Zivilrechtliche Relevanz amnestischer, deliranter und affektiver Syndrome

Zusammenfassung

Im Zivilrecht kommt der freien Willensbestimmung große Bedeutung zu. Die freie Willensbestimmung ist ein komplexer Prozess, der auf dem geordneten Zusammenspiel mehrerer Hirnfunktionen basiert. Diese können bei einer Reihe von psychiatrischen Syndromen beeinträchtigt sein, sodass sich die Frage nach der Geschäfts‑, Testier- und auch Einwilligungsfähigkeit stellt. In diesem Beitrag werden mögliche Auswirkungen des amnestischen, des deliranten und des depressiven bzw. manischen Syndroms auf die Geschäfts‑, Testier- und auch Einwilligungsfähigkeit dargestellt. Bei der in der Regel retrospektiven Begutachtung der Geschäfts- und Testierfähigkeit ist eine Verlaufsbetrachtung wichtig. Insbesondere bei einem deliranten, aber auch bei einem manischen Syndrom ist oft die Dauer der Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung strittig. Bei der Betrachtung der psychopathologischen Symptomatik hinsichtlich zivilrechtlicher Fragen sind neben kognitiven Störungen (wie z. B. des Gedächtnisses oder der Urteilsfähigkeit), die v. a. die Willensbildung einschränken, auch affektive Störungen zu berücksichtigen, denn diese können die Entscheidungsfindung und die Umsetzung einer Entscheidung erheblich beeinträchtigen.

Abstract

In German civil law the volitional competence is an important topic. The volitional competence is a complex process basing on the well-regulated interaction of many cognitive functions. These functions may be impaired in some psychiatric syndromes and in such cases the legal capacity, the testamentary capacity and the competence to consent to treatment are doubtful. In this article the legal consequences of amnestic, delirious and depressive or bipolar affective syndrome are described. In cases of (mostly retrospective) forensic psychiatric examination of the legal competence it is important to consider the course of the illness. Particularly in delirious or in manic states the duration of the impairment of legal competence is often debated. In view of the German civil law psychopathological symptoms, such as cognitive impairment (e.g. of the memory and judgement) having an impact on the volitional capacity should be considered. Moreover, affective disorders, which may compromise the making of a decision and its transfer, should be included in the evaluation.