Mit der Einführung des Berufsbilds für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter haben sich auch Umfang und Inhalt der klinischen Ausbildungsabschnitte erheblich geändert. Während der Rettungssanitäter ein 160-stündiges Praktikum absolviert, war die Zeit für den Rettungsassistenten mit 420 h Klinikpraktikum bereits deutlich umfangreicher bemessen.

Angehende Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter erhalten eine 720 h umfassende Ausbildung in entsprechend geeigneten Kliniken. Die für den Erwerb der Berufszulassung erforderlichen klinischen Ausbildungszeiten sind zeitlich unterschiedlich in die 3 Jahre dauernde Gesamtausbildung integriert, je nach Abstimmung zwischen den Rettungsschulen und Krankenhäusern. Diese Ausbildungszeiten erstrecken sich entweder über einen mehrwöchigen Block zusammenhängend in verschiedenen klinischen Bereichen oder über thematisch abgeschlossene Blöcke. Die pro Ausbildungsabschnitt ausgewiesenen Zeiträume sind für alle Beteiligten verbindlich.

Der klinische Ausbildungsabschnitt der Notfallsanitäterausbildung hat einen hohen Stellenwert im Hinblick auf die Qualifikation des künftigen Rettungsdienstpersonals. Die Anforderungen an die ausbildenden Krankenhäuser sind um ein Vielfaches höher als noch bei den Klinikpraktika für Rettungsassistenten und Rettungssanitäter.

Deutlich wird hierbei, dass die Abstimmungen der unterschiedlichen Ausbildungsorte mitentscheidend für eine erfolgreiche Gesamtausbildung sind. Notfallsanitäterschulen, Rettungswachen und Krankenhäuser bilden gemeinsam das Lernumfeld.

Bereits in den Abstimmungen im sogenannten Pyramidenprozess ging es um die Definition der späteren Tätigkeiten der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter. Der entsprechende Kompetenzaufbau insbesondere der praktischen Fertigkeiten ist eine der zentralen Aufgaben der klinischen Ausbildungsabschnitte. In den Empfehlungen des Pyramidenprozesses sind daher neben Mindestzahlen für bestimmte Maßnahmen unterschiedliche Kompetenzstufen beschrieben worden.

Die Definition von Kompetenzen allein reicht jedoch nicht aus, um diese auch zu erreichen.

Neben inhaltlichen Anforderungen sind organisatorische Rahmenbedingungen vorab kritisch und gemeinsam zu besprechen. Um keine Insellösungen von einzelnen Rettungsschulen und einzelnen Krankenhäusern zu konstruieren, sind bundesweite, mindestens aber landesweite Abstimmungen sinnvoll.

Im Bundesland Schleswig-Holstein hat sich hierfür vor Beginn der für alle Beteiligten neuen Ausbildung „Notfallsanitäter“ eine landesweite Allianz aus Kliniken, Rettungsschulen sowie Trägern der Rettungsdienste und kommunaler Verwaltungsstrukturen gebildet. Zentral koordiniert wurde und wird diese Allianz durch den einzigen Maximalversorger des Bundeslands, das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein.

Die erste gemeinsame Arbeit war die Entwicklung eines bundeslandeinheitlichen Ausbildungscurriculums für die praktische Ausbildung in den Kliniken und Krankenhäusern [1, 2]. Ziel der Curriculumsentwicklung war es, eine Grundlage in jeweils aktueller Fassung als verbindlichen Bestandteil für die Klinikausbildung in Schleswig-Holstein zu definieren, um allen an der Planung, Organisation und Durchführung dieses Ausbildungsabschnitts Beteiligten als Leitfaden zu dienen. Das geschaffene Curriculum enthält alle inhaltlichen, methodischen und formalen Anforderungen an die Gestaltung der Klinikausbildung und bezieht die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Empfehlungen aus dem Pyramidenprozess und die landesweiten Abstimmungen über Möglichkeiten und Limitationen mit ein. Damit stellt das Praxiscurriculum ein wichtiges Bindeglied zwischen den Lehr- bzw. Lernorten Theorie (Rettungsschule), Rettungsdienstpraxis (Rettungswache) und der Klinikausbildung dar.

Alle in diesem Curriculum formulierten Anforderungen sind von dem Leitgedanken geprägt, dass die Klinikausbildungen einen zentralen Teil der dreigeteilten Ausbildung zum Notfallsanitäter darstellen und den Auszubildenden Gelegenheit bieten sollen, dass durch die Lehrveranstaltungen und im Selbststudium erworbene Wissen und Können anzuwenden, zu festigen, zu vertiefen und kritisch zu reflektieren. Neben den genannten Instrumenten der Anleitung, Begleitung und Lehre bilden das Engagement und das Selbststudium der Auszubildenden eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die ausgewiesenen Qualifikationsziele der Ausbildung erreicht werden können.

Die Rolle der Auszubildenden am Lehr- und Lernort Klinik beinhaltet, dass sie ebenso wie die Auszubildenden in den herkömmlichen Pflegeausbildungen Lernende sind, wenngleich sie aufgrund der rettungsdienstbezogenen Theorieanteile über abweichende Wissensressourcen und Kompetenzen verfügen. Alle an der praktischen Ausbildung Beteiligten sind aufgefordert, diese Ressourcen und Kompetenzen im besten gemeinsamen Interesse anzuerkennen, zu nutzen und zu fördern. Offenheit füreinander und ein respektvolles Miteinander werden als unabdingbare Grundlage für das Gelingen der praktischen Ausbildung im Rahmen der Klink insgesamt gesehen.

Das Praxiscurriculum gilt in Abstimmung mit den verantwortlichen Landesbehörden als verbindliche Arbeitsgrundlage für folgende Personenkreise in der Klinikausbildung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter in Schleswig-Holstein: Neben einer Ausbildungsleitung und -koordination in den Krankenhäusern in Schleswig-Holstein wurden Verantwortliche für die übergeordnete Ausbildungskoordination in den Krankenhäusern festgelegt und Mindeststandards für Praxisanleiter definiert.

Auf der Basis der zu erreichenden Fallzahlen für bestimmte Fertigkeiten wurden Ausbildungskapazitäten für die in Schleswig-Holstein an der Klinikausbildung beteiligten Kliniken definiert, damit die geforderten Zahlen auch erreicht werden können.

Nach der gemeinsamen Curriculumsentwicklung wird das Netzwerk aus Rettungsschulen, Rettungsdiensten und Krankenhäusern für eine kontinuierliche Begleitung des neuen Berufsbilds genutzt. Außerdem wurden in diesem Netzwerk Standards zur Praxisbegleitung durch die Rettungsdienstschulen und für die Beurteilung der Auszubildenden durch die Kliniken sowie für die Evaluation der Kliniken entwickelt.

Es wäre darüber hinaus dringend geboten, diese enge Abstimmung zwischen den verschiedenen Akteuren in der Notfallsanitäterausbildung nicht nur auf ein Bundesland zu beschränken, sondern in weiteren Bundesländern zu etablieren. Gleichzeitig ist es dringend notwendig, eine solche Initiative auch auf der Bundesebene ins Leben zu rufen, um eine enge Abstimmung und damit eine möglichst hohe Qualität der Ausbildung in den Kliniken zu gewährleisten.

Die Entwicklung des Curriculums hat auch zur Etablierung innovativer Aus- und Fortbildungsformate geführt: So hat das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein damit begonnen, für die dort eingesetzten Auszubildenden zur Notfallsanitäterin/zum Notfallsanitäter innerhalb der Klinikausbildung Simulationstrainings anzubieten. Diese zielen vor allem auf Bereiche, wo eine sichere Einhaltung der definierten Fallzahlen aus dem Curriculum nicht immer erreicht werden kann, ab. Dazu zählt z. B. ein eintägiges Training zu geburtshilflichen Notfällen, in dem mit einem Team von Rettungsdienstpersonal, Geburtshelfern, Hebammen und Notfallmedizinern sowohl die normale Geburt als auch geburtshilfliche Notfälle in praktischen Szenarien und theoretischen Anteilen praxisnah geübt werden können.

In das Spannungsfeld der möglichen selbständigen invasiven Fertigkeiten, die nur nach einem entsprechenden Kompetenzerwerb realisierbar sind, greifen neben fachlichen auch berufspolitische und juristische Aspekte ein. Was sollen die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter in der Praxis anwenden? Was davon konnten sie in der Klinik erlernen? Die aktuellen Diskussionen zum Thema „Atemwegsmanagement“ zeigen, dass hier fachliche Fragen eindeutig im Vordergrund stehen müssen und die Umsetzbarkeit in der Ausbildung auch die Möglichkeiten in der späteren beruflichen Tätigkeit mit beeinflusst. Es ist wünschenswert, dass im Rettungsdienst eingeführte Praktiken und Hilfsmittel, z. B. für das Atemwegsmanagement, in der Klinik praktisch erlernt werden können, dies ist aber nur so lange möglich, wie diese Teil der klinischen Routine sind. Eine komplette Anpassung der klinischen Verfahren an die Verfahren des Rettungsdiensts ist nicht möglich.

Klinikausbildung für Notfallsanitäter – wo stehen wir und wo wollen wir hin? Durch eine qualitativ hochwertige klinische Ausbildung mit guter praktischer Anleitung kann die Grundlage für eine hohe Handlungskompetenz bei der späteren Berufsausübung gelegt werden. Es darf aber der Realitätscheck dessen, was realistisch möglich und umsetzbar ist, nicht unterbleiben, sodass bei den Auszubildenden keine unrealistischen Erwartungen geweckt werden. Wird dies beachtet, können alle Beteiligten dazu beitragen, eine hohe Versorgungsqualität zu gewährleisten.