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Dialogisches Realisieren und Reorientieren – Pflegerische Entscheidungsfindungsprozesse und Aktivitäten am Lebensende auf der Intensivstation im internationalen Vergleich

Published Online:https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000458

Zusammenfassung. Hintergrund: Intensivstationen sind traditionell Settings, die hochtechnisierte Behandlungsverfahren für Menschen in lebensbedrohlichen Situationen einer Krankheit oder eines Unfalls einsetzen. Fragen zur Therapiebegrenzung und Therapiereduktion sowie zum Therapieabbruch sind mit ethischen Dilemmata verbunden. Pflegerische Entscheidungsfindungsprozesse und pflegerische Aktivitäten in unterschiedlichen Ländern sind bisher wenig erforscht. Fragestellung: Welche pflegerischen Entscheidungsfindungsprozesse und Aktivitäten lassen sich am Lebensende in verschiedenen Ländern identifizieren und beschreiben? Ziel: Ziel der Studie ist die Identifikation eines pflegerischen Terrains, wenn es um Entscheidungen und Aktivitäten in der Betreuung und Versorgung von PatientInnen am Lebensende auf der Intensivstation geht. Methode: Semi-strukturierte Interviews wurden mit 51 Pflegenden durchgeführt: zehn in Brasilien, neun in England, zehn in Deutschland, zehn in Irland und zwölf in Palästina. Die Interviews wurden nach dem Verfahren der Grounded Theory aufbereitet und analysiert. Ergebnis: Als Ergebnis der Untersuchung konnte der Prozess des Wechsels von Aktivitäten, die auf Heilung ausgerichtet sind, hin zu Aktivitäten, die auf Sterbebegleitung ausgerichtet sind, als ein dynamischer identifiziert werden. Er wurde mit der Kernkategorie «Dialogisches Realisieren und Reorientieren» begrifflich gefasst: Der Wechsel an Aktivitäten geht einher mit Verhandlungen zwischen Pflegenden und ÄrztInnen, Angehörigen sowie in Zwiegesprächen mit sich selbst. Darüber hinaus ist der Prozess durch stetige Re-Orientierungen gekennzeichnet, die durch wechselnde Patientenbefunde und Realisierung der aktuellen Situation ausgelöst werden. Die zentralen pflegerischen Aktivitäten sind «Konsenssuche» und «Emotionale Stützung» (Subkategorien). Schlussfolgerung: Es lässt sich ein pflegerisches Terrain von Aktivitäten am Lebensende von PatientInnen auf der Intensivstation in allen Ländern identifizieren und beschreiben. Es ist allerdings unklar, ob die pflegerischen Aktivitäten in Bezug auf eine Begleitung der Angehörigen in einer Form dominieren, die Beziehungen zu PatientInnen und Respekt vor ihrer Autonomie in den Hintergrund treten lässt. Eine Feldstudie könnte Antworten auf diese Frage ermöglichen.


Decision-making processes in nursing and activities at the end of life in intensive care – An international comparative study

Abstract. Background: Intensive care units (ICUs) are traditionally settings that offer high technologically advanced treatment for those who are in critical situations due to an illness or accident. Questions regarding the withdrawal and withholding as well as the ending of life sustaining treatment are related to ethical dilemmas. Nurses’ decision-making processes and nursing activities in different countries are scarcely studied. Question: Which end-of-life decision-making processes and activities that are performed by nurses can be identified and described? Aim: The objective is the identification of a nursing terrain regarding decision-making and activities in patient end-of-life care on the intensive care unit. Method: Semi-structured interviews were conducted with 51 experienced nurses in university or hospital premises: 10 in Brazil, 9 in England, 10 in Germany, 10 in Ireland and 12 nurses in Palestine. The study used grounded theory to inform data collection and analysis. Results: The finding of the study is the identification of a dynamic process in which activities with a focus on cure shift to activities with a focus on end-of-life care. The core category that emerged was ’negotiated reorienting’: The shift of activities implies negotiations between nurses and physicians, relatives as well as with oneself. Moreover the process is characterized by a constant re-orientation that is induced by changing patient data and the realisation of the whole situation. Nurses’ core practices are ’consensus seeking’ and ’emotional holding’ (sub-categories). Conclusions: In all countries a nursing terrain of activities in end-of-life care could be identified and described. However, it is unclear whether nursing activities connected to relatives of the patient are dominant in such a way that relations to dying patients and respect for their autonomy are put into the background. A field study could give answers to this question possible.