Ende 2019 wurden die ersten Fälle einer neuen Virusinfektion mit einem vorher unbekannten β‑Coronavirus in Wuhan, Provinz Hubei, China, entdeckt. Ab Februar 2020 wurde das Virus als „severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“ (SARS-CoV-2), die Erkrankung als „coronavirus disease 2019“ (COVID-19) benannt. Hier stellen wir die derzeit bekannten Daten zur Epidemiologie des Virus bzw. der Erkrankung zusammen.

Übertragung

Die Replikation des Virus findet im oberen und unteren Respirationstrakt und möglicherweise auch im Gastrointestinaltrakt statt [15]. Eine systemische Infektion mit Virusnachweis im Blut ist bei schwer kranken Patienten beschrieben [3]. Die Übertragung des Virus geschieht weit überwiegend durch Tröpfchen, die beim Husten und Sprechen entstehen und typischerweise über eine Entfernung von bis zu 1,5 m transmissibel sind. Aerosole mit hoher Virusdichte, die bei Eingriffen wie Bronchoskopie oder Intubation entstehen, können ebenfalls Infektionen auslösen, eine aerogene Übertragung ist aber die Ausnahme [14]. Hinweise auf eine Übertragung durch Stuhl oder andere gastrointestinale Sekrete sind bisher nicht vorhanden, beim verwandten Severe-acute-respiratory-syndrome(SARS)-Virus ist dies beschrieben.

Der wichtigste Faktor einer raschen Verbreitung des Virus ist vermutlich die hochaktive Replikation im oberen Respirationstrakt, die auch eine Infektion durch oligo- oder asymptomatisch Infizierte bei geringem Abstand möglich macht. Dagegen begann bei SARS die Infektiosität erst nach dem Auftreten von Symptomen, weder der Infektions- noch der Replikationsort liegt dort im oberen Respirationstrakt [15].

Basisreproduktionszahl R0, Inkubations- und Latenzzeit, serielles Intervall

Die Basisreproduktionszahl R0 (Mittelwert der Zahl von Personen, die von einer infizierten Person angesteckt werden) kann auf Grundlage einer direkten Beobachtung beispielsweise von Clustern oder Haushaltskontakten geschätzt, aber auch aus der Ausbreitung von Infektionen in einer Population berechnet werden. Bei den verwandten Erregern von SARS und „Middle East respiratory syndrome“ (MERS) ist sie sehr inhomogen, es gibt sehr effektive Transmissionen bei Infizierten mit hoher Viruslast und effektiver Ausscheidung (sogenannte „superspreader“).

Die anfängliche Schätzung für R0 lag zwischen 2,0 und 2,5, spätere Schätzungen gehen von einer R0 bis zu 5,7 in Wuhan aus, für Städte außerhalb der Provinz Hubei werden in Bezug auf die Zeit vor Einführung von Präventionsmaßnahmen Werte um 2 geschätzt [8, 9, 16]. Die Heterogenität dieser Schätzungen ist hoch, die Werte reichen bis hin zu einer R0 von 14,8 beim Ausbruch auf einem Kreuzfahrtschiff [11]. Eine mögliche Erklärung hierfür ist die hohe intraindividuelle Varianz der Übertragungswahrscheinlichkeiten, unter anderem abhängig vom klinischen Schweregrad oder anderen Faktoren. Trotz der höheren R0 ist im Ausbruch von Wuhan die Rate der infizierten Haushaltskontakte kleiner als bei der Influenza [14]. In der initialen Phase der Epidemie wurden mehrere Cluster effektiver Übertragungen bei Eingriffen im Krankenhaus berichtet, auch dies spricht für eine Inhomogenität von R0.

Eine Übertragung kann auch durch asymptomatisch infizierte Personen stattfinden

Die Inkubationszeit beträgt im Median 5,7 Tage, 99 % aller Inkubationszeiten liegen zwischen 2 und 14 Tagen [6]. Die Latenzzeit (Zeitraum von der Infektion bis zum Beginn der infektiösen Periode) ist vermutlich etwa einen Tag kürzer, Übertragungen vor dem Auftreten von Symptomen kommen vor und wurden zuerst bei einem Ausbruch in Süddeutschland gemeldet [6]. Das serielle Intervall (Zeit zwischen zwei Infektionen) innerhalb einer Übertragungskette beträgt 4–7 Tage (Tab. 1).

Tab. 1 Basisparameter der Ausbreitung

Altersverteilung

Die Mehrzahl der Fälle trat bisher in der Altersgruppe zwischen 20 und 60 Jahren auf. In China, Korea und Italien zeigen sich dabei unterschiedliche Muster, die auch unterschiedliche Altersstrukturen der Bevölkerung widerspiegeln (Abb. 1). Die Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahren ist bisher überall sehr viel weniger betroffen, der Grund ist nicht bekannt (Abb. 1; [4, 5, 12]).

Abb. 1
figure 1

Altersverteilung von Coronavirus-disease-2019(COVID-19)-Fällen in drei Nationen

Nosokomiale Übertragung und Infektionen bei medizinischem Personal

Bereits früh wurden aus Kohortenstudien in der Provinz Hubei Infektionen beim medizinischen Personal berichtet, ebenso nosokomiale Übertragungen. Zu solchen Infektionen kam es vor allem in Notfallsituationen, etwa bei Intubation, und dort, wo die Infektion der betreffenden Patienten nicht vorher bekannt war [14].

Es zeigte sich allerdings, dass Infektionen bei medizinischem Personal nicht einheitlich dem Arbeitsumfeld zuzuordnen waren. Im späteren Verlauf des Ausbruchs in Wuhan/Hubei waren Infektionen beim medizinischen Personal durch berufliche Tätigkeit selten, die Mehrzahl konnte anderen Kontakten zugeordnet werden.

Der Anteil der Infektionen bei Personen des medizinischen Personals wurde in China mit 2,7 %, in Italien mit 11,1 % und in Deutschland mit 5,8 % angegeben. Unklar ist in allen drei Fällen, zu welchen Anteilen die Übertragungen außerhalb oder während der beruflichen Tätigkeit erfolgten [1, 4, 10, 14].

Klinischer Schweregrad, Prognose und Folgen

Das Spektrum der Folgen einer Infektion reicht von asymptomatischen Verläufen über Infektionen mit milden bis mäßig schweren Symptomen bis zu Pneumonien mit Lungenversagen, in der Folge auch als Multiorganversagen mit Todesfolge.

Die Häufigkeit asymptomatischer Infektionen kann am besten aus vollständigen Untersuchungen in Ausbruchssituationen abgeleitet werden, so etwa bei dem Ausbruch in Vo’, einer Kleinstadt in Venetien, und auf mehreren Schiffen, beispielsweise der Diamond Princess. Auf dieser Basis wird der Anteil asymptomatischer Infektionen auf etwa 40 % geschätzt [7, 11]. Insgesamt verlaufen 90 % aller Infektionen unkompliziert, das heißt asymptomatisch, oligosymptomatisch oder mit milden bis mäßigen Symptomen.

Die Komplikationsrate ist stark abhängig von Alter und Komorbiditäten. Die Hospitalisierungsraten liegen je nach betrachteter Population zwischen 4 und 7 %, etwa 25 % aller hospitalisierten Patienten benötigen eine intensivmedizinische Betreuung mit Organersatzverfahren (etwa 75 % invasive Beatmung, 25 % Nierenersatzverfahren).

Die Letalität (englisch „case fatality rate“ [CFR]) zeigt in verschiedenen Regionen eine große Varianz. Diese ist am ehesten auf Unterschiede im Verhältnis von erfassten zu tatsächlich erfolgten Infektionen und auf die differierende Altersverteilung in den Regionen zurückzuführen (Tab. 2).

Tab. 2 „Case fatality rate“ und „infection fatality rate“ nach Alter in verschiedenen Kollektiven. (Nach [4, 5, 12, 13])

Ob die Infektion Langzeitfolgen hat, ist bisher nicht bekannt

Eine Arbeitsgruppe des Imperial College London hat die Daten zur Letalität in unterschiedlichen Ländern bzw. Regionen analysiert und hieraus eine Modellschätzung der „case fatality rate“ und „infection fatality rate“ (Anteil der Todesfälle unter allen Infizierten) in verschiedenen Alterskategorien erstellt (Tab. 2; [13]).

Ob die Infektion Langzeitfolgen hat, ist bisher nicht bekannt. Schwere Lungenveränderungen bei einem ARDS können sich über viele Monate zurückbilden, diese offene Frage müssen sorgfältige Langzeitbeobachtungen klären.

Kontrollmaßnahmen

Im Januar 2020 wurde das Epizentrum der Epidemie, die Stadt Wuhan mit der umliegenden Provinz Hubei, vollständig abgeriegelt, die Provinz konnte weder mit öffentlichen noch privaten Verkehrsmitteln verlassen oder erreicht werden. Zusätzlich wurde eine Ausgangssperre eingeführt, Infizierte wurden isoliert und Kontaktpersonen unter Quarantäne gestellt. Zum Zeitpunkt der Maßnahmen waren etwa 5000 Fälle gemeldet, bis Mitte März stieg die Zahl der positiv Getesteten auf insgesamt 80.000 an, Anfang April wurde der bisher letzte Fall einer Übertragung in der Provinz Hubei gemeldet, seither kamen dort keine neuen Fälle hinzu. In den anderen Provinzen Chinas ist es initial zu kleineren Ausbrüchen durch Einschleppungen aus der Provinz Hubei gekommen, mittlerweile treten dort weniger als 100 neue Fälle pro Tag auf, teils durch lokale Transmissionen, teils durch Import von Fällen aus dem Ausland.

Welche Einzelmaßnahmen wirksam sind, kann gerade bei Maßnahmenbündeln nicht geklärt werden

Eine Kontaktverminderung hat zum Ziel, die aktuelle Reproduktionszahl Rt so zu beeinflussen, dass diese unter 1 sinkt. Dann kann sich eine Infektion in einer Population nicht mehr ausbreiten. Welche der oben beschriebenen Maßnahmen notwendig oder einzeln wirksam sind, kann gerade bei Bündeln von Maßnahmen nicht geklärt werden. Schulschließungen waren nach Analysen der Influenzaepidemie 1918 damals wirksam zur Eindämmung der Epidemie, ob dies bei der geringeren Infektionszahl von Kindern auch für SARS-CoV‑2 gilt, ist nicht klar. Nach Schätzungen der Epidemiologen des Imperial College London ist es nach Einführung der Maßnahmen in vielen Ländern zur Reduktion von Rt und damit Begrenzung der Ausbreitung gekommen [2].

Dabei ist es allerdings nicht gelungen, die älteren Menschen effektiv vor COVID-19-Infektionen zu schützen, wie die hohen Zahlen an Infektionen in Italien, aber auch die Raten positiv getesteter Personen in Deutschland nach Altersgruppen zeigen (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Infektionsraten in verschiedenen Altersgruppen in Deutschland (Stand 29.04.2020)

Bisherige und aktuelle Ausbreitung

SARS-CoV‑2 hat sich rasch international verbreitet. Verbreitung und Übertragung sind auf allen Kontinenten zu verzeichnen. Der erste Ausbruch fand in der Stadt Wuhan bzw. der umliegenden Provinz Hubei statt. Bereits Ende Januar/Anfang Februar wurden importierte Infektionen in anderen Provinzen Chinas und anderen Ländern gemeldet. In vielen asiatischen Ländern, unter anderem in der Republik Korea, Taiwan und Vietnam, sind nach rascher Einführung von Kontrollmaßnahmen größere Ausbrüche ausgeblieben. Aufgrund der raschen Ausbreitung in Europa und den USA hat die Weltgesundheitsorganisation den Ausbruch am 11.03.2020 als Pandemie klassifiziert. Bis Ende April 2020 wurden weltweit mehr als 3 Mio. Fälle und über 200.000 Todesfälle gemeldet.

Ausbrüche mit besonders rascher Ausbreitung sind in Situationen mit engen räumlichen Beschränkungen und häufigen Kontakten berichtet worden, beispielsweise auf Kreuzfahrt- oder Militärschiffen. Hier sind bis zu 50 % der Passagiere bzw. des Personals rasch infiziert worden.

Fazit für die Praxis

  • Das „severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“ (SARS-CoV-2), ein bis zum Ende des Jahres 2019 unbekanntes Coronavirus, hat sich nach dem ersten Auftreten in Wuhan, China, rasch weltweit verbreitet.

  • SARS-CoV‑2 wird überwiegend durch respiratorische Tröpfchen übertragen und besitzt eine hohe Infektiosität.

  • Die Altersverteilung ist anders als bei der Influenza, Kinder und Jugendliche sind seltener betroffen, am häufigsten erkranken bzw. infizieren sich Personen zwischen 20 und 70 Jahren.

  • Etwa 90 % der Infektionen verlaufen unkompliziert, allerdings treten auch Pneumonien auf, die zur Hospitalisierung und zum Lungenversagen führen können.

  • Das Risiko eines komplizierten oder tödlichen Verlaufs steigt mit dem Alter, chronische Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Immundefekte sind ebenfalls Risikofaktoren.

  • Kontrollmaßnahmen zur sozialen Distanzierung haben dazu beigetragen, dass die Verbreitung in vielen Regionen begrenzt bzw. gestoppt werden konnte.