOI: 10.1055/s-2005-837615
Originalarbeit

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Analyse des Neugeborenenkollektivs der Jahre 1995 - 1997 der Bundesrepublik Deutschland

9. Mitteilung: Durchschnittliche Geburtsgewichte, Raten Neugeborener mit niedrigem und hohem Geburtsgewicht und Frühgeborenenraten unter Berücksichtigung der einzelnen Bundesländer in DeutschlandAnalysis of the German Perinatal Registry between 1995 - 19979th Communication: Average Birth Weight, Rates of Low and High Neonatal Birth Weight, and Rates of Preterm Delivery in the Different German Federal StatesM. Voigt1 , K. T. M. Schneider2 , R. Stillger3 , S. Pildner von Steinburg2 , C. Fusch1 , V. Hesse4
  • 1Abteilung Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
  • 2Abteilung Perinatalmedizin der Frauenklinik der Technischen Universität München
  • 3Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen
  • 4Deutsches Zentrum für Wachstum, Entwicklung und Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter, Berlin
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Publication History

Eingang Manuskript: 13.1.2005

Akzeptiert: 22.2.2005

Publication Date:
18 May 2005 (online)

Zusammenfassung

Am Gesamtmaterial der Einlingsgeburten Deutschlands im Zeitraum 1995 - 1997 wird die Variation des Geburtsgewichtes, der Rate Neugeborener mit niedrigem und hohem Geburtsgewicht und der Frühgeborenenrate unter Berücksichtigung der einzelnen Bundesländer gezeigt und mögliche Ursachen der Unterschiede diskutiert. Die Körpermaße Neugeborener, wie auch die Höhe der Frühgeborenenrate, sind das Ergebnis eines mehrdimensionalen Zusammenspiels von biologischen, medizinischen, psychosozialen, sozioökonomischen und demografischen Merkmalen innerhalb der Mütterpopulation. Alle Merkmalskomplexe unterliegen zeitlichen und gesellschaftlichen Veränderungen und wirken in ihrer Komplexität. Biologische Merkmale der Mütter, wie beispielsweise das Alter und die Kinderzahl, nehmen als demografisch wirkende Merkmale der Mütterpopulation Einfluss auf die somatischen Entwicklungsparameter der Neugeborenen und auch auf die Höhe der Frühgeborenenrate. Die Frühgeborenenrate zeigt sehr deutlich eine Altersabhängigkeit. Der Stellenwert einzelner Merkmale in diesem mehrdimensionalen Bedingungsgefüge ist schwer zu ermitteln. Wir messen aber insgesamt den konstitutionellen Körperbaumerkmalen sowohl für das Geburtsgewicht als auch für die Höhe der Frühgeborenenrate eine sehr hohe Priorität zu.

Für die Variation der Frühgeborenenrate in den einzelnen Bundesländern, besonders auch im Nord-Süd-Vergleich, scheinen vornehmlich konstitutionelle Merkmale der Mütter verantwortlich zu sein. Ost-West-Differenzen in der Höhe der Frühgeborenenrate im Zeitraum 1995 - 1997 dürften z. T. auf das unterschiedliche Gebäralter zwischen neuen und alten Bundesländern zurückzuführen sein. Das Alter korreliert dabei mit vielen anderen Merkmalen (prägestationales Körpergewicht, Parität), die als Hintergrundmerkmale die Frühgeborenenrate ebenfalls beeinflussen. Der Altersbereich mit einer relativ niedrigen Frühgeborenenrate beim 1. Kind liegt zwischen 21 und 24 Jahren und beim 2. Kind zwischen 25 und 31 Jahren. Einschätzungen zur Entwicklung der Frühgeborenenrate aus Altersveränderungen abzuleiten, sind deshalb erlaubt.

Als Ursache einer niedrigeren Frühgeborenenrate im Zeitraum 1995 - 1997 in den neuen Bundesländern mit 6,7 % im Vergleich zu den alten Bundesländern mit 7,3 % muss auch die unterschiedliche Altersverteilung bei Geburt der Kinder zwischen neuen Bundesländern und alten Bundesländern angesehen werden. Aufgrund des nach wie vor steigenden durchschnittlichen Gebäralters, sowohl in den neuen als auch in den alten Bundesländern, ist deshalb prognostisch in Deutschland eher mit einer weiteren Erhöhung der Frühgeborenenrate zu rechnen.

Abstract

Using data from the German Perinatal Registries, we analyzed all singleton deliveries in Germany during the years 1995 to 1997 in terms of birth weight variation and prematurity rates, and their distribution in the different German federal states. Prematurity rates, birth weight and height are influenced by multiple factors, such as biological, medical, psychosocial, economic, and demographic characteristics of the maternal population, working together in a complex manner. These factors are variable influenced by social changes. Maternal age and parity, which are biological and demographic characteristics, influence fetal development including weight and height, but also the preterm delivery rate. There is a close correlation between the preterm delivery rate and maternal age, while the importance of the other factors cannot easily be ascertained. On the other hand, age correlates with many other characteristics such as pre-gestational body weight or parity, which influence birth weight and gestational age at delivery.

For differences in prematurity rates between the German federal states (Northern vs. Southern), constitutional maternal factors seem to be especially responsible. The higher prematurity rates in the former “Western” part of Germany (7.3 %) compared to the “Eastern” part (6.7 %) during these years might partially be explained by the still more favourable mean maternal age in the Eastern German countries. For the first child, maternal age range with the lowest prematurity rate is 21 to 24 years, and for the second child it is 25 to 31 years.

As a consequence, due to the increasing maternal age at delivery in this part of Germany, an increase in pre-term delivery can be expected during the next years.

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PD Dr. Dr. rer. med. M. Voigt

Abt. Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Soldtmannstraße 15

17487 Greifswald

Email: camf@gmx.de

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