Zusammenfassung
Will der HNO-Arzt oder Phoniater die Weiterüberweisung von Patienten mit Stimmproblemen in die Wege leiten, ist die Stimmdiagnostik selbstverständliche Voraussetzung. Diese sollte jedoch immer im ganzheitlichen Rahmen anderer Symptome und auch sozialer Konstellationen gesehen werden. Daraus leitet sich die Entscheidung über eine Behandlung—z. B. stationär oder ambulant—ab. Das seit 1999 geltende Psychotherapeutengesetz hat für die Klärung zur Psychotherapieindikation große Erleichterungen mit sich gebracht. Durch das Erstzugangsrecht kann der gesetzlich versicherte Patient mit jedem zugelassenen Psychotherapeuten Kontakt aufnehmen, um dort die Psychotherapieindikation zu klären. Im Falle einer Therapiebeantragung durch einen Psychologischen Psychotherapeuten wird der Arzt um einen Konsiliarbericht gebeten. Die Fixierung des Patienten auf seine Stimme als körperliches Symptom ist charakteristisch für funktionelle und psychogene Stimmstörungen. Deshalb ist der empathische, angstabbauende und gleichzeitig sachliche Umgang bei der Überweisung an einen Psychotherapeuten von Seiten des Arztes von eminenter Bedeutung.
Abstract
The diagnosis of vocal dysfunction is a prerequisite for refering a patient for specialized medical therapy. This mostly requires a holistic approach, and should also consider related symptoms and the social environment of the patient. Regulations on psychotherapy, promulgated in 1999, have provided clarity in relation to the indications for treatment in an inpatient and outpatient basis. Within the German health care system, every individual can now directly contact an officially certified psychotherapist (so called psychological psychotherapist) for probatory sessions, aimed at determining a basis and indication for further psychotherapy. In case of psychotherapy provided from others than physicians, an additional medical report from a physician is obligatory. Patients with functional and psychogenic voice problems often believe that organical disorders are the reason for their dysphonia. Thus, when caring for voice disordered patients and sending them to a psychotherapist, it is of great importance that physicians facilitate their referral by reacting in an empathic, fear reducing, and professional way.
Notes
Aus Gründen des Sprachflusses wird durchgängig die männliche Form sowohl bei Versorgern wie bei Patienten verwendet.
Als Kliniken, die sich bereits über längere Zeiträume bewährt haben, können z. B. Bad Gögging, Bad Oeynhausen, Bad Rappenau und Werscherberg genannt werden.
Persönliche Schätzung für Hamburg: 480 Praxen für die psychodynamisch orientierten Verfahren TP und PSA, 400 davon nur TP, entsprechend 80 mit beiden Abrechnungsmöglichkeiten. 180 VT, (Kinder- und Jugendlichentherapeuten: 50).
Dabei ist sicher zu berücksichtigen, dass in einer phoniatrischen Abteilung einer Universitätsklinik mit großem Einzugsgebiet überdurchschnittlich viele Patienten mit hartnäckigeren Störungen vorstellig werden.
Die oben genannten Faktoren entstammen einem nicht veröffentlichten Vortrag über spezielle Indikationsfragen von A. Boll-Klatt, Bad Segeberg 2002.
Es dürfte beispielsweise vom Patienten als entlastend erlebt werden, wenn man die Zusammenhänge zwischen Soma und Psyche durch die Engrammierung von Erfahrungen im Gehirn erklärt, die wirksam bleibt, auch wenn sie später veränderbar ist.
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Interessenkonflikt:
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Behrendt, S., Hess, M.M. Psychotherapeutische Weiterbetreuung stimmgestörter Patienten. HNO 52, 642–647 (2004). https://doi.org/10.1007/s00106-003-1002-z
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00106-003-1002-z
Schlüsselwörter
- Funktionelle Dysphonie
- Psychogene Aphonie
- Richtlinienverfahren
- Verhaltenstherapie
- Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie