Lernziele

Nach Lektüre dieses Beitrags

– kennen Sie die epidemiologischen Daten mit Inzidenz, Mortalität sowie das Erregerspektrum mit Resistenzsituation für die ambulant und nosokomial erworbene Pneumonie.

– beherrschen Sie klinische und mikrobiologische Diagnosekriterien.

– haben Sie Kenntnisse über Scores zur Risikoeinschätzung als Auswahlhilfe für den Behandlungsort gewonnen.

– können Sie eine antimikrobielle Therapie nach Schweregrad und Risikofaktoren für multiresistente Keime adäquat kalkuliert einsetzen.

Einleitung

Die ambulant erworbene Pneumonie („community acquired pneumonia“, CAP) und die nosokomiale Pneumonie („hospital acquired pneumonia“, HAP) sind häufige Infektionserkrankungen, die mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden sind. Deswegen ist es wichtig, diese Infektionserkrankungen frühzeitig zu diagnostizieren und – abhängig vom Schweregrad der Erkrankung und dem zu erwartenden Keimspektrum – eine effiziente Behandlung einzuleiten. In dieser Übersicht werden die Diagnosekriterien, Epidemiologie, Scores zur Einteilung des Schweregrads der Erkrankung, Keimspektrum, Risikofaktoren für spezielle Erreger sowie eine schweregradabhängige Therapie vorgestellt. Dies erfolgt anhand der beiden aktuellen Leitlinien (S3-Leitlinie „Ambulant erworbene Pneumonie“ 2009 und S3-Leitlinie „Nosokomiale Pneumonie“ 2012; [1, 2]).

Definitionen und Epidemiologie

Definitionen

Die Pneumonie ist definiert als eine mikrobiell bedingte Entzündung des Lungenparenchyms. Sie geht mit im Röntgenbild der Thoraxorgane neu aufgetretenen Infiltraten (Abb. 1, Abb. 2) sowie klinischen Symptomen einher (Fieber, Husten, Auswurf, Verschlechterung des Allgemeinzustands). Um eine rationale Diagnostik und adäquate Therapie bei unterschiedlich zu erwartenden Keimspektren einzuleiten, wird die Pneumonie in eine ambulant erworbene (CAP) und eine stationär erworbene (HAP) unterteilt. Dabei tritt eine HAP frühestens 48 h nach der stationären Aufnahme auf. Noch Wochen und Monate nach der Entlassung kann sie wegen möglicher Kolonisation mit Hospitalkeimen und damit mit veränderten Ansprüchen an die Therapie als eine nosokomiale Infektion definiert werden. Ein genauer Zeitrahmen existiert hierfür nicht, man geht aber von einem Zeitraum von 1–3 Monaten aus. Bei Patienten, die unter einer Beatmung eine nosokomiale Pneumonie entwickeln (≥ 48 h nach Intubation), handelt sich um eine beatmungsassoziierte Pneumonie („ventilator-associated pneumonia“, VAP).

Abb. 1
figure 1

Thorax-Röntgenaufnahme: Mykoplasmenpneumonie

Abb. 2
figure 2

Thorax-Röntgenaufnahme: Lobärpneumonie rechts

Inzidenz

Pneumonien zählen zu den häufigsten tödlich verlaufenden Infektionskrankheiten der Welt [3]. Die Inzidenz der CAP ist in Deutschland gut untersucht. Es liegen sowohl durch das Kompetenznetzwerk CAPNETZ als auch durch das Bundesinstitut für Qualitätssicherung (BQS) erhobene Daten vor. Dabei erfasst CAPNETZ stationäre und ambulante, das Bundesinstitut für Qualitätssicherung nur stationäre Patienten. Die Daten BQS dokumentieren jährlich etwa 200.000 Patienten, die wegen einer CAP stationär behandelt werden. Somit erkranken bei einer Hospitalisationsrate von ca. 30–50 % schätzungsweise allein in Deutschland pro Jahr 400.000–600.000 Menschen an einer CAP (BQS-Qualitätsreport 2007). Nach den CAPNETZ-Daten beträgt die Inzidenz der CAP in Deutschland pro Jahr 3,7–10,1 pro 1000 Einwohner [4]. Dabei wird der größte Teil der Patienten ambulant behandelt; nur ca. 30 % bis maximal 50 % müssen hospitalisiert werden. Bei der HAP hängt die Inzidenz vom Aufenthaltsort sowie auch von der Beatmungsart (invasiv oder nichtinvasiv) ab. Auf der normalen Station ist die Inzidenz mit zwischen 0,98 und 1,32 pro 100 Patienten niedrig [5, 6], wobei hier die Studienanzahl gering ist. Die Inzidenz steigt bei nichtinvasiver Beatmung auf 1,6 pro 1000 nichtinvasive Beatmungstage und bei invasiver Beatmung sogar auf 5,4 pro 1000 invasive Beatmungstage. Die Angaben beruhen auf Daten des Deutschen Krankenhaus-Infektion-Surveillance-Systems (KISS), die in Deutschland gut dokumentiert und untersucht sind [7].

Mortalität

Die Mortalität der Patienten mit einer CAP ist abhängig vom Schweregrad. Im ambulanten Bereich ist sie am geringsten (1–2 %). Dabei handelt sich hier in der Regel um Patienten mit einem niedrigen Schweregrad. Sie steigt bei hospitalisierten Patienten auf 10–20 % an. Die hospitalisierten Patienten zeichnen sich nicht nur durch einen schweren Erkrankungsgrad aus, sondern durch andere Faktoren, die zu einer stationären Aufnahme geführt haben, wie z. B. Komorbiditäten. Die Mortalität ist mit bis zu 50 % bei den Patienten am höchsten, die auf einer Überwachungsstation behandelt werden [8]. Die im Rahmen der externen Qualitätssicherung gewonnenen Daten zeigen, dass die Sterblichkeit der stationär behandelten Patienten in Deutschland bei 13,7–14,4 % liegt und mit einer signifikanten Altersabhängigkeit (BQS-Qualitätsreport 2007) assoziiert ist. Bei der VAP liegt die Letalität durchschnittlich bei 16 % (10–47 %; [9]). Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die Grunderkrankung zur Letalität beiträgt. Durch eine Stratifizierung der Patienten nach Risikofaktoren wurde versucht, die VAP-bedingte Letalität zu ermitteln. Dabei konnte eine zusätzliche Letalität je nach Studie zwischen 1,1% und 13,5 % ermittelt werden [10]. Diese Daten sind mit einiger Vorsicht zu deuten, es scheint aber so zu sein, dass die VAP-bedingte Letalität niedriger ist, als bis jetzt angenommen. Leider liegen keine Studien vor, die sich mit der Mortalität der unkomplizierten HAP befasst haben [2].

Erregerspektrum und Resistenz

Mikrobiologische Charakteristika der CAP

In fast allen Studien sind Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) die häufigsten bakteriellen Erreger der CAP. Wesentlich seltener ist der Nachweis von anderen Bakterien wie Haemophilus influenzae oder Staphylococcus aureus (Tab. 1). Bei den atypischen Erregern ist Mycoplasma pneumoniae der am häufigsten nachgewiesene Keim. Chlamydia pneumoniae ist ein eher seltener Erreger der CAP ( 1 %). Patienten mit einer Mykoplasmen- und Chlamydienpneumonie waren nach den CAPNETZ-Daten mit durchschnittlich 40 Jahren signifikant jünger als das Durchschnittsalter der Gesamtpopulation. Diese Patienten hatten außerdem kaum Begleiterkrankungen und wiesen einen i. A. unkomplizierten klinischen Verlauf auf. Die Letalität war äußerst gering (0,7 %). Legionellen sind mit etwa 4 % der Fälle auch seltene Erreger der CAP [11]. Dabei lassen sich zwei distinkte Patientenpopulationen unterscheiden. Bei einer Patientengruppe mit leichtem Verlauf, die überwiegend ambulant betreut wurden, kam es nicht zu Todesfällen. Demgegenüber stand eine Patientengruppe mit teilweise schwerwiegendem und komplexem klinischem Verlauf. Es handelte sich hierbei um Patienten mit multiplen Begleiterkrankungen und einer hohen Letalität der Legionellenpneumonie (15 % der Fälle; [12, 13]). Enterobakterien oder Pseudomonaden wurden nur sehr selten als definitive Pneumonieerreger nachgewiesen. Virale Erreger werden nach den neuesten Untersuchungen bei 15–20 % der Patienten nachgewiesen. Bei immunkompetenten Patienten ist Influenza A mit Abstand der häufigste virale Erreger der CAP, gefolgt von Influenza B und RSV („respiratory syncytial virus“).

Tab. 1 Häufigkeit respiratorischer Pathogene bei der CAP bezogen auf Patienten, bei denen respiratorisches Material verfügbar war

Das Resistenzprofil der in CAPNETZ identifizierten Pneumokokkenisolate spiegelt die deutschlandweite Situation wieder. Der Anteil von Stämmen mit verminderter Penizillin-G-Empfindlichkeit liegt weiterhin unter 10 %, der Anteil makrolidresistenter Isolate lag bis 2005 bei über 20 %, ist inzwischen aber wieder deutlich gesunken. Multiresistente bakterielle Erreger wie methicillinresistente S. aureus (MRSA) und ESBL-positive Enterobakterien wurden im CAPNETZ bisher nur vereinzelt als Pneumonieerreger beobachtet.

Mikrobiologische Charakteristika der HAP/VAP

Die Spannweite des Erregerspektrums bei der HAP ist groß (Tab. 2). In der neuen S3-Leitlinie zur nosokomialen Pneumonie sind die wichtigsten relevanten Erreger sowie Kolonisatoren gut dargestellt (Tab. 2). Diese kurze Übersicht bezieht sich auf diese Zusammenfassung [2]. Bei immunkompetenten Patienten stehen eindeutig die Bakterien im Vordergrund. Seltener werden Viren oder Pilze nachgewiesen. Aktuell liefert das KISS die besten Daten zu Erregerhäufigkeit der HAP/VAP. Demnach ist S. aureus der häufigste Erreger der HAP/VAP gefolgt von P. aeruginosa und E. coli. Bei Patienten mit einer leichten HAP (entweder spontan atmend oder maximal mit einer nichtinvasiven Beatmung) wurden zumeist Pneumokokken nachgewiesen.

Für die Einleitung einer kalkulierten antibiotischen Therapie ist es wichtig, zwischen Patienten ohne und mit Risiko für multiresistente Keime zu unterscheiden. Dabei sind die Risikofaktoren für eine HAP/VAP mit multiresistenten Keimen wie folgt definiert:

  • Antimikrobielle Vortherapie

  • Hospitalisation > 4 Tage („late onset“)

  • Invasive Beatmung

  • Aufenthalt Intensivstation

  • Malnutrition

  • Strukturelle Lungenerkrankungen

  • Bekannte Kolonisation durch multiresistente Erreger (MRE)

  • Aufnahme aus Langzeitpflegebereichen, chronische Dialyse, Tracheostomaträger, offene Hautwunden [14, 15, 16]

Es ist wichtig, zu wissen, dass nicht jeder Patient mit diesen Risikofaktoren gleichzeitig eine Infektion mit multiresistenten Keimen aufweist, jedoch steigt die Wahrscheinlichkeit mit zunehmender Anzahl an Risikofaktoren [2].

In Tab. 2 werden die häufigsten Erreger bei Patienten mit einer HAP/VAP mit und ohne Risikofaktoren für multiresistente Keime dargestellt. Ein großer Teil der im Sputum nachgewiesenen Keime ist jedoch als Bestandteil der normalen Schleimhautflora und nicht als Erreger der HAP/VAP zu sehen. Dies muss unbedingt berücksichtigt werden, um falsche Therapieregimes zu vermeiden. Die Kolonisationskeime werden unter dem Selektionsdruck der Breitbandantibiotika auch in größeren Mengen im Sputum nachgewiesen. Besonders häufig finden sich Candida spp. im Sputum von antibiotisch vorbehandelten und intubierten Patienten (bis zu 1/3 der Patienten). Sie sind nachweislich keine Erreger der nosokomialen Pneumonie, eine antimykotische Therapie ist nicht indiziert [17].

Tab. 2 Häufige Infektionserreger und Kolonisatoren bei Patienten mit HAP/VAP

Diagnosestellung

Diagnosestellung der CAP

Um die Diagnose der ambulant erworbenen Pneumonie zu stellen, muss im Röntgenbild des Thorax ein neu auftretendes Infiltrat vorhanden sowie eines der folgenden klinischen Kriterien erfüllt sein:

  • Husten

  • Purulentes Sputum

  • Positiver Auskultationsbefund

  • Fieber ≥ 38,3 °C (rektal) oder ≥ 37,8 °C (axillär/oral/aurikulär/sublingual)

Gleichzeitig müssen mindestens seit der letzten Krankenhausentlassung 28 Tage vergangen sein.

Diagnosestellung der HAP

Die nosokomialen Pneumonien sind Pneumonien, die frühestens 48 h nach Krankenhausaufnahme auftreten und sich bei Hospitalisation nicht in der Inkubation befanden [2]. Die Diagnose erfolgt über den Nachweis eines neuen und persistierenden Infiltrats im Röntgenbild des Thorax sowie das Vorliegen von zusätzlich mindestens zwei der drei folgenden Kriterien:

  • Leukozytose (> 12 × 109/l) oder Leukopenie (< 4 × 109/l)

  • Fieber über 38,3 °C oder Hypothermie unter 36 °C

  • Purulentes Bronchialsekret

Folgende Untersuchungen sind bei Diagnosestellung der Pneumonie sinnvoll:

  • Körperliche Untersuchung mit Auskultation der Lunge, Blutdruckmessung und Erfassen der Atemfrequenz. Die Bestimmung der Atemfrequenz ist bei der Diagnosestellung der Pneumonie im ambulanten und stationären Bereich sehr wichtig. Sie ist leicht zu ermitteln und ist nicht nur ein Bestandteil des CRB-65-Index, sondern verschafft schnell eine orientierende Übersicht über die respiratorische Situation des Patienten.

  • EKG

  • Röntgenaufnahme der Lungen und bei spezieller Fragestellung auch Computertomographie

  • Blutgasuntersuchung

  • Basislabor, inklusive Glukose, Kalium, Natrium, Harnstoff, Kreatinin, Blutbild, Differenzialblutbild, Entzündungsparameter (z. B. C-reaktives Protein und/oder Procalcitonin), ggf. Leberwerte und/oder weiterführende Labordiagnostik (z. B. D-Dimere, nt-pro BNP)

  • Risikostratifizierung (CRB-65, ATS-Kriterien)

Allgemeine Mikrobiologiediagnostik

Zur mikrobiologischen Diagnostik geeignet sind respiratorische Materialien, welche möglichst vor der Einleitung der antibiotischen Therapie gewonnen werden. Je hochwertiger die Qualität des Untersuchungsmaterials ist, desto aussagekräftiger ist die mikrobiologische Diagnostik. Optimal sind Materialien aus dem tiefen Respirationstrakt, die möglichst kontaminationsfrei entnommen wurden. Um Fehlbefunde (z. B. Überwucherung durch Pseudomonas) zu vermeiden, ist eine schnelle Weitergabe (< 4 h, besser < 2 h) der Probe an das mikrobiologische Labor sehr wichtig. Für den kulturellen Nachweis von Infektionserregern eignen sich nur eitrige Sekrete. Zur Legionellen- und Pneumokokkendiagnostik steht ein Antigentest des Urins zur Verfügung. Für den Nachweis von Legionellen und Mykoplasmen eignen sich NAT-(Nukleinsäure-Amplifikationstechnik-)basierte Verfahren wie z. B. die Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Bei schwerem klinischen Verlauf bzw. hochfiebrigen Patienten ist die Entnahme von Blutkulturen anzuraten. Die serologische Diagnostik (z. B. bei V. a. atypische Erreger) ist in der Akutphase nur im Einzelfall hilfreich [18].

Mikrobiologische Diagnostik bei der CAP

Bei der ambulant erworbenen Pneumonie wird eine routinemäßige mikrobiologische Diagnostik nur bei bestimmten Patientengruppen empfohlen [1]. Hierzu gehören

  • Patienten mit schwerer CAP, insbesondere wenn eine Intensivtherapie erforderlich ist,

  • Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen, bei denen mit ungewöhnlichen oder multiresistenten Erregern gerechnet werden muss, und

  • Patienten mit therapierefraktärer CAP.

Mikrobiologische Diagnostik bei der HAP

Bei der nosokomialen Pneumonie sollte eine mikrobiologische Untersuchung durchgeführt werden, wenn die Gewinnung von gutem respiratorischem Material (Sputum, Tracheobronchialaspirat, bronchoalveoläre Lavage) möglich ist [2]. Bei Fieber und V. a. bakteriämische Pneumonie wird die Entnahme von Blutkulturen empfohlen. Bei V. a. Legionellen ist ein alleiniger Antigentest aus dem Urin nicht ausreichend; es muss zusätzlich eine spezielle Kultur angelegt werden. Diese mikrobiologischen Untersuchungen sollten ebenfalls vor der Einleitung der antibiotischen Therapie erfolgen [2]. Jedoch darf die Abnahme der mikrobiologischen Proben keinesfalls die Einleitung einer antibiotischen Therapie verzögern. Also ist eine gute Organisation auf den Stationen und in der Aufnahme gefordert.

Risikostratifizierung

CRB-65

Nach der Diagnosestellung der ambulant erworben Pneumonie stellt sich nun die Frage, ob der Patient mit CAP ambulant oder stationär ggf. sogar auf einer Intensivstation behandelt werden muss. Als Entscheidungshilfe gibt es den CRB-65-Score , welcher sich aus den 4 Faktoren zusammensetzt (Tab. 3):

  • Verwirrtheit des Patienten (C: „confusion“),

  • hohe Atemfrequenz (≥ 30, R: „respiratory rate“),

  • niedriger systolischer oder diastolischer Blutdruck (< 90 mmHg oder < 60 mmHg, B: „blood pressure“)

  • und Patientenalter > 65 Jahre.

Für jeden anwesenden Faktor wird ein Punkt gerechnet (0–4). Je mehr Risikofaktoren die Patienten mit CAP aufweisen, desto höher ist der Score und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, an einer Pneumonie innerhalb von 28 Tagen zu versterben [19]. Liegt kein Risikofaktor vor, so beträgt die Gesamtmortalität < 1 %. Diese Patienten können meist ambulant behandelt werden. Bei 1–2 Risikofaktoren steigt die Letalität auf 7 %. Bereits bei Existenz von nur einem Risikofaktor sollte eine stationäre Behandlung erwogen werden. Bei 3 oder 4 Risikofaktoren ist die Letalität mit 26 % sehr hoch; diese Patientengruppe sollte, soweit nicht eine palliative Situation vorliegt, ausschließlich stationär behandelt werden. Der CRB-65 kann einfach in jeder Notfallaufnahme und in jeder Arztpraxis durchgeführt werden. Dennoch ist aufgrund fehlender weiterer prospektiver Studien bezüglich der Risikostratifizierung mittels CRB-65 dieser zwar als eine große Hilfe bei der Entscheidung des Behandlungsorts anzusehen, jedoch muss noch immer nach dem klinischen Eindruck des Patienten und der Erfahrung des Arztes individuell vorgegangen werden [20].

Tab. 3 CRB-65-Index

ATS-Kriterien

Leider ist CRB-65-Index nicht geeignet, um Patienten zu identifizieren, die eine intensivmedizinische Behandlung bzw. Überwachung benötigen. Die modifizierten ATS-Kriterien determinieren die schweren Pneumonien (CAP und HAP) und stellen eine Hilfe zur Indikation einer intensivmedizinischen Beobachtung und/oder Behandlung dar. Es werden Major- und Minor-Kriterien beschrieben (Tab. 4, [21]). Wenn 2 der 3 Minor-Kriterien (systolischer Blutdruck < 90 mmHg, diastolischer Blutdruck < 60 mmHg, mehr als 2 Lappen im Röntgenbild betroffen, Horovitz-Index PaO2/FIO2 < 250) oder eines der beiden Major-Kriterien erfüllt sind (septischer Schock oder Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung), ist eine Aufnahme auf die Intensivstation indiziert [21]. Diese noch aktuellen Empfehlungen befinden sich aufgrund neuer Studien bereits in der Überarbeitung. Gerade der Horovitz-Index ist schwierig zu berechnen und durch neuere Studien teilweise überholt. In der kürzlich veröffentlichen Studie von Siliba et al. [22] ist ein pH-Wert von 7,30 (definiert als Major-Kriterium bezogen auf dieses Patientenkollektiv) in der Blutgasanalyse ein sehr zuverlässiger respiratorischer Prädiktor für einer schwere CAP mit Indikation zur intensivmedizinischen Behandlung/Überwachung. Bereits ein pH von 7,34–7,31 wurde als ein Minor-Kriterium in dieser Studie und somit als Risikofaktor definiert [22]. Auch bei diesem Score ist zu beachten, dass er nur eine Hilfestellung für den behandelnden Arzt ist; es zählt zusätzlich auch der klinische Eindruck des Patienten und die Erfahrung des Arztes.

Tab. 4 Modifizierte ATS-Kriterien für eine schwergradige Pneumonie

Empfehlungen zur antimikrobiellen Therapie

Antimikrobielle Therapie der CAP

Eine antimikrobielle Therapie wird in der aktuellen S3-Leitlinie zur CAP nach Schweregrad und nach dem Risiko von Enterobacteriaceae inkl. ESBL-Bildnern/Pseudomonas empfohlen (Tab. 5). Dargestellt sind die Empfehlungen nach der Zusammenfassung von Pramod und Höffken [23].

Tab. 5 Überblick über die empfohlene antimikrobielle Therapie stratifiziert nach Schweregrad der Pneumonie und Risiko für Problemkeime nach Pramod und Höffken [23]

Ambulante, unkomplizierte CAP (aCAP, CRB-65 = 0) ohne Risikofaktoren

Bei der unkomplizierten ambulant behandelten CAP ohne Risikofaktoren für ein Auftreten von resistenten Erregern werden Aminopenizilline oder alternativ neue Makrolide bzw. Doxycyclin empfohlen.

Ambulante, unkomplizierte CAP (aCAP, CRB-65 = 0) mit Risikofaktoren

Bei der ambulanten CAP mit den folgenden Risikofaktoren:

  • Antibiotikavorbehandlung in den letzten 3 Monaten und/oder

  • Bewohner von Pflegeheimen und/oder

  • chronische internistische Vorerkrankung (Herzinsuffizienz, Leberzirrhose oder terminale Niereninsuffizienz) und/oder

  • neurologische Begleiterkrankung (wie Zustand nach Schlaganfall mit neurologischem Defektsyndrom)

werden Aminopenizilline mit β-Laktamasehemmern oder als Alternative pneumokokkenwirksame Fluorchinolone empfohlen.

Hospitalisierte mittelschwere CAP (CRB-65 = 1–2)

Bei der mittelschweren hospitalisierten CAP, die auf einer Normalstation behandelt wird, werden Aminopenizilline mit β-Laktamasehemmern, Cephalosporine der Gruppe 2 oder 3 oder pneumokokkenwirksame Fluorchinolone empfohlen. Bei spezieller Risikokonstellation (Patienten mit Risikofaktoren für Enterobacteriaceae inkl. ESBL-Bildnern [außer P. aeruginosa] sowie Patienten, die kürzlich eine Therapie mit Penizillinen oder Cephalosporinen erhalten haben) kann eine Therapie mit Ertapenem erwogen werden. Bei der leichten bis mittelschweren CAP wird eine Therapiedauer von 5–7 Tagen empfohlen.

Schwere CAP (sCAP, CRB-65 = 3–4) ohne Risiko für P. aeruginosa

Bei der schweren CAP ohne Risiko für P. aeruginosa, deren Behandlung im Krankenhaus auf einer Überwachungsstation (Intensivstation, „Intermediate Care“ o. ä.) stattfindet, wird eine Kombinationstherapie mit einem neuerem Makrolid und entweder β-Laktamasehemmer-verstärkten Acylureidopenizillinen , Cephalosporinen der Gruppe 3 bzw. Ertapenem bei spezieller Risikokonstellation, oder pneumokokkenwirksamen Fluorchinolonen empfohlen. Eine Monotherapie mit Fluorchinolonen bei invasiver Beatmung und septischem Schock sollte nicht erfolgen.

Schwere CAP (sCAP, CRB-65 = 3–4) mit Risiko für P. aeruginosa

Risikofaktoren/Indikationen für P. aeruginosa sind in Deutschland definiert als

  • schwere strukturelle chronische Lungenerkrankung, wie z. B. schwere COPD mit Antibiotikavorbehandlung, oder vorausgegangene Hospitalisierung jeweils in den letzen 3 Monaten,

  • bekannte Kolonisation durch P. aeruginosa,

  • Bronchiektasen und

  • Mukoviszidose [24].

Hier wird eine empirische Initialtherapie mit pseudomonaswirksamen Antibiotika empfohlen. Diese besteht aus Cephalosporinen der 4. Generation, Acylaminopenizillinen oder Carbapenemen in Kombination mit einem Aminoglykosid plus neuerem Makrolid oder ein pneumokokkenwirksames Fluorchinolon.

Die empfohlene Therapiedauer beträgt bei sCAP 8–10 Tage, bei Risiko für P. aeruginosa 8–15 Tage, bzw. 5 Tage nach Entfieberung.

Antimikrobielle Therapie der HAP/VAP

Dieser kurze Abschnitt über die antimikrobielle Therapie der HAP/VAP bezieht sich auf die neue S3-Leitlinie zu nosokomialen Infektionen [2]. Eine antimikrobielle Therapie sollte bei V. a. HAP/VAP so schnell wie möglich eingeleitet werden. Besonders bei einem septischen Verlauf ist eine Verzögerung einer adäquaten Therapie mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Pro verlorene Stunde steigt die Mortalität um 7 % [25]. Es folgt ein Überblick über die empfohlene antimikrobielle Therapie bei Patienten mit HAP/VAP mit und ohne Risikofaktoren für multiresistente Keime.

Patienten mit HAP/VAP ohne Risiko für multiresistente Keime

Diese Patientengruppe sollte je nach Kenntnis des lokalen Erregerspektrums behandelt werden mit:

  • Aminopenizillin/β-Laktamaseinhibitor

    • Ampicillin/Sulbactam

    • Amoxicillin/Clavulansäure

oder

  • Cephalasporin Gr. 3a

    • Ceftriaxon

    • Cefotaxim

oder

  • Carbapenem

  • Ertapenem

oder

  • pneumokokkenwirksamem Fluorchinolon

    • Moxifloxacin

    • Levofloxacin

Patienten mit HAP/VAP mit Risiko für multiresistente Keime

Hier ist es wichtig, dass Ceftazidim nicht als Monotherapie wegen der unzureichenden Staphylokokkenaktivität gegeben werden sollte. Eine Kombinationstherapie sollte nicht nur bei V. a. multiresistente Keime, sondern auch bei Sepsis erfolgen. Eine Deeskalierung kann bei stabilisierten Patienten und bei Nachweis eines empfindlichen Keims erfolgen. Diese Patientengruppe sollte je nach Kenntnis des lokalen Erregerspektrums behandelt werden mit:

  • pseudomonaswirksamem Betalaktam

    • Piperacillin/Combactam

oder

  • pseudomonaswirksamen Cephalosporinen

    • Cefepim

    • Ceftazidim

oder

  • pseudomonaswirksamen Carbapenemen

    • Imipenem/Cilastin

    • Meropenem

    • Doripenem

plus

  • Fluorchinolon

    • Ciprofloxacin

    • Levofloxacin

oder

  • Aminoglykosid

    • Gentamycin

    • Tobramycin

    • Amikacin

plus bei V. a. MRSA

  • Glykopeptid (Vancomycin)

oder

  • Oxazolidinon (Linezolid)

Therapiedauer

Die Therapiedauer sollte 8 Tage betragen und bei folgenden Fällen auf mindestens 14 Tage ausgedehnt werden, um die Rezidivrate zu senken:

  • Nachgewiesene Infektionen durch Non-Fermenter (A. baumanii , P. aeruginosa , S. maltophila)

  • Legionellosen

  • Bakteriämischer S. aureus (bei komplizierten bakteriämischen S.-aureus -Pneumonien sogar 4 Wochen)

  • Invasive pulmonale Aspergillosen (Therapiedauer sogar 6–12 Wochen)

Fazit für die Praxis

  • Die CAP und HAP sind häufige Infektionserkrankungen, die mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden sind.

  • Die häufigsten CAP-Erreger sind Pneumokokken, gefolgt von Influenza A und M. pneumoniae.

  • Bei der nosokomialen Pneumonie werden am häufigsten S. aureus gefolgt von P. aeruginosa und E. coli sowie bei unkomplizierten Fällen auch Pneumokokken nachgewiesen.

  • Bei einem Teil der Patienten mit HAP/VAP finden sich auch multiresistente Keime.

  • Beide Infektionsarten werden in Abhängigkeit des Schweregrads und von dem zu erwartenden Keimspektrum antimikrobiell behandelt.

CME-Fragebogen

Welche Aussage über die HAP trifft nicht zu?

Sie ist definiert als eine im ambulanten Bereich erworbene Pneumonie.

Sie tritt frühestens 120 h nach Krankenhausaufnahme auf.

Bei beatmeten Patienten wird sie auch VAP genannt.

Häufige Erreger sind Pneumokokken.

Auch 1–3 Monate nach der Krankenhausentlassung kann wegen der Kolonisation eine HAP auftreten.

Welches ist der häufigste Erreger der CAP?

Pneumokokken

Respiratorische Viren

Enterobacteriaceae

Staphylococcus aureus

Moraxella catarrhalis

Welches ist der häufigste Erreger der HAP/VAP?

Corynebacterium spp.

Escherichia coli

Legionella spp.

Staphylococcus aureus

Candida spp.

Welche sind die klinischen Kriterien einer CAP?

Husten, purulentes Sputum, Kopf- und Gliederschmerzen und Fieber

Husten, purulentes Sputum, positiver Auskultationsbefund und Fieber

Husten, retrosternale Schmerzen, purulentes Sputum und Fieber

Husten, purulentes Sputum, positiver Auskultationsbefund und Hypothermie

Husten, Müdigkeit, purulentes Sputum und Fieber

Welche Aussage zur mikrobiologischen Diagnostik bei nosokomialer Pneumonie HAP trifft zu?

Sie sollte nur bei Patienten mit einer komplizierten HAP durchgeführt werden.

Die Entnahme von Blutkulturen ist obsolet.

Die Abnahme der mikrobiologischen Proben darf die Einleitung einer antibiotischen Therapie nicht verzögern.

Eine bronchoskopische Probenentnahme wird nicht empfohlen.

Urin-Antigenteste stehen zur Diagnose einer Legionellen- oder Pneumokokkenpneumonie nicht zur Verfügung.

Welche Risikofaktoren gehen in den CRB-65-Index nicht ein?

Blutdruck

Pulsfrequenz

Ansprechbarkeit

Atemfrequenz

Patientenalter

Welche Aussage über die ATS-Kriterien trifft zu?

Die Atemfrequenz wird als eines der Major-Kriterien definiert.

Ein pH >7,34 ist ein zuverlässiger respiratorischer Prädiktor für eine schwere CAP.

Der Horoviz-Index ist leicht zu berechnen.

Der Nachweis von Pleuraerguss in der Thorax-Röntgenaufnahme gilt als ein Minor-Kriterium.

ATS-Kriterien identifizieren Patienten mit einer CAP/HAP, die eine intensivmedizinische Behandlung bzw. Überwachung benötigen.

Welche Antibiotikagruppen werden bei der Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie nicht empfohlen?

Sulfonamide

Aminopenizilline

Makrolide

Pneumokokkenwirksame Fluorchinolone

Carbapeneme

Welche Aussage trifft bei der antimikrobiellen Therapie der CAP zu?

Eine aCAP sollte immer mit einer Kombinationstherapie (mindestes 2 unterschiedliche Antibiotika) behandelt werden.

Eine sCAP kann mit einem neueren Makrolid als Monotherapie therapiert werden.

Fluorchinolone sind bei der Behandlung der CAP obsolet.

Die neueren Makrolide sind wirksam gegen P. aeruginosa.

Eine Monotherapie mit Fluorchinolonen bei invasiver Beatmung und septischem Schock wird nicht empfohlen.

Welche Aussage trifft bei der antimikrobiellen Therapie der HAP/VAP zu?

Ceftazidim sollte nicht bei V. a. multiresistente Keime und Sepsis als Therapieoption verwendet werden.

Bei V. a. MSSA wird zusätzlich mit Glykopeptid oder Oxazolidinon therapiert.

Eine Deeskalierung bei Nachweis eines empfindlichen Keims ist obsolet.

Die Therapiedauer einer invasiven pulmonalen Aspergillose beträgt 6–12 Wochen.

Eine Kombinationstherapie sollte nur bei V. a. multiresistente Keime erfolgen.