Zusammenfassung
Die Einstellungen von ärztlichen (n=2652) und pflegerischen (n=5785) Mitarbeitern zur Aktiven Sterbehilfe bei Wachkomapatienten wurden untersucht. Dabei zeigte sich, dass die meisten Befragten (54,88%) bei dieser Patientengruppe für eine Veränderung der Gesetzeslage in Deutschland nach niederländischem Vorbild votierten. Zwischen den Berufsgruppen existieren deutliche Unterschiede. Eine Mehrheit (64,79%) war der Überzeugung, dass es unter bestimmten Umständen gerechtfertigt ist, das Leben eines Menschen im Wachkoma aktiv zu beenden. 70,38% der Krankenschwestern und Pfleger befürworten diese Haltung, 51,53% der Ärztinnen und Ärzte teilen diese Auffassung.
Die Befürwortung ist signifikant häufiger bei jüngeren Untersuchungsteilnehmern, Berufsanfängern, konfessionslosen Befragten und solchen, die mit ihrer beruflichen Situation unzufrieden sind, aus den neuen Bundesländern stammen und geschieden sind. Die vorhandenen Einstellungen sind vielschichtig motiviert, sowohl patientenbezogene, arbeitsplatzspezifische und persönliche Faktoren beeinflussten die Ergebnisse. Diese Einzeluntersuchung, die beschränkt ist auf Menschen im Wachkoma und Mitarbeiter in den Gesundheitsberufen, ist kein Beleg für eine generell veränderte Einstellung zur aktiven Sterbehilfe in der Gesamtbevölkerung. Eine Notwendigkeit, die Sterbehilfe gesetzlich neu zu regeln, lässt sich mit den hier gefundenen Resultaten nicht begründen.
Summary
An examination was made concerning doctors’ and nursing staff’s attitudes towards active euthanasia of patients suffering from coma vigil (2652 doctors and 5785 nursing staff were interviewed). This investigation made clear that most of the persons asked about this group of patients voted for a change in German laws following the Dutch example. There were noticeable differences observed between the professional groups. A majority (64.79%) were convinced that under certain circumstances it is justified to end intentionally the life of persons in a coma vigil. Of the nursing staff, 70.38% were in favour of this attitude, and 51.53% of the doctors share this opinion. Certain groups supported the question of active euthanasia more clearly than others. These were young participants in the investigation, first-time employees, nondenominational interviewees, those who are dissatisfied with their job situation, who are from the newly-formed German states, and who are divorced. The attitudes expressed by all these people originate in many different motives: thoughts about the patients, aspects concerning jobs, and personal aspects had an influence on results of the investigation. This single investigation which was restricted to patients suffering from coma vigil and to employees of the public health service, does not prove that the total population has generally changed its attitude toward active euthanasia. It is impossible to justify the necessity of new laws about euthanasia based on the above results.
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Böttger-Kessler, G., Beine, K. Aktive Sterbehilfe bei Menschen im Wachkoma?. Nervenarzt 78, 802–808 (2007). https://doi.org/10.1007/s00115-006-2241-5
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