Hintergrund

Epidemiologische Untersuchungen zum Hörvermögen sind in Deutschland selten. Vielfach werden bei der Beschreibung der Prävalenz von Schwerhörigkeit die Untersuchungen des Deutschen Grünen Kreuzes [33] oder von Sohn und Jörgenshaus [29] herangezogen. Bei der ersteren Studie wurde eine populationstypische Stichprobe in der damaligen Bundesrepublik Deutschland ausgewählt. Kriterien für Schwerhörigkeit waren einerseits eine subjektive Befragung und andererseits die Zugehörigkeit zu einer Audiogrammgruppe. Bei der zweiten Studie wurden Patienten von Arztpraxen untersucht, die zunächst ein Screeningkriterium (mehr als 40 dB Hörverlust) erfüllen mussten. Die Ergebnisse beider Untersuchungen lassen sich nicht mit internationalen epidemiologischen Studien vergleichen, die zumeist das Kriterium der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verwenden [34].

Roth et al. [28] bewerteten Veröffentlichungen zur Prävalenz von Schwerhörigkeit in Europa und empfahlen strikt die Verwendung des WHO-Kriteriums, um eine Vergleichbarkeit der Daten zu erreichen. Dies wurde in der vorliegenden Untersuchung zum Hörvermögen Erwachsener verfolgt, deren Design und Prävalenzergebnisse im Folgenden vorgestellt werden. Die weitergehende Analyse untersucht den Zusammenhang von Prävalenz und Geschlechtszugehörigkeit, beruflicher Lärmbelastung, Berufsbereich und Schulbildung, jenen Risikofaktoren bzw. Prädiktoren somit, die zum Kernbestand der internationalen epidemiologischen Studien zur Schwerhörigkeit zählen (z. B. [1, 25, 27]).

Durchführung der Untersuchung

Untersuchungsmethoden

Die Untersuchungen wurden von 22 Studierenden des Bachelor-Studiengangs Hörtechnik und Audiologie der Jade Hochschule, Oldenburg, durchgeführt. 55 % der Studierenden hatten bereits eine Ausbildung zum Hörgeräteakustiker oder zum Medizinisch-Technischen Assistenten für Funktionsdiagnostik (MTA-F) vor Beginn des Studiums abgeschlossen. Alle Studierenden wurden vor Untersuchungsbeginn von Fachpersonal intensiv geschult. Regelmäßige Treffen sorgten für einen Erfahrungsaustausch während der Feldphase.

Das einstündige Untersuchungsprogramm bestand aus folgenden Verfahren:

  • Otoskopie zur Überprüfung der Durchführbarkeit der Tonaudiometrie,

  • Tonaudiometrie: Luftleitung bei 250, 500, 750 Hz und 1, 1,5, 2, 3, 4, 6 und 8 kHz sowie Knochenleitung bei 500 Hz und 1, 2, 4 und 6 kHz, falls notwendig mit Vertäubung,

  • Göttinger Satztest im Störgeräusch [21] in monauraler Darbietung über Kopfhörer mit jeweils 20 Sätzen,

  • Ziffern-Tripel-Test per Telefon [37],

  • HÖRSTAT-Fragebogen zum allgemeinen Gesundheitsstatus, Ohrerkrankungen, wahrgenommene Hörprobleme und Tinnitus, Hörgerätenutzung und -zufriedenheit, Lärmexposition in Beruf und Freizeit sowie soziodemographische Aspekte wie Alter, Geschlecht, Bildungsabschlüsse und Erwerbstätigkeit (38 Fragen im Face-to-Face-Interview; die Verfasserinnen stellen den Interviewfragebogen auf Nachfrage zur Verfügung),

  • Fragebogen Speech, Spatial, and Qualities of Hearing Scale in einer deutschsprachigen Kurzform: SSQ17 [20],

  • Terzpegelmessungen der akustischen Umgebungsbedingungen über einen Zeitraum von 100 s.

Die Studienkonzeption ermöglichte die Durchführung der Untersuchungen in den Privaträumen der Probanden. Dies wurde von 8 % der Probanden, vor allem älteren und zeitlich stark beanspruchten Personen, in Anspruch genommen. Die Mehrzahl der Untersuchungen fanden dagegen in Seminar- und Büroräumen der Jade Hochschule und der Hochschule Emden/Leer statt. Die Ergebnisse der Terzpegelmessung wurden bereits in einer anderen Arbeit [26] betrachtet. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Otoskopie, der Tonaudiometrie und Teile des HÖRSTAT-Fragebogens für die Analyse herangezogen. Die Ergebnisse der Sprachteste und des SSQ17 werden aufgrund des Umfangs hier nicht berücksichtigt.

Probandenauswahl

Die Untersuchungen wurden in 2 Städten im Nordwesten von Deutschland, Oldenburg und Emden, durchgeführt. Oldenburg hat etwa 156.000 Einwohner und weist eine im Vergleich zum Bundesdurchschnitt überdurchschnittliche Zahl an Arbeitsplätzen in Verwaltung, Dienstleistung und Handel auf. Da Lärmarbeitsplätze eher in der Industrie und im Handwerk angesiedelt sind, wurde als zweite Stadt Emden ausgewählt. Diese Stadt hat etwa 51.000 Einwohner und bietet durch Automobil- und Schiffsindustrie eine im Bundesvergleich überdurchschnittliche Zahl an Arbeitsplätzen im produktiven Sektor.

Bei der Studienplanung wurde eine Stichprobengröße von insgesamt etwa 2000 erwachsenen Personen anvisiert. Um die bundesweite Verteilung für die Merkmale Alter (ab 18 Jahre), Geschlecht und Berufstätigkeit abzubilden, wurden die in Tab. 1 angegebenen Zielzahlen für die einzelnen Teilgruppen nach der amtlichen Statistik [10, 22, 32] berechnet und geschichtete Zufallsstichproben aus den örtlichen Meldebehörden der beiden Städte gezogen. Die Studiengruppe wurde über 3 Gruppenauskünfte gewonnen. Eine erste Gruppenauskunft in Oldenburg entsprach den Zielzahlen plus 20 %. Aufgrund der nicht ausreichenden Rücklaufquote wurde die zweite Gruppenauskunft für Oldenburg und die Gruppenauskunft für Emden durch Oversampling an die erwartete geschichtete Rücklaufquote angepasst, um in der Studienpopulation eine repräsentative Alters- und Geschlechtsverteilung zu erreichen. Die Tab. 1 gibt die Anzahl der versendeten Einladungen in den jeweiligen Teilgruppen an.

Probandenrekrutierung

Insgesamt wurden 10.635 Einladungen an die von den Meldebehörden übermittelten Adressen in Oldenburg und Emden verschickt. Im Einladungsschreiben wurden die Motivation der Studie, das Auswahlverfahren, die Untersuchungsmethoden und die geplante Datenverwendung beschrieben. Die ausgewählten Personen wurden gebeten, sich für eine Terminvereinbarung mit dem Institut für Hörtechnik und Audiologie in Verbindung zu setzen. Dieser Aufforderung folgten etwa 60 % der Studienteilnehmer, davon etwa 1/4 nach einem zweiten Einladungsschreiben. Weitere etwa 40 % der Studienteilnehmer konnten durch zusätzliche Recherche der Telefonnummern und aktive Kontaktierung für die Teilnahme gewonnen werden.

Wenn kein telefonischer Kontakt möglich war, wurde mit einem zweiten Einladungsschreiben an die Studie erinnert. Bei den rund 1300 Adressen der ersten Gruppenauskunft wurde neben dem Versand eines Erinnerungsschreibens versucht, einen persönlichen Kontakt mit den ausgewählten Personen durch einen unangemeldeten Besuch zu Hause herzustellen. Da dieser Ansatz nicht den gewünschten Erfolg erzielte, wurde er für die weiteren Adressen nicht weiter verfolgt.

Von den 10.635 eingeladenen Personen kamen nach Abzug von 1518 neutralen Ausfällen (postalisch nicht erreichbar/Rücksendung des Einladungsschreibens durch Postzusteller: 86,2 %; auf lange Zeit schwerwiegend erkrankt: 9,5 %; verstorben: 2,4 %; massive, unüberwindliche Sprachprobleme: 1,8 %, Verteilung s. Tab. 1) effektiv 9117 Personen für eine Studienteilnahme in Frage.

Studienteilnehmer

Die Tab. 1 gibt ebenfalls die Rücklaufquote in den jeweiligen Teilgruppen und die sich damit ergebende Teilnehmeranzahl an. Zwischen September 2010 und September 2012 nahmen insgesamt 1903 Personen, d. h. 864 Männer und 1039 Frauen, im Alter zwischen 18 und 97 Jahren aus Oldenburg und Emden an den Untersuchungen teil. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 21 %.

In Emden blieb die Beteiligung mit 599 Personen, vermutlich aufgrund der räumlichen Distanz der Stadt, unter den Erwartungen. In Oldenburg hingegen lag die Teilnahme mit 1304 Personen über den Erwartungen. Die Rücklaufquote blieb vor allem in der jüngsten und der ältesten Altersgruppe hinter den Planungen zurück, während in den mittleren Altersgruppen mehr Probanden als angestrebt untersucht wurden. Insgesamt konnten in allen Altersgruppen genügend Untersuchungen durchgeführt werden, sodass aussagefähige Analysen möglich sind.

Tab. 1 Kennzahlen der Stichprobengröße

Nonresponder-Befragung

Um Verzerrungen der Studienkohorte zu kontrollieren, wurden möglichst auch diejenigen eingeladenen Personen befragt, die nicht an der Untersuchung teilgenommen haben (Nonresponder). 2468 Personen lehnten persönlich eine Teilnahme an der Studie ab. Die Ablehnung wurde zu 89,1 % per Telefon ausgesprochen. Die übrigen Absagen erfolgten schriftlich oder in der frühen Feldphase mündlich an der Wohnadresse des potenziellen Studienteilnehmers. Wenn möglich wurde nach Gründen der Nichtteilnahme gefragt. Außerdem wurde eine Frage zur subjektiven Einschätzung des Hörvermögens gestellt, die auch bei den Studienteilnehmern zum Einsatz kam („Haben Sie in einem oder in beiden Ohren Hörschwierigkeiten?“). Diese Frage wurde von 1742 Personen (71 % derjenigen mit persönlichem Kontakt) beantwortet.

Otoskopie

Die studentischen Untersucher wurden in Kleingruppen durch einen HNO-Arzt in die praktische Durchführung der Otokopie eingewiesen und erhielten schriftliche Erläuterungen. Das Ziel der Otoskopie lag nicht in einer Diagnosestellung, sondern darin, Besonderheiten mit möglichen Auswirkungen auf die Audiometrie zu erfassen und den Probanden ggf. eine Arztkonsultation zu empfehlen. Die audiometrischen Untersuchungen wurden nur dann durchgeführt, wenn das Trommelfell zumindest zu einem Teil sichtbar und damit zu begutachten war. War dies den Untersuchern aufgrund von Cerumen obturans nicht möglich, so wurden die Probanden gebeten, einen HNO-Arzt zu konsultieren und für die Teilnahme an der Studie einen zweiten Termin zu vereinbaren. In dem Untersuchungsprotokoll wurden für die Studienteilnehmer die wesentlichen Ergebnisse der Otoskopie dokumentiert.

Bei der Otoskopie (nach eventueller Cerumenentfernung) waren 90,3 % der Ohren ohne Befund. Bei allen anderen Probanden wurden Cerumen obturans (meist Teilverlegung) oder andere Beobachtungen, wie z. B. Exostosen, Behaarung, Rötung oder Vernarbungen angegeben. In 5 Fällen wurde nach der Otoskopie zwar eine ärztliche Abklärung wegen Cerumen empfohlen, aber entgegen der Regel trotzdem die Tonaudiometrie durchgeführt, da die Probanden nicht zu einem zweiten Termin für das Projekt bereit waren.

Ausschluss von Probanden und unvollständige Daten

Cerumen führte nicht generell zum Ausschluss des Probanden, sondern nur in den 5 Fällen, in denen während der Otoskopie eine überwiegende Verlegung des Gehörgangs beobachtet wurde (4-mal einseitig, einmal beidseitig). Außerdem wurden 4 Probanden wegen inkonsistenten Antwortverhaltens, 2 Probanden wegen technischer Probleme (jeweils einmal ein- und beidseitig) und ein Proband wegen eines Untersuchungsfehlers (Prüffrequenz vergessen) ausgeschlossen. 25 Untersuchungen wurden aufgrund von Umgebungslärm ausgeschlossen, der durch die Terzpegelmessung (ausführliche Darstellung in [26]) oder die Dokumentation des Untersuchers identifiziert wurde. Insgesamt steht somit ein Datensatz von 1866 Probanden mit beidseits verwertbaren Luftleitungshörschwellen bei 0,5, 1, 2 und 4 kHz zur Verfügung, der für die nachstehenden Auswertungen herangezogen wurde. Der Anteil fehlender Daten aus den Befragungen liegt bei den gesundheitsbezogenen Items im Mittel bei 0,7 %.

Messverfahren und Equipment

Für die Tonaudiometrie und den Göttinger Satztest wurde das mobile Audiometer Ear 2.0 von Fa. Auritec verwendet. Für die Luftleitung kam der zirkumaurale Kopfhörer HDA 200 von Fa. Sennheiser und für die Knochenleitung der Hörer B-71 von Fa. Radio-Ear unter gleichzeitiger Verwendung der Gehörschutzstöpsel E.A.R. Classic Soft III von Fa. 3M zum Einsatz. Die Audiometer wurden zu Beginn und Halbzeit der Feldphase in Übereinstimmung mit DIN EN 60645-1 kalibriert und nach Abschluss der Studie überprüft.

Bei der Tonaudiometrie wurde das verkürzte ansteigende Verfahren mit 5 dB-Schrittweite nach DIN EN ISO 8253-1 verwendet. Als Hörschwelle wird dabei der Pegel notiert, der bei mindestens 2 von 3 Versuchen zu einer Probandenantwort führt. Falls der Hörverlust den höchstmöglichen Darbietungspegel des Audiometers überstieg, wurde er bei diesem Pegel plus 5 dB festgesetzt. Die audiometrischen Daten wurden manuell in die Auswertungsdatenbank eingegeben und systematisch auf Eingabefehler geprüft (Detektion nicht möglicher Messwerte, graphische Kontrolle der Audiogrammverläufe).

Einteilung der Schwerhörigkeit

Die Klassifikation der Schwerhörigkeit erfolgte gemäß WHO [34], d. h. durch Mittelung der Luftleitungs-Tonhörschwelle des besser hörenden Ohrs bei den Frequenzen 0,5, 1, 2 und 4 kHz („pure tone average“, PTA-4):

  • normalhörend: PTA-4 ≤ 25 dB HL,

  • geringgradig schwerhörig: 25 dB HL < PTA-4 ≤ 40 dB HL,

  • mittelgradig schwerhörig: 40 dB HL < PTA-4 ≤ 60 dB HL,

  • hochgradig schwerhörig: 60 dB HL < PTA-4 ≤ 80 dB HL,

  • an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit: PTA-4 > 80 dB HL.

Das Kriterium für Schwerhörigkeit wurde für Vergleiche mit anderen Untersuchungen z. T. auf das schlechtere Ohr oder auf PTA-4 ≥ 25 dB HL abgeändert.

Probandeninformation

Die Probanden erhielten keine Aufwandsentschädigung. Ihnen wurde jedoch eine Rückmeldung in Bezug auf ihr Hörvermögen, basierend auf den Luftleitungshörschwellen und der Einteilung der WHO, gegeben. Die Studie wurde von der Ethikkommission der Universität Oldenburg unter Berücksichtigung der Deklaration von Helsinki genehmigt. Alle Probanden willigten schriftlich in die Teilnahme an der Studie sowie in die Datenspeicherung und -auswertung ein.

Statistische Auswertung

Die statistische Auswertung erfolgte mit IBM SPSS 21.0. Zu der beobachteten Prävalenz in der Gesamtstichprobe und den jeweils nach Faktoren (Alter, Geschlecht usw.) geschichteten Teilstichproben wurden 95 %-Konfidenzintervalle (95 %-KI) mithilfe der nichtparametrischen Bootstrap-Methode abgeschätzt. Die Bootstrap-Methode generiert aus den Erhebungsdaten eine durch den Blockfaktor festgelegte Zahl von Stichproben (Ziehen mit Zurücklegen), die im Umfang jeweils dem Umfang der betrachteten Gruppe entsprechen. In dieser Auswertung wurde die Default-Blockgröße von 1000 beibehalten.

Für signifikante, proportionale Unterschiede in der Auswertung der Nonresponder-Befragung wird das Kriterium sich nicht überschneidender 95 %-Konfidenzintervalle angesetzt. Zwei Gruppen unterscheiden sich demnach nicht signifikant, wenn sich die jeweiligen Konfidenzintervalle (KI) überschneiden.

Die Assoziation von Schwerhörigkeit nach dem WHO-Kriterium und den Merkmalen Wohnort, Geschlecht, Alter, schulische Bildung, Berufsfeld und Lärmexposition wurde mithilfe der binären logistischen Regression untersucht [3]. Als Ergebnis sind die Effektkoeffizienten, d. h. Quotenverhältnisse (Odds Ratios, OR) angegeben. Die OR beschreiben allgemein das Verhältnis zwischen dem Auftreten und dem Nichtauftreten eines Merkmals (z. B. Schwerhörigkeit) in Abhängigkeit von einer Risikobedingung (z. B. Lärm). Bei OR = 1 hat der jeweilige Risikofaktor (Prädiktor) keinen Einfluss auf das Auftreten des beobachteten Merkmals. OR > 1 bezeichnen eine Risikoerhöhung, OR < 1 eine Risikoreduktion.

Wenn z. B. das Alter der Probanden in der Berechnung des OR für Lärmexposition berücksichtigt werden soll, dann ist dies in einem multivariaten Modell möglich. Ein solches OR-Modell beschreibt den Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines Merkmals und eines Risikofaktors bei Berücksichtigung weiterer Faktoren. Die Differenzen der OR zur Referenzgruppe werden auf Signifikanz geprüft. Die Nullhypothese entspricht dabei OR = 1 und die Alternativhypothese ein von 1 abweichendes OR. Zur Ablehnung der Nullhypothese wird der Wald-Test eingesetzt, der auf einer Maximum-Likelihood-Schätzung basiert. Die binäre logistische Regression wurde schrittweise nach der Einschlussmethode, d. h. bei Aufnahme aller gewählten Prädiktoren in das Modell, durchgeführt.

OR wurden dekadisch altersadjustiert geschätzt, d. h. die Zugehörigkeit zu 10-Jahres-Kohorten (Ausnahme: 18–29 und 80–97 Jahre) ist als Prädiktor berücksichtigt. Die Berücksichtigung des Alters auf der Basis von Dekaden führt bei der ältesten Gruppe (80 Jahre und älter) zu verzerrt hohen Effektkoeffizienten. Dies erscheint zugunsten einer einheitlichen Altersadjustierung in allen Analysen hinnehmbar. Bei den multivariaten Analysen sind die strengen Bedingungen zur Durchführung einer logistischen Regression nicht immer vollständig erfüllt. Die Signifikanz von Gruppenunterschieden wird deshalb nach Anwendung des Bootstrap-Verfahrens dokumentiert. Da dieses Verfahren bei Verwendung nichtganzzahliger Gewichtungsfaktoren in SPSS nicht anwendbar ist, wurde auf eine Gewichtung der Stichprobe bei der logistischen Regression verzichtet. Dieses Vorgehen ist akzeptabel, weil sich die aus gewichteter und ungewichteter Stichprobe geschätzten Assoziationsmaße unwesentlich unterscheiden.

Die Differenzierung von Subgruppen bezüglich Alter, Geschlecht, Wohnort usw. führt teilweise zur Verletzung zentraler Voraussetzungen interferenzstatistischer Testverfahren oder zu geringen Fallzahlen. Die Varianzanalyse zur näheren Untersuchung der in der logistischen Regression identifizierten Einflussfaktoren basiert deshalb auf altersstandardisierten Daten. Die PTA4-Daten des besseren Ohrs wurden hierfür innerhalb der 5-Jahres-Kohorten (20–24, 25–29 usw.) in eine Rangfolge geordnet und die Ränge auf den Bereich von 0 bis 1 standardisiert (relative Rangwerte). Probanden im Alter von 18 bis 19 Jahren und ab 90 Jahren bildeten jeweils eine eigene Gruppe mit weniger bzw. mehr als 5 Geburtsjahrgängen.

Probanden mit einem relativen Rangwert nahe 0 gehören also zu den „Besten“ ihrer Altersgruppe, jenen mit einem Rangwert nahe 1 zu den „Schlechtesten“ ihrer Altersgruppe. Dadurch werden die PTA-4-Werte in den Subgruppen nur relativ zu den PTA-4-Werten der jeweiligen Altersgruppe betrachtet und können ohne weitere Berücksichtigung der Alterseffekte untersucht werden. Wenn aufgrund der Fragestellung erforderlich, erfolgte die Standardisierung getrennt nach Geschlecht. Eine Altersstandardisierung innerhalb der Gruppen Berufsbereich bzw. Schulabschluss in 5-Jahres-Kohorten ist aufgrund geringer Zellenbelegung kritisch. Ausschließlich für die Analyse des Einflusses von Berufshauptbereichen und schulischer Bildung wurde deshalb eine Standardisierung in 10-Jahres-Kohorten durchgeführt.

Bei den Post-hoc-Analysen der Einflussfaktoren auf den PTA-4 wurde wegen der Schiefe der Verteilungen – bei ähnlichen Varianzen – der nichtparametrische Kruskal-Wallis (KW)-Test eingesetzt. Bei einem Vergleich von 2 Gruppen entspricht er dem Mann-Whitney-U-Test. Der Kruskal-Wallis-Test ermöglicht jedoch einen Vergleich von mehr als 2 Gruppen, sodass er aus Gründen der Einheitlichkeit für alle Post-hoc-Analysen eingesetzt wurde.

Für die Abschätzung der Gesamtprävalenz wurden verschiedene Gewichtungsmodelle erstellt, um die Verteilung soziodemographischer Merkmale in der Ist-Studiengruppe an die der Soll-Stichprobe anzugleichen (Redressement). Für die Bemessung der Soll-Stichprobe nach Alter, Geschlecht und Wohnort wurden die Bevölkerungszahlen des Statistischen Bundesamts für das Jahr 2008 [10], die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Länder der Jahre 1999 bis 2007 [32] sowie die Pendlerstatistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten für Oldenburg und Emden [22] herangezogen. Die Ist-Stichprobe konnte somit durch zellenweise, umgekehrt proportionale Fallgewichtung an die Soll-Stichprobe korrigiert werden.

Das Merkmal Alter wurde in allen Gewichtungsprozeduren als Zugehörigkeit zu Gruppen mit jeweils 5 Geburtsjahrgängen berücksichtigt. Ausnahmen stellten, wie bei der Altersstandardisierung, die jeweils jüngste und älteste Gruppe dar. Sofern nicht ausdrücklich angegeben, basieren die folgenden Auswertungen auf der nicht gewichteten Stichprobe.

Ergebnisse

Im Folgenden werden zunächst die gesundheitsbezogenen und soziodemographischen Angaben im HÖRSTAT-Fragebogen, die Ergebnisse der Nonresponder-Befragung und die Prävalenz von Schwerhörigkeit nach WHO-Klassifikation beschrieben. Daran anschließend folgen eine Analyse der Einflussfaktoren, die Abschätzung der Gesamtprävalenz und ein Vergleich mit internationalen Untersuchungen.

HÖRSTAT-Fragebogen

In Tab. 2 und Tab. 3 sind die Ergebnisse aus den Befragungen der Studienteilnehmer dargestellt. Rund 90 % der Probanden gaben einen ausgezeichneten bis guten allgemeinen Gesundheitszustand an. Sehschwäche ist in allen Altersgruppen die am häufigsten angegebene Beeinträchtigung. Mit zunehmendem Alter wurde vermehrt von Hörschwierigkeiten, Sehschwäche, hohem Blutdruck und Rückenproblemen berichtet. Als Ursachen für Hörschwierigkeiten (26 %) wurden krankheitsbedingte Gründe (Ohroperationen, Infektionskrankheiten, Medikamenteneinnahme, Schädelverletzung), Lärm (Knall oder Explosion, Schießübungen, Musikveranstaltung), andere oder unbekannte Ursachen angegeben.

Insgesamt konnten sich 37 % der Teilnehmer an mindestens eine Mittelohrentzündung erinnern, bei mit dem Alter abnehmendem Anteil. Ab dem mittleren Erwachsenenalter betrug die Angabe eines Hörsturzes gleichbleibend etwa 11 %. Rund 6 % der Teilnehmer berichteten von Ohroperationen. 13 % der Probanden gaben Ohrgeräusche an, die wöchentlich oder täglich auftreten und über mehrere Stunden anhalten oder immer vorhanden sind. Auf einer Skala von 0 (stört überhaupt nicht) bis 100 (stört außerordentlich stark) stuften 72 % dieser Probanden den Grad der Belästigung geringer als 50 ein; 8 % sahen sich mit einem Skalenwert von über 70 stark belästigt. Hörgeräteträger waren mit etwa 7 % unter den Studienteilnehmern vertreten.

Tab. 2 Gesundheitsbezogene Angaben im HÖRSTAT-Fragebogen. Angaben in Prozent (n = 1866)

Bei den Studienteilnehmern sind höhere Bildungsabschlüsse im Vergleich zur bundesweiten Verteilung überrepräsentiert. Nach eigenen Angaben erreichten 50 % der Studienteilnehmer die fachgebundene oder allgemeine Hochschulreife und 31 % einen Abschluss an einer Universität oder Fachhochschule. Im Bundesgebiet verfügen nur 27 bzw. 14 % der Bürger (ab 15 Jahre) über entsprechende Bildungsabschlüsse [11]. Die überproportionale Beteiligung von Erwachsenen mit Hochschulreife ist in allen Alterskohorten nachweisbar, aber insbesondere in den jüngeren Altersgruppen sowie in der Oldenburger Stichprobe bis in höhere Jahrgänge stark ausgeprägt. Die Berufsangaben wurden nach der Systematik der Agentur für Arbeit [5] klassifiziert.

Mit der Überrepräsentation hoher Bildungsabschlüsse ist eine Unterrepräsentation der Berufstätigkeit insbesondere im produktiven Sektor verbunden. Mit jeweils etwa 1/4 sind oder waren die meisten Studienteilnehmer in Berufen mit Büroarbeit oder in Sozial-, Lehr- und Gesundheitsberufen tätig. Die Frage nach Berufslärm verneinten 68 % der Studienteilnehmer, 17 % dagegen gaben eine berufliche Lärmbelastung von mehr als 15 h pro Woche an.

Tab. 3 Soziodemographische Angaben im HÖRSTAT-Fragebogen in Prozent (n = 1866)

Befragung der Nichtteilnehmer

Die Tab. 4 gibt eine altersabhängige Übersicht der Ergebnisse aus der Nonresponder-Befragung. Von den kontaktierten Personen wurden vor allem zeitliche Gründe und andere Gründe für die Nichtteilnahme angegeben. Bei Nachfrage räumten insgesamt 21 % mögliche Hörprobleme ein, wenn alle Antworten bei Ausnahme der expliziten Verneinung einbezogen werden. Bei den Studienteilnehmern (s. “Hörschwierigkeiten“ in Tab. 2) berichteten dagegen 26 % von subjektiven Hörschwierigkeiten.

Signifikante Unterschiede zwischen Studienteilnehmern und Nonrespondern sind in den Dekaden 40–49 Jahre für beide Geschlechter, 50–59 Jahre für Männer und 70–79 Jahre für Frauen nachzuweisen. Die Geschlechtsverteilung in der Nonresponder-Gruppe (46 % Männer) entspricht etwa derjenigen in der Studiengruppe. In beiden Gruppen bejahten Männer die Frage nach Hörschwierigkeiten mit OR 1,4 bzw. OR 1,5 etwas häufiger als Frauen (OR 1), allerdings erwies sich der Anteilsunterschied in keiner Altersdekade als signifikant. Ein signifikanter Zusammenhang mit dem Wohnort ist nicht nachweisbar.

Tab. 4 Ergebnisse der Nonresponder-Befragung

Wellenanalyse

Die Frage, ob sich Nonresponder und Responder hinsichtlich des Tonhörvermögens systematisch unterscheiden, wurde in einer einfachen Form der Wellenanalyse untersucht. Spontan reagierten 57,9 % der Studienteilnehmer auf das Einladungsschreiben und nahmen Kontakt mit dem Studienzentrum für eine Terminvereinbarung auf (Kontaktstufe 1: spontane Responder). Dagegen reagierten 38,3 % der Studienteilnehmer nicht von sich auf das Einladungsschreiben und ggf. die schriftliche Erinnerung, sondern wurden durch das Studienzentrum in der Regel zusätzlich telefonisch kontaktiert und im Gespräch für die Studienteilnahme gewonnen (Kontaktstufe 2: späte Responder). Diese persönliche Kontaktierung fand frühestens 10–14 Tage nach Versand der Schreiben statt, zu einem Zeitpunkt, an dem nach der Erfahrung aus der Feldarbeit nur noch in Ausnahmefällen eine Kontaktaufnahme seitens der Eingeladenen zu erwarten war. Für 3,8 % der Studienteilnehmer kann die Kontaktstufe nicht gültig entschieden werden.

Mit 27,9 % gaben die spontanen Responder häufiger Hörschwierigkeiten an als die späten Responder mit 23,1 %. Die dekadische Altersverteilung beider Gruppen unterscheidet sich nicht signifikant (KW, χ2(1, 1796) = 2,908; p = 0,088). Die mit erhöhtem Aufwand rekrutierten späten Responder können, wird eine stetige Verteilung der Teilnahmemotivation unter den Studienteilnehmern vorausgesetzt, den Nonrespondern als ähnlicher angenommen werden als die stärker motivierten spontanen Responder [18]. Ein Gruppenvergleich gibt somit einen Hinweis, ob eine systematische Verzerrung in der Studienpopulation vorliegt, die zu einer signifikanten Über- oder Unterschätzung des mittleren Hörverlusts in der Studie führen kann. Spontane und späte Responder sind bei Berücksichtigung von Alter und Geschlecht ähnlich häufig schwerhörig (Kontaktstufe 1: OR 1, Kontaktstufe 2: OR 0,9) und unterscheiden sich nicht signifikant im PTA-4 des besseren Ohrs, weder Männer (KW altersstandardisiert: χ2(1, 815) = 0,045; p = 0,833) noch Frauen (KW altersstandardisiert: χ2(1, 981) = 0,189; p = 0,664).

Prävalenz nach Alter, Geschlecht und Wohnort

Die beobachtete Prävalenz für Schwerhörigkeit in der Teilnehmergruppe (18–97 Jahre) nach dem WHO-Kriterium beträgt 15,7 % (95 %-KI: 14,0–17,4 %). Der Anteil derjenigen, die von Schwerhörigkeit betroffen sind, nimmt wie zu erwarten mit dem Alter zu (Abb. 1). Die Tab. 5 weist die beobachtete Prävalenz getrennt nach Altersdekaden, Geschlecht und Wohnort aus. Bis zum Alter von 50 Jahren sind keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen zu beobachten. Ab diesem mittleren Alter jedoch unterscheidet sich jede Altersdekade in der Prävalenz jeweils signifikant von der voraus- und der nachfolgenden Dekade. Unter den 50- bis 59-Jährigen sind knapp 7 % als schwerhörig zu klassifizieren, 20 % unter den 60- bis 69-Jährigen. In der folgenden Dekade der 70- bis 79-Jährigen liegt der Anteil mit 42 % etwa doppelt so hoch. 72 % der Probanden im Alter von 80 Jahren und darüber sind bei Betrachtung des besser hörenden Ohrs schwerhörig.

Zum Vergleich ist in Tab. 5 auch der beobachtete Anteil von Schwerhörigen nach Maßgabe des schlechteren Ohrs aufgenommen, der in den Altersgruppen ab 60 Jahren rund 10–15 % über der Prävalenz von Schwerhörigkeit nach Maßgabe des besseren Ohrs liegt. Der Anstieg der Prävalenz geht mit einem Anstieg mittel- und hochgradig ausgeprägter Schwerhörigkeit einher. Mittel- und hochgradige Schwerhörigkeit betrifft weniger als 3 % der 60- bis 69-jährigen Probanden, aber 14 % der 70- bis 79-Jährigen. Bei den über 80 Jahre alten Probanden waren mittel- und hochgradige Schwerhörigkeiten (36 %) ähnlich häufig zu beobachten wie eine geringgradig ausgeprägte Schwerhörigkeit (35 %).

Abb. 1
figure 1

Prävalenz und graduelle Ausprägung von Schwerhörigkeit nach WHO-Klassifikation, n = 1866

Tab. 5 Prävalenz von Schwerhörigkeit in Oldenburg und Emden in Prozent, n = 1866

Die Abb. 2 zeigt die Prävalenz und die graduelle Ausprägung von Schwerhörigkeit getrennt nach Wohnort und Geschlecht. Männer sind mit rund 18 % insgesamt etwas häufiger von Schwerhörigkeit betroffen als Frauen (14 %). Beim Vergleich der Wohnorte zeigt sich eine höhere Prävalenz von Schwerhörigkeit in Emden (19,5 %) gegenüber Oldenburg (14 %) für beide Geschlechter (Tab. 5). Der PTA-4 der 1866 Probanden ist nach Wohnort, Geschlecht und Alter in Tab. 6 zusammengestellt.

Abb. 2
figure 2

Prävalenz und graduelle Ausprägung von Schwerhörigkeit nach WHO-Klassifikation getrennt nach Wohnort und Geschlecht, n = 1866

Tab. 6 PTA-4 in Oldenburg und Emden, nach Geschlechtern getrennt, in dB HL (Mittelwerte), n = 1866

Risikofaktoren

Der Einfluss der Faktoren Wohnort, Geschlecht, Schulabschluss und berufliche Lärmbelastung auf die Prävalenz von Schwerhörigkeit bzw. den mittleren Hörverlust wurde mit einer logistischen Regression (Tab. 7) und einer ANOVA untersucht. Wie erwartet ist das Lebensalter als bedeutendster Risikofaktor zu erkennen. Sowohl die altersadjustierten einfachen OR wie das multivariate Modell identifizieren darüber hinaus den Wohnort, den höchsten erreichten Schulabschluss und Berufslärm als signifikante Prädiktoren für Schwerhörigkeit in der Studiengruppe. Sie erhöhen die Varianzaufklärung im multivariaten Modell von rund 42 % (Zugehörigkeit zu einer Altersdekade) um knapp 3 auf rund 45 %, wobei die Faktoren Wohnort und Geschlecht keinen substanziellen Beitrag leisten.

Tab. 7 Altersadjustierte einfache und multivariate OR für Schwerhörigkeit nach WHO-Klassifikation

Die mehrfaktorielle ANOVA der altersstandardisierten PTA-4-Daten ergab für die Faktoren höchster erreichter Schulabschluss (p < 0,001) und Wohnort (p = 0,024) signifikante Haupteffekte. Für die selbst angegebene berufliche Lärmbelastung (p = 0,05) und die Geschlechtszugehörigkeit (p = 0,514) waren keine signifikanten Effekte auf die altersstandardisierten PTA-4-Werte nachweisbar. Eine signifikante Faktorwechselwirkung zeigte sich für Wohnort, Geschlecht, Lärmbelastung (p = 0,018) sowie für Wohnort, Geschlecht, Lärmbelastung und Schulabschluss (p = 0,028).

Wohnort

Der Einfluss des Wohnorts auf den PTA-4 wurde in Altersdekaden zwischen 18 und 79 Jahren weiter untersucht. Kruskal-Wallis-Tests zeigten signifikante Unterschiede im PTA-4 zwischen Oldenburger und Emder Probanden bei den 50- bis 59-Jährigen (KW, χ2(1, n = 349) = 3,93; p = 0,048) und den 60- bis 69-Jährigen (KW, χ2(1, n = 261) = 9,40; p = 0,002). Bei Berücksichtigung der Geschlechtszugehörigkeit konnte ausschließlich unter 60- bis 69-jährigen Männern ein signifikanter Zusammenhang des PTA-4 mit dem Wohnort (KW, χ2(1, n = 107) = 11,10; p = 0,001) beobachtet werden.

Lärm am Arbeitsplatz

Probanden in Emden gaben mit 35,7 % häufiger eine berufliche Lärmbelastung an als Oldenburger Probanden (29,5 %). Dies gilt sowohl für eine geringe und mittlere wöchentliche Expositionsdauer von bis zu 15 h als auch für eine extensive Exposition von mehr als 15 h in der Woche. 16,2 % der Oldenburger und 18,4 % der Emdener Probanden berichteten über eine extensive, beruflich bedingte Exposition von durchschnittlich 17 Jahren in Oldenburg bzw. 19 Jahren in Emden. Dies entspricht einer Anzahl von 314 Probanden. Insgesamt 1273 Probanden hingegen verneinten jegliche berufliche Lärmbelastung.

In Abb. 3 ist rechts der Hörstatus der Probanden mit einer beruflichen Lärmbelastung von mehr als 15 h pro Woche dargestellt und links der Probanden ohne Lärmbelastung im Beruf. Freizeitlärm und eine wöchentliche Lärmexposition im Beruf von bis zu 15 h sind hier nicht berücksichtigt. Die Teilnehmergruppe mit hoher beruflicher Lärmbelastung zeigt eine höhere Prävalenz (21,3 %) sowie eine stärkere Ausprägung von Schwerhörigkeit als die Teilnehmergruppe ohne berufliche Lärmbelastung (Prävalenz 15,3 %).

Abb. 3
figure 3

Prävalenz und graduelle Ausprägung von Schwerhörigkeit nach WHO-Klassifikation, getrennt nach beruflicher Lärmbelastung und Alter, n = 1273 ohne Lärmexposition, n = 314 mit zeitlich hoher Lärmexposition

In Tab. 8 ist der mittlere Hörverlust bei beruflicher Lärmexposition aufgenommen. Wurde eine Berufslärmbelastung angegeben, so war bei Männern ein höherer PTA-4 des besseren Ohrs zu beobachten als bei Frauen, der allerdings nur bei den 50- bis 59-Jährigen statistische Signifikanz erreicht (KW: χ2(1, n = 121) = 9,15; p = 0,002). Ein signifikanter Einfluss des Wohnorts lässt sich bei Berufslärmbelastung – mit Ausnahme der Gruppe der 60- bis 69-jährigen Männer – in keiner Geschlechtsgruppe nachweisen. In Bezug auf die wöchentliche Expositionsdauer ist ein Effekt zwischen den Gruppen mit mehr als 15 h vs. Gruppen ohne Berufslärmbelastung erkennbar, der auf die Lärmexposition männlicher Probanden zurückzuführen ist (KW altersstandardisiert: χ2(1, n = 684) = 12,38; p < 0,001). Der PTA-4 von Probanden mit mittlerer oder geringer Berufslärmexposition unterscheidet sich nicht von dem alters- und geschlechtsgleicher Probanden ohne Exposition. Dies spiegelt sich auch in den Effektkoeffizienten aus der logistischen Regression wider (Tab. 7).

Tab. 8 PTA-4 in Gruppen, getrennt nach beruflicher Lärmexposition und Geschlecht in dB HL (Mittelwerte), n = 1861

In der Gesamtgruppe derer, die eine berufliche Lärmbelastung pauschal verneinten, ist kein belastbarer Unterschied zwischen den Geschlechtern zu erkennen (OR Frauen: 1, OR Männer: 1,2). Der PTA-4 der Frauen ist signifikant, aber mit geringem Effekt, besser als bei Männern (KW altersstandardisiert: χ2(1, n = 1273) = 7,07; p = 0,008). Innerhalb der Altersdekaden lässt sich keine signifikante Geschlechtsdifferenz im PTA-4 nachweisen.

Schulisches Bildungsniveau und Berufsbereich

Die Verteilung der schulischen Bildungsabschlüsse hat sich in den vergangenen 30 bis 40 Jahren stark verändert, der Anteil höherer Schulabschlüsse ist in jüngeren Alterskohorten ungleich höher als in den älteren Gruppen. Eine Auswertung in der Gesamtstichprobe ist deshalb in den jüngeren Geburtsjahrgängen problematisch. Gleiches gilt für die Berufsbereiche. Sie blieben in der ANOVA und der logistischen Regression unberücksichtigt, weil in den jüngeren Alterskohorten häufig keine berufliche Zuordnung möglich ist. Im Hinblick auf die Fragestellung, welche Faktoren mit der Prävalenz von Schwerhörigkeit nach dem WHO-Kriterium assoziiert sind, müssen deshalb junge Alterskohorten ausgeschlossen werden. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf 1194 Probanden im Alter von 40 bis 79 Jahren, die einen Abschluss von Hauptschule, Realschule/POS oder Hochschulreife erlangt haben (Tab. 9). Probanden ohne Schulabschluss oder anderem Abschluss sowie die zahlenmäßig schwächer besetzte älteste Studiengruppe ab 80 Jahren wurden ausgeschlossen, um eine zu starke Fragmentierung und die hieraus folgende Zunahme gering oder nicht belegter Zellen in der mehrfaktoriellen Analyse zu vermeiden. Einzeln berücksichtigt wurden die 5 zahlenstärksten Berufsbereiche gemäß Klassifikation der Berufe (KldB 2010; Tab. 3), in denen rund 85 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten tätig sind.

Tab. 9 Wohnort, Schulabschluss, Lärmexposition getrennt nach Berufsbereichen (KldB 2010, Tab. 3) der 40- bis 79-jährigen Probanden in Prozent, n = 1194

Das gendertypische Muster ist deutlich: Berufe in den Bereichen Produktion und Verkehr/Schutz werden überwiegend von männlichen Studienteilnehmern angegeben. Weibliche Studienteilnehmer sind größtenteils in Berufen mit hohem Büroanteil, in Gesundheits-, Erziehungs- und Lehrberufen tätig. Die Verteilung der Schulabschlüsse ist wie erwartet ungleich. Mehr als 60 % der Studienteilnehmer mit Hochschulreife sind oder waren in den Bereichen Gesundheit/Lehre oder Verwaltung und nur rund 15 % in den Bereichen Produktion, Verkehr/Schutz und Handel tätig. Eine hohe Belastung durch Berufslärm wird in den männlich dominierten Berufsbereichen signifikant häufiger angegeben als in den überwiegend von Frauen angegebenen Berufen. Hinsichtlich der Angaben zur Lärmexposition in der Freizeit sind keine Unterschiede zwischen den Berufsbereichen erkennbar. Probanden mit niedrigstem Schulabschluss gaben signifikant häufiger einen „weniger guten“ und „schlechten“ Gesundheitszustand an (OR Hochschulreife: 1, OR Hauptschulabschluss: 2,1).

Die Prävalenz unter Studienteilnehmern mit niedrigen schulischen Bildungsabschlüssen und Berufstätigkeit in den Bereichen Produktion und Verkehr/Schutz liegt höher als in den Vergleichsgruppen (Abb. 4, Abb. 5). Die zugehörigen Mittelwerte im PTA-4 sind in Tab. 10 ausgewiesen. Der Einfluss der Faktoren Lärmbelastung, Gesundheitsstatus, Berufstätigkeit und höchster erreichter Schulabschluss auf die Prävalenz von Schwerhörigkeit unter den 40- bis 79-Jährigen wurde mithilfe der logistischen Regression geschätzt (Tab. 11). In den einfachen OR zeigt sich – mit Ausnahme der Faktoren Freizeitlärm und Gesundheitsstatus – bei Berücksichtigung des Alters jeweils eine signifikante Assoziation zwischen den Einzelfaktoren und der Prävalenz von Schwerhörigkeit. Die Einzelfaktoren Lärmbelastung, Berufstätigkeit und Schulabschluss sind, wie beschrieben, allerdings vergleichsweise stark korreliert. Dies begründet Konfundierungseffekte, die in der multivariaten Analyse minimiert sind. Bei wechselseitiger Berücksichtigung der Faktoren Alter, Berufslärm, Schulabschluss und Berufsbereich zeigt sich ausschließlich für den Faktor Berufsbereich, genauer für die Bereiche Produktion und Verkehr/Schutz, eine im Bootstrap-Verfahren als signifikant bestätigte Assoziation mit der Prävalenz von Schwerhörigkeit.

Abb. 4
figure 4

Prävalenz von Schwerhörigkeit nach Berufsbereich, n = 1194

Abb. 5
figure 5

Prävalenz von Schwerhörigkeit nach höchsten erreichtem Schulabschluss, n = 1194

Tab. 10 PTA-4 des besseren Ohrs mit 95 %-KI nach Berufsbereich und Schulabschluss der 40- bis 79-jährigen Probanden in dB HL (Mittelwerte), n = 1194
Tab. 11 Altersadjustierte OR mit 95 %-KI für Schwerhörigkeit nach WHO-Klassifikation unter 40- bis 79-Jährigen, n = 1194

Die Analyse der altersstandardisierten PTA-4-Daten unterstützt dieses Ergebnis. Der mittlere Hörverlust bei Berufstätigkeit in den Bereichen Produktion und Verkehr/Schutz ist höher als in den anderen Berufsbereichen (KW altersstandardisiert: χ2(5, n = 1194) = 39,82; p < 0,001). Diese Assoziation bleibt auch erhalten, wenn alle Fälle mit Berufslärm unterschiedlicher Dauer ausgeschlossen werden (KW altersstandardisiert: χ2(5, n = 817) = 15,3, p = 0,009). Innerhalb der Berufsbereiche sind keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern erkennbar, wobei die Datenlage in den Bereichen Produktion und Verkehr/Schutz unzureichend ist. Post-hoc-Tests der PTA-4-Daten, altersstandardisiert zum einen nach Schulabschluss, zum anderen nach Berufsbereich, bestätigen weitgehend die Ergebnisse aus der logistischen Regression. Unterschiede im PTA-4, die im Vergleich von Teilgruppen mit niedrigstem und höchstem Schulabschluss nachweisbar sind, zeigen insgesamt moderate Effekte. Diese Effekte bestehen allerdings nach dem Ausschluss mit Berufslärm belasteter Probanden fort. In der Gruppe der 40- bis 79-Jährigen, die nach eigenen Angaben keinerlei Lärm während ihrer beruflichen Tätigkeit ausgesetzt sind oder waren, ist der PTA-4 unter den Probanden mit Hauptschulabschluss auch bei Berücksichtigung des Gesundheitsstatus signifikant höher als unter den Probanden mit Hochschulreife (KW altersstandardisiert: χ2(1, n = 503) = 13,03; p < 0,001).

Prävalenz bei Gewichtung

Die Abweichung der Studiengruppe in Bezug auf die bundesdeutschen Referenzwerte kann durch eine Gewichtung der Daten kompensiert werden [15]. Je nach den in verschiedenen Gewichtungsmodellen berücksichtigten Merkmalen ergibt sich eine abweichende Prävalenz von 15,1–16,3 % der erwachsenen Bevölkerung (Tab. 12). Diese Transformationen sind unweigerlich von Effektivitätsverlusten begleitet. Bei einer Anpassung der 5 zahlenstärksten Berufsbereiche, die vorstehend näher untersucht wurden, ist der größte Effektivitätsverlust (rund 28 %) hinzunehmen. Der Anteil kritischer Faktoren betrifft in allen Gewichtungsmodellen insbesondere jüngere und ältere Randgruppen. Werden die mittleren Konfidenzintervallgrenzen zugrunde gelegt, kann mit Bezug auf den Bevölkerungsstand in Deutschland 2012 von etwa 10–12 Mio. schwerhörigen Personen ab 18 Jahren ausgegangen werden.

Tab. 12 Gütekriterien ausgewählter Gewichtungsmodelle und Gesamtprävalenz

In Tab. 13 ist die Prävalenz für Männer und Frauen aus der ungewichteten Stichprobe ausgewählten Prävalenzabschätzungen gegenübergestellt, die sich bei Anpassung der Stichprobe an die bundesdeutsche Referenzstruktur ergeben. Die Wirkung der Gewichtungskorrekturen muss vor dem Hintergrund unterschiedlicher Altersverteilungen in den Geschlechtsgruppen (höhere Lebenserwartung der Frauen) interpretiert werden. So zeigt sich, dass Frauen zu einem höheren Anteil schwerhörig sind als Männer, wenn die Stichprobe an die Alters- und Geschlechtsverteilung der in Deutschland lebenden Erwachsenen angepasst wird. Bei zusätzlicher Berücksichtigung der zahlenstärksten Berufsbereiche ergibt die Schätzung etwa ausgeglichene Anteile in beiden Geschlechtsgruppen.

Tab. 13 Prävalenz von Schwerhörigkeit nach WHO-Klassifikation in der ungewichteten Stichprobe und in gewichteten Stichproben, getrennt nach Geschlecht, in Prozent, n = 1866

Vergleich der HÖRSTAT-Ergebnisse mit internationalen Untersuchungen

Die in HÖRSTAT beobachtete Prävalenz von Schwerhörigkeit liegt im Bereich anderer internationaler Studien, wenn die jeweils abweichenden Klassifikationskriterien bestmöglich auf die erhobenen HÖRSTAT-Daten angewendet werden (Tab. 14). Nicht in allen Fällen können die Altersspannen angepasst werden, wenn, wie in den Studien von Davis [9], Uimonen et al. [31], Wilson et al. [35] und Lin et al. [24] auch Probanden unterhalb von 18 Jahren einbezogen wurden. In diesen Fällen ist der Vergleichswert der HÖRSTAT-Daten systematisch überhöht. In allen anderen Fällen liegt die Prävalenz in HÖRSTAT unterhalb der in der Literatur angegebenen Prävalenz. Die Gesamtprävalenz stellt als Einzahlwert allerdings nur eine sehr vage Orientierungsgröße dar. Schließlich unterscheiden sich die Studienpopulationen sowohl in ihrer soziodemographischen Zusammensetzung, darunter insbesondere in ihrer Altersverteilung, als auch hinsichtlich der betrachteten Generationen, weil die Untersuchungen mit einem Zeitversatz von bis zu 25 Jahren durchgeführt wurden.

Tab. 14 Vergleich mit anderen epidemiologischen Studien

Das Lebensalter kann als wichtigster Einflussfaktor durch einen Vergleich innerhalb der Altersdekaden einbezogen werden. Unter den Studien mit annähernd gleichem Klassifikationskriterium wurden nach Maßgabe von Repräsentativität bzw. Stichprobengröße, Aktualität und Berichtsqualität 11 Veröffentlichungen ausgewählt. Drei Publikationen berichten aus den fortlaufenden US-amerikanischen National Health and Nutritional Examination Surveys [1, 23, 24], wobei innerhalb der folgenden vergleichenden Darstellungen eine Überschneidung der Datenbasis ausgeschlossen ist. Die Studienergebnisse beziehen sich zu einem geringeren Teil auf gewichtete Kohorten, wobei die Anwendung der Gewichte in den altersgeschichteten Daten nicht immer eindeutig ist [1, 9, 23]. Mit Ausnahme zweier Studien [27, 35] sind Frauen in den betrachteten Studienpopulationen leicht überrepräsentiert (53–57 %).

In Abb. 6 ist die Prävalenz für Schwerhörigkeit bei Betrachtung des besseren Ohrs angegeben (Höchstalter: 89 Jahre). Gefüllte Kreissymbole markieren die Anwendung des WHO-Kriteriums PTA-4 > 25 dB HL, offene Kreise dagegen das Kriterium PTA-4 ≥ 25 dB HL. Die von den jeweiligen Autoren angegebene Prävalenz wurde jeweils in der Mitte der zugehörigen Altersspanne markiert. Der graue Bereich kennzeichnet das 95 %-Konfidenzintervall für die Prävalenz von Schwerhörigkeit in HÖRSTAT. Die Abb. 7 zeigt die entsprechenden Angaben bei Berücksichtigung des schlechteren Ohrs. Mit Ausnahme der schwedischen Studie von Johansson und Arlinger [19], in der Probanden mit starker beruflicher Lärmexposition ausgeschlossen wurden, beziehen sich die Prävalenzdaten auf nicht gescreente Populationen.

Je nach angesetztem Kriterium, PTA4 > 25 dB HL oder PTA4 ≥ 25 dB HL, schwankt die Prävalenz in den Alterskohorten der HÖRSTAT-Daten um bis zu 4,1 %. Insgesamt sind die in HÖRSTAT ermittelten Prävalenzdaten für beide Kriterien insbesondere in den interessierenden höheren Alterskohorten vergleichsweise niedrig und damit unter den Werten, die in den europäischen Studien beispielsweise von Borchgrevink et al. [4], Davis [9], Johansson und Arlinger [19] und Quaranta et al. [27] angegeben werden. Die größte Übereinstimmung in den höheren Altersgruppen ergibt sich für den Vergleich mit den neueren Studien von Chia et al. [7] und Lin et al. [23], die in den Jahren 1997–2000 bzw. 2005–2006 durchgeführt wurden.

Abb. 6
figure 6

Vergleich der Prävalenz von Schwerhörigkeit aus HÖRSTAT mit internationalen Studien bei Maßgabe des besseren Ohrs. a Älteste Gruppe ≥80 Jahre, b Mittelwerte aus getrennt nach Geschlecht angegebener Prävalenz, c jüngste Gruppe: 20–50 Jahre, d älteste Gruppe: ≥71Jahre, aber Vergleich mit 71–80 Jahren lt. Autoren möglich

Abb. 7
figure 7

Vergleich der Prävalenz von Schwerhörigkeit aus HÖRSTAT mit internationalen Studien bei Maßgabe des schlechteren Ohrs. a Älteste Gruppe ≥80 Jahre, b Mittelwerte aus getrennt nach Geschlecht angegebener Prävalenz, c jüngste Gruppe: 20–50 Jahre, d älteste Gruppe: ≥71Jahre, aber Vergleich mit 71–80 Jahren lt. Autoren möglich

Studienvergleich: Prävalenz und Geschlecht

Bei Hinzunahme des demographischen Merkmals Geschlechtszugehörigkeit, sofern in den Vergleichsstudien eine separate Prävalenz angegeben ist, ergibt sich ein differenzierteres Bild. Die Abb. 8 und Abb. 9 zeigen die altersabhängige Prävalenz nach Geschlechtern getrennt für das bessere Ohr (PTA-4 ≥ 25 dB HL) resp. schlechtere Ohr (PTA-4 > 25 dB HL). Durchgezogene Linien mit Kreuzmarkierungen stehen in beiden Abbildungen für die Prävalenz von Schwerhörigkeit bei Frauen, die gestrichelten Linien mit Quadratsymbolen für die Prävalenz von Schwerhörigkeit bei Männern. Die Prävalenz bei Männern in HÖRSTAT liegt deutlich niedriger als in den Vergleichsstudien. Die Abweichungen bei Frauen sind dagegen vergleichsweise gering. Die in HÖRSTAT beobachtete Prävalenz für Frauen verschiedener Altersgruppen liegt in einem engen Korridor mit den Angaben von Lin et al. [24], Cruickshanks et al. [8], Nash et al. [25] und Borchgrevink et al. [4]. Die Geschlechtsdifferenz ist in der vorliegenden Studie fast so gering ausgeprägt wie in der schwedischen Studie von Johansson und Arlinger [19], in der die Autoren die Probanden mit starker Berufslärmbelastung ausgeschlossen hatten.

Abb. 8
figure 8

Nach Geschlecht differenzierte Prävalenz von Schwerhörigkeit aus HÖRSTAT im Vergleich zu internationalen Studien bei Maßgabe des besseren Ohrs. a Älteste Gruppe: ≥80 Jahre

Abb. 9
figure 9

Nach Geschlecht differenzierte Prävalenz von Schwerhörigkeit aus HÖRSTAT im Vergleich zu internationalen Studien bei Maßgabe des schlechteren Ohrs

Diskussion

Response-Bias und Globalfrage nach Hörschwierigkeiten

Mit HÖRSTAT wurde eine Untersuchung zum Hörvermögen im Nordwesten Deutschlands durchgeführt, die die Berechnung der Prävalenz von Schwerhörigkeit nach dem internationalen WHO-Kriterium ermöglicht. Mit einer Teilnehmeranzahl von rund 1900 Personen konnte in allen Altersdekaden eine aussagekräftige Stichprobengröße erreicht werden. Obwohl die Teilnahmequote mit 21 % unterhalb derjenigen von epidemiologischen Untersuchungen im Ausland liegt, sind keine Anzeichen erkennbar, dass durch die Art der Rekrutierung besonders viele oder besonders wenige schwerhörige Probanden gewonnen wurden. Schließlich können Studien mit hohen Teilnahmequoten sogar zu stärker verzerrten Ergebnissen führen als Studien mit geringerer Response [30]. Die Auswertung der Bias-Frage zu subjektiven Hörschwierigkeiten liefert für Studienteilnehmer und für Nonresponder in den meisten Alters- und Geschlechtsgruppen ähnliche Ergebnisse. In HÖRSTAT muss zudem von einem höheren Anteil an „Falschangaben“ bei Nonrespondern ausgegangen werden, weil es im telefonischen Kontakt nicht immer gelungen ist, die Zweifel bezüglich der Motivation der Studie auszuräumen. Eine nicht quantifizierbare Zahl von Angerufenen vermittelte den Eindruck, mit einer Verneinung der Frage nach Hörschwierigkeiten das Gespräch, hinter dem sie möglicherweise eine gewerbliche Absicht vermuteten, beenden zu wollen. Die vergleichende Auswertung der Angaben zu subjektiven Hörschwierigkeiten sowie das Ergebnis der Wellenanalyse, nach der sich spontane und späte Responder in Prävalenz und mittlerem Hörverlust gleichen, unterstützen die Nullhypothese, dass das Hörvermögen von Studienteilnehmern und Nonrespondern nicht signifikant verschieden ist.

Risikofaktoren für Schwerhörigkeit

Wie zu erwarten war, erwies sich das Alter als Hauptrisikofaktor für Schwerhörigkeit. Allerdings wurden zwischen der Oldenburger und Emder Stichprobe Unterschiede im Tonhörvermögen beobachtet, die nicht hinreichend mit der Alterszusammensetzung erklärt werden können. In der Emder Stichprobe liegen der mittlere Hörverlust und die Prävalenz von Schwerhörigkeit höher als in der Oldenburger Stichprobe. Eine stärkere berufliche Lärmbelastung und die partiell damit verbundene unterschiedliche soziodemographische Zusammensetzung der Stichproben wurden in weiteren Analysen als Einflussfaktoren identifiziert. Insbesondere Männer aus dem industriell-handwerklich geprägten Emden arbeiten oder arbeiteten wesentlich häufiger in potenziell lärmbelasteten Berufen und sind oder waren nach eigenen Angaben auch stärker Berufslärm ausgesetzt. Nach Ausschluss der Probanden mit Berufslärmexposition zeigte sich kein Unterschied zwischen der Oldenburger und Emder Stichprobe, und es relativierte sich der in der Literatur vielfach (z. B. [1, 8, 9, 25]) und auch in der Gesamtkohorte von HÖRSTAT beobachtete Unterschied zwischen den Geschlechtern: Ohne Berufslärm ließ sich innerhalb der Altersdekaden kein Unterschied in der Prävalenz und im PTA-4 zwischen Männern und Frauen nachweisen. Quaranta et al. [27] sowie Johannson und Arlinger [19] zogen in 2 größeren Querschnittstudien ein vergleichbares Fazit. Die Analyse der altersstandardisierten PTA-Daten unterstützt diese Beobachtung.

Berufliche Lärmbelastung erhöht die „Chance“ (das Risiko) von Schwerhörigkeit unter Berücksichtigung des Alters um das 2,2- bis 2,3-Fache gegenüber Nichtexponierten. Bei zusätzlicher Berücksichtigung des Geschlechts liegt das Chancenverhältnis mit einem OR = 2 nahe an den in der Literatur angegebenen OR für berufliche Lärmbelastung von 1,67 [25] bzw. 1,9 [2]. Aufgrund divergierender oder unklarer Kriterien in der Klassifikation von „Berufslärm“ bleiben Vergleiche hier problematisch, zumal berufliche Lärmbelastung in der HÖRSTAT-Stichprobe nur dann einen signifikanten Beitrag zur Varianzaufklärung leistet, wenn eine wöchentliche Exposition von mehr als 15 h als Unterscheidungsschwelle gesetzt wird.

Die in der epidemiologischen Literatur gleichfalls häufig berichtete Assoziation von Bildungsabschluss und Hörverlust ist auch in den HÖRSTAT-Daten nachzuweisen. Allerdings weist die Analyse des mittleren Hörverlusts in der Teilgruppe der 40- bis 79-Jährigen aus den 5 zahlenstärksten Berufsbereichen darauf hin, dass dieses Einzelmerkmal nicht als unabhängiger Risikofaktor zu werten ist, sondern primär als Störfaktor verstanden werden muss. In dieser Teilgruppe zeigte sich das schulische Bildungsniveau nach Berücksichtigung der beruflichen Lärmbelastung und der Berufsbereiche nicht als belastbarer Prädiktor für Schwerhörigkeit.

Dennoch wäre es verkürzt, die Assoziation von schulischem Bildungsabschluss und Prävalenz auf einen Konfundierungseffekt zu reduzieren und mit der unterschiedlichen Lärmexposition in den verschiedenen Berufsbereichen zu erklären. Die Selbstangaben zu Berufslärm und zum allgemeinen Gesundheitszustand bieten keine hinreichende Erklärung. Auch nach Ausschluss aller Probanden, die Berufslärm gleich welcher Ausprägung angaben, ist in den Berufsbereichen Produktion und Erzeugung sowie Schutz, Verkehr und Logistik ein signifikant höherer mittlerer Hörverlust nachzuweisen als in anderen Berufsbereichen dieses Vergleichs. Vieles spricht für die in der Literatur diskutierte Erklärung [2], dass die Assoziation von Hörverlust und Bildungs- bzw. Berufsgruppe über den Einflussfaktor Lärm hinaus auf mittelbare Faktoren wie Lebensstil und sozioökonomischen Status weist. Systematisch leicht verschobene Entscheidungsschwellen verschiedener Statusgruppen könnten gleichfalls zu diesem Effekt beitragen, schließlich handelt es sich bei der Tonaudiometrie um eine psychoakustische Messung.

In diesem Zusammenhang muss auch die Validität der subjektiven Angaben, insbesondere zur Lärmexposition, kritisch betrachtet werden. Die Bewertung von akustischen Ereignissen als Lärm folgt einem subjektiven, aber lebensweltlich mitgeprägten Kriterium. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass aufgrund der Kenntnis weit stärkerer Berufslärmbelastungen eine tatsächlich gegebene Exposition nicht als Belastung gewürdigt wird. Insgesamt ist jedoch zu vermuten, dass der Effekt von beruflicher Lärmexposition in dieser Studie aufgrund der unspezifischen Probandenabfrage eher unter- als überschätzt ist. Viele Probanden aus dem Bereich Gesundheit/Lehre gaben hohe berufliche Lärmbelastungen an, obwohl deren Berufsbild und Arbeitsort keine gehörschädigenden Lärmpegel im berichteten Stundenumfang erwarten lassen.

Repräsentativität und Gewichtungskorrekturen

Das Ziel, basierend auf den Ergebnissen einer regional durchgeführten Studie Aussagen für eine Gesamtpopulation treffen zu können, wird grundsätzlich nur in einer mehr oder minder groben Annäherung zu erreichen sein. Die HÖRSTAT-Studiengruppe bildet die Alters- und Geschlechtsverteilung in Deutschland lebender Erwachsener vergleichsweise gut ab, weicht allerdings hinsichtlich weiterer soziodemographischer Merkmale deutlich von der bundesdeutschen Referenzstruktur ab. Ausgeprägt ist die Überrepräsentation der Beschäftigungsbereiche Verwaltung, Lehre, Erziehung und Gesundheit und, damit verbunden, die Überrepräsentation hoher schulischer und beruflicher Qualifikationen. Eine über soziale Schichtungen hinweg gleichmäßige Beteiligung an HÖRSTAT war nach den Erfahrungen sozialwissenschaftlicher Untersuchungen nicht zu erwarten.

Zudem verstärkte die Form der Probandenkontaktierung die Verzerrung zu höheren Bildungsgruppen resp. Berufsgruppen mit höherem Bildungsstatus: Das förmliche Anschreiben der Hochschule, die Darlegung der wissenschaftlichen Erkenntnisinteressen, Untersuchungsmethoden und Datensicherungen in einem doppelseitigen Informationsblatt sowie der beigelegte Fragebogen zur Selbsteinschätzung des Hörvermögens wirkte bereits durch die Textfülle selektiv, ein Effekt, der durch die telefonische Kontaktaufnahme nicht kompensiert werden konnte.

Einer „Gewichtung“, mit der diese Abweichungen korrigiert werden können, sind zum einen durch die genaue Kenntnis der Einflussfaktoren, zum anderen durch die Größe und Zusammensetzung der Stichprobe sowie die verfügbaren Statistiken Grenzen gesetzt. Dennoch wurden verschiedene Gewichtungsmodelle erstellt, um die realisierte Stichprobe nach Maßgabe der amtlichen Statistiken in ihren merkmalsbezogenen Anteilen zu korrigieren. Die absoluten Änderungen in der Gesamtprävalenz relativ zur ungewichteten Stichprobe liegen bei allen Gewichtungsmodellen unter einem Prozent.

Im Hinblick auf die deutlich unterschiedliche Prävalenz der vorgestellten Berufsgruppen erscheint eine partielle Gewichtung der 5 zahlenstärksten Beschäftigungsbereiche angemessen. Sie wirkt sich – insbesondere in den männlichen Kohorten 60 Jahre und darüber – am stärksten aus und erhöht die Gesamtprävalenz auf 16,3 %. Kaum zu entscheiden ist, inwieweit die Prävalenz der höchsten Altersgruppen (etwa ab 80 Jahren) zutreffend abgeschätzt werden konnte. Altersbegleitende Erkrankungen, die mit der zugehörigen Medikation das Risiko von Schwerhörigkeit erhöhen können, dürften in diesen Gruppen eine selektive Wirkung gezeigt haben. Das Studiendesign spricht dafür, dass sich tendenziell der gesündere Teil der Hochaltrigen an HÖRSTAT beteiligte. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass der mittlere Hörverlust in den ältesten Gruppen über 80 Jahren unterschätzt ist. Diese Verzerrung dürfte sich allerdings stärker auf die graduelle Bewertung der Schwerhörigkeit als auf die Prävalenz nach dem WHO-Kriterium auswirken.

Insgesamt kann das 95 %-Konfidenzintervall der beobachteten Gesamtprävalenz von 14,0–17,4 % als ausreichend gesichert erachtet werden. Für einen Vergleich verschiedener Studienergebnisse sind eine genaue Beschreibung des Probandenkollektivs und eine Darstellung der in Subgruppen beobachteten Prävalenz oder der Quotenverhältnisse aus Gründen der Ergebnistransparenz ohnehin vorzuziehen.

Internationaler Vergleich

Die in HÖRSTAT beobachtete Prävalenz von Schwerhörigkeit liegt mit insgesamt etwa 16 % der erwachsenen Bevölkerung im Bereich internationaler Studienergebnisse [16]. Diese leicht zu erinnernde Einzahl ist u. a. wegen demographischer Verschiebungen wenig aussagekräftig und kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich bei HÖRSTAT im Vergleich mit fast allen internationalen Studien eine niedrigere Prävalenz von Schwerhörigkeit in den mittleren und höheren Altersgruppen ergab.

Von besonderem Interesse ist die nach Geschlechtern getrennte Betrachtung. In den meisten Studien liegt die altersdekadische Prävalenz der Männer über 50 Jahren etwa zwischen 15 und 25 % über der Prävalenz gleichaltriger Frauen. Bei HÖRSTAT jedoch wurde eine weit geringere Differenz beobachtet. In den meisten Altersdekaden ab 50 Jahren unterscheidet sich die Prävalenz in den Geschlechtsgruppen um 10 % oder weniger. Zudem zeigte sich, dass die altersdekadische Prävalenz bei Frauen vergleichsweise gut mit den Literaturwerten übereinstimmt. Die einzige Studie in diesem Vergleich, in der über ähnlich geringe Unterschiede zwischen Männern und Frauen berichtet wird, ist die schwedische Studie von Johansson und Arlinger [19], in der stark lärmexponierte Probanden ausgeschlossen wurden. Die niedrige Prävalenz in HÖRSTAT, so legt der nach Geschlechtern getrennte Vergleich nahe, ist insbesondere der geringen Prävalenz bei Männern geschuldet. Hierfür können mehrere mögliche, aber keine eindeutige Erklärung angeführt werden.

Wenig plausibel erscheint nach den Ergebnissen der Nonresponder-Befragung und der Wellenanalyse eine generelle Selektionsverzerrung, nach der sich Männer mit Hörproblemen der Studienteilnahme eher verweigerten als normalhörende Geschlechtsgenossen oder Frauen. Schließlich gaben Männer, die an der Studie teilnahmen, sogar etwas häufiger Hörschwierigkeiten an als Männer, die die Teilnahme ablehnten. Wenn überhaupt, dann wäre – zumal „nur“ Höruntersuchungen und kein umfassender, möglicherweise attraktiver Gesundheits-Check-up angeboten wurde – eine umgekehrt gerichtete Verzerrung wahrscheinlicher.

Schwerer wiegt die Überrepräsentation höherer Bildungsgruppen und der Berufstätigkeit in Verwaltung, Lehre und Gesundheit, die mit einem geringen Risiko für Schwerhörigkeit assoziiert sind. Diese vielfach beobachteten Assoziationen von Beschäftigungsstruktur, Bildung, sozioökonomischem Status und – in jüngeren US-amerikanischen Studien – ethnischer Zugehörigkeit einerseits und der Prävalenz von Schwerhörigkeit andererseits blieben im Vergleich bisher unberücksichtigt [1, 8, 23, 24].

Wenn diese Verzerrungen in HÖRSTAT beispielsweise durch Gewichtung der Berufsbereiche korrigiert werden, vergrößert sich der Prävalenzunterschied zwischen den Geschlechtern. Er erreicht aber nicht die Differenz, die in anderen Studien beobachtet wird. Weitere, hier nicht erfasste regionale Besonderheiten können grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Allerdings handelt es sich bei einem großen Teil der internationalen Untersuchungen gleichfalls um regional durchgeführte Querschnittuntersuchungen, in denen u. a. die spezifische Soziodemographie, Wirtschafts- und Beschäftigungsstruktur in die Zusammensetzung der Probandengruppen fortwirken.

Norwegen 1996–1998

Als Beispiel sei die große norwegische Studie aus Nord-Trøndelag [4, 13, 14] mit mehr als 50.000 Teilnehmern betrachtet. Die audiometrischen Untersuchungen wurden in einer ländlich-kleinstädtischen Region durchgeführt, die durch Land- und Forstwirtschaft, aber auch schwere Industrie (z. B. Papierherstellung) geprägt ist. Land-, forstwirtschaftliche und handwerkliche Berufe waren demzufolge in der Studiengruppe stark vertreten. Höhere Bildungsabschlüsse waren regional gegenüber dem Landesdurchschnitt leicht unterrepräsentiert. 60 % der Männer waren nach eigener Angabe starkem Berufslärm ausgesetzt, der eine normale Verständigung unmöglich machte. Mit jenen, die allgemein eine erhöhte Lärmexposition angaben, erhöht sich der Anteil auf 74 % [13].

Deutschland 2010–2012

In HÖRSTAT gaben dagegen weit weniger Probanden eine Berufslärmexposition an. Unter den männlichen HÖRSTAT-Teilnehmern berichteten 40 % von Berufslärm unterschiedlicher Ausprägung. Beschäftigungen in Landwirtschaft, Handwerk und Industrie sind deutlich schwächer in der Studiengruppe vertreten als in der norwegischen Untersuchung. Auch bei Korrektur der in HÖRSTAT unterrepräsentierten Berufsgruppen liegt die Prävalenz der 60- bis 79-jährigen Männer in HÖRSTAT deutlich niedriger als in der norwegischen Studie. Die Kohorten der norwegischen Studie und HÖRSTAT sind nicht nur in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext unterschiedlich positioniert. Sie unterscheiden sich nicht nur direkt hinsichtlich der Merkmale Hauptberufsbereiche und Bildungsniveau. Die beiden Studienkohorten unterscheiden sich auch hinsichtlich ihrer Geburtsjahrgänge.

Generationenunterschiede

Die bei HÖRSTAT in den Altersgruppen beobachtete Prävalenz stimmt gut mit den Ergebnissen der jüngeren US-amerikanischen Studien von Lin et al. [23, 24] und Nash et al. [25] und der australischen Studie von Chia et al. [7] überein. In allen 3 Untersuchungen liegt die Prävalenz von Schwerhörigkeit in den höheren Alterskohorten niedriger als in den übrigen Vergleichsstudien. Möglicherweise deutet sich hierin eine Prävalenzabnahme in den höheren Altersdekaden an, die Hoffman et al. [17] und Zhan et al. [36] für den US-amerikanischen Raum nachzuweisen versuchten. Die 60-Jährigen, die als Probanden von 2010–2012 an HÖRSTAT teilnahmen haben, gehörten nicht mehr zu einer „Kriegsgeneration“, profitierten länger von der allgemeinen Wohlstandsentwicklung, einer besseren medizinischen Versorgung und ggf. von lärmmindernden und gehörschützenden Maßnahmen als jene, die in den 1980er- oder 1990er-Jahren an einer epidemiologischen Studie teilgenommen hatten.

Der Studienvergleich basiert auf dem chronologischen Alter der Probanden und bildet Veränderungen des Verhältnisses von chronologischem und biologischem Alter nicht ab. Die in einer Querschnittsuntersuchung nicht zu überprüfende These ist, dass eine Verzögerung des Alterungsprozesses in mittleren Jahren bzw. „gesünderes“ Altern das Gehör mit einschließt und eine abnehmende Prävalenz in chronologisch bestimmten Altersgruppen zumindest z. T. erklären kann. Hinzu kommt, dass die Anteile einiger potenziell stärker lärmexponierter Berufsbereiche in jenen Gesellschaften abnehmen, aus denen die Vergleichsstudien berichten. Gerade die Sektoren, in denen – neben Berufen in der Bau-, Forst- und Landwirtschaft – mit potenziell stärkerer Lärmbelastung gerechnet werden muss, sind bei HÖRSTAT bis in die höheren Altersgruppen unterrepräsentiert. Möglicherweise war die untersuchte Probandengruppe in diesem Sinne ihrer Zeit etwas voraus.

Fazit für die Praxis

  • Die Prävalenz von Schwerhörigkeit weist eine starke Altersabhängigkeit auf. Ab einem Alter von 70 Jahren liegt mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 50 % eine Schwerhörigkeit vor.

  • Bis zu einem Alter von 55 Jahren sind keine Unterschiede in der Prävalenz von Schwerhörigkeit und im mittleren Hörverlust zwischen den Geschlechtern erkennbar. In den höheren Altersgruppen sind die Unterschiede vergleichsweise gering und stehen in engem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit.

  • Erwerbstätigkeit in einem potenziell lärmbelasteten Berufsbereich in Verbindung mit einem einfachen schulischen Bildungsabschluss erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine Schwerhörigkeit.

  • Die Anzahl schwerhöriger Frauen in der Gesamtgesellschaft ist aufgrund der geschlechtsspezifischen Altersverteilung gleich oder größer als die der schwerhörigen Männer.