1 Einleitung und Ziele

1.1 Hintergrund

1.2 Zielgruppen und Geltungsbereich

1.3 Struktur der Empfehlung

1.4 Bezug zu anderen Empfehlungen der KRINKO

2 Risikocharakterisierung

2.1 Ausgewählte Aspekte Immundefizienz und -suppression

2.2 Erregerspektrum

2.3 Risikogruppen immunsupprimierter Patienten

2.4 Gefäßkatheter als Infektionsrisiko

2.5 Hinweise auf Erregerreservoire aufgrund von Ausbruchsanalysen

2.6 Der Patient als Infektionsreservoir

2.7 Besucher

2.8 Medizinisches Personal (einschließlich Physiotherapeuten, MTAs)

2.9 Lebensmittel, keimarme Kost

2.10 Wasser

2.10.1 Wasser für den menschlichen Gebrauch

2.10.2 Wasser zum Trinken anderer Herkunft als Leitungswasser

2.11 Luft

2.12 Umgebungsflächen, Gegenstände des täglichen Lebens

2.13 Sanitärbereich

2.14 Tierkontakte

3 Prävention

3.1 Schulung der Patienten und ihrer Angehörigen

3.2 Anforderungen an die Besucherregelung (Kat IB)

3.3 Immunprophylaxe

3.4 Standardhygienemaßnahmen

3.5 Reinigung und Desinfektion

3.6 Anteil und Ausstattung von Zimmern zur Isolierung

3.6.1 Protektive Isolierung

3.6.2 Isolierung bei Besiedlung oder Infektion mit kontagiösen Erregern

3.7 Lebensmittel

3.8 Baulich-funktionelle Maßnahmen zur Gewährleistung des protektiven Umfelds

3.9 Anforderungen an die Raumluft

3.10 Anforderungen an die Wasserversorgung

3.11 Anforderungen an den Sanitärbereich

3.12 Anforderungen an die Hygiene bei Umbaumaßnahmen und Abrissarbeiten

3.13 Prävention der nosokomialen Harnwegsinfektion

3.14 Prävention der nosokomialen Wundinfektion

3.15 Prävention der nosokomialen Sepsis

3.16 Prävention der nosokomialen Gastrointestinalinfektion

3.17 Prävention von Zoonosen

4 Surveillance

4.1 Besonderheiten in der Surveillance von nosokomiale Infektionen bei Immunschwäche

4.2 Katheterassoziierte Infektionen

4.3 Empfehlungen zur Surveillance

4.4 Surveillance von invasiven Aspergillosen

4.5 Mikrobiologisches Screening von immunsupprimierten Patienten

4.6 Ausbruchs-Management

5 Infektionsrisiken im häuslichen Umfeld

5.1 Lebensmittel (s. hierzu auch Tabelle 5 in der Empfehlung)

5.2 Vorbeugung von lebensbedrohlichen Schimmelpilzinfektionen

5.3 Infektiöse Erkrankungen im häuslichen Umfeld

5.4 Prävention von Infektionen durch Tierkontakte

5.5 Sonstige Hinweise zu häufig gestellten Fragen

6 Literatur

Definitionen

Allogene Stammzelltransplantation

Das Transplantat besteht aus Blutstammzellen von einem anderen Menschen. Es wird entweder von einem Familienmitglied oder von einer fremden Person gewonnen, vergleichbar einer Bluttransfusion, bei der das Blut auch von freiwilligen gesunden Spendern stammt.

Autologe Stammzelltransplantation

Das Transplantat besteht aus körpereigenen Blutstammzellen desselben Patienten. Diese werden aus dem peripheren Blut oder aus dem Knochenmark gesammelt, aufgearbeitet, dann eingefroren und dem Patienten zu einem späteren Zeitpunkt über eine Transfusion zurückgegeben.

Bakteriämie

Vorkommen lebensfähiger Bakterien im Blut; Nachweis eines bakteriellen Infektionserregers in der lege artis entnommenen Blutkultur.

Blutstrominfektion

Nachweis eines Infektionserregers in der lege artis entnommenen Blutkultur bei einem symptomatischen Patienten mit Infektionszeichen wie Fieber und gegebenenfalls weiteren klinischen und laborchemischen Manifestationen eines systemischen Inflammationssyndroms. Unter diesem Begriff werden andere Termini wie Bakteriämie, Sepsis, septischer Schock mit oder ohne Multiorganversagen (auch Candidämie oder Candida-Sepsis) subsumiert.

Fakultativ-pathogene Erreger

Erreger, die zur Auslösung von Infektionskrankheiten spezifische Voraussetzungen benötigen wie Eröffnen des Zugangs zu normalerweise sterilen Körperbereichen zum Beispiel durch Kathetersysteme beziehungsweise Fremdkörper und die auch bei fehlender Immunsuppression Infektionskrankheiten auslösen können.

Graft versus Host Disease (Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion)

Zellen des spezifischen Immunsystems des Spenders erkennen körpereigene Antigene des Empfängers als fremd und verursachen eine Immunreaktion, durch die der Empfängerorganismus Schaden nimmt. Hauptmanifestationsorte sind die Haut, die Schleimhaut und die Leber (bei chronischer GVHD auch die Lunge) des Empfängers. Die Kontrolle der GVHD, die nach WHO in vier Schweregrade eingeteilt wird, erfordert gegebenenfalls eine Intensivierung der medikamentösen Immunsuppression.

Induktionstherapie

Bei einer akuten Leukämie verdrängen bösartige Zellen die gesunden Zellen des Knochenmarks. Deshalb kommt es beispielsweise zu Infektionen und Blutungsneigung. In dieser Situation sind die vorrangigen Therapieziele, die kranken Zellen zu zerstören, damit sich die verdrängten gesunden Zellen erholen können. Dazu wird eine intensive Chemotherapie eingesetzt. In der Regel sind hierzu mehrere Zyklen notwendig. Die zur Erreichung einer Remission verabreichte Chemotherapie wird Induktionstherapie genannt, während Chemotherapien in der Remission in der Regel als Konsolidierungstherapie bezeichnet werden.

Obligat-pathogene Erreger

Erreger, die bei fehlender spezifischer Immunität bei gesunden Personen Infektionskrankheiten auslösen.

Opportunistisch-pathogene Erreger

Erreger, die nahezu ausschließlich bei Einschränkung des Immunsystems Infektionskrankheiten auslösen.

Sepsis

Invasion von Mikroorganismen und/oder ihrer Toxine in den Blutstrom mit generalisierter hyperinflammatorischer Reaktion (englisch: systemic inflammatory response syndrome; SIRS) hervorgerufen durch eine Infektion.

Standardhygienemaßnahmen

Maßnahmen, die im Kontakt zu allen Patienten durchgeführt werden, um eine Übertragung von Infektionserregern auf den Patienten und das Personal zu verhindern und das Risiko einer nosokomialen Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu reduzieren. Hierzu gehören vor allem die hygienische Händedesinfektion und der situationsbedingte Einsatz von speziellen Barrieremaßnahmen:

  • Einmalhandschuhe bei der Möglichkeit der Kontamination der Hände mit Blut, Atemwegssekreten oder anderen Ausscheidungen des Patienten,

  • Schutzkleidung (Patienten-bezogene Schürzen oder Kittel) bei besonders kontaminationsträchtigen Arbeiten (zum Beispiel Pflege eines Patienten mit Diarrhö oder Erbrechen),

  • Mund-Nasen-Schutz (bei engem Kontakt zu einem Patienten mit Tröpfcheninfektion).

Zu den Standardhygienemaßnahmen gehören auch die desinfizierende Reinigung sichtbar kontaminierter Oberflächen und Gegenstände und die sachgemäße Aufbereitung von Medizinprodukten.

1 Einleitung und Ziele

1.1 Hintergrund

Erhebliche Fortschritte in der Diagnostik und Therapie haben zu einem verbesserten Langzeitüberleben von Patienten mit Krebs oder anderen schwerwiegenden Grunderkrankungen geführt, die mit einer Immunschwäche (Defizienz) oder einer durch medizinische Behandlung bedingten (iatrogenen) Unterdrückung des ImmunsystemsFootnote 1 (Immunsuppression) einhergehen [2, 3, 4, 5].

Daher nimmt in Krankenhäusern und Spezialambulanzen die Zahl von Patienten mit hochgradiger und lang anhaltender Immundefizienz oder -suppression stetig zu.

Bei diesen Patienten treten häufiger als bei Gesunden Infektionen auf, und zwar als Komplikationen

  • der malignen Erkrankung oder der Autoimmunerkrankung selbst,

  • nach intensiver medikamentöser Therapie von Krebserkrankungen [6, 7, 8, 9],

  • nach Organ- oder Stammzelltransplantation [10, 11, 12, 13, 14] sowie

  • im Verlauf einer lang anhaltenden iatrogenen Immunsuppression bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen.

Infektionen durch obligat pathogene Erreger können hier mit einem höheren Krankheitsschweregrad und einer höheren Letalität einhergehen. Außerdem sind diese Patienten durch spezifische Lücken ihres Abwehrsystems empfänglicher, sodass auch Infektionen durch fakultativ-pathogene sowie opportunistisch-pathogene Erreger vorkommen und lebensbedrohliche Konsequenzen nach sich ziehen können.

Infektionen können das Leben immunsupprimierter Patienten akut gefährden, schränken ihre ohnehin reduzierte Lebensqualität zusätzlich ein und erhöhen die Gesamtkosten der Behandlung [15, 16, 17, 18]. Außerdem können sie relevante Abweichungen vom onkologischen Behandlungsplan nach sich ziehen und durch eine Verminderung der Therapieintensität das Risiko erhöhen, an der Grunderkrankung zu versterben [16, 19, 20, 21, 22]. Nach Organtransplantationen können Infektionen zum Verlust des Transplantats führen.

Wichtig ist neben der Art und dem Schweregrad der Immunschwäche (siehe Abschnitt 1.5) auch deren zeitlicher Verlauf. Patienten mit intermittierenden Phasen einer ausgeprägten Immunschwäche müssen von Patienten mit lang anhaltender Immunschwäche unterschieden werden.

Bei Patienten mit intermittierender hochgradiger Immunsuppression sind spezielle Maßnahmen insbesondere während dieser Behandlungsphasen erforderlich, bis es zu einer Rekonvaleszenz der körpereigenen Immunabwehr kommt. Bei Patienten mit lang anhaltender Immunschwäche müssen die entsprechenden Maßnahmen kontinuierlich weiter aufrechterhalten werden.

1.2 Zielgruppen und Geltungsbereich

Zu den Zielgruppen dieser Empfehlung gehören alle Berufsgruppen, die an der medizinischen Versorgung immunsupprimierter Patienten direkt oder indirekt beteiligt sind, vor allem Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonal, Krankenhaushygiene-Fachpersonal, Physiotherapeuten, technisches Personal, der öffentliche Gesundheitsdienst, Angestellte der Krankenhausverwaltung, Ärztinnen und Ärzte des medizinischen Dienstes der Krankenkassen sowie Auszubildende (Medizinstudenten, Auszubildende in der Gesundheits- und Krankenpflege).

Außerdem richtet sich diese Empfehlung ganz bewusst auch an die Patienten sowie in die Pflege einbezogene Familienangehörige. Die Patienten sollen als Partner in die Infektionsvermeidung (Prävention) einbezogen werden.

Diese Empfehlung soll zudem Rahmenbedingungen für eine am Ziel der Infektionsprävention ausgerichtete (Bau-)Planung von Stationen und Spezialambulanzen bereitstellen, in denen Patienten mit hochgradiger Immunschwäche behandelt werden.

Hochgradig immungeschwächte Patienten sind auch außerhalb des Krankenhauses besonderen Infektionsrisiken ausgesetzt. Daher wird versucht, dem Patienten selbst, dem nachbetreuenden Arzt und den Angehörigen im häuslichen Umfeld orientierende Hinweise zu geben, wie hochgradig immunsupprimierte Patienten während ambulanter Behandlungsphasen vor lebensbedrohlichen Infektionen geschützt werden können.

Die Beachtung von Hygienestandards in Spezialambulanzen [23, 24] und bei der häuslichen Betreuung durch ambulante Pflegedienste [25, 26, 27] ist hierbei von erheblichem Interesse. Alle hier vorgelegten Empfehlungen müssen angemessen an die jeweilige Behandlungssituation des individuellen Patienten angepasst werden.

Die Details der Umsetzung in onkologischen Schwerpunktpraxen sind nicht Gegenstand dieser Empfehlung (hierzu soll gemeinsam mit den zuständigen Fachgesellschaften ein ergänzendes Konsensusdokument erarbeitet werden).

In diesem Zusammenhang wird der Begriff der nosokomialen Infektion (NI) gemäß seiner Legaldefinition in § 2 Nr. 8 IfSG nicht nur auf im Krankenhaus (oder in einer Spezialambulanz oder Arztpraxis) erworbene Infektion bezogen, sondern auf alle Infektionen, die im Zusammenhang mit der medizinischer Versorgung der Patienten auftreten und nicht schon vorher bestanden [28]. Im Einzelfall handelt es sich zum Beispiel um Infektionen, die mit dem Einsatz von bestimmten Medizinprodukten (zum Beispiel Gefäßkatheter, Magensonde, perkutane endoskopische Gastrostomie, Tracheostoma, Fremdmaterialien im Zusammenhang mit Osteoprothesen usw.) verbunden sind und Wochen bis Monate nach der Anlage/Implantation auftreten. Zum Beispiel fällt auch die invasive Aspergillose, die der Patient während der Phasen der hochgradigen Immunsuppression zu Hause erwirbt, unter diese Kategorie, wenn die iatrogene Immunsuppression die Infektion begünstigt hat.

Die Infektionsprävention bei Patienten nach Organtransplantation erfolgt analog zu den hier gegebenen Empfehlungen, wenn die im Abschnitt Risikocharakterisierung näher umschriebenen Merkmale der Immunsuppression vorliegen. Spezielle Aspekte des Umgangs mit HIV-infizierten Patienten werden nicht behandelt.

1.3 Struktur der Empfehlung

In der vorliegenden Empfehlung werden die Hintergründe für die Notwendigkeit von Präventionsmaßnahmen bei immunsupprimierten Patienten vorgestellt und auf der Basis der internationalen und nationalen Studienlage für diese Patientengruppe entsprechende Empfehlungen zur Prävention von nosokomialen Infektionen abgeleitet.

Um vermeidbare Infektionen effizient zu verhüten oder unter Kontrolle zu bringen, bedarf es eines umfassenden Verständnisses der möglichen exogenen Ursachen für infektiöse Komplikationen und der prädisponierenden Faktoren aufseiten des Patienten. Die Empfehlung ist demnach in insgesamt vier Grundkapitel gegliedert.

Nach der einleitenden Darstellung der Ziele und der Struktur der Empfehlung im 1. Kapitel wird zunächst die Risikocharakterisierung im Kapitel 2 behandelt. Hierin werden exemplarisch verschiedene Aspekte der Immunsuppression, die spezifischen Risikogruppen, die Zeitpunkte der spezifischen Infektionsgefährdung unter Immunsuppression und die relevanten Erreger behandelt.

Im 3. Kapitel werden Pr äventionsstrategien aus betrieblich-organisatorischer und baulich-funktioneller Sicht entsprechend § 23 des Infektionsschutzgesetzes [29] dargestellt.

Zur Schnellinformation über die konkreten Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle nosokomialer Infektionen siehe Kapitel 3 (→Inhaltsübersicht).

Das 4. Kapitel thematisiert die Aspekte der Surveillance, gibt Empfehlungen zur Surveillance von NI bei immunsupprimierten Patienten und verweist auf die Empfehlung zum Ausbruchsmanagement.

Das Kapitel 5 thematisiert Infektionsrisiken im häuslichen Umfeld und gibt orientierende Hinweise zur Infektionsprävention während ambulanter Behandlungsphasen.

1.4 Bezug zu anderen Empfehlungen der KRINKO

In der hier vorliegenden Empfehlung ergeben sich zahlreiche Überschneidungen zu anderen Empfehlungen dieser Richtlinie. Zitiert wird in dieser Empfehlung aus folgenden Mitteilungen der KRINKO:

  • Surveillance (Erfassung und Bewertung) von nosokomialen Infektionen (Umsetzung § 23 IfSG) [29, 30],

  • Händehygiene [31],

  • Prävention Gefäßkatheter-assoziierter Infektionen [32],

  • Prävention der nosokomialen Pneumonie [33],

  • Prävention und Kontrolle Katheter assoziierter Harnwegsinfektionen [34],

  • Anforderungen der Hygiene bei Operationen und anderen invasiven Eingriffen [35],

  • Prävention und Kontrolle von Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämmen (MRSA) in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen [36],

  • Ausbruchsmanagement und strukturiertes Vorgehen bei gehäuftem Auftreten nosokomialer Infektionen [37],

  • Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen [38],

  • Infektionsprävention in der Zahnheilkunde [39],

  • personelle und organisatorische Voraussetzungen zur Prävention nosokomialer Infektionen [40].

Zum Teil werden Aussagen von grundlegender Bedeutung nochmals wiedergegeben, um hier eine für die tägliche Praxis selbstständig verwendbare Empfehlung zu geben.

Die Kategorisierung der Empfehlungen nach ihrer wissenschaftlichen Evidenz erfolgt nach den üblichen Kategorien der KRINKO.

Die Mehrzahl aller Strategien und Detailfragen der gezielten Infektionsprävention bei hochgradig immunsupprimierten Patienten ist bisher nicht in prospektiv-randomisierten, kontrollierten Studien überprüft worden. Da die Patienten im Falle eines entsprechenden Ereignisses lebensbedrohlich erkranken können, wäre es nach dem Vorsorgeprinzip im Risikomanagement nicht vertretbar, auf eventuelle Publikationen solcher Studien zu warten und erst zu reagieren, wenn erhebliche Schäden bereits eingetreten sind.

2 Risikocharakterisierung

2.1 Ausgewählte Aspekte Immundefizienz und -suppression

Die Mehrzahl der Infektionen bei hochgradig immunsupprimierten Patienten ist endogenen Ursprungs (zum Beispiel Translokation von gramnegativen Infektionserregern aus dem Darm des Patienten während einer Chemotherapie-induzierten Mukositis) und somit eine nur bedingt vermeidbare Konsequenz der Grunderkrankung bzw. der intensiven Therapie [7, 41, 42].

Die erfolgreiche Erkennung und Abwehr von Infektionserregern durch das Immunsystem wird während der intensiven Therapie einer Krebserkrankung beeinträchtigt [20] durch

  • die Grunderkrankung selbst (Leukämie, Lymphom, solider Tumor mit ausgedehnter Knochenmarksinfiltration),

  • unerwünschte Wirkungen der gegen die Krebserkrankung gerichteten Therapie (Chemotherapie, Bestrahlung, Operation, Stammzelltransplantation),

  • den Einsatz von Devices (siehe Definition) [43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51].

Des Weiteren bestehen besondere infektionsepidemiologische Gegebenheiten, wie zum Beispiel ein verlängerter Krankenhausaufenthalt während der Induktions- oder der Konsolidierungstherapie, häufiger Wechsel zwischen stationärer und ambulanter Behandlung [25, 26, 27, 52, 53, 54], höheres Risiko der Besiedlung und Infektion mit fakultativ pathogenen (teils multiresistenten) Mikroorganismen [55, 56], erhöhter Exposition gegenüber breit wirksamen Antibiotika [8], intensive direkte und indirekte soziale Kontakte zwischen den Patienten (Familien) sowie zwischen den Patienten (Familien) und dem Behandlungsteam.

Die am besten charakterisierten Risikofaktoren für Infektionen bei Immunschwäche sind

  • das Ausmaß und

  • die Dauer der Granulozytopenie (nach angelsächsischem Sprachgebrauch „Neutropenie“) [57].

Patienten mit einer Granulozytopenie [Granulozytenzahl unter 0,5×10 9 /l (weniger als 500 Granulozyten pro µl)]Footnote 2 haben ein signifikant erhöhtes Risiko, an Infektionen durch Bakterien oder Pilze zu erkranken.

Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion korreliert zudem mit der Dauer der Granulozytopenie . Dies gilt analog für granulozytopenische Patienten mit schweren Formen einer angeborenen Granulozytopenie, einer aplastischen Anämie [58] oder einem myelodysplastischen Syndrom [59, 60, 61, 62].

Während bei einer Granulozytopeniedauer von bis zu 5 Tagen ohne andere potenzierende Faktoren nur ein gering erhöhtes Risiko bestehtFootnote 3, gelten Patienten mit einer Granulozytopeniedauer von 6–10 Tagen als gefährdet (Risiko für eine Infektion 30% aller Patienten bei Leukozyten <1×109/l und 50% bei Granulozyten <0,1×109/l).

Patienten mit einer Granulozytopeniedauer über 10 Tage sind Hochrisikopatienten (Risiko bakterieller Infektionen 70%) [6, 7, 63, 64]. Die zuletzt genannte Gruppe weist außerdem ein signifikant erhöhtes Risiko für invasive Pilzinfektionen auf (zum Beispiel Candida spp., Aspergillus spp.) [16, 19, 20, 21, 22, 65, 66, 67, 68].

Jedoch wird eine schematische Orientierung an der Granulozytenzahl und der zu erwartenden Dauer der Granulozytopenie der Komplexität der Abwehrschwäche bei onkologischen Patienten nicht gerecht [69]. Unter einer intensiven Therapie kommt es zusätzlich zu einer Störung unspezifischer Schutzfunktionen (Haut- und Schleimhautbarriere, mukoziliäre Clearance, gastrointestinale Motilität, Wundheilungsstörung) und anderer Elemente des zellulären und humoralen Immunsystems. B- und T-Lymphozyten sind nicht in ausreichender Zahl vorhanden [21] und zusätzlich in ihrer Funktion eingeschränkt [70] (zum Beispiel eingeschränkte oder nicht vorhandene Produktion spezifischer Antikörper, Verlust der Impfimmunität, Störung der Abwehr viraler Infektionen und von Infektionen durch intrazelluläre Erreger).

Dies betrifft bei anhaltendem Immundefekt auch die Eindämmung und Kontrolle latent persistierender Infektionen (zum Beispiel HSV, CMV, VZV, Tuberkulose, Hepatitis B oder C) und erhöht das Risiko spezieller opportunistischer Infektionen (Pneumocystis jirovecii, Cryptococcus neoformans, Cryptosporidien, Toxoplasmose, nicht-tuberkulöse Mykobakterien (NTM), Listeria monocytogenes).

Die Therapie mit Glukokortikoiden über der Cushingschwelle (beim Erwachsenen >20 mg Prednisolon-Äquivalent/Tag, bei Kindern mehr als 0,2 mg/kg/Tag über mehr als 14 Tage) ist ein wichtiger zusätzlicher Risikofaktor.

Patienten nach einer intensiven Chemotherapie oder nach Behandlung mit speziellen monokolonalen Antikörpern zeigen im Verlauf häufig eine über Wochen bis Monate anhaltende Lymphopenie (Mangel an spezifischen B- und T-Zellen). Besonders gravierend ist die Lymphopenie nach Stammzelltransplantation und bei Patienten, die aufgrund einer „Graft-versus-Host-Erkrankung“ mit Medikamenten behandelt werden müssen, die das Immunsystem unterdrücken (Immunsuppressiva).

Patienten nach Splenektomie oder mit funktioneller Asplenie sind vor allem durch septische Infektionen gefährdet, die von bekapselten Bakterien ausgehen (Overwhelming-Post-Splenectomia-Sepsis-Syndrom) [71, 72, 73, 74].

Bestimmte therapeutische Interventionen sind erfahrungsgemäß mit einem spezifischen Risiko infektiöser Komplikationen assoziiert [75], die durch ein entsprechendes Monitoring im Verlauf und gegebenenfalls durch eine antimikrobielle Prophylaxe verhindert oder frühzeitig erkannt werden können [76]. Eine Auswahl hierzu zeigt Tab. 1.

Tab. 1 Zusammenhänge zwischen bestimmten immunsuppressiven/antineoplastischen Medikamenten und einer Auswahl an infektiösen Komplikationen

Auch die Reaktivierung latenter Infektionen bei Patienten mit hochgradiger Immunschwäche kann aus krankenhaushygienischer Perspektive relevant sein und ein erhöhtes Infektionsrisiko für Mitpatienten und medizinisches Personal nach sich ziehen.

Zum Beispiel zeigen Patienten mit Reaktivierung einer Hepatitis B [77, 78, 79, 80, 81, 82, 83] oder einer Hepatitis C [84] unter einer immunsuppressiven Therapie oft eine hohe Viruslast (hohe Kontagiosität) ohne wegweisende klinische und laborchemische Infektionszeichen [85, 86, 87, 88]. Bei therapiebedingtem hochgradigem Mangel an spezifischen T-Zellen kann eine latente Tuberkulose reaktiviert werden. Auch die endogene Reaktivierung einer Varicella-zoster-Infektion, die sich klinisch als Herpes zoster manifestiert, wird häufiger beobachtet, wenn die T-Zell-Funktion und die humorale Immunität (Antikörper gegen VZV im Serum) nachhaltig beeinträchtigt sind.

Patienten mit gravierender Immunschwäche haben ein erhöhtes Risiko von Haut- und Weichteilinfektionen. Dies gilt sowohl für Patienten mit Granulozytopenie als auch für Patienten mit einem Mangel an TCD4-Helferzellen oder einem Antikörpermangel sowie insbesondere für die häufig vorkommenden Kombinationen solcher Formen der Immunsuppression.

Neben der höheren Inzidenz postoperativer Wundheilungsstörungen und Wundinfektionen (zum Beispiel unter hoch dosiertem Methotrexat oder nach Strahlentherapie) ist auch mit einem gegenüber nicht-immunsupprimierten Patienten deutlich unterschiedlichen Spektrum von Infektionserregern zu rechnen.

2.2 Erregerspektrum

In Tab. 2 findet sich eine Zusammenstellung häufiger Infektionserreger im Kontext bestimmter Aspekte der Immundefizienz.

Tab. 2 Erregerspektrum invasiver Infektionen bei Immunschwäche

Bei immunsupprimierten Patienten wird ein erheblicher Anteil der Blutstrominfektionen (meist assoziiert mit zentralen Venenkathetern) durch Koagulase-negative Staphylokokken verursacht [89, 90, 91], die aufgrund einer Biofilmbildung im Katheterlumen letztendlich eine operative Entfernung des Katheters erforderlich machen können. Daher haben Infektionen durch diese Erreger einen höheren klinischen Stellenwert als in anderen Patientenpopulationen.

2.3 Risikogruppen immunsupprimierter Patienten

Diese Empfehlung definiert nach dem Schweregrad der Immunsuppression exemplarisch drei Risikogruppen, in denen Patienten mit ähnlich gravierender Immunschwäche zusammengefasst werden. Zu beachten ist, dass es sich hier um ein dynamisches Konzept handelt, weil die spezifische Situation des Patienten sich im Laufe der Behandlung ändert, sodass ggf. die jeweilige Risikogruppe angepasst werden muss (Beispiel: Induktionstherapie versus Konsolidierungstherapie mit oder ohne Radiotherapie versus autologe Transplantation versus allogene Transplantation).

Da es häufig (aus Erfahrung) möglich ist, die wahrscheinliche Dauer der Granulozytopenie bei bestimmten Grunderkrankungen und therapeutischen Interventionen anzugeben, werden die Patienten von den behandelnden Ärzten vorausschauend der jeweiligen Risikogruppe zugewiesen.

Bei allogen transplantierten Patienten ist insbesondere der Schweregrad der „Graft-versus-Host-Erkrankung“ entscheidend für die Intensität der immunsuppressiven Behandlung und die Zuordnung in die jeweilige Risikogruppe. Patienten mit hochgradiger GVHD der Haut oder des Gastrointestinaltraktes haben ein besonders hohes Risiko für schwere exogene Infektionen (multiple Eintrittspforten, gestörte unspezifische Barrieren plus Immunsuppression; hoher Selektionsdruck auf resistente Erreger durch Antibiotikaprophylaxe und -therapie) (Tab. 3).

Tab. 3 Risikogruppen

2.4 Gefäßkatheter als Infektionsrisiko

Der Einsatz von bestimmten invasiven Medizinprodukten, erhöht das Infektionsrisiko.

Dies gilt insbesondere für

  • zentrale Venenkatheter [49, 50, 92], in der Onkologie meist dauerhaft implantierte Katheter vom Typ Hickman, Broviac, Port [32, 49, 92, 93, 94, 95] und

  • periphervenöse Zugänge [32, 96].

Zur Definition des Gefäßkatheters als Infektionsquelle sind spezielle diagnostische Methoden erforderlich [46, 49, 51, 92, 94, 97, 98, 99, 100, 101]. Auch kontaminierte Parenteralia [102, 103, 104], vor allem lipidhaltige Mischinfusionen zur parenteralen Ernährung [105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113] sind wichtige potenzielle Medien der nosokomialen Infektionsübertragung.

2.5 Hinweise auf Erregerreservoire aufgrund von Ausbruchsanalysen

Ausbrüche sind Infektionen bei zwei oder mehr Patienten durch identische Erreger, die meist in engem zeitlichem und räumlichem Zusammenhang auftreten und die in etwa der Hälfte der Fälle auf einen Indexpatienten, eine externe Quelle oder einen gemeinsamen Übertragungsweg zurückgeführt werden können (§ 6 Abs. 3 IfSG) [114].

Systematische Analysen von publizierten Ausbrüchen ermöglicht die „outbreak-database“ [115]. Eine gezielte Abfrage dieser Datenbank zu Ausbrüchen bei Patienten mit Immunschwäche führte 2006 zu 214 Einzelpublikationen. Die häufigsten Infektionen in absteigender Häufigkeit waren Blutstrominfektionen [116], Pneumonien, gastrointestinale Infektionen inklusive Hepatitis, postoperative Wundinfektionen und Harnweginfektionen. Die im Zusammenhang mit nosokomialen Ausbrüchen dokumentierten häufigsten Infektionserreger waren Vancomycin-resistente Enterokokken (meist E. faecium), Aspergillus fumigatus, P. aeruginosa, Legionella pneumophila, Hepatitis-C-Virus, S. aureus (meist MRSA; wahrscheinlich ein Publikationsbias, das heißt der Anteil von MRSA unter den S. aureus-Ausbrüchen ist zu hoch, da mehr MRSA-Ausbrüche publiziert wurden), Hepatitis-B-Virus und Clostridium difficile. In der Mehrzahl der Fälle konnte eine gemeinsame Quelle des Ausbruchs in absteigender Häufigkeit identifiziert werden:

  • die unbelebte Umgebung,

  • Indexpatienten,

  • kontaminierte Medikamente,

  • besiedeltes Personal,

  • Devices und Pflegeutensilien und

  • Lebensmittel.

In Kenntnis der Ökologie des Erregers können schon bei Verdacht auf einen Ausbruch Rückschlüsse auf mögliche Reservoire und Übertragungswege gezogen werden. Ausgewählte Beispiele hierzu sind:

  • Kontaktinfektionen (belebte und unbelebte Umgebung), zum Beispiel VRE, MRSA, ESBL-bildende Enterobacteriaceae, Norovirus, Rotavirus, EHEC, Clostridium difficile,

  • Tröpfcheninfektionen (respiratorische Viren wie das Respiratory Syncytial Virus und viele andere),

  • aerogene Infektionen zum Beispiel durch Aspergillus fumigatus, VZV, Masern, M. tuberculosis,

  • Wasser-assoziierte Infektionen (auch Inhalationszubehör), zum Beispiel P. aeruginosa oder andere Nonfermenter, Legionella pneumophila (Trinkwasserinstallationen, Rückkühlwerke),

  • Blut-übertragene Infektionen, zum Beispiel HBV, HCV,

  • kontaminierte Medikamente, zum Beispiel Ralstonia pickettii (wurde wiederholt im Zusammenhang mit der Heparinspülung zentraler Venenkatheter genannt),

  • kontaminierte Lebensmittel, zum Beispiel S. aureus, Salmonella enteritidis, Campylobacter jejuni, Yersinia enterocolitica.

2.6 Der Patient als Infektionsreservoir

Die Immunschwäche und verschiedene therapeutische Interventionen begünstigen die Besiedlung mit fakultativ pathogenen Mikroorganismen. Besonders charakteristisch ist, dass die Ausscheidungsdauer wichtiger übertragbarer Infektionserreger bei immunsupprimierten Patienten gegenüber immunkompetenten Patienten deutlich verlängert ist (zum Beispiel VRE, RSV, Norovirus, Rotavirus) [117, 118, 119, 120, 121].

Dies erfordert neben der konsequenten Anwendung von Standardhygienemaßnahmen einen erheblichen Mehraufwand bei der Erreger-spezifischen Isolierung und Kohortierung auf Stationen, die hochgradig immunsupprimierte Patienten betreuen.

Die interdisziplinäre Erkennung und Behandlung von vorbestehenden Infektionsherden vor Einleitung der immunsuppressiven Therapie ist eine wichtige Maßnahme zur Reduktion des Risikos schwer verlaufender Infektionen. Zur Fokussuche gehört zum Beispiel die Untersuchung von:

  • Mund-Nasen-Rachen-Raum [122] (Gingivitis, orale Candidiasis, Parodontitis und andere Mundschleimhauterkrankungen),

  • Zahnstatus [122, 123, 124] einschließlich Röntgenbefund (Karies, teilretinierte Zähne, apikale Parodontitiden),

  • Prothesen (Druckstellen, orale Candidiasis),

  • Sinus (Aspergillusherde, Sinusitis) [125],

  • Inspektion der Haut (Hautläsionen, Furunkel, Karbunkel, Paronychie).

Vor Organ- oder Stammzelltransplantation ist ein erweitertes Spektrum an Untersuchungen empfehlenswert, das in den jeweiligen Therapieprotokollen vorgegeben wird [126]. Die Entscheidung über die Notwendigkeit einer Fokussanierung darf jedoch nicht ohne Rücksprache mit den behandelnden Onkologen gefällt werden, da das individuelle Risiko invasiver Interventionen nur von diesen umfassend beurteilt werden kann.

2.7 Besucher

Besonders für Kinder und Jugendliche und für langfristig protektiv isolierte Patienten sind Besuche von erheblicher emotionaler Bedeutung. Durch Kontakte zu Besuchern besteht jedoch für Patienten mit Immunschwäche prinzipiell die Möglichkeit der Übertragung kontagiöser Infektionskrankheiten (zum Beispiel Varizellen, Masern, Keratokonjunktivitis durch Adenoviren). Dies ist jedoch auch beim Kontakt zum Behandlungsteam (Ärzte, Schwestern, Physiotherapeuten und so weiter) der Fall.

Besondere Berücksichtigung erfordert in diesem Kontext neben zahlreichen anderen viralen Erregern von Atemwegsinfektionen das Respiratory Syncytial Virus (RSV) [127], das bei hochgradig immunsupprimierten Patienten schwere Infektionen der tiefen Atemwege bis zum ARDS auslösen kann [128, 129]. Typischerweise geht ein nosokomialer Ausbruch mit RSV auf einer Transplantationseinheit von infizierten Familienmitgliedern oder Mitarbeitern aus. Die Letalität der RSV-Infektion beträgt bei Patienten in der akuten Phase einer allogenen Stammzelltransplantation bis 80% [128].

2.8 Medizinisches Personal (einschließlich Physiotherapeuten, MTAs)

Nach wie vor ist die Kreuzinfektion von Patienten durch kontaminierte Hände eine der wichtigsten Ursachen nosokomialer Infektionen [130] und hierbei gibt es ein erhebliches Potenzial zur Verbesserung der Compliance beim Behandlungsteam [131].

Barrieren bei der Umsetzung von Standardhygienemaßnahmen, die auch dem Schutz des Personals dienen, sind Überlastung, Unterbesetzung, schlechtes Design der Einrichtungen sowie zu komplizierte, nicht verständliche Präventionsstandards. Oft wird nicht genug Fachpersonal für Hygiene und Infektionsverhütung beschäftigt [131, 132].

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die selbst Symptome einer möglicherweise ansteckenden akuten Erkrankung zeigen (Fieber, Atemwegsinfektion, Infektion der Haut, insbesondere im Bereich der Hände, unklares Exanthem, Diarrhö) oder bekanntermaßen mit multiresistenten Erregern besiedelt sind, können eine Infektionsquelle für die immunsupprimierten Patienten darstellen [121]. In diesem Zusammenhang ist die Übertragung von Bordetella pertussis [133], Salmonella spp. [134] und MRSA [135] durch besiedelte bzw. infizierte Mitarbeiter auf immunsupprimierte Patienten beschrieben worden.

2.9 Lebensmittel, keimarme Kost

Besonders kritisch sind in diesem Zusammenhang nicht ausreichend erhitztes Fleisch und Rohmilchprodukte sowie Lachs und andere geräucherte Fischsorten, weil sie mit klassischen Erregern von Lebensmittel-assoziierten Infektionen wie Salmonellen, Campylobacter, Shigellen, EHEC 0157, Yersinien, Lamblien, Cryptosporidien [136, 137, 138] oder mit opportunistischen Krankheitserregern (P. aeruginosa, Burkholderia cepacia, Listeria monocytogenes, Vancomycin-resistenten Enterokokken, Toxoplasma gondii) [139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147] und Fadenpilzen (Aspergillus spp. und andere) kontaminiert sein können.

Auch Gewürze [148, 149] und Teeblätter [150, 151] können mit Krankheitserregern behaftet sein. Bei einigen Lebensmitteln werden Edelpilze zur Herstellung genutzt (Kefir, Schimmelkäse, spezielle Wurstsorten). Deren Bedeutung als Auslöser Lebensmittel-assoziierter Infektionen ist jedoch bislang nicht bewiesen. Besonders als gesund angesehene „Bioprodukte“, wie zum Beispiel selbst gezogene Sprossen („Keimlinge“) oder ungeputztes rohes Gemüse sowie „Bio-Brot“ aus unbehandeltem Getreide, können in erheblichem Ausmaß mit Krankheitserregern kontaminiert sein.

Bei hochgradig immungeschwächten Patienten können die Grunderkrankung und deren Therapie gravierende Einschränkungen gastrointestinaler Abwehrmechanismen zur Folge haben. Theoretisch ist vorstellbar, dass fakultativ pathogene oder opportunistische Mikroorganismen, die über Lebensmittel in den Darm des Patienten gelangen, in Phasen der ausgeprägten Immunsuppression bei gestörter Kolonisationsresistenz (zum Beispiel durch den Einsatz von Antibiotika) zum Auslöser lokaler oder systemischer Infektionen werden [152, 153, 154, 155].

Durch die Vorschädigung der gastrointestinalen Schleimhäute und gestörte Abwehrmechanismen haben immunsupprimierte Patienten bei akuter Infektion mit Gastroenteritiserregern (zum Beispiel Norovirus, Rotavirus, Campylobacter spp.) ein höheres Risiko schwerwiegender Komplikationen (höhergradige Dehydratation, Elektrolyt- und Eiweißverluste, gastrointestinale Blutungen, sekundäre Sepsis) und scheiden den Erreger über einen längeren Zeitraum aus [136, 137, 156, 117, 118]. Infizierte Patienten können zum Indexpatienten eines nosokomialen Ausbruchs werden (zu den „Anforderungen an die Hygiene bei der Lebensmittelversorgung und ihre Qualität“ in Gesundheitseinrichtungen [157]).

Andererseits erfordert die bei einem Teil der Patienten vorliegende Mangelernährung mit Gewichtsverlust bei konsumierender Erkrankung, Störung des Appetits, Veränderung des Geschmacksempfindens, Schmerzen und Übelkeit, besondere Bemühungen zur Verbesserung der Ernährungssituation. Allzu restriktive Verhaltensregeln im Bereich der Nahrungsmittelauswahl und -zubereitung beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten erheblich und können zu einem anhaltenden Konflikt innerhalb von Familien führen. Patienten, die restriktive Diätvorschriften nicht einhalten, dies jedoch gegenüber dem Behandlungsteam verheimlichen, sind dem zusätzlichen Risiko ausgesetzt, dass die Quelle einer exogenen Infektion nicht rechtzeitig erkannt und beseitigt wird.

Die meisten Zentren verabreichen Patienten mit Leukozytenzahlen <1×109/l in infektionspräventiver Absicht spezielle Diäten [155]. In der Mehrzahl der Fälle wird den Patienten geraten, den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen auch zu Hause nachzukommen [158]. In verschiedenen Umfragen ergab sich eine erhebliche Variabilität der jeweiligen Empfehlungen, die wahrscheinlich auf dem Mangel an überzeugenden epidemiologischen oder klinischen Daten beruht [159, 160, 161, 162].

Dementsprechend kann es durchaus vorkommen, dass Ärzte, Schwestern oder Pfleger voneinander abweichende Empfehlungen ausgeben, was zu einer erheblichen Verunsicherung der Patienten und ihrer Familien führen kann.

Vergleichende Studien aus den Anfängen der Transplantationsmedizin, in denen KMT-Patienten in sogenannten sterilen „Life Island Units“ (total protective environment) betreut wurden, lassen keinen Schluss auf den speziellen Nutzen restriktiver Diäten zu, weil die Diätvorschriften nur Teil eines komplexen Regimes zur Verringerung der Exposition gegenüber Krankheitserregern waren und die Patienten alle eine selektive Darmdekontamination mit nicht-resorbierbaren Antibiotika erhielten [163].

Neben einer sterilen (meist autoklavierten) Kost [2, 164], deren Einsatz wegen des schlechten Geschmacks an schlechter Patientencompliance scheitert, gibt es weitere modifizierte Diäten für Patienten unter einer intensiven Chemotherapie [163], zum Beispiel die „Low bacterial (low microbial) diet“ mit Nachweis von <500 CFU von Bacillus spp. pro g beziehungsweise pro cm3 [164].

2.10 Wasser

2.10.1 Wasser für den menschlichen Gebrauch

Wasser für den menschlichen Gebrauch kann grundsätzlich über

  • den Ingestionsweg (Trinken),

  • den Inhalationsweg (Einatmen),

  • den direkten beziehungsweise indirekten Kontakt (zum Beispiel bei Waschen oder Betrieb medizinisch-technischer Geräte) zur Übertragung von Krankheitserregern führen.

Wasser für den menschlichen Gebrauch (hier vor allem: Trinkwasser) ist nicht keimfrei. Die nach der Trinkwasserverordnung vorgeschriebenen Untersuchungen zeigen mit den Indikatoren E. coli, coliformen Bakterien und Enterokokken nur das mögliche Vorkommen eines eingeschränkten Spektrums von Krankheitserregern an, die zum Beispiel über Fäkalien in das Wasser gelangen können. Fakultativ-pathogene Krankheitserreger, die zu NI bei Immunsupprimierten geführt haben und im Trinkwasser nachgewiesen wurden [141, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 171, 172], wie Legionellen [173, 174, 175, 176], Pseudomonaden und andere nicht fermentierende Bakterien [177, 178, 179, 180], nicht-tuberkulöse Mykobakterien (NTM) [181, 182, 183] sowie Protozoen [184], werden durch diese Indikatoren nicht erfasst.

Die Trinkwasserverordnung ist auf den Schutz der gesunden Allgemeinbevölkerung ausgerichtet und nicht auf einen ausreichenden Schutz hochgradig immungeschwächter Patienten. Die Bedeutung von Wasser als Quelle von invasiven Pilzinfektionen (zum Beispiel invasive Aspergillosen) wird kontrovers diskutiert [184, 185, 187, 188, 189, 190]; diesbezüglich kann zurzeit noch keine Empfehlung abgeleitet werden.

Gut dokumentiert sind nosokomiale wasserassoziierte P. aeruginosa-, Legionella spp.-, Enterobacter cloacae-, Acinetobacter spp.-, Serratia marcescens-, Burkholderia spp.- und Stenotrophomonas spp.-Ausbrüche [179, 191, 192, 193, 194, 195, 196, 197]. Durch Einbeziehung vergleichender Untersuchungen von klinischen Isolaten von P. aeruginosa und von Wasserproben konnte die Bedeutung der Infektionsquelle Wasser eindeutig abgeklärt werden [198, 199, 200]. In bestimmten Einrichtungen mit kontaminierten Wasserinstallationssystemen können demnach bis zu 40% der auf Intensivstationen auftretenden P. aeruginosa-Infektionen wasserassoziiert sein [201].

Immunsupprimierte Patienten können auf verschiedene Weise gegenüber Wasser-assoziierten Krankheitserregern exponiert sein:

  • Trinken, Mundpflege, Mundspülung bei Mukositis,

  • Zahnarztbesuch,

  • Aspiration bei Schluckstörung,

  • Einatmen kontaminierter Aerosole (zum Beispiel Legionellen),

  • Körperwäsche, Baden, Reinigen von Kathetereintrittsstellen (zum Beispiel P.  aeruginosa).

Das eigentliche Infektionsreservoir für die genannten fakultativ pathogenen Mikroorganismen befindet sich in der Regel nicht im öffentlichen Wasserversorgungsnetz, sondern in der komplexen Trinkwasserinstallation von Gebäuden. Selten kommt es jedoch unter bestimmten ungünstigen Umständen vor, dass über das öffentliche Versorgungsnetz fakultativ pathogene Krankheitserreger (zum Beispiel Pseudomonas spp., Enterobacter spp., Cryptosporidien) in die Trinkwasserinstallation von Gebäuden eingeschwemmt werden.

Eine starke Vermehrung der genannten fakultativ-pathogenen Erreger findet zum Beispiel statt bei:

  • Stagnation in der Trinkwasserinstallation oder in Entnahmestellen bei längerer Nichtbenutzung oder im Rahmen von Umbau- und Renovierungsmaßnahmen,

  • zu niedriger Temperatur des zentralen Warmwasserspeichers,

  • Biofilmbildung in Kunststoffleitungen, Kunststoffverbindungsstücken oder Perlatoren.

Bei der Identifizierung der Herkunft beziehungsweise des Infektionsreservoirs in der Trinkwasserinstallation von Gebäuden wird zwischen einer systemischen Kontamination der Trinkwasserinstallation, einer teilzentralen Kontamination der Trinkwasserinstallation und einer Kontamination der Entnahmestelle (zum Beispiel Duschkopf, Strahlregler) unterschieden.

Die Kenntnis der zentralen Kontamination der Trinkwasserinstallation erhöht die Aufmerksamkeit der behandelnden Ärzte, wodurch die Diagnostik verbessert und damit die Detektionsraten von Legionellosen erhöht wurden [202, 203].

Mittelbar Wasser-assoziierte Infektionen können auftreten, wenn über das Wasser Medikamentenlösungen (zum Beispiel Saftzubereitungen), Antiseptika, Desinfektionsmittel, medizinisch-technische Geräte oder Reinigungsutensilien kontaminiert werden, was zu einer Weiterübertragung von Mikroorganismen auf den Patienten führen kann.

Eine Aussage, ab welcher Konzentration die genannten Erreger für immunsupprimierte Patienten krankheitsrelevant sind, ist nicht möglich. Daher muss durch gezielte Präventionsmaßnahmen einschließlich der Überprüfung des Trinkwasserinstallationssystems, die Wahrscheinlichkeit der Übertragung Wasser-assoziierter Krankheitserreger auf den hochgradig immunsupprimierten Patienten gesenkt und der Gebrauch von Wasser ungesicherter mikrobiologischer Qualität vermieden werden.

Immunsupprimierte Patienten sind durch aus der öffentlichen Wasserversorgung eingeschwemmte weitere Krankheitserreger wie Parasiten (zum Beispiel Cryptosporidien), Viren (zum Beispiel Noroviren) stärker gefährdet als die gesunde Normalbevölkerung. Bei einem Trinkwasser-assoziierten Cryptosporidien-Ausbruch in Milwaukee, Wisconsin (1993), wurden 1% aller betroffenen Patienten (zirka 4400 von 400.000) hospitalisiert. Unter diesen machten mit 52% Menschen mit Immunsuppression (exklusive der Patienten mit AIDS) den größten Anteil aus (mittlere Kosten des stationären Aufenthaltes U.S. $ 5520, mittlere Liegedauer 7 Tage).

Parallel kam es zu einer dramatischen Zunahme der Todesfälle, bei denen die Cryptosporidien-Infektion unter den Todesursachen zumindest als signifikanter Kofaktor mit aufgeführt wurde. Die Mehrzahl der verstorbenen Patienten waren Patienten mit HIV-Infektion im Stadium AIDS [204, 205].

Vor diesem Hintergrund erscheint es angemessen, zukünftig mehr auf die Art der Trinkwasserversorgung immunsupprimierter Patienten zu achten.

Bei Wasser-assoziierten P. aeruginosa-Ausbrüchen auf Intensivstationen beziehungsweise auf hämatologisch-onkologischen Stationen mit kontaminierten Wasserinstallationen konnte durch endständige Sterilwasserfilter eine Beendigung des Ausbruches bzw. ein deutlicher Rückgang der Infektionen erzielt werden [206, 207], die auch andere wasserassoziierte Erreger sicher zurückhalten können. Experimentelle Untersuchungen bestätigen die Effizienz von endständigen Filtern, wenn sie sachgerecht eingesetzt werden [208, 209, 210].

2.10.2 Wasser zum Trinken anderer Herkunft als Leitungswasser

Hierunter wird natürliches Mineralwasser, Quellwasser und Tafelwasser sowie sonstiges in zur Abgabe an den Verbraucher bestimmte Fertigpackungen abgefülltes Trinkwasser verstanden. Hierunter fällt auch Wasser aus sogenannten „Trinkbrunnen“, das heißt technischen Anlagen, die an das Kaltwassernetz der Trinkwasser-Hausinstallation angeschlossen werden und das Wasser durch Kühlung und Karbonisierung in seinen geschmacklichen Eigenschaften verfeinern, um es Patienten alternativ als Getränk zum Beispiel unter den Bezeichnungen „Wasser ohne Zusatz von Kohlensäure“ und „Wasser mit Zusatz von Kohlensäure“ anbieten zu können (siehe auch: Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene: Empfehlung zur Errichtung und Betrieb von Trinkbrunnen zum Anschluss an die Trinkwasserinstallation in Krankenhäusern, Reha-Kliniken, Altenpflegeheimen und vergleichbaren Einrichtungen) [208, 211].

Mineral- und Tafelwasser ebenso wie Wasser aus Trinkbrunnen werden nur auf ein begrenztes Spektrum von Mikroorganismen untersucht, ohne dass hierdurch zum Beispiel Campylobacter spp., Viren oder Parasiten erfasst sind. Unter bestimmten Umständen kann die bakteriologische Qualität von abgefülltem Mineralwasser beeinträchtigt sein, wie unter anderem Untersuchungen zu sogenannten nicht-tuberkulösen Mykobakterien zeigen [212, 213].

Untersuchungen von Trinkbrunnen in Krankenhäusern ergaben im Vergleich mit Mineralwasser statistisch signifikant häufiger den Nachweis von P.  aeruginosa, Fäkalstreptokokken sowie Pilzen. Darüber hinaus ließen sich sowohl im Mineralwasser wie auch in Wässern von Trinkbrunnen in Krankenhäusern Legionellen nachweisen [208].

Campylobacter jejuni kann sich insbesondere bei niedrigen Temperaturen über mehrere Tage in abgepacktem natürlichem Mineralwasser halten [192]. Von Evans et al. [191] wurden epidemiologische Hinweise dafür gefunden, dass das Trinken von abgepacktem Wasser einen Risikofaktor für Campylobacter-Infektionen darstellt.

Eckmanns et al. [214] beschrieben einen nosokomialen P. aeruginosa-Ausbruch, der durch kontaminiertes abgepacktes „Stilles Wasser“ ausgelöst wurde. Dieses Wasser wurde zur Mundpflege verwendet.

Vor diesem Hintergrund ist die Frage keineswegs belanglos, welches Wasser hochgradig immunsupprimierten Patienten im Krankenhaus zum Trinken und zur Körperpflege zur Verfügung gestellt wird. Hier ergeben sich zusätzlich Aufgaben für das mikrobiologische Monitoring und die Notwendigkeit einer gezielten Prävention Wasser-assoziierter Infektionen in Hochrisikoeinheiten (siehe Kapitel 3).

2.11 Luft

Die invasive Aspergillose stellt eine der häufigsten und gravierendsten luftübertragenen Infektionen bei Patienten mit ausgeprägter Immunschwäche dar. Invasive Aspergillosen der Anastomosenregion zwischen Trachea und Transplantat sind eine bekannte Komplikation nach Lungen- und Herz-Lungen-Transplantationen [215]. Aspergillus spp. können in Form von Konidien durch raumlufttechnische Anlagen ohne ausreichende Luftfilterung in die tiefen Atemwege gelangen und über die Alveolen oder auch direkt über den Tracheobronchialbaum in die Blutgefäße eindringen [216, 217].

Außer dem aerogenen Übertragungsweg liegen Berichte über andere Übertragungswege vor, zum Beispiel Kontaktübertragung über die Kleidung bei Verbrennungspatienten, traumatische Inokulation und Inhalation von Aerosolen beim Duschen [188, 189]. Es erfolgt keine Übertragung von Mensch zu Mensch [216].

Es besteht weitgehender Konsens, dass invasive Aspergillosen bei prädisponierten Patienten zu einem bedeutenden Anteil exogenen Ursprungs sind. Gut belegt ist das gehäufte Auftreten nosokomialer Aspergillus-Infektionen im Zusammenhang mit

  • Abriss-, Bau- und Renovierungsarbeiten in Krankenhäusern und ihrer Umgebung [218, 219, 220, 221, 222] (cave: Abhängen von Zwischendecken),

  • durch das Aufwirbeln von verrottendem Laub (zum Beispiel Hubschrauberlandeplatz, Motorengebläse bei Reinigungs-, Garten- und Landschaftsarbeiten) in der Stationsumgebung [223],

  • durch vor dem Ausbruch noch nicht identifizierte Reservoire in der Abteilung [224],

  • durch Klimaanlagen ohne adäquate Luftfilterung [216].

Auch eine nur kurz andauernde Exposition gegenüber hohen Konzentrationen von Aspergillus-Sporen in der Atemluft kann bei hochgradig immungeschwächten Patienten eine invasive Aspergillose nach sich ziehen [225, 226]. Ausbruchsanalysen zeigen, dass es nicht möglich ist, einen ungefährlichen Grenzwert (zum Beispiel <10 KBE/m3) anzugeben [227].

Die invasive Aspergillose (IA) ist (wie auch andere invasive Pilzinfektionen) für den Patienten ein akut lebensbedrohliches Ereignis. Nach einer 2001 publizierten Übersicht lag die Gesamtletalität der IA bei 58%; sie erreichte 87% bei akut allogen stammzelltransplantierten Patienten und 88% bei Befall des zentralen Nervensystems [228]. Trotz Einsatz des liquorgängigen Antimykotikums Voriconazol, in 38% kombiniert mit neurochirurgischen Maßnahmen, betrug die Letalität nach einer retrospektiven Analyse von 81 Patienten mit ZNS-Aspergillose immer noch 69% [229].

Ein Fünftel aller infektionsbedingten Todesfälle bei Kindern mit akuter lymphatischer Leukämie gingen auf das Konto invasiver Pilzinfektionen [15]; pädiatrisch onkologische Patienten mit akuter myeloischer Leukämie gelten als Hochrisikogruppe [16]. 10% aller NI in der prospektiven „Onkopaed Studie“ waren gesicherte oder wahrscheinliche invasive Aspergillosen; die Letalität betrug insgesamt 19% [119, 230]. Besonders anfällig für die Entwicklung einer invasiven Aspergillose sind Patienten in der Induktionstherapie bei akuten Leukämien oder bei myelodysplastischem Syndrom [231] und Patienten nach allogener Stammzelltransplantation [232, 233, 234].

Entscheidender Beweggrund für eine spezielle raumlufttechnische Ausstattung von stationären Behandlungseinheiten für Patienten mit hochgradiger Immunsuppression ist somit das Risiko von nosokomial aerogen erworbenen invasiven Pilzinfektionen [174, 235, 236, 237, 238, 239, 240, 241].

Nach Möglichkeit werden Patienten der Risikogruppe 3 mit dem höchsten Risiko für invasive Fadenpilzinfektionen auch jetzt schon in Behandlungseinheiten mit besonderer Klimatechnik untergebracht, in denen die Konzentration von Aspergillus-Sporen (gemessen mit einem geeigneten Gerät, zum Beispiel einem Anderson Sampler, mindestens 1000 Liter [227]) unter 1 KBU pro m3 Luft beträgt [13, 234, 242, 243]. Dies gilt auch außerhalb von Ausbruchsituationen [244].

Es gilt als gesichert, dass die konsequente Unterbringung in Einheiten mit hocheffektiver (HEPA-)Luftfilterung gegenüber einer Behandlung auf normalen Pflegestationen die Inzidenz invasiver Aspergillosen reduziert [174, 220, 221, 245, 246, 247]. Die Kosten für die Ausstattung stationärer Einrichtungen mit solchen Anlagen und für deren Instanderhaltung führen dazu, dass ihre Notwendigkeit immer wieder angezweifelt wird. Dabei wird betont, dass es hierzu bislang keine aussagekräftigen prospektiv randomisierten, doppelblinden Studien gibt, sondern lediglich Fall-Kontroll-Studien und Interventionsstudien bei Ausbrüchen [232, 233, 234, 248, 249].

Doppelblinde prospektiv randomisierte Studien zu dieser Frage sind ethisch nicht vertretbar, weil in einer solchen Studie Patienten mit hohem Risiko für eine potenziell tödliche Infektion bewusst exponiert werden müssten.

Die verfügbare Evidenz reicht nach Auffassung der Kommission aus, Empfehlungen zur nichtmedikamentösen Prävention solcher Infektionen auszusprechen.

Zusätzliche Hinweise [250]

Zurzeit steht nur für einen kleinen Teil aller Patienten mit signifikant erhöhtem Risiko (Risikogruppe 2 und 3) eine protektive Isoliereinheit mit HEPA-filtrierter Luft zur Verfügung.

Die Atemwege der Patienten (und die Nasennebenhöhlen) können bei Aufnahme in den geschützten Bereich bereits Aspergillus-Sporen enthalten; dies gilt gerade auch für Patienten, die bereits eine invasive Aspergillose der Atemwege durchgemacht haben [251, 252].

Patienten, die ihre Isoliereinheit verlassen müssen (zum Beispiel zu diagnostischen Maßnahmen), benötigen einen effektiven Atemschutz außerhalb ihrer Isoliereinheiten [235, 253]. Der Nutzen von FFP2-Atemschutzmasken in diesem Kontext ist nicht bewiesen und überhaupt nur dann anzunehmen, wenn es sich um passgenau sitzende Masken handelt, die kontinuierlich getragen werden.

Die Frage „Wie können Patienten geschützt werden, die sich in ambulanter Behandlung befinden?“ ist derzeit nicht geklärt.

Aus diesen Überlegungen ergeben sich – neben der Notwendigkeit einer in Zukunft besseren Ausstattung von stationären Behandlungseinheiten für Hochrisikopatienten – Indikationen für eine medikamentöse Prophylaxe invasiver Schimmelpilzinfektionen, die nicht Gegenstand dieser Empfehlung sind.

2.12 Umgebungsflächen, Gegenstände des täglichen Lebens

Die Übertragung von Krankheitserregern erfolgt neben der oralen und inhalativen Aufnahme häufig durch direkten Kontakt mit kontaminierten Oberflächen. Die meisten Erreger nosokomialer Infektionen (Bakterien, Viren und Pilze) können in der unbelebten Umgebung des Patienten überdauern und außerhalb des menschlichen Organismus infektiös bleiben [254, 255, 256].

Vielerorts werden für protektiv isolierte Patienten Notebooks (Laptop-Computer) mit Internetverbindung vorgehalten, um die Lebensqualität während der Isolierung zu verbessern. Zum Teil bringen die Patienten ihre eigenen Notebooks mit ins Krankenhaus. Hier besteht die Möglichkeit der Übertragung von Infektionserregern über Handkontaktflächen, vor allem, wenn Notebooks konsekutiv von verschiedenen Patienten genutzt werden [257, 258, 259, 260, 261].

2.13 Sanitärbereich

Unter Einbeziehung von molekularen Typisierungsverfahren wurden Wasserhähne und Strahlrichter als Infektionsreservoire für P.  aeruginosa beschrieben [262]. Auch elektronisch gesteuerte berührungslose Wasserarmaturen sind als mögliche Quelle für P. aeruginosa und Legionellen beschrieben worden [263]. Überläufe und Abflüsse von Waschbecken sind Infektionsreservoire für eine Vielzahl von Enterobacteriaceae und anderen gramnegativen Mikroorganismen. Beschrieben werden Ausbrüche durch E.  cloacae, P. aeruginosa, A. baumannii und Serratia spp. [141, 166, 264]. Duschen beziehungsweise Duschköpfe sind in der Literatur mehrfach als Reservoire für Infektionserreger beschrieben worden [265, 266, 267, 268]. Beim Spülvorgang der Toilette können kontaminierte Aerosole entstehen, die zu einer Weiterverbreitung von Krankheitserregern führen, wenn der Toilettendeckel nicht geschlossen wurde [269, 270].

2.14 Tierkontakte

Haus- und Nutztiere können für Menschen in Belastungssituationen eine wichtige emotionale Stütze sein. Bei Patienten mit Immunschwäche ist abzuwägen, welche Risken durch Tierkontakte (natürlich außerhalb des Krankenhauses) entstehen können [41, 271]. Neben Biss- und Kratzverletzungen sind vom Tier auf den Menschen übertragbare Infektionen (Zoonosen; Auswahl in Tab. 4) ein zu beachtendes Risiko [272, 273].

Tab. 4 Infektionserreger, die bei Zoonosen isoliert werden

Ein besonders hohes Risiko geht dabei von Jungtieren aus, die selbst erst zahlreiche Infektionen durchmachen, ohne dabei immer Symptome einer Erkrankung zu zeigen. Sehr junge Tiere zeigen zudem oft noch kein gefestigtes Verhalten, sodass nicht nur höhere Infektionsraten, sondern auch ein höheres Kontaminationspotenzial für das häusliche Umfeld das Risiko der Übertragung steigert [274]. Zoonosen durch darmpathogene Erreger wie Salmonellen, Campylobacter spp. und Yersinien verursachen bei Immunsupprimierten deutlich häufiger Bakteriämien (bis zu 70%) und sekundäre septische Absiedlungen [275].

Weitere beschriebene Übertragungswege hängen mit der Versorgung von Haustieren zusammen. Risiken entstehen zum Beispiel durch Aerosolisierung von Erregern (Cryptococcus spp.) aus dem Kot beim Säubern von Käfigen [276, 277], beim Reinigen von Aquarien (Mycobacterium marinum) [273] und durch Zubereitung von Frischfutter (zum Beispiel Salmonellen, Campylobacter spp., Listerien, Schimmelpilze, Toxoplasmen) [273, 275, 278, 279, 280, 281, 282]. Empfehlungen zur Auswahl geeigneter Tiere können daher das Zoonoserisiko senken [274].

Von Tier zu Mensch übertragbare Infektionskrankheiten verursachen ein komplexes Spektrum von Erkrankungen [273], die bei immunsupprimierten Patienten auch atypisch verlaufen können [275]. Das Behandlungsteam muss daher wissen, ob der Patient in seinem häuslichen Umfeld regelmäßig Kontakt zu bestimmten Tieren hat, um die Patienten gezielt über geeignete Präventionsmaßnahmen aufklären zu können.

3 Prävention

3.1 Schulung der Patienten und ihrer Angehörigen

Patienten und Angehörige (sowie in begrenztem Umfang auch Besucher, siehe Hinweise zur Besucherregelung) müssen schon in den ersten Tagen nach der Diagnosestellung anhand konkreter Beispiele über Infektionsrisiken und über die erforderlichen Präventionsmaßnahmen informiert werden.

Die konkrete Durchführung der Händedesinfektion sowie die Pflege von Haut und Schleimhaut sind hier besonders hervorzuheben. Unterstützend sollten Merkblätter eingesetzt werden, die gegebenenfalls in die Muttersprache des Patienten übersetzt werden müssen.

Die Patienten müssen lernen, Fieber als ein Alarmsymptom zu interpretieren, das während der Phase der Granulozytopenie immer eine sofortige Vorstellung in der onkologischen Abteilung und eine antibakterielle Therapie erforderlich macht. Die Informationsvermittlung muss dem Lebensalter, den intellektuellen Möglichkeiten, dem Sprachverständnis und der Risikoperzeption des Patienten angepasst erfolgen. Widersprüchliche Aussagen innerhalb des Behandlungsteams müssen unbedingt vermieden werden.

Die frühestmöglich beginnende Schulung von Patienten, Angehörigen und Besuchern in Bezug auf die konsequente Umsetzung von Standardhygienemaßnahmen und die Vermeidung spezieller Expositionen wird empfohlen (Kat IB).

3.2 Anforderungen an die Besucherregelung (Kat IB)

Auf die besondere Bedeutung und die korrekte Durchführung der Händedesinfektion sind die Angehörigen und jeder Besucher so früh wie möglich hinzuweisen (auch: Ablegen von Schmuck und Uhren, die sich an Fingern, Händen und Unterarmen befinden).

Die schriftlich vom Behandlungsteam festgelegte Besucherregelung sollte erläutern, dass von bestimmten Erkrankungen, die sich zum Zeitpunkt des Besuches möglicherweise noch in Inkubation befinden, besondere Risiken für die Patienten ausgehen und wie wichtig der vollständige und gegebenenfalls geboosterte Impfschutz der Angehörigen (Kinder nach STIKO-Empfehlung) für den Patienten sein kann (Herdenimmunität) [133, 283, 284, 285, 286, 287, 288, 289].

Angehörige/Besucher mit Zeichen einer akuten Infektion (zum Beispiel Fieber, Diarrhö, Atemwegsinfektion mit Husten und Fließschnupfen, unklares Exanthem, Konjunktivitis) sollten von einem Besuch ausgeschlossen werden.

Je offener die Kommunikation zwischen Behandlungsteam und Angehörigen über diese Thematik ist, desto eher werden die Kontaktpersonen sich vorab erkundigen, ob ein Besuch vor dem Hintergrund einer möglichen Ansteckung angemessen ist oder nicht.

Bei Anzeichen einer Atemwegsinfektion im Sinne eines leichten Infekts der oberen Luftwege und bei Herpes labialis müssen Besucher zusätzlich zur sorgfältigen Händedesinfektion einen Mund-Nasen-Schutz (MNS) tragen [121]. Auch Kinder sollten ihrem Alter angemessen in die hygienische Händedesinfektion eingewiesen werden, die gegebenenfalls von den Angehörigen beziehungsweise vom Pflegepersonal beaufsichtigt wird.

Besucherkinder müssen sich in der Nähe der Eltern aufhalten und werden von den Eltern (nicht vom Pflegepersonal) beaufsichtigt. Ein orientierendes „klinisches Screening“ aller Kinder vor Betreten der Station wird vielerorts vereinbart.

Wenn die Eltern wirklich verstanden haben (bei sprachlichen Barrieren ist eine muttersprachliche Übersetzung unbedingt notwendig), wie sie sich verhalten müssen, und gelernt haben, das Behandlungsteam bei offenen Fragen vorab zu konsultieren, ist ein solches Screening außerhalb der Risikogruppe 3 nicht erforderlich.

  • Der Ausschluss von klinisch gesunden Besuchern jeden Lebensalters, bei denen es keine Hinweise auf eine kontagiöse Erkrankung in Inkubation gibt, ist aus Gründen der Infektionsprävention außerhalb der Risikogruppe 3 nicht gerechtfertigt und sollte unterbleiben, weil dieses Vorgehen zu einer zusätzlichen Einschränkung der Lebensqualität von Patienten mit Krebserkrankungen führt.

  • Alle Besucher sollten schon vor dem ersten Kontakt zum Patienten in die Händedesinfektion eingewiesen werden und sich vor jedem Kontakt zum Patienten die Hände desinfizieren (Kat  IA).

  • Die Angehörigen des Patienten sollten zusätzlich über spezielle Infektionsrisiken in einem Merkblatt aufgeklärt werden (Kat IB).

  • Für das Tragen von Besucherkitteln oder einer speziellen Bereichskleidung für Besucher außerhalb der Risikogruppe 3 gibt es derzeit keinen Beleg für einen infektionspräventiven Nutzen (Kat  III).

  • Besucher mit nicht-fieberhaften Infektionen der oberen Luftwege („Erkältung“) oder mit Herpes labialis müssen zusätzlich zur sorgfältigen Händedesinfektion einen Mund-Nasen-Schutz anlegen (Kat  II).

3.3 Immunprophylaxe

Die aktive Immunisierung immunsupprimierter Patienten ist Gegenstand einer eigenen Empfehlung der STIKO [290]. Sowohl beim Patienten selbst als auch bei den Angehörigen ist in Abhängigkeit vom Ausmaß der Immunsuppression auf eine vollständige Immunisierung nach den Empfehlungen der STIKO zu achten.

Besonders wichtig ist der vollständige Impfschutz nach STIKO-Empfehlung auch bei medizinischem Personal, das in engem Kontakt zu immunsupprimierten Patienten tätig ist.

3.4 Standardhygienemaßnahmen

Bei der Behandlung von hochgradig immunsupprimierten Patienten besteht die unbedingte Notwendigkeit, Standardhygienemaßnahmen (siehe Definition) konsequent umzusetzen. Dies gelingt nicht, wenn es in einer Abteilung zu viele unterschiedliche Vorgehensweisen gibt, die nach Gutdünken der gerade zuständigen Mitarbeiter zum Einsatz kommen. Daher sollte sich das Behandlungsteam in Absprache mit dem Hygienefachpersonal auf bestimmte, einheitliche Vorgehensweisen einigen, die für alle (auch für Ärzte, Oberärzte und Chefärzte, Konsiliarärzte, Physiotherapeuten und so weiter) verbindlich sind.

  • Das gesamte Behandlungsteam muss in Bezug auf die Inhalte der Empfehlungen der KRINKO zur Händehygiene [31] sorgfältig geschult sein und diese konsequent umsetzen (Kat  IA).

  • Die Einweisung neuer Mitarbeiter, der Patienten sowie der Angehörigen und Besucher in die Bedeutung und Praxis der Händehygiene wird empfohlen. Weiterhin wird die mindestens einmal jährlich stattfindende Schulung des gesamten Teams zur Händedesinfektion und die Überprüfung der Compliance empfohlen (Kat  IA).

  • Auf Stationen, auf denen immunsupprimierte Patienten behandelt werden, müssen in ausreichender Zahl patientennahe Spender zur Händedesinfektion mit Mitteln mit geeignetem Wirkungsspektrum verfügbar sein (Kat IB).

  • Geeignete Schutzkleidung (Schürzen, Kittel) soll ausschließlich patientenbezogen zur Eindämmung bestimmter übertragbarer Infektionserreger und generell bei der Pflege von Patienten mit Diarrhö oder großflächigen Wunden getragen werden (Kat IB).

  • Es ist nicht erforderlich, dass Personal oder Besucher beim Betreten der Station zusätzlich zur Händedesinfektion einen Schutzkittel anlegen (Kat IB).

  • Für Stationen, auf denen Patienten der Risikogruppe 2 und 3 behandelt werden, wird dem medizinischen Personal, das in die Behandlung und Pflege der Patienten unmittelbar involviert ist, das Tragen von Bereichskleidung empfohlen, die vom Arbeitgeber sachgerecht aufbereitet wird (Kat II).

  • Zusätzlich ist bei Patienten, die zur Risikogruppe 3 gehören und daher protektiv isoliert werden, der Einsatz keimarmer patientenbezogener Schutzkittel zu empfehlen (Kat II).

  • Es gibt derzeit keine Evidenz für den infektionspräventiven Nutzen eines MNS (Kat III) außer zur Prävention von Tröpfcheninfektionen (Kat IB).

  • Ein MNS wird (außerhalb der protektiven Isolierung in Risikogruppe 3) nur gezielt zur Prävention von Tröpfcheninfektionen eingesetzt (sowohl bei engem Kontakt zu kontagiösen Patienten als auch bei Mitarbeitern mit Infekten der oberen Luftwege oder Herpes labialis) (Kat IB).

  • Patienten aus Risikogruppe 2 und 3, die außerhalb der Station innerhalb des Krankenhauses oder im freien Klinikgelände Bereiche mit erhöhtem Risiko einer Aspergillus-Exposition passieren müssen, kann eine FFP2-Atemschutzmaske mit Ausatemventil angeboten werden; ein eindeutiger Vorteil ist jedoch nicht belegt [291] (Kat III).

  • Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die selbst an einer potenziell infektiösen akuten Erkrankung leiden (zum Beispiel Fieber, Atemwegsinfektion mit Fließschnupfen oder häufigem Husten, Infektion der Haut, insbesondere im Bereich der Hände, unklares Exanthem, Diarrhö) oder bekanntermaßen mit MRSA besiedelt sind, dürfen nicht in der Pflege von Patienten mit Immunschwäche eingesetzt werden (Kat IB).

3.5 Reinigung und Desinfektion

Hierzu wird auf die KRINKO-Empfehlung zu den „Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen“ verwiesen [38].

  • Die Umsetzung der Anforderung der oben angegebenen KRINKO-Empfehlung ist in der Praxis nur möglich, wenn der gesamte Ablauf (unabhängig vom Thema Krankenhauszertifizierung) einem strukturierten Qualitätsmanagement unterliegt, in dessen Entwicklung das Hygienefachpersonal und das Behandlungsteam eingebunden werden (Kat IB).

  • Um den besonders hohen Anforderungen dieser Abteilungen genügen zu können, muss vom Hygienefachpersonal geschultes Reinigungspersonal mit angemessener Stundenzahl zur Verfügung stehen, das spezielle Instruktionen des Behandlungsteams sowohl verstehen als auch umsetzen kann (Kat  IB).

3.6 Anteil und Ausstattung von Zimmern zur Isolierung

  • Aufgrund des insgesamt deutlich erhöhten Bedarfs an Isolierzimmern müssen auf einer Station, auf der Patienten der Risikogruppen 2 und 3 behandelt werden, mindestens 40% (besser 50%) der Zimmer zur Isolierung (als Einzelzimmer nutzbares Zimmer mit eigenem Bad und Toilette mit entsprechenden Händedesinfektionsspendern und einem ausreichend groß dimensionierten Eingangsbereich, in dem Kittel, Handschuhe und MNS angelegt und vor Verlassen des Zimmers entsorgt werden können) genutzt werden können [292] (Kat IB).

3.6.1 Protektive Isolierung

  • Granuolozytopenische Patienten der Risikogruppe 1 und 2 können bei sorgfältiger Beachtung der Standardhygienemaßnahmen in einem Zweibettzimmer mit eigenem Sanitärbereich untergebracht werden [293] (Kat II).

  • Da in der pädiatrischen Onkologie sehr häufig aus medizinischen Gründen Mütter oder Väter (allgemein: Begleitpersonen) mit aufgenommen werden müssen, sind die Krankenzimmer dort so zu dimensionieren, dass neben dem Bett des Patienten ein Klappbett aufgestellt werden kann, ohne dass die Pflege des Kindes (vor allem im Nachtdienst) hierdurch unverhältnismäßig erschwert wird oder zusätzliche Infektionsrisiken entstehen.

  • Patienten der Risikogruppe 3 müssen in einem als Einzelzimmer nutzbaren Zimmer mit eigenem Sanitärbereich isoliert werden (zu den Anforderungen an die Raumluft siehe Abschnitt 3.9) (Kat IB).

3.6.2 Isolierung bei Besiedlung oder Infektion mit kontagiösen Erregern

  • Patienten, die mit kontagiösen Infektionserregern infiziert sind oder diese asymptomatisch langfristig ausscheiden, werden in einem als Einzelzimmer nutzbaren Zimmer nach Barrierestandards isoliert, die sich aus dem Übertragungsweg des jeweiligen Erregers ergeben (Kat IB).

  • Es ist aus krankenhaushygienischer Sicht zulässig, Patienten der Risikogruppe 1 und 2, die eine Infektion durch den gleichen Erreger aufweisen, zu kohortieren. Hier ist jedoch in der Risikogruppe 2 eine Abwägung des Einzelfalls durch die behandelnden Onkologen erforderlich (Kat II).

  • In Abteilungen, die auf die Behandlung von Patienten mit Immunschwäche spezialisiert sind, sollte ein Zimmer verfügbar sein, das durch einen Schleusenbereich vom Rest der Station abgegrenzt ist und durch eine entsprechende raumlufttechnische Ausstattung (negativer Druck der Schleuse sowohl zum Patientenzimmer als auch zum Flur hin, Ableitung der Luft nach außen oder Filterung) die Isolierung von Patienten mit aerogen übertragbaren Infektionskrankheiten (zum Beispiel Varizellen, Masern, Tuberkulose) zulässt (Kat II).

Kein Patient darf aufgrund der Besiedlung oder Infektion mit einem kontagiösen Erreger eine qualitativ schlechtere medizinische Überwachung oder Behandlung erhalten. Dem Risiko einer reaktiven Depression oder eines Hospitalismus (vor allem bei Kindern) muss in diesem Kontext durch geeignete Maßnahmen begegnet werden, die außerhalb des Zuständigkeitsbereiches dieser Empfehlung in der Verantwortung des Behandlungsteams liegen.

3.7 Lebensmittel

Prinzipiell muss unterschieden werden zwischen

  • der Krankenhausküche, für die besondere Anforderungen (gesetzliche Regelungen und Kontrollen) nach dem HACCP-Konzept gelten. Die Versorgung mit Lebensmitteln aus der Krankenhausküche ist somit nicht Gegenstand dieser Empfehlung.

  • der Lagerung und Zubereitung von Lebensmitteln in einer Stationsküche mit Zugang für Patienten und Angehörige (pädiatrische Onkologie: „Elternküche“). Da die hier relevanten Empfehlungen auch für ambulante Behandlungsphasen zu Hause gelten, finden sich weitere detaillierte Hinweise im Kapitel 5.

  • Wenn die Stationsküche (oder eine separate Küche im Stationsumfeld) auch von Patienten oder Angehörigen genutzt wird, muss hierfür vom Hygienefachpersonal und vom Behandlungsteam ein gemeinsames, hygieneorientiertes Organisationskonzept erstellt werden (Kat II).

  • Für die Lagerung und Verabreichung von Sondenkost (Magensonde, Jejunalsonde, perkutane endoskopische Gastrostomie) und Formulanahrung (Säuglinge) wird die Erstellung eines schriftlich fixierten Hygienestandards empfohlen (Kat IB).

  • Die Sicherheit von Probiotika bei immunsupprimierten Patienten wird kontrovers diskutiert (zum Beispiel wurden Bakteriämien durch Lactobacillus spp. oder Fungämien durch Saccharomyces spp. berichtet) [294, 295, 296, 297, 298, 299, 300, 301, 302, 303, 304, 305, 306, 307, 308]. Von der Verabreichung probiotischer Lebensmittel an immunsupprimierte Patienten wird abgeraten, solange keine ausreichenden Studien zur Sicherheit verfügbar sind (Kat  IB) (Tab. 5).

Tab. 5 Hinweise zur Vermeidung Nahrungsmittel-assoziierter Erkrankungen [152] (für die Zubereitung von Nahrungsmitteln durch die Patienten beziehungsweise Begleitpersonen)

3.8 Baulich-funktionelle Maßnahmen zur Gewährleistung des protektiven Umfeldes

  • Stationen und Spezialambulanzen, in denen Patienten mit Immunschwäche behandelt werden, sollten keine Durchgangsstationen/-bereiche zu anderen Stationen oder Ambulanzen sein, sondern baulich-funktionell von diesen getrennt liegen (Kat IB).

  • Alle Oberflächen inklusive des Fußbodens müssen leicht zu reinigen und zu desinfizieren sein (Kat IB).

  • Polstermöbel, Teppichböden und Topfblumen sind als Einrichtung ungeeignet [309] (Kat IB).

  • Sanitärräume mit Waschbecken, Dusche und Toilette sollten in ausreichender Zahl vorhanden sein (in Risikogruppe 2 möglichst ein Sanitärraum für zwei Patienten, in Risikogruppe 3 ein Sanitärraum pro Patient) (Kat IB).

  • Waschbecken sollen so konstruiert sein, dass sie freihändig bedient werden können, der Wasserstrahl nicht in den Ablauf zielt und kein Überlauf vorhanden ist (Kat II).

  • Waschbecken sollten gegebenenfalls durch einen Spritzschutz so abgeschirmt werden, dass es nicht zu einer Kontamination der Umgebung durch Spritzwasser kommen kann (dies gilt insbesondere für Reinbereiche und Eingriffsräume) (Kat II).

  • Sanitärräume müssen ausreichend be- und entlüftet und desinfizierend gereinigt werden, damit sie nicht zum Reservoir für Schimmelpilze werden (Kat IB).

  • In der Nähe von Abteilungen, die hochgradig immunsupprimierte Patienten behandeln, dürfen keine klinikeigenen Kompostierungsanlagen und keine Anlagen zur Müllverarbeitung liegen, da sie massenhaft Pilzsporen emittieren können [310] (Kat IB).

  • In Risikogruppe 3 erfolgt eine desinfizierende Reinigung (Krankenhauswäsche) von Kopfkissen und Bettdecken nach jedem Patientenwechsel [309] (Kat IB).

  • Matratzen beziehungsweise der Schonbezug müssen bei jedem Patientenwechsel desinfiziert werden (Kat IB).

3.9 Anforderungen an die Raumluft

  • Patienten mit schwerer oder sehr schwerer Immunsuppression (Risikogruppe 2 oder 3) sollen während der stationären Therapie in Räumlichkeiten mit HEPA-gefilterter Luft (Filterklasse H13) zur Vermeidung von invasiven Aspergillosen/Fadenpilzinfektionen behandelt werden, die nach dem allgemein anerkannten Stand der Technik ausgelegt sind [247] (Kat IB).

  • Wenn die Raumluft im angrenzenden Stationsflur nicht ebenfalls HEPA-gefiltert (Filterklasse H13) ist, sollte das Zimmer zur protektiven Isolierung mit Schleuse und Überdruckbelüftung ausgestattet sein (Kat II).

  • Ob ein Laminar Air Flow/eine turbulenzarme Verdrängungsströmung in diesem Kontext einen Vorteil bietet, ist eine ungelöste Frage (Kat III). Die HEPA-Filtration der Luft ist vorrangig (Kat IB).

  • Es erscheint sinnvoll, bei Neubauten oder einer Kernsanierung nicht nur die Krankenzimmer, sondern ganze Stationen oder Stationsbereiche mit HEPA-gefilterter Luft zu versorgen, da offensichtlich auch kürzere intensive Expositionsepisoden ein relevantes Risiko bergen (Aufenthaltsraum, diagnostische Maßnahmen im Eingriffsraum außerhalb des Isolierzimmers und andere) und dann die soziale Isolierung der Patienten geringer ist (Kat II).

  • In jedem Fall muss eine regelmäßige Wartung und Kontrolle der raumlufttechnischen Anlagen sichergestellt werden; die mikrobiologischen Kontrollen (vor allem die Bewertung der Ergebnisse) sollen in der Verantwortung der Krankenhaushygieniker liegen (Kat IB).

  • Sofern eine zentrale raumlufttechnische Anlage mit endständiger HEPA-Filtration nicht vorhanden ist, können vor allem auch zur Vermeidung einer Exposition durch Bau- und Renovierungsarbeiten dezentrale mobile oder fest installierte HEPA-Filtrationsgeräte in den Patientenräumen eingesetzt werden. Auch mit diesen Geräten kann bei entsprechender Anordnung im Isolierzimmer ein kontrollierter Überdruck erzeugt werden [216, 221, 311] (Kat II).

  • Bei Verlassen des Zimmers können Patienten der Risikogruppe 2 oder 3 dicht anliegende partikelfiltrierende Atemschutzmasken (FFP 2 oder 3 mit Ausatemventil) verwenden [291, 312] (Kat III).

  • Raumluftbefeuchter oder andere technische Geräte, die potenziell kontaminierte Aerosole emittieren, dürfen nicht verwendet werden (Kat IB).

3.10 Anforderungen an die Wasserversorgung

  • Die mikrobiologische Qualität des Wassers in onkologischen Abteilungen, die immunsupprimierte Patienten behandeln, muss den Empfehlungen des Umweltbundesamtes nach Anhörung der Trinkwasserkommission entsprechen [141, 150, 313, 314, 315] (Kat IB) und sollte sowohl dem Hygienefachpersonal als auch dem Behandlungsteam bekannt sein und bewertet werden (Kat IB).

  • Art, Umfang und Häufigkeit der Wasseruntersuchungen übriger Wasserentnahmestellen auf der Station (unter anderem auf Legionellen, P. aeruginosa und gegebenenfalls andere nicht fermentierende Bakterien) sind in einem Wasser-Sicherheitsplan festzulegen; die Ergebnisse werden vom Hygienefachpersonal dokumentiert und vom Krankenhaushygieniker bewertet (Kat IB).

  • Insbesondere bei Oberflächenwasserversorgung (Flusswasser und Talsperren) muss bei Grenzwertüberschreitung und Hinweisen auf eine Kontamination (entsprechend § 9 der TrinkwV 2001) eine unverzügliche Information des zuständigen Krankenhaushygienikers beziehungsweise der für die Krankenhaushygiene Verantwortlichen seitens des Wasserversorgers in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt sichergestellt werden (Kat. IV).

  • Es muss sichergestellt werden, dass immunsupprimierte Patienten bei einer Kontamination des öffentlichen Wasserversorgungsnetzes mit Krankheitserregern zeitnah in den lokalen Medien (oder über die behandelnden Ärzte) entsprechend informiert und gegebenenfalls auf mögliche eigene Schutzmaßnahmen hingewiesen werden (entsprechend § 9 der TrinkwV 2001) (Kat. IV).

  • Bei Verwendung von endständigen 0,2 µm-Filtern kann die Untersuchungsfrequenz reduziert werden. Allerdings ist schon bei der Installation die Möglichkeit einer Kontamination der äußeren Filteroberfläche zu bedenken (zum Beispiel der Wasserstrahl geht direkt in den Siphon, zu geringer Abstand zwischen dem Becken und dem Filterauslass) (Kat IB).

  • Sofern die Einhaltung der Empfehlungen des Umweltbundesamtes nicht gewährleistet werden kann, sollte zur Pflege von Haut und Schleimhaut während der Phasen der hochgradigen Immunsuppression (Risikogruppe 2 und 3) nur steriles oder sterilfiltriertes Wasser verwendet werden (Kat. IB). Hierzu wird, sofern kein anderes geeignetes Verfahren bereitsteht, der Einsatz endständiger Bakterienfilter empfohlen [141, 167, 210, 316] (Kat IB). Dabei sollte durch einen ausreichenden Abstand zwischen der Armatur und dem Becken und durch Schulung des Personals (auch der Reinigungskräfte) sowie der Patienten eine Kontamination des Filters von außen vermieden werden.

  • Für die (Wasser-)Spülung von Wunden darf nur sterile NaCl-/Ringer-Lösung oder 0,2 µm gefiltertes Wasser verwendet werden (Kat II). Die bislang verfügbaren Studien hierzu haben aus Sicherheitsgründen keine Patienten mit hochgradiger Immunsuppression eingeschlossen, sodass die publizierten Daten nicht zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Wundspülung mit Trinkwasser bei Immunsupprimierten herangezogen werden können [317].

  • Für Saftzubereitungen von Medikamenten und Inhalationslösungen dürfen nur sterile oder sterilfiltrierte Flüssigkeiten verwendet werden (Kat  IA).

  • Kaffee- und Teeautomaten erhitzen das Wasser möglicherweise nicht ausreichend; daher sollte bevorzugt Tee und Kaffee mit sprudelnd kochendem Wasser aufgebrüht werden (Kat IB).

  • Das am besten abgesicherte Verfahren zur Abtötung aller bekannten potenziellen Krankheitserreger (mit Ausnahme von Sporenbildnern) ist die Verwendung von abgekochtem Trinkwasser (mindestens bis zum Sprudeln kochen) und die Aufbewahrung in thermisch desinfizierten Gefäßen mit Deckel (Kat II).

  • Da das Abkochen des Wassers einen erheblichen Energieverbrauch erzeugt und es zu Verbrühungsunfällen kommen kann, sollte alternativ in Absprache mit dem Hygienefachpersonal die Entnahme in thermisch desinfizierte Gefäße mit Deckel aus einer gut kontrollierten Zapfstelle mit endständiger 0,2 µm Filtration erwogen werden (Kat II).

  • Der Wechsel des abgekochten oder sterilfiltrierten Wassers, das zur Mundspülung verwendet wird, sollte einmal pro Schicht (alle 8 Stunden) erfolgen (Kat II).

  • Tee sollte stets mit sprudelnd kochendem Wasser aufgegossen werden und ist zur Mundpflege bei Patienten der Risikogruppe 2 und 3 sowie als Getränk in der Risikogruppe 3 nicht geeignet (Kat IB).

  • Wenn Trinkbrunnen beziehungsweise hauseigene Karbonisierungsanlagen verwendet werden, müssen sie den oben genannten Empfehlungen des Umweltbundesamtes entsprechen. Dies ist durch regelmäßige Untersuchung zu verifizieren (Kat IB).

  • Mineralwasser, das den Patienten in diesen Bereichen angeboten wird, unterliegt der hygienisch-mikrobiologischen Chargenkontrolle durch den Hersteller. Das zuständige Hygienefachpersonal sollte dennoch in regelmäßigen Abständen (zum Beispiel zweimal jährlich) Stichprobenkontrollen bei Mineralwasser für immunsupprimierte Patienten durchführen. Geöffnete Mineralwasserflaschen sollten nicht länger als einen Tag gekühlt nach Anbruch aufbewahrt werden (Kat II).

3.11 Anforderungen an den Sanitärbereich

Siehe hierzu auch die Hinweise im Abschnitt baulich-funktionelle Maßnahmen (3.8).

  • Bei Neubauplanung von Krankenhausstationen sollten elektronisch gesteuerte „kontaktfreie“ Wasserauslässe vermieden werden [318, 319]. Eine hygienisch einwandfreie Wasserentnahme kann auch durch Fuß- oder Kniebedienungen oder ausreichend lange Schwenkhebel sichergestellt werden (Kat  IB).

  • Alle sanitären Anlagen müssen in den Hygieneplan der Station aufgenommen und zumindest täglich wischdesinfiziert werden (Kat IB).

  • Die Verwendung von Duschvorhängen ist zu vermeiden, da diese zu einem Reservoir für Schimmelpilze und biofilmbildende Bakterien werden können und sich nur sehr aufwendig desinfizierend reinigen lassen (Kat II).

3.12 Anforderungen an die Hygiene bei Umbaumaßnahmen und Abrissarbeiten

  • Ausnahmslos alle Umbaumaßnahmen, Renovierungsarbeiten und Abrissarbeiten im Umfeld von Stationen, auf denen hochgradig immunsupprimierte Patienten behandelt werden, sind bereits in der Planungsphase mit dem zuständigen Hygienefachpersonal abzustimmen (Kat IB).

  • Auch die ärztliche Direktion der entsprechenden Abteilung ist mit ausreichendem zeitlichem Vorlauf zu informieren (Kat IB).

  • Bei größeren Projekten, von denen wahrscheinlich eine erhebliche Exposition der immunsupprimierten Patienten ausgeht, muss eine multidisziplinäre Präventionsgruppe unter der Koordination des Krankenhaushygienikers gebildet werden, die Festlegungen zu den erforderlichen Schutzmaßnahmen trifft und die Bautätigkeit aus krankenhaushygienischer Sicht überwacht (Kat IB).

  • Gegebenenfalls kann es erforderlich werden, die entsprechende Station ganz aus dem Gefahrenbereich in ein anderes entferntes Gebäude zu verlegen, bis die Arbeiten abgeschlossen sind oder, falls dies nicht möglich ist, die Station zu schließen (Kat II).

  • Die Station muss von den Bauarbeiten sicher abgetrennt werden; bei entsprechender Lage ist häufig eine Abtrennung mithilfe einer staubdichten Leichtbauwand möglich. Die einwandfreie Abdichtung kann mithilfe eines Partikelzählers leicht überprüft werden; die Messergebnisse sollten dokumentiert werden (Kat IB).

  • Mit den ausführenden Firmen und den unbedingt zu involvierenden Fachplanern sollte ausdrücklich vereinbart werden, dass die Einhaltung der Präventionsrichtlinien des Klinikums auch strikt von den Beschäftigten des ausführenden Unternehmens zu beachten und Gegenstand des Bauauftrags sind (Kat IB).

  • Insbesondere muss auch die Möglichkeit eines Baustopps bei Verstößen gegen die Schutzmaßnahmen vertraglich abgesichert sein; gerade in diesem Punkt ist eine eindeutige Definition der entsprechenden Kompetenzen und der Verantwortlichkeit zwingend notwendig (Kat IB).

  • Patientenversorgungsbereiche, die durch Baumaßnahmen in erhöhtem Maße staubexponiert sind, müssen mindestens arbeitstäglich feucht gereinigt werden (Kat IB).

3.13 Prävention der nosokomialen Harnwegsinfektion

Hier wird auf die entsprechende Empfehlung der KRINKO verwiesen [320].

3.14 Prävention der nosokomialen Wundinfektion

Hier wird auf die entsprechende Empfehlung der KRINKO verwiesen [321].

3.15 Prävention der nosokomialen Sepsis

Neben der Empfehlung der KRINKO zur Prävention Gefäßkatheter-assoziierter Infektionen [32] haben die internistischen [49, 92] und die pädiatrisch-onkologischen [94] Fachgesellschaften detaillierte Empfehlungen zur Prävention Katheter-assoziierter Blutstrominfektionen publiziert, auf die an dieser Stelle verwiesen wird.

3.16 Prävention der nosokomialen Gastrointestinalinfektion

  • Aus krankenhaushygienischer Perspektive ist es erforderlich, dass bei immunsupprimierten Patienten mit nosokomialer Diarrhö eine erweiterte Erregerdiagnostik erfolgt, deren Einzelheiten mit den zuständigen Mikrobiologen und dem Hygienefachpersonal festgelegt werden sollten (Kat IB).

  • Die Dauer der Isolierung wird bei hochgradig immunsupprimierten Patienten aufgrund der möglicherweise erheblich verlängerten Ausscheidungsperiode durch Kontrolluntersuchungen bestimmt; in Abhängigkeit vom nachgewiesenen Erreger sind die erregerspezifischen Barrieremaßnahmen zu beachten und mit dem Hygienefachpersonal abzustimmen [322, 323, 324, 325, 326, 327] (Kat IB).

3.17 Prävention von Zoonosen

Für Patienten, die protektiv isoliert werden, sind Tierkontakte auszuschließen [41]. Weitere Hinweise zur Prävention von Zoonosen finden sich in Kapitel 5.

4 Surveillance

4.1 Besonderheiten in der Surveillance von nosokomialen Infektionen bei Immunschwäche

Die Falldefinitionen und somit auch die Surveillance nosokomialer Infektionen (NI) nach § 23 IfSG [29, 328] sind bei immunsupprimierten Patienten unter einer intensiven Therapie erschwert. Bei mehr als der Hälfte aller Fieberepisoden, die bei Patienten mit Granulozytopenie beobachtet werden, bleibt die Ursache unklar. Klinische Infektionszeichen können fehlen, und Fieber ist oft das einzige Symptom.

Die in bestimmten Situationen übliche antibiotische Prophylaxe [6, 329, 330] sowie die empirische Vorbehandlung mit Antibiotika senken den Anteil positiver Blutkulturen. Unerwünschte Wirkungen der Therapie können klinische „Infektionszeichen“ vortäuschen [331]. Die Synthese laborchemischer Entzündungsmarker kann durch die antineoplastische Therapie unterdrückt werden. Erhöhte laborchemische Entzündungszeichen können zudem durch die Grunderkrankung oder die Chemotherapie-induzierte Mukositis verursacht werden. Bildgebende Verfahren können während der Granulozytopenie falsch-negative Resultate liefern [237, 239, 332, 333]. Das spezielle Spektrum fakultativ pathogener, opportunistischer Erreger, deren Auftreten mit Art und Ausmaß der Immunschwäche korreliert, stellt besondere Anforderungen an die mikrobiologische Diagnostik. Invasive diagnostische Methoden wie diagnostische Punktionen oder spezielle Endoskopien sind bei Patienten mit hochgradiger Immunsuppression mit einem erhöhten Risiko für Komplikationen assoziiert [334, 335].

Verschiedene Surveillance-Studien von NI nach Stammzelltransplantation beziehen die Anzahl der Ereignisse nicht auf Patiententage, sondern auf Granulozytopenietage im Sinne einer gezielten, risikoadaptierten Erfassung [336, 337, 338, 339]. Dieser Ansatz fokussiert die nur begrenzt vorhandenen Ressourcen auf ein umschriebenes Zeitfenster, in dem vor allem bakterielle, device-assoziierte Infektionen und Pneumonien vorkommen.

Außerhalb des SCT-Settings sind 50–75% aller Patienten zum Zeitpunkt der NI granulozytopenisch [11, 339, 340], und nahezu alle schweren CVAD-assoziierten Septikämien mit septischem Schock oder Multiorganversagen treten bei granulozytopenischen Patienten auf. Andererseits gibt es erregerspezifische nosokomiale Ausbrüche [37, 117, 341, 342, 343, 344] oder NI, die durch systematische Fehler im Hygienemanagement entstehen [23, 168, 171, 177, 180, 181, 224, 345, 346, 347, 348, 349]. Beide sind nicht auf Patienten mit Granulozytopenie begrenzt. CVAD-assoziierte Bakteriämien treten auch bei nicht granulozytopenischen Patienten auf [91, 350, 351, 352, 353] und sollten im Sinne von § 23 IfSG [29, 328] insbesondere dann als NI erfasst, dokumentiert und bewertet werden, wenn der Katheter als Infektionsquelle gesichert wurde.

Die von einer Clostridium difficile-assoziierten Erkrankung betroffenen Patienten [337] werden zu gleichen Teilen vor oder nach der Rekonvaleszenz der Leukozytenzahl symptomatisch [334, 354, 355, 356, 357, 358]; bei einer Beschränkung auf die Phase der Granulozytopenie würden etwa 50% aller Episoden nicht erfasst.

Das Auftreten oder die Häufung von Infektionen durch bestimmte nosokomiale Infektionserreger wie P. aeruginosa, Legionellen, Aspergillus spp., MRSA, VRE und ESBL-bildende gramnegative Bakterien hat krankenhaushygienisch eine erhebliche Relevanz.

In der pädiatrischen Onkologie ist außerhalb der akuten Phase der Stammzelltransplantation die Inzidenzdichte von NI pro 1000 Patiententage niedriger, quantitativ treten jedoch die meisten NI bei Patienten unter einer konventionellen Chemotherapie auf [340, 359, 360, 361, 362].

4.2 Katheter-assoziierte Infektionen

Die infektionsepidemiologische Definition für Katheter-assoziierte Infektionen [47, 92, 337, 338, 339, 340, 363, 364, 365, 366] sichert keinesfalls den CVAD als Quelle der klinischen Symptomatik oder der positiven Blutkultur [49, 50, 92, 367]. Die meisten CVAD-assoziierten Infektionen werden erfolgreich empirisch in situ (über den Katheter) behandelt, sodass die Katheterspitze nicht für die Diagnostik zur Verfügung steht [368].

4.3 Empfehlungen zur Surveillance

  • Onkologische Behandlungszentren müssen eine prospektive Surveillance nosokomialer Infektionen nach den Vorgaben des IfSG [29] und den entsprechenden Erläuterungen des RKI [30] durchführen (Kat IV).

  • Die Surveillance sollte mit einem geeigneten Modul erfolgen, das an die Besonderheiten der Patientenpopulation adaptiert ist (Kat IB).

  • Eine auf die Behandlungsphasen mit Granulozytopenie beschränkte Surveillance ist als Mindestvoraussetzung zu sehen (Kat IB).

  • Nosokomiale Infektionen durch Legionella pneumophila, Clostridium difficile sowie wahrscheinliche und gesicherte invasive Pilzinfektionen sollen (ebenso wie NI durch Erreger mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen wie MRSA, VRE und ESBL-bildende gramnegative Erreger) auch bei Patienten systematisch erfasst werden, die nicht granulozytopenisch sind (Kat IB; Aufzeichnungspflicht für multiresistente Erreger nach § 23 IfSG, Kat IV).

  • Die Surveillance soll in enger Zusammenarbeit zwischen dem Hygienefachpersonal (Krankenhaushygieniker, Hygienefachkräfte) und den verantwortlichen Ärzten durchgeführt werden. Über die dokumentierten nosokomialen Infektionen und die Bedeutung der im Kontext von NI isolierten Erreger muss zur Validierung vor der Meldung ein Konsens zwischen dem Hygienefachpersonal und den behandelnden Ärzten angestrebt werden (Kat  IB).

  • Onkologischen Behandlungszentren soll entsprechend ausgebildetes Hygienefachpersonal für die Surveillance zugeteilt werden (Kat IB).

  • Prospektive multizentrische Surveillance-Studien mit geeigneten Modulen (zum Beispiel ONKO-KISS, Oncoped) sollen dazu genutzt werden, Referenzdaten für den Vergleich zwischen verschiedenen Zentren zu generieren. Dies ermöglicht den teilnehmenden Zentren die Identifizierung von Problembereichen (Kat IB).

  • Die Surveillance ist kein Selbstzweck und führt alleine nicht zur Verringerung nosokomialer Infektionen. Daher sollte das Behandlungsteam onkologischer Zentren die Ergebnisse in enger Zusammenarbeit mit dem zuständigen Krankenhaushygieniker und dem Hygienefachpersonal in einem kontinuierlichen Diskussionsprozess zur Verbesserung des krankenhaushygienischen und infektionspräventiven Gesamtkonzepts der Abteilung einsetzen (Kat IB).

4.4 Surveillance von invasiven Aspergillosen

In der klinischen Praxis ist es außerordentlich schwierig, die klinischen und radiologischen Befunde eines fiebernden granulozytopenischen Patienten einer invasiven Pilzinfektion zuzuordnen. Die verfügbaren klinisch anwendbaren Methoden der Diagnostik weisen keine ausreichende Sensitivität und Spezifität auf. Ein erheblicher Anteil aller mit systemischen Antimykotika behandelten Patienten hat lediglich eine „mögliche“ invasive Pilzinfektion und erhält eine empirische oder präemptive Behandlung.

Hieraus ergibt sich für das Hygienefachpersonal und das Behandlungsteam die schwierig zu beantwortende Frage, welche Parameter zur Surveillance von invasiven Aspergillosen sinnvoll genutzt werden können.

  • Eine mögliche, aber aufwendige Option der Surveillance invasiver Aspergillosen ist die Erfassung aller Ereignisse, die den internationalen Konsensuskriterien einer „wahrscheinlichen“ oder „gesicherten invasiven Aspergillose“ entsprechen, als nosokomiale Pneumonie pro 1000 stationäre Patiententage [369] (Kat II).

  • Derzeit ist es nicht möglich, einheitliche Empfehlungen auszusprechen, ob und wann Luftkeimmessungen auf Stationen mit Risikopatienten durchgeführt werden sollten (Kat III). Dies obliegt der Entscheidung und Verantwortung des Krankenhaushygienikers, insbesondere anlässlich ungewöhnlicher Häufungen von vermuteten Fadenpilzpneumonien [37] (Kat IB).

4.5 Mikrobiologisches Screening von immunsupprimierten Patienten

Der Nutzen einer routinemäßigen Abnahme mikrobiologischer Kulturen von Patient (Haut, Schleimhaut, Blut, Stuhl, Urin, Rachenspülwasser) oder Umgebung ohne akuten Anlass (zum Beispiel Infektionsverdacht, Ausbruchsuntersuchung) ist außerhalb der Risikogruppe 3 nicht belegt [370, 371, 372, 373, 374].

Infektions-assoziierte Isolate haben eine höhere klinische Relevanz [375], was die abteilungsspezifische Festlegung zur empirischen Therapie bei Fieber und Granulozytopenie angeht [8, 9, 49, 63, 64, 364, 368, 376, 377].

  • Keine routinemäßigen mikrobiologischen Kulturen von Patient und Umgebung ohne Infektions- oder Ausbruchsverdacht (Kat IB) (ausgenommen solche, die durch Gesetze und Verordnungen zur Qualitätssicherung vorgeschrieben sind) (Kat IV).

  • Onkologische Patienten mit invasiven Kathetern, langer Granulozytopeniedauer und höhergradiger Mukositis oder auch Patienten, die in der Anamnese wiederholt mit Antibiotika (insbesondere mit Cephalosporinen der Gruppe III und Fluorochinolonen [378, 379, 380, 381]) behandelt oder größeren operativen Eingriffen unterzogen wurden, haben ein erhöhtes Risiko, mit multiresistenten Erregern besiedelt zu sein [382, 383]. Daher kann auch ohne einen Ausbruchsverdacht im Einzelfall ein Aufnahme-Screening auf MRSA [36, 384], VRE oder ESBL-Bildner [385] indiziert sein. Hierüber sollten sich die zuständigen Kliniker, Krankenhaushygieniker und Mikrobiologen intern verständigen (Kat IB).

Eine spezielle Situation kann sich ergeben, wenn Patienten eine medikamentöse antimikrobielle Prophylaxe erhalten [386]. Zum Beispiel kann die evidenzbasierte Prophylaxe mit Fluconazol nach allogener Stammzelltransplantation [6, 387] zu einer Selektion Fluconazol-resistenter Candida spp. (C. krusei, C. glabrata) führen [388, 389]. Hierzu wird auf die Empfehlungen der Fachgesellschaften verwiesen [238, 333, 387].

4.6 Ausbruchs-Management

Hier wird auf die entsprechende Empfehlung der KRINKO verwiesen [390].

5 Infektionsrisiken im häuslichen Umfeld

Die in diesem Kapitel gegebenen Hinweise von Experten der Infektionsprävention bei hochgradig immunsupprimierten Patienten können zur Gestaltung von Materialien zur Information und Schulung von Patienten und ihren Angehörigen genutzt werden. Dies dient insbesondere dazu, den Patienten und seine engen Kontaktpersonen zur Erkennung dieser Risiken zu befähigen. Sie sind nicht mit den üblichen Evidenzkategorien versehen, weil der häusliche Behandlungsbereich nicht in die Kompetenz der KRINKO-Empfehlungen fällt.

5.1 Lebensmittel (siehe hierzu auch Tabelle 5 in der Empfehlung)

  • Prinzipiell sollte Fleisch vor dem Verzehr ausreichend lange gebraten oder gekocht werden (Kerntemperatur >70°C), um ggf. darin enthaltene Krankheitserreger sicher abzutöten [191].

  • Auf den Verzehr von rohem Fleisch, zum Beispiel in Form von „Mettbrötchen“, Räucherware (Wurst, Lachs und andere geräucherte Fischsorten) oder nicht durchgebratenen Steaks, sollte ganz verzichtet werden.

  • Milch und Obstsäfte sollten pasteurisiert sein, einmal geöffnet stets im Kühlschrank gelagert und innerhalb von 24 Stunden nach dem Öffnen verbraucht werden.

  • Während der intensiven Therapie und bei lang anhaltender Lymphozytopenie (Mangel an CD4-positiven TCD4-Helfer-Zellen) sollten Patienten unbedingt auf den Verzehr von Rohmilchprodukten verzichten.

  • Zum Teil befinden sich Rohmilchprodukte im Handel, die nicht ohne ein sorgfältiges Studium des Kleingedruckten auf der Packung als solche erkennbar sind. Dies gilt auch für offen konfektionierte Käsesorten (gegebenenfalls unbedingt nachfragen).

  • Gegen den Verzehr von gewaschenem und geschältem/geputztem Obst und Gemüse gibt es keine Einwände („Peel it, cook it, boil it or leave it.“).

  • Wenn in der Phase der hochgradigen Immunsuppression Beeren (Erdbeeren, Himbeeren, Stachelbeeren, Kirschen et cetera) verzehrt werden, sollten diese vorher gewaschen und gekocht werden (Mus beziehungsweise Grütze).

  • Saucen und Dressings aus offenen Mehrportionsabpackungen (offene Flaschen) sollten vermieden werden (abgepackte Einzelportionen verwenden) (Tab. 6).

Tab. 6 Empfehlungen zur Nahrungsmittelhygiene im häuslichen Umfeld (für die Zubereitung von Nahrungsmitteln durch die Patienten beziehungsweise durch Angehörige/Begleitpersonen)

5.2 Vorbeugung von lebensbedrohlichen Schimmelpilzinfektionen

Blumen und Topfpflanzen (auch Hydrokulturen und andere Nährmedien) sind in fast jedem Haushalt anzutreffen. Mögliche Infektionsrisiken stellen zum einen Pilzsporen (Aspergillus spp.) zum Beispiel in der Topferde dar, die eingeatmet werden können, zum anderen Bakterien (zum Beispiel Pseudomonas spp.) im Blumenwasser, die bevorzugt über kontaminierte Hände weiterverbreitet werden [391]. Grundsätzlich ist bei hochgradig Immunsupprimierten ein Verzicht auf Pflanzen im Innenraumbereich zu empfehlen, auch wenn dies nicht wissenschaftlich gesichert ist. Zumindest sollten aber folgende Präventionsmaßnahmen berücksichtigt werden:

  • gründliches Händewaschen nach Kontakt mit Blumen oder Pflanzen,

  • keine Pflanzen im Küchenbereich oder in der Nähe von Speisen,

  • welk gewordene Blumen und Pflanzen sofort entsorgen (nicht vom Patienten selbst),

  • keine Zimmerpflanzen im Schlafbereich.

Der Abfallentsorgung innerhalb des häuslichen Bereiches ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Beim Befüllen der Biotonne kann es zu einer starken Exposition gegenüber Pilzsporen (insbesondere Aspergillus fumigatus) kommen [392]. Insekten (zum Beispiel Fliegen, Wespen), die durch organische Abfälle angelockt werden, können als Vektoren von Krankheitserregern auftreten.

Die Standzeit der Abfälle in der Wohnung sollte auf 24 Stunden limitiert sein. Dies gilt in besonderer Weise für organische Abfälle. Abfallbehälter sollten mit einem Deckel verschlossen werden, und Bioabfälle sollten nicht in der Wohnung stehen, sondern im Freien an einem möglichst kühlen, schattigen Platz [393]. Das Öffnen und das Schließen der Biotonne darf auf keinen Fall vom immunsupprimierten Patienten selbst durchgeführt werden. Nach jeder Berührung mit Abfall muss eine sorgfältige Händehygiene erfolgen.

Kellerräume sind häufig schlecht durchlüftet, kühl und feucht, wodurch das Wachstum von Schimmelpilzen begünstigt wird. Auf den Oberflächen kommt es zur Ansammlung von Staubschichten, die bei Bewegung aufgewirbelt werden. Gleiches gilt für schlecht isolierte Räume oder bei Baumängeln. Patienten mit hochgradiger Immunsuppression (ab Risikogruppe 1) sollten Kellerräume und andere feuchte Räumlichkeiten sowie Räume mit manifestem Schimmelpilzwachstum unbedingt meiden.

Bauliche Mängel, die als Ursache einer Schimmelpilzbelastung der Wohnraumluft infrage kommen, müssen saniert werden. Gegebenenfalls kann es, auf entsprechenden Hinweis des Patienten hin, erforderlich werden, die Wohnung zu inspizieren, bevor der hochgradig immungeschwächte Patient erstmals nach Hause entlassen wird.

Gartenarbeit hat einen hohen Erholungswert. Der schwer immunsupprimierte Patient sollte jedoch beachten, dass bei der Gartenarbeit zwangsläufig direkter Hautkontakt mit organischem Material und mit einer Vielzahl von Mikroorganismen (einschließlich Pilzsporen, Clostridium tetani und Clostridium perfringens) erfolgt. Durch dornige Sträucher und Gebüsche sind leicht Verletzungen der intakten Haut mit dem Risiko einer Erregerinokulation möglich. Beim Rasenmähen wird eine nicht unbeträchtliche Menge von organischem Material aerosolisiert. Auch bei Kompostierungsarbeiten kommt es zu einer starken Pilzbelastung (Aspergillus-Arten) der Luft [394].

Das Ausbringen von Rindenmulch (organisch angedauten Materialien) kann zu extrem hoher Exposition gegenüber Aspergillus-Sporen führen. Das Risiko bei Umgang mit Rindenmulch ist hoch; es wurde sogar ein Todesfall bei einem nicht immunsupprimierten Arbeiter beschrieben [395].

Grundsätzlich ist daher während der hochgradigen Immunsuppression ein Verzicht auf Gartenarbeit zu empfehlen. Lässt sich dies nicht umsetzen, sollten folgende Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden:

  • Tragen geeigneter Kleidung und Handschuhe, die vor Verletzungen schützen,

  • bei staub- beziehungsweise aerosolbildenden Tätigkeiten Tragen einer dicht anliegenden Atemschutzmaske (FFP2),

  • nach Beendigung der Gartenarbeit gründliche Händehygiene und Händepflege,

  • auch oberflächliche Verletzungen sofort mit einem geeigneten Antiseptikum behandeln.

Handwerkliches Arbeiten an Haus oder Wohnung kann mit einer erheblichen Exposition gegenüber Baustaub, Schmutz und Schutt einhergehen. Häufig werden solche Tätigkeiten in schlecht durchlüfteten Räumen ausgeführt. Mauerwerk kann, insbesondere wenn es feucht ist, stark mit Pilzen und Pilzsporen kontaminiert sein [396]. Auch bei der Holzbearbeitung (zum Beispiel Sägen) kann es zu einer Exposition gegenüber Pilzen kommen [397]. Auf der Oberfläche von Hölzern wurde eine Vielzahl von Schimmelpilzen gefunden, wie zum Beispiel Aspergillus fumigatus, Aspergillus niger, Trichoderma viride und Rhizopus spp. Aus Spanplatten wurden mehr als 30 Schimmelpilzarten isoliert [398] und auch auf Tropenhölzern können sich besonders gefährliche tropische Pilze befinden (zum Beispiel Erreger der Blastomykose) [399]. Wird Holz im Freien gelagert und damit Feuchtigkeit (zum Beispiel in Form von Niederschlägen) ausgesetzt, so ist die Gefahr einer Besiedlung durch Schimmelpilze besonders groß [398].

Aufgrund des hohen Infektionsrisikos muss dem immunsupprimierten Patienten von allen Staub produzierenden handwerklichen Tätigkeiten abgeraten werden. Das Tragen eines geeigneten dicht anliegenden Atemschutzes (FFP2) minimiert zwar das Risiko, ist aber nur bedingt als Alternative zu empfehlen, da er während der mechanischen Tätigkeit leicht verrutschen kann beziehungsweise oft falsch angelegt wird. Die einmalige Inhalation einer hohen Anzahl von Pilzsporen kann eine Infektion nach sich ziehen. Dieses Risiko muss bei derartigen Arbeiten angenommen werden.

5.3 Infektiöse Erkrankungen im häuslichen Umfeld

Von akuten (symptomatischen) Infektionserkrankungen (zum Beispiel Diarrhö, fieberhafte Atemwegsinfektionen) bei Mitbewohnern resultiert ein zusätzliches Infektionsrisiko, das umso höher ist, je enger die Bewohner zusammenleben. Familienmitglieder oder Mitbewohner sollten über die möglichen Übertragungswege der Erkrankung informiert sein [400].

Alle Haushaltsmitglieder sollten Standardhygienemaßnahmen besonders konsequent befolgen [401]. Hierzu empfiehlt es sich, ein Aufklärungsgespräch durch Hygienefachpersonal und erforderlichenfalls eine krankenhaushygienische Begehung des häuslichen Umfeldes durch Hygienefachpersonal vornehmen zu lassen mit dem Ziel, Infektionsreservoire und -risiken zu erkennen und gezielte Vorschläge für individuell bezogene Hygienemaßnahmen zu geben.

Bei gastrointestinalen Infektionen reicht das Händewaschen als alleinige Schutzmaßnahme nicht aus. Hier ist bei Patienten mit gravierender Immunschwäche die hygienische Händedesinfektion für Patient und Angehörige obligat. Auch eine Desinfektion der Toilettenbrille nach der Nutzung durch einen erkrankten Mitbewohner kann im Einzelfall erforderlich sein. Daher ist in gut begründeten Fällen der Einsatz von Hände- und Flächendesinfektionsmitteln auch zu Hause medizinisch indiziert.

Wenn das Kind eines immunsupprimierten Elternteils akut erkrankt ist, sollte möglichst eine andere Person die Pflege des Kindes übernehmen. Bei respiratorischen Infektionen anderer Personen sollten die Patienten auf ausreichende Distanz achten und die erkrankten Mitbewohner geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen (Einmaltaschentücher, beim Husten Mund und Nase bedecken, räumliche Distanz, Händedesinfektion, MNS).

5.4 Prävention von Infektionen durch Tierkontakte

  • Aus präventiven und differenzialdiagnostischen Erwägungen sollte dem Behandlungsteam auf jeden Fall bekannt sein, ob der Patient in seinem häuslichen Umfeld regelmäßig in direkten oder indirekten Kontakt zu bestimmten Tieren kommt.

  • Haus- und Nutztiere, die in Kontakt zu immungeschwächten Patienten stehen, sollten tierärztlich überwacht, regelmäßig entwurmt und bei Symptomen einer Infektion (zum Beispiel Diarrhö, Ornithose) tierärztlich untersucht werden (Erregerdiagnostik auf Cryptosporidien, Salmonellen, Campylobacter spp., Chlamydia psittaci).

  • Neue Haustiere sollten erst beim Tierarzt vorgestellt werden, bevor der erste Kontakt zum Patienten stattfindet.

  • Neue Haustiere nicht jünger als sechs Monate (Katzen zwölf Monate).

  • Impfungen für Haustiere nach veterinärmedizinischen Schemata zu empfehlen (keine Gefahr für immunsupprimierten Patienten).

  • Zu vermeiden sind (direkte und indirekte) Kontakte zu Wildtieren (Mäuse, Ratten, Vögel, Hasen, Igel), Reptilien (Geckos, Schlangen, Schildkröten), Kälbern, Fohlen, Lämmern, Schafherden.

  • Niemals Wildtiere „zum Spaß“ jagen oder in die Enge treiben.

  • Niemals kranke Wildtiere „zur Pflege“ aufnehmen.

  • Niemals Tierkadaver ohne Schutzhandschuhe berühren.

  • Haushunde keine Wildmäuse fressen lassen (E. granulosus/E.  multilocularis); gegebenenfalls monatlich mit Praziquantel entwurmen.

  • Tiere während der Phase der intensiven Therapie nicht in Badeseen oder Flüssen baden lassen (vor allem nicht nach Regengüssen).

  • Tierkontakte bei immungeschwächten Kleinkindern müssen immer beaufsichtigt werden.

  • Streichelzoos sollten von immunsupprimierten Patienten gemieden werden.

  • Sorgfältiges Händewaschen (oder Händedesinfektion) nach direktem Tierkontakt.

  • Nicht vom Haustier ablecken lassen (insbesondere keine Wunden!), das Tier nicht küssen.

  • Das Saubermachen von Katzentoilette, Vogelkäfig, Kaninchenstall, Aquarium et cetera darf nicht durch den Patienten erfolgen.

  • Die Katzentoilette mindestens alle zwei Tage reinigen (Desinfektion mit heißem Wasser ist möglich).

  • Katzen- oder Hundedecken sollten einmal pro Woche bei mindestens 60°C gewaschen werden.

  • Vogelkäfig täglich reinigen.

  • Patienten vom Taubenschlag fernhalten; keine Speicher betreten, in denen Tauben nisten.

  • Katzen hochgradig immungeschwächter Patienten sollten im Haus gehalten werden.

  • Kontrolle von Haustieren auf Ektoparasiten (Flöhe, Zecken), gegebenenfalls Therapie.

  • Keine „wilden Spiele“ mit erhöhtem Risiko von Kratz- oder Bisswunden.

  • Auch oberflächliche Kratzwunden sofort mit einem geeigneten Präparat antiseptisch behandeln.

  • Bei Bissverletzung antiseptisch behandeln, steril abdecken und sofort in der Klinik vorstellen (plus tierärztliche Untersuchung des Haustiers).

  • Eine Übertragung von Krankheitserregern durch Tierfutter muss vermieden werden (nicht in der Küche füttern oder Futter zubereiten, sorgfältige Händehygiene).

  • Haustiere vom Essenstisch fernhalten.

  • Haustieren dürfen kein ungekochtes Fleisch, keine Schlachtabfälle und keine rohen Eier angeboten werden.

  • Haustiere sollten Wasser von Trinkwasserqualität zu trinken bekommen.

  • Bei Auftreten von MRSA sollten ggf. Hauskatzen, Hunde und Schweine als potenzielle Träger mit berücksichtigt werden [402, 403].

5.5 Sonstige Hinweise zu häufig gestellten Fragen

Patienten der Risikogruppe 1 während der Granulozytopenie und alle Patienten ab Risikogruppe 2 sollten in ambulanten Behandlungsphasen nicht in öffentlichen Schwimmbädern [404], Kleinbadeteichen oder in Badeseen baden.

Hot Whirl Pools sind grundsätzlich wegen der erhöhten Gefährdung (vor allem durch Legionellen und Pseudomonaden) sowohl im öffentlichen wie privaten Bereich zu meiden.

Um die Lebensqualität und die soziale Integration der Patienten nicht zu gefährden, sind soziale Kontakte mit Freunden und Bekannten in den ambulanten Phasen der Behandlung auch bei Patienten der Risikogruppe 2 möglich und sinnvoll. Die nicht erkrankten Kontaktpersonen sollten analog zur Besucherregelung im stationären Bereich über die Infektionsrisiken aufseiten des Patienten informiert sein und sich entsprechend verhalten.

Kinder und Jugendliche der Risikogruppe 1 dürfen durchaus die Schule besuchen, wenn keine anderen Gründe dagegen sprechen. Die Klassenleiter und die Mitschüler sollten – das Einverständnis der Patienten beziehungsweise der Eltern vorausgesetzt – von entsprechenden Mitarbeitern des Behandlungsteams aktiv über die Erkrankung des Kindes informiert werden.

Bei Auftreten von Varizellen oder anderen hochkontagiösen Infektionskrankheiten in der Schule (Masern, Ringelröteln) müssen die behandelnden Ärzte über die Eltern umgehend informiert werden, da gegebenenfalls eine entsprechende Prophylaxe eingeleitet werden muss.

Auf die Händehygiene ist auch in den ambulanten Behandlungsphasen sorgfältig zu achten; das Händeschütteln sollten die Patienten ganz vermeiden.

Kino- oder Theaterbesuche (beziehungsweise die Teilnahme an anderen sozialen „Events“ mit vielen Personen) sind in der Risikogruppe 1 möglich, ab Risikogruppe 2 nicht (oder nur unter konsequenter Anwendung zusätzlicher Schutzmaßnahmen, zum Beispiel eines MNS zum Schutz vor Tröpfcheninfektionen) zu empfehlen.

Immunsupprimierte Patienten dürfen während der intensiven Therapie (ab Risikogruppe 2) keine öffentlichen Verkehrsmittel oder Shuttle-Busse in Kliniken benutzen. In der Regel wird hierüber eine Sondervereinbarung mit der zuständigen Krankenkasse geschlossen, sodass die höheren Fahrtkosten nicht zulasten der Patienten gehen.

Die Empfehlungen wurden ehrenamtlich und ohne Einflussnahme kommerzieller Interessengruppen im Auftrag der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention bearbeitet von M. Exner (Leiter der Arbeitsgruppe), Bonn; G. Maschmeyer, Potsdam; B. Christiansen, Kiel; S. Engelhart, Bonn; B. Hornei, Köln; N. Wischnewski, Berlin; A. Simon, Bonn.