Notfall & Hausarztmedizin 2009; 35(5): 236
DOI: 10.1055/s-0029-1225464
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Quo vadis – Rehabilitation und Kur am Scheideweg?

Martin Schencking
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Publication Date:
29 May 2009 (online)

Nach der aktualisierten Rehabilitationsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA; www.g-ba.de/downloads/62–492–249/RL-Reha-2007–12–20.pdf) dürfen niedergelassene Kollegen eine Rehabilitation zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur noch verordnen, wenn sie neben ihrer primärärztlichen Facharztschaft eine 1-jährige Tätigkeit in einer ambulanten oder stationären Rehabilitationseinrichtung vorweisen können und darüber hinaus im vergangenen Jahr 20 Reha-Gutachten sowie den Nachweis einer anerkannten Fortbildung (8 Stunden Präsenz und 8 Stunden Selbststudium) erbracht haben. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Als Grund für diese neuen Vorgaben gab der Gemeinsame Bundesausschuss an, die „Qualität der Antragstellung“ verbessern zu wollen. Offensichtlich konnte diese Lachnummer jedoch nur etwa jeden 5. Vertragsarzt dazu motivieren, die neuen Hürden zu erklimmen, um in den Genuss der 810 EBM-Punkte bei Ausfüllen des Formulars 61 zu kommen. Neben einer erneuten kassenrechtlichen Drangsalierung der niedergelassenen Kollegen scheint insbesondere die damit verbundene indirekte Reduktion und Restriktion von Leistungen aus dem Spektrum der medizinischen Rehabilitation intendiert zu sein, was Vertreter der gesetzlichen Krankenversicherer und der Kassenärztlichen Vereinigung – selbstredend – so nicht sehen.

Doch Tatsache ist und bleibt: Insbesondere für den niedergelassenen Hausarzt sind die medizinischen Rehabilitationsangebote und Kurmaßnahmen unverzichtbare und integrale Bestandteile seiner ganzheitlichen und umfassenden Patientenversorgung – gerade bei der Behandlung chronischer Erkrankungen, wie zum Beispiel muskuloskelettale Erkrankungen (Rückenschmerzen, Erkrankungen der Wirbelsäule etc.) oder internistische Erkrankungen (Diabetes mellitus etc.). Auf der Liste der „Top-30-Beratungsanlässe“ belegen Erkrankungen der Wirbelsäule und des Rückens beispielsweise die Plätze 3, 9, 14 und 21, der Diabetes mellitus mit seinen Komplikationen findet sich auf Platz 6 (21-ADT Panel Hausärzte). Dabei gehören die meisten Patienten (16,5  %), insbesondere die mit muskuloskelettalen Erkrankungen, zur Gruppe der 40- bis 49-Jährigen, wie wir anhand der Daten der SESAM-2-Studie, der Sächsischen Epidemiologischen Studie in der Allgemeinmedizin, schon Ende letzten Jahres in der Notfall & Hausarztmedizin berichtet haben (Notfall & Hausarztmedizin 2008; 34: 600–602).

Gerade bei diesen – meist – berufstätigen Patienten sind medizinische Rehabilitationsmaßnahmen bei entsprechender Schwere der Wirbelsäulenerkrankung (z. B. progrediente Beschwerden, zunehmende Arbeitsunfähigkeitszeiten) unverzichtbar, um einen längerfristigen Therapieerfolg und eine Sicherung und Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten. „Aus diesem Grund stellt eine problemorientierte Herangehensweise mit pharmakologischer Therapie und Rehabilitation (...) oftmals den praktikablen und bestmöglichen Weg in der hausärztlichen Sprechstunde dar“, so unser Statement im Dezember 2008.

Ich bin dem Team der Notfall & Hausarztmedizin dankbar, die vorliegende Ausgabe der Rehabilitation und Kur widmen zu dürfen. Denn diese Maßnahmen werden im hausärztlichen Behandlungsalltag oftmals als selbstverständlich hingenommen, in praxi jedoch nur unzureichend umgesetzt. Immer weniger Kollegen weisen ihre Patienten bei entsprechender Indikation auf mögliche Angebote der Kostenträger zur Rehabilitation hin. Offensichtlich zeigt die oben genannte „Rehabilitationsrichtlinie“ erste Erfolge bezüglich des Einsparpotenzials in diesem Bereich.

Dr. Martin Schencking

Bad Wörishofen

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