Einleitung

Das Delir ist eine organische Erkrankung mit primär psychiatrischer Symptomatik und zählt zu den sog. organischen Psychosyndromen (OPS). OPS sind eine Gruppe von Störungen, bei welchen eine organische Ursache, die mittels medizinischer Routineverfahren erfasst werden kann (z. B. Labor, Bildgebung), die Art, das Ausmaß und den Verlauf einer psychiatrischen Symptomatik erklärt. Dadurch unterscheiden sich OPS, die in der International Classification of Mental Disorders – 10 (ICD-10) einem eigenen Kapitel zugeordnet sind (F0: Organische Psychische Störungen), von anderen psychiatrischen Erkrankungen wie der Depression oder der Schizophrenie, weil die Therapie neben der Behandlung der psychischen Symptome vor allem auch darin besteht, die organische Ursache zu beseitigen, beispielsweise eine antibiotische Therapie bei einem bakteriellen Infekt oder eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr bei Exsikkose. Unter Delirien versteht man innerhalb der OPS die akuten organischen Psychosen, die eine Bewusstseinsstörung beinhalten. Die Erkrankung befindet sich somit an der Schnittstelle zwischen somatischer Medizin und Psychiatrie und stellt durch ihre Häufigkeit und den außerordentlichen Pflegeaufwand eine besondere Herausforderung im klinischen Alltag sämtlicher medizinischer Disziplinen dar.

Epidemiologie

Zahlen zur Delirinzidenz schwanken deutlich je nach untersuchter Gruppe, angewandter Screening-Instrumente und Rekrutierungsverfahren. Übersichtsarbeiten berichten Inzidenzen zum postoperativen Delir von 5 bis 38 % [1], zum Delir auf Intensivstationen (auch ICU-Delir, intensive care unit) von 15–90 % [2]. Bis zu 25 % der älteren Personen (>65 Jahre) weisen zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme ein Delir auf und weitere 30 % entwickeln im Verlauf der Aufnahme ein Delir [3]. Operationen, höheres Alter, vorbestehende kognitive Störungen (Demenz), arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Seh- und Hörstörungen, Malnutrition, vorangehende Depression und Substanzmissbrauch (z. B. Alkohol, Opiate, Benzodiazepine) sind mit einem höheren Delirrisiko vergesellschaftet [1, 3, 4].

Pathophysiologie

Das Delir entsteht in der komplexen Interaktion zwischen prädisponierenden und auslösenden Faktoren (exogenen Noxen). Der Pathophysiologie des Delirs liegt das sog. Schwellenkonzept zugrunde. Diesem Konzept zufolge steigt die Wahrscheinlichkeit, ein Delir zu entwickeln, mit dem Ausmaß der Vorbelastung (prädisponierende Faktoren), welche meist als zerebrale Vorschädigung verstanden wird. Letztere ergibt sich zum Beispiel durch eine Demenz oder andere neurodegenerative Erkrankungen, psychische Vorerkrankungen wie Depression oder Substanzmissbrauch, höheres Lebensalter und somatische Komorbiditäten. Vorbestehende Demenz ist die von epidemiologischen Studien am konsistentesten erfasste Vorbelastung (siehe Abb. 1; [3]). Mit steigender Vorschädigung sinkt der notwendige Schweregrad des Auslösers (auslösende Faktoren). Zum Beispiel kann bei älteren, dementen PatientInnen zur Entwicklung eines Delirs bereits eine leichter Infekt, eine Exsikkose oder Elektrolytentgleisung genügen. Bei einer gesunden, jungen Person wird jedoch angenommen, dass erst ein schwerwiegender Auslöser, zum Beispiel eine lange Operation, ein Schädelhirntrauma oder Aufenthalt auf einer Intensivstation zur Delirentwicklung führt. Ebenso wie nur ein Auslöser ausreichen kann, können auch Kombinationen verschiedener Auslöser an der Enstehung eines Delirs beteiligt sein.

Abb. 1
figure 1

Zusammenhang Delir und Demenz

Studien, die sich neuronaler Bildgebungsverfahren bedienen, sind bemüht, neurobiologische Marker für die Delirprädisposition und -entwicklung zu erfassen. Allerdings stellt eine Kerneigenschaft des Delirs, nämlich das plötzliche Auftreten, in der Erforschung dieser Fragestellung ein Hindernis dar, da es eine prospektive Untersuchung erschwert und die Einwilligungsfähigkeit der betroffenen PatientInnen symptombedingt eingeschränkt ist. Einige wenige Studien konnten zeigen, dass eine geringere kortikale Dicke [5], hyperintense Veränderungen der weißen Substanz im Sinne von vaskulären Läsionen [6] und eine verminderte zerebrale Perfusion mit einem erhöhten Symptomschweregrad einhergehen [7]. Bei diesen Veränderungen handelt es sich wahrscheinlich um Hinweise auf eine unspezifische Vorschädigung des Gehirns. Aufgrund der mangelnden Spezifität ist eine Anwendung dieser Befunde in der klinischen Routine zur prospektiven Erfassung des Delirrisikos im Allgemeinen nicht sinnvoll.

Häufige Auslöser eines Delirs sind Infektionen wie Harnwegsinfekte und Pneumonien [3], Alkoholentzüge und vorangegangene Operationen. Auslöser können sowohl auf das zentrale Nervensystem (ZNS) begrenzt oder systemisch sein. Potenzielle Delirauslöser sind in Tab. 1 zusammengefasst, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Liste an Risikofaktoren, Vorbelastungen und Auslösern niemals komplett sein kann, nachdem prinzipiell jede somatische Belastung ein Delir verursachen kann.

Tab. 1 Delirauslöser

Das Delir stellt eine ätiologisch unspezifische Reaktion des Gehirns dar, nachdem unterschiedliche prädisponierende und auslösende Faktoren zur gleichen Symptomatik führen. Dieses Phänomen wird als zentrale Endstrecke bezeichnet und bezieht sich auf die Symptomatik und die neurobiologischen Veränderungen, die dieser zugrunde liegen. Als neurobiologische Endstrecke des Delirs wird eine erhöhte dopaminerge und verminderte acetylcholinerge Funktion angenommen, wobei Glutamat und GABA auch eine Rolle spielen dürften. Demnach werden prodopaminerge und anticholinerge Substanzen als delirogen angesehen [8]. Beim Delir zeigen sich außerdem eine Desorganisation neuronaler Netzwerke, erfasst mittels funktioneller und struktureller Konnektivitätsanalysen [9], ein globaler und regionaler zerebraler Hypometabolismus und Veränderungen der zerebralen Perfusion [10], die ebenfalls als Bestandteile der gemeinsamen neurobiologischen Endstrecke des Delirs angesehen werden. An der Aktivierung der gemeinsamen Endstrecke dürften eine gestörte Stressantwort und immunologische Prozesse beteiligt sein. Nachdem neurodegenerative Prozesse auch mit erhöhter systemischer Inflammation einhergehen, ist es vorstellbar, dass das Immunsystem eine Brücke zwischen Vorschädigung und Auslöser beim Delir darstellt. Sowohl eine vermehrte Stressantwort des Gehirns auf inflammatorische Zytokine und andere Botenstoffe als auch eine erhöhte Freisetzung oder Aktivität dieser Botenstoffe werden diskutiert [11]. Durch Inflammation kommt es zu einer Lockerung der Bluthirnschranke und zu einer Translokation der erhöhten Immunantwort in das ZNS [12]. Passend zur pathophysiologischen Rolle des Immunsystems beim Delir wurden Vitamin D [13] und Statine [14] präventive Effekte zugeschrieben. Allerdings fehlen die randomisierten klinischen Studien, die für die Verschreibung in der klinischen Routine notwendig wären.

Symptomatik

Die Diagnose eines Delirs ergibt sich aus der Zusammenschau der klinischen Symptomatik und dem Vorhandensein einer plausiblen organischen Ursache, die jedoch nicht immer eindeutig festgestellt werden kann. Die diagnostischen Kriterien des Delirs im ICD-10 sind eine Bewusstseinsstörung mit verminderter Aufmerksamkeit, eine globale Störung der Kognition (Verwirrtheit, Merkschwäche), Veränderung der Wahrnehmung mit Verkennungen und Wahnphänomenen, Veränderungen der Psychomotorik (hypo- und hyperkinetisches Delir), Schlafstörungen und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, sowie affektive Störungen. Das zentrale Symptom der Bewusstseinsstörung differenziert das Delir von dementiellen Erkrankungen, bei denen das Bewusstsein prinzipiell, mit Außnahme von Spätstadien, intakt ist (siehe Abb. 1). Delirien haben einen akuten Beginn und zeigen einen fluktuierenden Verlauf. Häufig kommt es zu einer nächtlichen Verschlechterung der Symptomatik. Entsprechend ICD-10 ist die Dauer eines Delirs mit maximal sechs Monaten begrenzt. Im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) 5, dem Standard im angloamerikanischen Raum, in welchem das Delir neben den Demenzen und anderen neurodegenerativen Erkrankungen den neurokognitiven Störungen zugeordnet ist, kann mittels „Specifier“ (einer dimensionalen Zusatzklassifikation) ein sog. persistierendes Delir diagnostiziert werden, wobei hier lediglich eine unspezifische Dauer von „Wochen bis Monaten“ festgelegt ist. Bei chronischen Verlaufsformen ist allerdings die Abgrenzung zur inzipienten Demenz von besonderer Bedeutung. Nachdem das Delirisiko bei PatientInnen mit Demenz erhöht ist, kann sich hinter einer persistierenden Delir-Symptomatik auch eine Demenz verbergen. Umgekehrt wurde jedoch auch gezeigt, dass Delirien den Verlauf einer Demenz verschlechtern ([15]; Abb. 1).

Basierend auf der von den PatientInnen präsentierten Auslenkung der Psychomotorik wird zwischen hypokinetischen oder „stillen“ Delirien, hyperkinetischen Delirien und gemischten Verlaufsformen unterschieden. Während beim hypoaktiven Delir Bewusstseinsminderung oder -einengung, kognitive Defizite, und motorische Verlangsamung im Vordergrund stehen, treten beim hyperaktiven Delir neben Verwirrung oft Halluzinationen, Wahnsymptomatik und Agitation auf. Berichte über die Verteilung der Häufigkeiten der Verlaufsformen schwanken. Auf Intensivstationen wurde publiziert, dass hypoaktive Verlaufsformen (43,5 %) und Mischformen (54,9 %) wesentlich häufiger sind als hyperaktive Delirien. Insbesondere bei älteren Patienten (>65 Jahre) waren hypoaktive Delirien deutlich überrepräsentiert [16]. In einer weiteren Studie erwiesen sich Delir-PatientInnen mit hypoaktiver Verlaufsform (67,6 %) an einer postoperativen ICU initial als anämischer, hatten einen schlechteren Outcome und eine erhöhte Mortalität [17]. Bei geriatrischen Patienten im subakuten Management waren hyperaktive Delirien häufiger (40,6 %). Auch in dieser Studie waren hypoaktiven Delirien mit einem initial schlechteren Funktionsniveau, Komorbidität und höherer Mortalität assoziiert [18]. Andere Autoren schätzen innerhalb eines Reviews die Verteilung allgemein, also nicht ICU-spezifisch, bei etwa 25 %/25 %/50 % (hypokinetisch/hyperkinetisch/gemischt) [19]. Bei der Interpretation dieser Zahlen muss beachtet werden, dass hypokinetische Delirien mit hoher Wahrscheinlichkeit seltener diagnostiziert und gezielt behandelt werden als hyperkinetische Delirien, nachdem die PatientInnen nicht agitiert sind und daher geringerer unmittelbarer Handlungsbedarf besteht. Entzugsdelirien zeigen häufiger einen hyperkinetischen Verlauf, wobei die psychomotorische Auslenkung auch durch eine vegetative Entzugssymptomatik überlagert ist.

Diagnostik

Screening

Die Literatur zeigt, dass systematische Screenings mit validierten Methoden für die effektive Erfassung des Delirs im klinischen Setting notwendig sind. Routinescreenings von RisikopatientInnen (siehe Abschnitt „Pathophysiologie“) bzw. in Risikosituationen (z. B. chirugische Stationen, Geriatrien, ICU) werden somit empfohlen. Eine Studie zeigte, dass die Confusion Assessment Method for the ICU (CAM-ICU, siehe Abb. 2 [20, 21]) etwa 65 % der Delirien erfasst. Die einfache klinische Begutachtung hingegen erfasste lediglich 30 % [22]. Das CAM Screening ist die Originalform der oben beschriebenen CAM-ICU und die weltweit am häufigsten angewandte Methode. Das Verfahren weist eine Sensitivität von 95–100 % sowie eine Spezifität von 90–95 % auf. Die Maßnahme beinhaltet eine rasche, standardisierte Erfassung der Hauptsymptome des Delirs und deren typischen Verlauf [23]. Obligate Symptome in der CAM sind der akute Beginn und/oder fluktuierende Verlauf sowie die Aufmerksamkeitsstörung.

Abb. 2
figure 2

Confusion Assessment Method für die Intensivstation (CAM-ICU)[20, 21]

Das Erkennen des Delirs ist natürlich Voraussetzung für eine effektive Therapie. Das Delir ist mit einer deutlichen Verschlechterung der Prognose verbunden (siehe Abschnitt „Prognose“). Außerdem kann ein Delir ein Hinweis für eine behandlungsbedürftige somatische Veränderungen sein. Somit ist das Erkennen eines Delirs für das generelle PatientInnenoutcome von großer Relevanz.

Nachdem das Delir plötzlich auftritt, ist eine Basis-Erfassung der Kognition zum Aufnahmezeitpunkt essentiell. Aufgrund des undulierenden Verlaufs sollten die Screenings mehrfach täglich erfolgen. Medizinisches Personal sollte in der Anwendung geeigneter Screening-Verfahren geschult sein, die Tests leicht verfügbar in der medizinsichen Einheit aufliegen und Standard Operating Procedures (SOPs) hinsichtlich Screeningzeitpunkt und -häufigkeit etabliert sein. Delirscreenings sollten, vor allem in Hochrisikobereichen, als selbstverständliche Maßnahme in den Stationsalltag integriert sein.

Diagnostische Abklärung

Die Diagnose eines Delirs wird klinisch gestellt, wenn typische Symptome mit akutem und undulierendem Verlauf auftreten und ein organischer Auslöser vermutet wird. Die Erfassung des vermuteten Auslösers sollte immer angestrebt werden, da dieser zumeist behandlungsbedürftig ist [3]. Bei Verdacht auf ein Delir sollte daher eine differentialdiagnostische Abklärung möglicher Auslöser umgehend begonnen werden. Diese umfasst eine körperliche Untersuchung inklusive neurologischem Status, eine Erfassung der Vitalparameter und eine Elektrokardiographie. Welche Laboruntersuchungen notwendig sind, sollte anhand der Verdachtsdiagnose und dem klinische Zustand entschieden werden, wobei ein komplettes Blutbild, Akutphasenparameter, Elektrolyte, Blutzucker, Kreatinin und BUN zur empfohlenen Basisdiagnostik gehören [24]. Bei Verdacht auf einen Infekt sollte umgehend eine Fokussuche erfolgen. Bei Vorhandensein von fokal neurologischen Zeichen oder einer sonstigen neurologischen Symptomen wird eine kranielle Computertomographie oder Magnetresonanztomographie empfohlen. Eine Lumbalpunktion sollte erfolgen, wenn der Verdacht auf eine Meningitis/Enzephalitis (auch die Differentialdiagnose einer Autoimmunenzephalitis sollte stets angedacht werden) oder eine neurodegenerative Erkrankung besteht. Sollte klinisch der Verdacht auf ein Anfallsgeschehen bestehen, wird ein Elektroenzephalogramm notwendig. Der nicht-konvulsive Status Epilepticus ist eine wichtige Differentialdiagnose des hypokinetischen Delirs. Außderdem sollte eine ausführliche Medikamentenanamnese mit besonderem Augenmerk auf potentiell delirogene Medikamente erfolgen. Eine Substanzanamnese und Toxikologie (Alkoholkonzentration, Drogenscreening im Harn) ist zur Diagnosestellung eines Entzugsdelir oder Intoxikation von Relevanz. Faktoren, die eine sensorische Deprivation versursachen können, wie Seh- oder Hörstörungen sollten erfragt und korrigiert werden [23, 24].

Die Kernsymptome des Delirs sind Bewusstseinsstörungen, sowohl quantitativer (Somnolenz bis Koma) als auch qualitativer Art (im Wesentlichen im Sinne einer Verwirrtheit). Die diagnostischen Kriterien innerhalb des ICD-10 finden sich im Kapitel Symptomatik.

Die wichtigsten Differentialdiagnosen des Delirs sind die Demenz und andere Formen des OPS. Delir und Demenz unterscheiden sich durch das beim Delir gestörte und bei der Demenz intakte Bewusstsein und typischerweise durch den Verlauf, der bei der Demenz selten so deutlich unduliert wie beim Delir. Um eine vorbestehende kognitive Störung zu erfassen, ist selbstverständlich eine Außenanamnese essentiell. Andere Formen des OPS, wie beispielsweise die organisch affektive Störung, die organische Halluzinose oder die organisch wahnhafte Störung, lassen sich anhand der jeweils spezifischen Symptomatik klar vom Delir abgrenzen. Eine organische Ursache ist jedoch bei diesen Erkrankungen ebenfalls kausal und sollte wie bei dem Delir umgehend abgeklärt werden.

Therapie

Behandlung des Auslösers und nicht medikamentöse Maßnahmen

Im Vordergrund der Delirtherapie steht, sofern möglich, die Behandlung des Auslösers/der Auslöser. Im Rahmen dessen sind auch unspezifische Maßnahmen wie eine ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution, Stabilisierung der Vitalparameter, Behandlung von Fieber oder metabolischen Entgleisungen und die Optimierung der medikamentösen Therapie zur Reduktion des Einflusses von potentiell delirogenen Medikamenten von großer Bedeutung (Abb. 3). Außerdem gibt es eine Reihe von nicht-medikamentösen Maßnahmen, die eingesetzt werden können. Diese wurden vor allem für die Delirprävention untersucht, sind jedoch auch im Therapie-Setting günstig. Diese Maßnahmen sind in Tab. 2 zusammengefasst und dienen der Unterstützung der Kognition, Pflege des Tag-Nacht-Rhythmus, Reduktion der Immobilisierung (frühzeitige Physiotherapie), Einbezug von Angehörigen und Vermeidung von Isolation, Verbesserung visueller und auditorischer Defizite und Behandlung von Dehydratation [25].

Abb. 3
figure 3

Säulen der Delirtherapie

Tab. 2 Nichmedikamentöse Maßnahmen zur Delirprävention nach Inouye et al. [25]

Medikamentöse Therapie

Der zweite große Pfeiler der Delirtherapie ist die medikamentöse Behandlung mit Antipsychotika und Sedativa [26]. Die Therapie mit Antipsychotika basiert auf dem pathophysiologischem Konzept der gesteigerten dopaminergen Aktivität beim Delir und wird als kausal und nicht rein symptomatisch angesehen [8, 27].

Antipsychotika

Bei DelirpatientInnen handelt es sich häufig um ältere, multimorbide Menschen, die eine Polypharmazie erhalten und ein hohes Risiko für Nebenwirkungen aufweisen. Somit gilt auch in der Delirbehandlung der Leitspruch „so wenig wie möglich, so viel wie notwendig“. Lediglich Haloperidol und Risperidon haben eine Zulassung zur Behandlung von OPS; Haloperidol ist für das Delir zugelassen, Risperidon jedoch nur zur Behandlung von Verhaltensstörungen bei Demenz wie Unruhe/Erregung, Wahn, Aggression, Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus. Nachdem atypische Antipsychotika im Allgemeinen ein günstigeres Nebenwirkungsprofil aufweisen und von der Gabe von Haloperidol aufgrund des erhöhten Risikos für das Auftreten von extrapyramidalen Symptomen als first-line Therapie abgeraten wird, bewegt sich die psychopharmakologische Therapie des Delirs fast ausschließlich im off-label Bereich. Die in der Behandlung des Delirs eingesetzten Antipsychotikadosierungen sind geringer als jene, die in den primären Indikationen (z. B. Schizophrenie) verabreicht werden, wofür es keinen wissenschaftlichen Beleg gibt.

Studien konnten zeigen, dass die atypischen Antipsychotika Risperidon [28], Quetiapin [29, 30], Olanzapin [28] und Amisulprid [31] in der Behandlung des Delirs effektiv sind. Die Wirksamkeit von Aripiprazol [32, 33] und Paliperidon [34] wurde in offenen Studien gezeigt. Welches dieser Medikamente eingesetzt wird, richtet sich in Zusammenschau mit der klinischen Situation und der sonstigen Krankengeschichte nach dem Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil und der verfügbaren Darreichungsform. Beim Delir werden sublinguale und intramuskuläre Verabreichungsformen erwogen, da oftmals eine perorale Einnahme nicht möglich ist; leider ist derzeit kein Antipsychotikum in intravenöser Darreichungsform verfügbar; Haloperidol ist intravenös nicht mehr zugelassen wegen potenzieller QTc Verlängerung. Beispielsweise haben Quetiapin und Olanzapin sedierende Eigenschaften, Olanzapin wird jedoch aufgrund seiner anticholinergen Wirkung (potenziell delirogen) eher nicht empfohlen. Quetiapin kann bei PatientInnen mit Parkinson Syndrom oder sonstiger dopaminerger Neurodegeneration (z. B. Lewy-Body Demenz) angewandt werden, nachdem es nur schwach antidopaminerg wirksam ist. Aripiprazol und Amisulprid weisen wenig sedierende Wirkung auf. Amisulprid kann bei PatientInnen mit eingeschränkter Leberfunktion, Quetiapin bei eingeschränkter Nierenfunktion und Aripiprazol bei QTc Verlängerung gegeben werden. Die S3 Leitlinie für Demenzen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) sieht vor, dass ein Delir (bei Demenz) nach entsprechender diagnostischer Abklärung mit Antipsychotika behandelt werden kann (Evidenzgrad 0 = „Kann-Empfehlung“). Es exitistieren keine randomisierten kontrollierten Studien zur speziellen Behandlung von Delir bei Demenz mit Antipsychotika. In der S3 Leitlinie Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin wird ebenfalls angegeben, dass die Gabe von Haloperidol, Risperdon, Olanzapin oder Quetiapin beim Delir erfolgen kann (Evidenzgrad 0) [35].

Der Einsatz von Antipsychotika beim Delir wurde in letzter Zeit von verschiedenen Forschungsgruppen kritisch beleuchtet. Größere Studien und Meta-Analysen haben die Wirksamkeit von Antipsychotika beim Delir trotz ihrer breiten Anwendung in Frage gestellt. Girard et al. untersuchten die Wirkung von Haloperidol und Zipradison intravenös in 566 beatmeten ICU PatientInnen in einer rezenten prospektiven, randomisierten, Plazebo-kontrollierten Studie und zeigten, dass die Gabe der beiden Antipsychotika nicht zu einer Verkürzung der Delirdauer oder Reduktion der Mortalität im Vergleich zu Plazebo führt [36]. Bereits 2010 publizierte dieselbe Forschungsgruppe die Vorgängeruntersuchung (MIND trial) in 101 beatmeten ICU PatientInnen und wies einerseits die Machbarkeit von randomisierten, kontrollierten Studien in diesem speziellen Patientenkollektiv nach, zeigte jedoch bereits, dass die Gabe von Antipsychotika keinen Einfluss auf die Anzahl der Tage ohne Delir hat [37]. Auch Page et al. konnten keinen positiven Effekt von Haloperidol auf die Delirdauer nachweisen (141 beatmete PatientInnen) [38]. Bei der Interpretation oben genannter Studien muss jedoch berücksichtigt werden, dass diese jeweils in schwer kranken Menschen auf ICU durchgeführt wurden und die Ergebnisse sich daher nicht ohne Weiteres auf DelirpatientInnen auf Allgemeinen Stationen übertragen lassen. In der aktuellen Studie von Girard et al. [36] litten der Großteil (88 %) der untersuchten PatientInnen an einem hypoaktiven Delir (das Überwiegen dieser Form an ICU ist evident, vgl. „Symptomatik“) und Ziprasidon (im deutschsprachigen Raum nicht intravenös verfügbar) wird in der klinischen Praxis beim Delir kaum eingesetzt. Allerdings zeigen Meta-Analysen von randomisierten kontrollierten Studien, die auch nicht-ICU PatientInnen untersuchten, ebenfalls keinen Effekt von typischen oder atypischen Antipsychotika auf den Schweregrad des Delirs oder die Mortalität [39]. Eine weitere Meta-Analyse in ICU-PatientInnen fand ebenso keinen signifikanten positiven Effekt von Antipsychotika [40]. Beide Studien weisen jedoch auf den gegenwärtigen Mangel an ausreichend großen, randomisierten, kontrollierten Studien zur Untersuchung der Effektivität von Antipsychotika beim Delir hin. Nur eine aktuelle Meta-Analyse von Wu et al. empfiehlt die Gabe von Haloperidol in Kombination mit Lorazepam als first-line Therapie beim Delir [41]; eine Empfehlung, die jedoch bei genauerer Betrachtung der 13 eingeschlossenen Studien lediglich auf die Ergebnisse einer Studie zurückzuführen und daher sehr fragwürdig ist [42]. Prinzipiell wird basierend auf der vorhandenen Datenlage eine restriktive, überlegte Verschreibung von Antipsychotika empfohlen, insbesondere beim hypoaktiven Delir [26]. Nachdem es sich (trotz des postulierten Dopamin Arousal im Delir) wohl vor allem auch um eine symptomatische Therapie handelt, ist der Einsatz eher bei Delir-PatientInnen mit hyperkinetischen Verlaufsformen, Agitation und produktiv-psychotischer Symptomatik gerechtfertigt.

Sedativa und andere sedierende Substanzen

Sedativa und andere sedierende Substanzen, die zur Behandlung von Delirsymptomatik untersucht und diskutiert wurden, sind Benzodiazepine, α2-Agonisten, Antiepileptika, Trazodon und Melatonin. Benzodiazepine sind, wie in der Folge genauer erläutert, Mittel der Wahl beim Alkoholentzugsdelir. Die Verordnung von Benzodiazepinen bei anderen Delirformen sollte jedoch restriktiv erfolgen, da diese insbesondere bei PatientInnen mit vorbekannter Demenz delirogen (indem sie vigilanzmindernd sind) wirken und eine Effektivität abseits des Alkoholentzugsdelirs nicht belegt ist [43].

Dexmedetomidin ist ein α2-Agonist, der aufgrund seiner sedierenden Wirkung bei fehlender Atemdepression als Sedativum im ICU und IMC (Intermediate Care) Setting zugelassen ist (wegen des Begleiteffekts Bradykardie ist Monitoring notwendig). Zur Delirbehandlung wird Dexmedetomidin erst seit wenigen Jahren untersucht. Die Substanz zeigte einen präventiven Effekt hinsichtlich des Auftretens eines postoperativen Delirs (POD) [44]. Eine kontrollierte Studie zeigte, dass Dexmedetomidin bei PatientInnen mit hyperaktivem Delir, die nicht auf Haloperidol ansprachen, eine effektive Sedierung erzielen kann. Hierbei handelte es sich um nicht-intubierte PatientInnen auf einer ICU [45]. In einer rezenten Metaanalyse aus acht Studien und 727 PatientInnen wurde eine günstige Wirkung von Dexmedetomidin auf die Delirinzidenz im Vergleich zu Plazebo nachgewiesen [46].

Clonidin ist ein weiterer α2-Agonist, der in der Psychiatrie vor allem in der Behandlung von Entzugssymptomatik Gebrauch findet. Es gibt Hinweise, dass Clonidin auch einen präventiven Effekt bei POD zeigt [47]. Eine Studie zur Effektivität von Clonidin in der Delirbehandlung mit einer sehr kleinen Fallzahl (n = 10) konnte keinen Einfluss von Clonidin auf die Delirsymptomatik feststellen [48].

Für den Gebrauch der Valproinsäure beim hyperkinetischen Delir liegen Case-Reports vor, die dafür sprechen, dass die Substanz eine effektive und gut tolerierte Behandlungsoption beim hyperaktiven und gemischten Delir darstellt (NB: intravenöse Gabe möglich), jedoch liegen keine randomisierten, kontrollierten Studien in der Indikation Delir vor [49, 50]. Mögliche Valproat-induzierte Enzephalopathien und Leberfunktionsstörungen können aber schädlich interagieren. Obwohl präliminäre Ergebnisse positiv waren [51], zeigte eine größere Studie (n = 697) keinen präventiven Effekt von Gabapentin auf das Auftreten eines POD im Vergleich zu Plazebo [52]. Eine Behandlung mit Pregabalin vor und nach einer Operation führte zu einer Reduktion von Delirsymptomen postoperativ, wobei unklar ist, ob es sich hier um eine therapeutische oder präventive Wirkung handelt [53]. Weder für Gabapentin noch Pregabalin liegen randomisierte, kontrollierte Studien zum Delir im Allgemeinen vor.

Der Serotonin-Antagonist und Wiederaufnahme-Hemmer Trazodon zählt zu den Antidepressiva und wird aufgrund seiner sedierenden Eigenschaften und guten Tolerabilität häufig off-label eingesetzt (NB: intravenöse Gabe möglich), kontrollierte Studien zur Effektivität beim Delir liegen jedoch nicht vor. In dementen Patientenkollektiven konnte jedoch eine positive Wirkung auf Agitation und Aggression nachgewiesen werden [54, 55].

Melatonin reduzierte das Risiko ein Delir zu entwickeln bei älteren, stationär aufgenommenen PatientInnen [56] und wird im ICU Setting zur Behandlung der Schlaf-Wach-Rhythmus-Störung eingesetzt, wobei eine positive Wirkung bislang nicht nachgewiesen ist. Die Gabe von Ramelteon, ein Melatonin-Agonist, ist mit einem reduzierten Delirrisiko im Vergleich zu Plazebo verbunden (n = 67) [57] und sollte weiter geprüft werden.

Andere Substanzen

Aufgrund der procholinergen Wirkung von Cholinesterasehemmern (CHE-I), die zur Behandlung der Demenz eingesetzt werden, wird ein positiver Effekt dieser Substanzen beim vermuteten Acetylcholinmangel beim Delir angenommen. Allerdings stellte ein rezentes Cochrane Review fest, dass derzeit keine ausreichende Evidenz für die Behandlung von Delir mit CHE-I besteht [58]. Suvorexant, ein potenter und selektiver Orexin-Rezeptor-Antagonist, der schlafförderne Eigenschaften besitzt, zeigt eine positive Wirkung auf die zirkadiane Störung bei älteren PatientInnen und scheint vor der Entwicklung eines Delirs zu schützen [59].

Zusammengefasst ist die Behandlung des Auslösers der zentrale Schritt in der Behandlung des Delirs. Ansonsten werden nicht-pharmakologische und unspezifische Maßnahmen zur Behandlungsoptimierung empfohlen. Medikamentöse Therapien sind in erster Linie symptomatisch. Die Gabe von Antipsychotika sollte für PatientInnen mit hyperkinetischen Verlaufsformen, Agitation und produktiv-psychotischer Symptomatik vorbehalten werden. Benzodiazepine sollten bei Delirien, die nicht durch einen Alkoholentzug bedingt sind, sparsam eingesetzt bzw. möglichst vermieden werden. Es gibt Evidenz, dass Dexmedetomidin (im Perfusor unter Monitoring) neben sedierender Wirkung auch antidelirogene Effekte aufweist. Für andere Substanzen wie Antipileptika und Trazodon ist die Datenlage spärlich. KlinikerInnen sollte bewusst sein, dass es sich bei fast allen der hier beschriebenen medikamentösen Optionen (Außnahme Haloperidol) beim Delir um eine off-label Verschreibung handelt. Eine psychopharmakologische Therapieempfehlung für das hyperkinetische Delir ist in Abb. 4 zusammengefasst.

Abb. 4
figure 4

Psychopharmakologische Empfehlung beim hyperkinetischen Delir zwecks Sedierung und Realitätsanpassung

Spezielle Formen des Delirs

Postoperatives Delir (früher syn. Durchgangssyndrom)

Bis zu 40 % der PatientInnen nach größeren Operationen entwickeln ein Delir [1, 3]. Die Wahrscheinlichkeit für ein POD steigt mit der Länge und Invasivität der Operation, dem Volumen an transfundiertem Blut, ist bei offenen Operationen höher als bei endovaskulären Operationen und bei Notoperationen höher als bei elektiven Operationen. Männliches Geschlecht, Schlafapnoe, Vorhofflimmern, Nierenfunktionsstörungen, Herzinsuffizienz, Rauchen und postoperativer ICU Aufenthalt sind Risikofaktoren für ein POD [3]. Zu kardiologischen und orthopädischen Operationen gibt es relativ viele Studien. Im Einklang mit früheren Daten, die zeigten, dass die Anäthesiemethode keine Einfluss auf das Delirrisiko hat [60], stellte auch ein rezenter Review dar, dass es bei Älteren mit Hüftoperationen keine Evidenz für ein geringeres Delirrisiko von Regionalanästhesien (Spinal- und Epiduralanästhesie) im Vergleich zu Allgemeinnarkosen gibt [61]. Zwischen Gas-Narkosen und Propofol ließ sich in einem Cochrane Review kein klarer Unterschied in der Delirinzidenz feststellen [62]. Allerdings zeigte sich, dass ein zerebral orientiertes Monitoring (mittels bispektralem Index, akustisch evozierten Potenzialen oder Elektroenzephalographie) zur Steuerung der Anäthesietiefe mit einem signifikant reduzierten Risiko für POD assoziiert ist [63, 64]. Außerdem konnte eindeutig gezeigt werden, dass Benzodiazepine das Risiko für ein POD erhöhen [65]. Zum Einfluss von Opiaten auf das POD Risiko ist die Datenlage gemischt [3]. Ein präventiver Effekt wurde für die perioperative Gabe von Dexmedetomidin gezeigt [66]. Ein POD erhöht die 5‑Jahres-Mortalität um das siebenfache [67].

ICU Delir

Es wird berichtet, dass bis zu 80 % der ICU-PatientInnen ein Delir entwickeln. Die Risikofakoren für ein ICU-Delir decken sich weitgehend mit den unspezifischen Risikofaktoren und jenen des PODs, wobei dem allgemeinen Morbiditätslevel eine besondere Bedeutung zugeschrieben wird [68]. Bezüglich medikamentösen Risikofaktoren ist die Konstellation ähnlich wie beim POD. Benzodiazepine erhöhen das Delirrisiko [69], hinsichtlich Opiaten ist die Datenlage inkonsistent [3].

Alkoholentzugsdelir

Ein Delir ist eine mögliche Komplikation eines Alkoholentzuges und wird diagnostiziert, wenn beide Symptomkomplexe, Delir und Alkoholentzugssymptomatik, zeitgleich auftreten. Es wurde geschätzt, dass bis zu 5 % der PatientInnen, die wegen eines Alkoholentzugs stationär aufgenommen werden, ein schweres Delir entwickeln [70]. Alkohol hat GABAA-agonistische und NMDA-Rezeptor-antagonistische Effekte. Pathophysiologisch zeigen PatientInnen mit Alkoholabhängigkeit eine Desensibilisierung der GABAergen und antiglutamatergen Wirkung von Alkohol [71]. Das Wegfallen der dämpfenden Effekte von Alkohol wird für die Entzugssymptomatik verantwortlich gemacht [72]. Die Entzugssymptomatik beginnt ca. acht Stunden nachdem die Blutalkoholspiegel beginnen zu fallen und erreicht nach 72 h ihr Maximum [73].

Alkoholentzugssymptomatik hat psychische und physische Komponenten und ist unter anderem durch starkes Verlangen nach Alkohol (Craving), Angst, Anspannung und Schlafstörungen sowie Zittern, Schwitzen, Tachykardie, Hypertonie und Hyperthermie gekennzeichtet. Außerdem kommt es bei bis zu 15 % der Betroffenen im Rahmen des Entzugs zu generalisierten epileptischen Anfällen, wobei die Datenlage diesbezüglich stark schwankt (1–15 %) [72]. Das Risiko für einen erneuten entzugsepileptischen Anfall ist in den 6–8 h nach einem Anfall besonders hoch (bei insuffizienter Behandlung bis zu 25 % [72]). Alkoholentzugsdelirien beginnen meist etwa drei Tage nach Beginn der Alkoholentzugssymptomatik und haben eine durchschnittliche Dauer von 2–3 Tagen [73], wobei diese Dauer in schweren Fällen oder durch Komplikationen auch deutlich verlängert werden kann. Die maximale Ausprägung des Alkoholentzugsdelirs ist das Delirium tremens, welches durch eine ausgeprägte vegetative Entzugssymptomatik gekennzeichnet ist und ein intensivmedizinisches Management benötigt. Vorangegangene entzugsepileptiche Anfälle sind prädiktiv für das spätere Auftreten eines Delirium tremens [70]. Das Mortalitätsrisiko steigt bei Vorhandensein von Hyperthermie und kardialen Arrhythmien und sinkt mit frühzeitiger Diagnose des Delirium tremens [74].

Neben der ausreichenden Flüssigkeitssubtitution sowie dem Management von Komplikationen wie Infektionen oder Elektrolytverschiebungen sind Benzodiazepine Mittel der Wahl in der Behandlung des Alkoholentzugsdelirs. Die Therapie mit Benzodiazepinen basiert auf dem vereinfachten Konzept des entzugassozierten GABA-Mangels und Glutamat-Überschusses [72]. Lorazepam findet häufig bei PatientInnen mit Alkoholentzugsdelir Anwendung, nachdem die Substanz intravenös verabreicht werden kann, keine aktiven Metaboliten hat und eine mittellange Wirkdauer aufweist. Im Falle einer fortgeschrittenen Lebererkrankung wird Oxazepam empfohlen, da diese Substanz keine hepatischen Metaboliten aufweist. Allerdings kann Oxazepam ausschließlich peroral verabreicht werden. In schweren Fällen bis hin zum Delirium tremens werden Lorazepam oder Diazepam in steigender Dosierung empfohlen, wobei sich hier die Dosierung nicht an Maximalempfehlungen sondern an der klinischen Symptomatik orientieren sollte. Mit Tagesdosen von mehr als 100 mg Diazepam Äquivalenten ist zu rechnen. Zur Behandlung der vegetativen Symptomatik können α2-Agonisten wie Dexmedetomidin oder Clonidin in Kombination mit Benzodiazepinen gegeben werden. Sollte ein schweres Alkoholentzugsdelir nicht auf Benzodiazepine ansprechen, gibt es auch Evidenz für den Einsatz von Propofol und Phenobarbital, wobei diese Substanzen in erster Linie im intensivmedizinischen Setting gegeben werden [75].

Wenn ausreichend dosiert, sind Benzodiazepine als Prophylaxe für einen entzugsepileptischen Anfall suffizient. Derzeit besteht keine klare Evidenz für eine primäre Anfallsprophylaxe mit Antikonvulsiva. Auch nach einem entzugsepileptischen Anfall stellen Antikonvulsiva die Therapie der zweiten Wahl nach einer suffizienten Benodiazepindosierung zur Verhinderung eines weiteren Anfalls dar [72]. In der klinischen Routine wird in der Sekundärprophylaxe jedoch häufig eine Behandlung mit einem Antiepileptikum begonnen. Es besteht eine begrenzte Evidenz für die Behandlung sonstiger Entzugssymptomatik mit Antikonvulsiva wie Gabapentin [76], Pregabalin [77], Carbamazepin [78] oder Valproinsäure [79]. Im Falle des Alkoholentzugsdelirs sind diese Substanzen jedoch nicht ausreichend untersucht. Von einer Therapie mit Antipsychotika sollte aufgrund der potentiellen Senkung der Krampfschwelle Abstand gehalten werden [75]. Andererseits wird in den S3 Leitlinien der DGPPN zu alkoholbezogenen Störungen Haloperidol beim deliranten Syndrom mit Halluzinationen, Wahn oder Agitation empfohlen, – in Kombination mit Benzodiazepinen.

Eine wichtige Differentialdiagnose des Alkoholentzugsdelirs ist das Wernicke-Korsakoff-Syndrom (WKS), wobei Delir und WKS natürlich auch zeitgleich auftreten können. WKS ist die Folge eines Thiaminmangels, welcher bei PatientInnen mit schwerer Alkoholabhängigkeit durch Mangelernährung, Resorptionsstörungen und Störung des Thiaminstoffwechsels bedingt werden. Die Korsakoff Psychose und Wernicke Enzephalopathie können getrennt oder in Kombination auftreten. Klassischerweise zeigen PatientInnen mit Korsakoff Psychose eine ausgeprägte Amnesie. Gedächtnislücken werden mit Konfabulationen ausgefüllt. Bei der Wernicke Enzephalopathie zeigen sich Ataxie, Augenmotilitätsstörungen und kognitive Symptome, wobei nur bis zu 20 % der PatientInnen die komplette Trias zeigen. Die Therapie besteht in einer hochdosierten, intravenösen Thiaminsubstitution von 500 mg dreimal täglich über sieben Tage, aufgrund des Anaphylaxierisikos langsam verabreicht [80], wobei diese Therapie auch länger verabreicht werden kann [81] und unterschiedliche Dosierungen publiziert und empfohlen wurden. Aufgrund der gestörten Resorption sollte erst nach ausreichender intravenöser Substitution eine perorale Thiaminsubstitution mit z. B. 100 mg täglich begonnen werden. Alkoholkranke PatientInnen im Entzug haben ein Risiko für WKS und sollten eine parenterale Thiaminprophylaxe erhalten [82, 83]. Als weitere Differentialdiagnose und mögliche Komorbidität sollte beim Alkoholentzugsdelir auch an die hepatische Enzephalopathie gedacht und Ammoniak im Serum bestimmt werden.

Prognose

Die Diagnose Delir ist mit einer erhöhten Mortalität, Hospitalisierungsrate und Demenzinzidenz vergesellschaftet [84]. Delir tritt gehäuft bei PatientInnen mit Demenz auf, wofür einerseits die vermehrte Diagnosestellung nach einem Delir, jedoch auch eine immunmediierte Verschlechterung der Neurodegeneration und Ankurbeln der dementiellen Veränderungen durch das Delir verantwortlich gemacht wird [15]. Bei PatientInnen mit Delir wurden höheres Alter, somatische Morbidität, depressive Symptomatik und Probleme bei den Aktivitäten des täglichen Lebens mit einer erhöhten Mortalität assoziiert [85].

Mittels Neuroimaging Studien wurde versucht, die neurodegenerativen Effekte des Delirs darzustellen. Eine Studie, die Delir-PatientInnen prospektiv mit Magnetresonanztomographie (MRT) untersuchte, zeigte, dass eine längere Delirdauer mit globaler und frontaler Atrophie vergesellschaftet ist. Es bleibt jedoch unklar, ob es sich bei diesen Befunden um Zeichen einer neurobiologischen Vorbelastung oder eine Konsequenz des deliranten Zustandsbildes handelt [86].

PatientInnen mit persistierendem Delir zeigten im Vergleich zum passageren Delir eine signifikant schlechtere Prognose bezüglich Spitalsaufenthaltsdauer und 1‑Jahres Mortalität [87]. In dieser ICU Untersuchung wurde ein Delir schon dann als persistierend gewertet, wenn PatientInnen zwei Stunden nach dem Stoppen der Sedierung noch verwirrt (CAM-ICU) waren. In einer Übersichtsarbeit wurden Delirien im Kontext unterschiedlichster Behandlungskompetenzen (chirurgisch, internistisch, geriatrisch, psychiatrisch, palliativ, usw.), Ursachen und Charakteristika eingeschlossen. Manche Delirien persistierten bis zu sechs Monate, oft auch noch nach der Entlassung aus dem stationären Setting. [88]. Ein persistierender Delirverlauf wurde mit höherem Schweregrad der Delirsymptomatik und der zugrundeliegenden somatischen Erkrankung, Demenz, hypokinetischer Symptomatik und zerebralen hypoxischen Störungen in Verbindung gebracht.

Auch wenn die Zahlen abhängig von der medizinischen Versorgungssituation im untersuchten Land sind, werden durchaus auch PatientInnen in delirantem Zustand aus dem stationären Krankenhaussetting entlassen. Zum Beispiel zeigten Studien aus der USA, dass bis zu 20 % der PatientInnen mit deliranten Zustandsbildern aus Notfallambulanzen entlassen werden [89, 90].

Weblinks