Die Kopfformen des Menschen sind für viele Kulturen seit jeher von besonderem Interesse. Schon im Altertum haben die Ägypter mit Bandagen bei Babys das Kopfwachstum gelenkt und gezeigt, dass die im frühen Kindesalter vorgenommenen Veränderungen lebenslang Bestand hatten. Solche Wachstumsbeeinflussungen wurden auch von Indianern in Südamerika und von afrikanischen Völkern aus rituellen oder ästhetischen Gründen vorgenommen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Kopfmodellierung in Peru mit verschiedenen Behandlungsgeräten. a Mit freundl. Genehmigung der Reiss-Engelhorn-Museen, Fotograf: Hans Mende [9]. b Mit freundl. Genehmigung von Anna-Maria Begerock [9]. c Mit freundl. Genehmigung von Marie-Anne Frund [9]

Seit nunmehr 20 Jahren beschäftigen sich weltweit kraniofaziale Zentren mit diesem Thema. Die konservative Kopfmodellierung wird zur Behandlung lagebedingter Kopfdeformitäten eingesetzt, aber auch zur Wachstumslenkung nach kraniofazialen Operationen im Wachstumsalter.

Lagerungsbedingte Kopfdeformitäten

Seit Anfang der 1990er Jahre empfehlen die pädiatrischen Fachgesellschaften international zur Vermeidung des plötzlichen Kindstodes (SIDS) die Rückenlage [7]. Dies führt nach der Geburt zu teilweise ausgeprägten Kopfdeformitäten bei Säuglingen [1, 4]. Auch spezielle Lagerungstechniken beeinflussen die Kopfform. So können sich beim „Pucken“ durch die Einwirkung der Schwerkraft auf den Hinterkopf Brachyzephalien entwickeln. In Ländern, in denen diese Lagerungsform angewandt wird, gibt es deshalb vermehrt abgeflachte Hinterköpfe, die bei verbreitetem Auftreten als „normal“ angesehen werden, in Westeuropa aber als stigmatisierend, eher unästhetisch gelten. Bei den afrikanischen Völkern ist es dagegen üblich, die Babys in Tüchern zu tragen, es findet also wenig Rückenlagerung statt. Das führt natürlicherweise zu ausgeprägten Hinterköpfen. Diese Form wird überwiegend als normal akzeptiert.

Die Erkenntnis der lagerungsbedingten Einflüsse auf die Kopfform hat international zu einer Einschränkung der Rückenlagerungsempfehlung geführt. In den Wachphasen des Kindes soll „tummy time“ (Zeit auf dem Bauch) unter Kontrolle der Eltern angewendet werden [7].

Lagebedingte Kopfdeformationen werden meist konservativ behandelt

Durch die nachgeburtliche Lagerung treten aber nicht nur symmetrische Abflachungen des Hinterkopfes auf, sondern es kommt auch zu teilweise ausgeprägten Schädelbasis- und Gesichtsasymmetrien (Abb. 2). Im klinischen Alltag sind diese lagebedingten Kopfdeformitäten von den vorzeitigen Verknöcherungen der Schädelnähte (Synostosen) meistens klinisch abzugrenzen [6, 8]. Die Differenzialdiagnose ist besonders wichtig, da die Therapieoptionen sehr variieren. Bei Synostosen ist oftmals eine operative Korrektur nötig, die lagebedingten Kopfdeformationen werden dagegen meistens konservativ behandelt. Während der Wachstumsphase des Kopfes, die hauptsächlich in den ersten Lebensjahren erfolgt, ist eine Beeinflussung des Wachstums möglich (s.  Abb. 3; [5]).

Abb. 2
figure 2

a,b 3-D-CT eines lagerungsbedingten Plagiozephalus. Durch die Schädelbasisasymmetrie ist der Unterkieferramus unterschiedlich lang

Nicht bei jedem Säugling entwickelt sich eine Kopfdeformität: Bei Jungen kommt sie 3-mal häufiger vor als bei Mädchen. Auch bei Mehrlingsschwangerschaften ist das Risiko größer. Dies wird durch Platzmangel im Mutterleib erklärt, bei dem muskuläre Asymmetrien im Halsbereich entstehen können. Seltene Ursachen für eine einseitige Kopfpositionierung können Zephalhämatome oder geburtstraumatische Einblutungen in die Halsmuskulatur oder Claviculafrakturen sein [1].

In den meisten Fällen kommt es nicht schon bei der Geburt zu Kopfdeformitäten, vielmehr wird das Kind nachgeburtlich den Kopf in Rückenlage auf die verkürzte Seite wenden. So wird in den ersten Tagen nach der Geburt eine Einseitigkeit offenbar, die sich langsam zu einer Kopfdeformität entwickelt. Im Allgemeinen fällt diese in der 6. bis 8. Lebenswoche auf. Umlagerungsversuche helfen dann nicht weiter, weil die Ursache, z. B. die verkürzte Muskulatur oder Blockaden in der Halswirbelsäule, nicht beseitigt wurden.

Nicht jede Deformität wächst sich aus

Nach dem Eintreten der Kopfdeformität wird in allen Fällen einer Ursachenbeseitigung eine spontane Besserung eintreten, unabhängig davon, welche Maßnahmen eingeleitet werden. Oft werden spezielle Lagerungskissen, Physiotherapie oder Osteopathie bzw. Chirotherapie angewendet.

Die spontane Besserung der in diesem Alter noch sehr weichen Kalotte ist mit dem intrakraniellen Druck und dem wachsenden Gehirn zu erklären.

Nach unseren Untersuchungen erfolgt eine spontane Formkorrektur nur bis zum 4./5. Lebensmonat. Danach nimmt zwar der Umfang des Kopfes weiter zu, die Form bleibt aber bestehen [2]. Um eine Behandlungsindikation zu stellen, ist das Wissen um den spontanen Ausgleich bis zu diesem Zeitpunkt wichtig. So kann schon mit dem 3. Lebensmonat eine Prognose auf die spätere Kopfform abgegeben und, je nach Ausprägung der Deformität, frühzeitig eine wachstumslenkende Kopfmodellierung eingeleitet werden.

Eine spontane Formkorrektur erfolgt nur bis zum 4./5. Lebensmonat

Das allgemein bekannte Lehrbuchwissen, dass sich geburtstraumatische Kopfdeformitäten selbst auswachsen, ist nach wie vor gültig, denn das Wachstumspotenzial direkt nach der Geburt ist besonders groß und das Zeitfenster der Selbstkorrektur größer, verglichen mit den erst nachgeburtlich entstandenen Lagerungsdeformitäten. Wenn also frühzeitig, d. h. in den ersten Tagen nach der Geburt, das Kind entsprechend gelagert bzw. die Ursache (z. B. der muskuläre Schiefhals) behandelt wird, lässt sich eine lagerungsbedingte Kopfdeformität vermeiden.

Falls eine ausreichende Spontankorrektur nicht bis zum 4. Lebensmonat eintritt, kann die Wachstumslenkung mithilfe einer individuellen Kopforthese, einer Helmtherapie, erfolgen. Dabei ist der Behandlungserfolg analog der perzentilen Wachstumskurve im ersten Lebensjahr am größten (Abb. 3; [5]).

Abb. 3
figure 3

Perzentile Wachstumskurve des Köpfchens in den ersten 4 Lebensjahren

Indikation zur Behandlung

Ausgeprägte, auffällige Brachyzephalien, die noch gegen Ende des 3. Lebensmonats bestehen (Kopf breiter als lang), bedürfen sicher einer Behandlung, um beim Patienten eine Stigmatisierung zu vermeiden.

Ob eine lagerungsbedingte Abflachung des Kopfes zu einer Einengung der Hirnstrukturen führt, ist nicht geklärt. Insofern gehen wir in diesen Fällen zunächst von einer ästhetischen Behandlungsindikation aus. Dies sollte eingehend mit den Eltern besprochen werden, insbesondere sollte auch die Persistenz der Kopfform ab dem 5. Lebensmonat erklärt werden.

Auch bei Asymmetrien sind gering ausgeprägte Formen im Rahmen der natürlichen Variation zu tolerieren. Ab einer Asymmetrie von 1 cm in der Diagonalen ist die Deformation auffällig, wobei zwischen 1 cm und 2 cm eine gewisse Grauzone besteht [11]. Ab einer Asymmetrie von 2 cm, insbesondere bei starker Beteiligung der Schädelbasis, ist aus funktionellen Gründen eine Behandlungsindikation gegeben. Spätere Auswirkungen durch diese Asymmetrien, wie Kreuzbiss und Fehlbelastungen des Kiefers, wurden beschrieben [3].

Die Messungen erfolgen im klinischen Alltag oft mit einem Zephalometer. Dieses wird als ausreichend genau angesehen [9]. Mittlerweile ist es aber auch möglich, die Messwerte automatisiert, nach genauer Positionierung des Kopfes, anhand eines 3-D-Datensatzes zu erheben. In gleicher Weise erfolgt die Volumenmessung im Vergleich zum Ausgangsdatensatz (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Automatische Auswertung nach Positionierung des Köpfchens in den verschiedenen Ebenen und Bestimmung des Volumenzuwachses während der Behandlung (Cranioform Analytics®)

Schädelbasis- und Gesichtsasymmetrien

Gerade bei ausgeprägten Brachyzephalien fehlt okzipital viel Volumen zur idealen Kopfform. Deshalb ist hier ein frühzeitiger Behandlungsbeginn (ab 3.–4. Lebensmonat) sinnvoll. Auch bei Kombinationen aus Asymmetrie (Plagiozephalie) und insgesamter Kopfabflachung (Brachyzephalie) fällt oftmals selbst bei geringgradiger Asymmetrie die Kopfform sehr auf (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Typischer, lagerungsbedingter Brachyzephalus mit Asymmetrie. Kopfverbreiterung besonders kranial der Ohren und Wachstum nach kranial aufgrund vermehrter Rückenlage

Manche Plagiozephalien zeigen eine starke Schädelbasis- und Gesichtsasymmetrie. Sie werden von uns als „windschief“ bezeichnet. Diese Formen treten insbesondere bei Verkürzung des M. sternocleidomastoideus auf (Tortikollis). Ein Beispiel für eine solche Gesichtsasymmetrie zeigt Abb. 6. Hier ist die linke Gesichtshälfte prominent und auch links die Lidspalte vergrößert.

Abb. 6
figure 6

Tortikollis. Kippung des Kopfes zur rechten Seite, Drehung zur linken Seite und damit Ausprägung der „windschiefen Kopfform“

Je nach Kopfhaltung und Ansicht (Abb. 7, s. Pfeil) sind diese Asymmetrien klinisch oft nicht spontan zu erkennen und werden deshalb oft als nicht therapiebedürftig angesehen. Durch die erhebliche Schädelbasisasymmetrie sind sie später aber funktionell relevant und erfordern dann kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen [3]. Wie viel Asymmetrie tolerierbar ist bzw. ab welchem Ausmaß eine Behandlung aus funktionellen Gründen indiziert ist, ist noch nicht bekannt.

Abb. 7
figure 7

„Windschiefe“ Kopfform. Ausgeprägte Schädelbasisasymmetrie, meist assoziiert mit einem Tortikollis

Vorgehen bei der Behandlung

Das Kopfwachstum lässt sich durch das Fixieren bestimmter Areale unterdrücken. Gleichzeitig kann es an anderen Stellen gefördert werden. Dies kann mit einem individuellen Kopfhelm geschehen (Abb. 8)

Abb. 8
figure 8

Individuelle Kopforthese (Kopfhelm). Copyright [M] Baby: Gary Milner/istockphoto.com I Kopforthese: gutenberghaus.de

Zur Registrierung des Kopfes ist mittlerweile die hochpräzise Datenerfassung durch die 3-D-Photogrammetrie Standard. In 1,5 ms wird der gesamte Kopf registriert. Der so gewonnene Datensatz wird am CAD-Arbeitsplatz bearbeitet und die ideale Kopfform unter Berücksichtigung der Wachstumszonen festgelegt. Nach dieser Form wird der individuelle Helm, in den das Wachstum hinein erfolgen soll, angefertigt (Abb. 9).

Abb. 9
figure 9

Modellierung der „idealen Form“ mittels CAD („computer-aided design“)

Der Helm sollte mindestens 23 Stunden am Tag getragen werden, um eine genaue Wachstumslenkung zu ermöglichen. Während der Therapie können 3-D-Vergleichsaufnahmen angefertigt werden, um den Behandlungserfolg zu dokumentieren und die Compliance der Eltern zu erhöhen. Je nach Alter des Kindes und Ausprägungsgrad der Deformität kann die Behandlungszeit zwischen mehreren Wochen und Monaten liegen. Komplikationen sind selten, können jedoch auch durch genaue Elternaufklärung und -motivation minimiert werden [12]. Die Kinder akzeptieren den nicht drückenden Helm sehr gut.

Durch die exakte CAD-Planung der Kopfform ist es möglich, benötigtes Volumen zum Ausgleich der Deformität zu bestimmen. Das Wissen um die normale altersentsprechende Volumenzunahme erlaubt es, eine Prognose über die Behandlungsdauer abzugeben, andererseits gewährleistet es eine „Qualitätskontrolle“ der Behandlung.

Behandlungsbeispiele

Ziel der Behandlung ist die Symmetrisierung der eingetretenen parallelogrammförmigen Verschiebung des gesamten Kopfes. Bei den brachyzephalen Kopfformen geht es darum, die Kopfbreite zu halten und das Wachstum nach okzipital zu lenken. Die Behandlungsdauer hängt von der Größe des zu lenkenden Wachstumsvolumen und vom Alter des Kindes ab.

Die in Abb. 10 gezeigte Plagiozephalie entwickelte sich nachgeburtlich, eine im 3. Lebensmonat eingeleitete physiotherapeutische Behandlung konnte zwar die Beweglichkeit im Bereich der Halswirbelsäule verbessern, die Kopfform hatte sich jedoch nicht ausreichend symmetrisiert. Im Alter von 4 Monaten wurde eine Kopforthesenbehandlung eingeleitet, die dann konsequent über 7 Monate durchgeführt wurde.

Abb. 10
figure 10

Lagebedingter Plagiozephalus. Vor (a) und nach (b) der Behandlung. Frontal noch nicht perfekt ausgerundet. Behandlungsdauer 7 Monate

Bei einem anderen Patienten (Abb. 11) wurde die Behandlung im selben Alter begonnen. Die Helmbehandlung dauerte aber 2 Monate länger, da zusätzlich zur Asymmetrie eine deutliche Brachyzephalie vorlag und mehr Volumen gelenkt werden musste.

Abb. 11
figure 11

Mischform: Plagio- und Brachyzephalus. Vor (a) und nach (b) der Behandlung. Behandlungsdauer 9 Monate

Die in Abb. 12 dargestellte Patientin wies eine deutliche Asymmetrie, aber auch eine starke Abflachung des Köpfchens auf. Durch das langsame Abflachen während der nachgeburtlichen Entstehung der Kopfform hatte sich der Kopf vor allem in die Höhe und Breite entwickelt. Durch Anpassung einer Kopforthese im 4. Monat konnte zwar die Höhe des Köpfchens nicht reduziert werden, aber durch die Ausmodellierung des Hinterkopfes war die Höhe am Ende der Behandlung kaschiert und relativ unauffällig.

Abb. 12
figure 12

Lagerungsbedingter Plagio- und Brachyzephalus. Vor (a,c) und nach (b,d) der Behandlung. Behandlungsdauer 5 Monate

Fazit für die Praxis

  • Lagebedingte Kopfdeformitäten bei Kindern treten nach der Einführung der Rückenlage zur Vermeidung des plötzlichen Kindstodes häufig auf und bedürfen der Abgrenzung zu den prämaturen Nahtsynostosen. Die Differenzialdiagnose erfolgt meistens klinisch.

  • Die Ursache der Kopfzwangshaltung ist abzuklären und evtl. physiotherapeutisch bzw. manualmedizinisch zu behandeln. Bei ausgeprägten lagebedingten Deformitäten, die sich bis zum 4. Lebensmonat nicht spontan bessern, ist eine wachstumslenkende Kopforthesentherapie sinnvoll.

  • Ästhetische Indikationen zur Behandlung bestehen bei ausgeprägten Brachyzephalien und Asymmetrien mit Gesichtsbeteiligung. Aus funktionellen Gründen, zur Vermeidung von späteren Kreuzbissen, ist eine korrigierende Wachstumslenkung bei ausgeprägter Schädelbasis- und Gesichtsbeteiligung sinnvoll.

  • Grundlage einer erfolgreichen Behandlung ist eine präzise Erfassung durch 3-D-Photogrammetrie und eine exakte Planung der Kopfform unter Berücksichtigung der Wachstumszonen. Weiterhin ist die Compliance der Eltern während der Behandlung essenziell.

  • Durch frühzeitiges Erkennen der Einseitigkeit bei der Lagerung in der 1. Woche nach der Geburt und adäquate Behandlung der Ursache kann die Ausprägung einer lagebedingten Kopfdeformität vermieden werden. Daher ist die Aufklärung durch entsprechende Fachpersonen wichtig.