Grundlagen

Diagnosekriterien

Die frühzeitige Diagnose und ein schneller Therapiebeginn sind entscheidende Schritte in der Therapie der Sepsis und des septischen Schocks. Trotz detaillierter Kriterien war die Diagnosestellung auf Basis des klassischen Konzepts des „systemic inflammatory response syndrome“ (SIRS) mit relevanten Problemen und Unschärfen assoziiert und führte zu einer Unterschätzung der Erkrankung [1]. Beispielhaft illustriert die retrospektive Analyse von Kaukonen et al. [2] an insgesamt 109.663 Patienten, dass 12,5 % der Patienten trotz schwerer Infektion und neu aufgetretener Organdysfunktion die (nach SEPSIS-1 [3]) geforderten SIRS-Kriterien nicht erfüllt haben und die Diagnose „Sepsis“ nicht gestellt wurde. Vice versa erfüllt eine Reihe von Patienten im Verlauf einer Hospitalisation an einem Punkt die SIRS-Kriterien, ohne je eine relevante Infektion zu entwickeln oder eine damit assoziierte erhöhte Sterblichkeit zu haben [4, 5]. Die schlechte Validität des SIRS-Konzepts (SEPSIS-1/2) und der Wunsch nach sensitiveren Diagnosekriterien führten im Rahmen der 3. Internationalen Konsensuskonferenz zur Definition der Sepsis und des septischen Schocks (SEPSIS-3) zur Etablierung vereinfachter und (vermeintlich) praktikablerer Diagnosekriterien. Gemäß der SEPSIS-3-Task Force erfolgt die Identifikation von Risikopatienten (z. B. im Ambulanzbereich und in Notfallaufnahmen) nun durch die Anwendung eines einfachen, modifizierten quickSOFA-Scores (qSOFA-Score, SOFA: Sequential Organ Failure Assessment; [5]). Ziel des Screenings mithilfe des qSOFA ist es, Patienten mit einer wahrscheinlichen Sepsis zu identifizieren und einer weiteren Diagnostik sowie intensiver Überwachung zuzuführen. Erfüllt der Patient 2 der insgesamt 3 qSOFA-Kriterien (Atemfrequenz >22/min, verändertes Bewusstsein, systolischer Blutdruck <100 mmHg), besteht die Indikation zu intensivmedizinischer Betreuung und weiterer Diagnostik (einschließlich Lactatbestimmung). Im Verlauf stellen dann der klassische SOFA-Score und eine neu aufgetretene Organdysfunktion die Grundlage der definitiven Diagnose „Sepsis“ (SOFA Score ≥2) dar. Somit wird die Organdysfunktion ab sofort zur maßgeblichen Voraussetzung der Diagnose.

Deklarierte Ziele von SEPSIS-3 sind, neben der hämodynamischen, symptomatischen Therapie, auch die schnelle Identifikation des Infektfocus (und Focussanierung) sowie der schnellstmögliche Beginn einer kalkulierten, antiinfektiven Therapie [5,6,7]. Ob SEPSIS-3 jedoch die Erwartungen erfüllen kann, ist fraglich. Kritisch anzumerken ist, dass die Einführung der Organdysfunktion als obligatorisches Kriterium der Diagnosestellung u. U. zu einer Verschleppung der definitiven Diagnose in ein späteres, möglicherweise schwerwiegenderes, Krankheitsstadium führen könnte [8]. Ein Resultat wäre dann z. B. der verzögerte (und möglicherweise weniger effektive) Therapiebeginn. Die Diagnose der Sepsis auf Basis des SOFA-Scores ist darüber hinaus nicht unumstritten. So erreichen z. B. jene Patienten mit chronischen Erkrankungen auf einer oder mehreren Achsen (z. B. terminale Niereninsuffizienz, „chronic obstructive pulmonary disease“ [COPD], Leberinsuffizienz) beim SOFA-Score bereits ab initio eine hohe Punktzahl, die durch eine vorliegende Sepsis dann kaum mehr zu steigern ist.

Fazit.

Die Sepsis ist eine lebensbedrohliche Organdysfunktion auf dem Boden einer Infektion. Die Diagnosestellung erfolgt nach den Kriterien von SEPSIS-3. Der neu eingeführte qSOFA dient ab sofort außerhalb der Intensivstation der Erkennung von Risikopatienten, während die definitive Diagnose dann anhand des SOFA-Scores und einer neu aufgetretenen Organdysfunktion als weiteres Kriterium gestellt wird. Ziel ist eine Steigerung der Detektionsrate der Sepsis.

Epidemiologie

Pathophysiologisch ist die Sepsis eine fehlregulierte immunologische Reaktion des Wirtsorganismus auf eine Infektion [5, 9, 10]. Als Sonderform ist der septische Schock eine besonders schwere Verlaufsform der Sepsis mit schwersten, zellulär-metabolischen und kardiozirkulatorischen Problemen sowie einer konsekutiv assoziierten sehr hohen Sterblichkeit der Patienten (bis zu 50 %, [9, 11]). Ähnlich der Behandlung des Schlaganfalls, des Myokardinfarkts oder der Versorgung schwerstverletzter Patienten (Polytrauma) kommt bei der Sepsis der frühen Diagnose und zeitnahen Behandlung eine entscheidende Rolle zu. Steigende Inzidenzen in der letzten Dekade [12,13,14] machen die Sepsis zu einer medizinischen Herausforderung in der Intensivmedizin [15]. Solide epidemiologische Daten zur Sepsis schwanken je nach Geografie und den diversen Studien zum Thema. Exemplarisch fanden Fleischmann et al. [12] in retrospektiven Arbeiten zwischen 2007 und 2013 einen Anstieg der Sepsisinzidenz um ca. 5,7 % jährlich. Die Sterblichkeit der Patienten war mit bis zu 55 % sehr hoch (47 % ohne und 62 % mit Vorliegen eines Schocks; [12, 13, 16]). Die 2016 publizierte, multizentrische, prospektive INSEP-Studie („Incidence of severe sepsis and septic shock in German intensive care units“; [17]) zu Inzidenz und Sterblichkeit bei Sepsis und septischem Schock auf deutschen Intensivstationen erbrachte ähnliche Ergebnisse: Es waren 12,6 % der Studienteilnehmer an einer schweren Sepsis oder einem septischen Schock erkrankt (1503 von 11.883 Patienten). Die errechnete Inzidenzrate der schweren Sepsis und des septischen Schocks erreichte bei INSEP [17] 11,64 % pro 1000 Behandlungstage (95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 10,51–12,86); die Sterblichkeit dieses Studienkollektivs betrug 34,3 % für den Intensivstationaufenthalt und 40,4 % für den Krankenhausaufenthalt. Daten aus internationalen Studien bewegen sich in einer ähnlichen Größenordnung [14, 18,19,20,21,22]. Während die Sepsis auf nichtoperativen Intensivstationen als dritthäufigste Todesursache geführt wird [23, 24], ist sie in der operativen Intensivmedizin die Haupttodesursache [15]. Doch neben der hohen Sterblichkeit und weiterhin schlechten Therapieergebnissen entstehen durch Sepsis jährlich auch relevante Kosten für die Gesundheitssysteme [21].

Ausgangspunkte der Sepsis sind der initiale, infektiöse Stimulus und eine daraus resultierende, fehlregulierte Immunreaktion. Aus infektiologischer Sicht spielen nosokomial erworbene Infektionen eine besondere Rolle. Bei INSEP [17] waren 57,2 % der detektierten Infektionen nosokomialer Genese. Bei 25,7 % dieser nosokomialen Infektionen erfolgte die Infektion wiederum auf der Intensivstation. Nimmt man die Gesamtheit der Intensivstationen, liegen die Infektfoci bei ca. 60–63 % der Patienten im Bereich der Atemwege, in 25–30 % der Fälle intraabdominell und bei bis zu 10 % im Bereich der Haut- und Weichgewebe [24,25,26]. Im Bereich der operativen/chirurgischen Intensivmedizin kommt dem intraabdominellen Focus und den Infektionen des Weichgewebes eine herausragende Rolle als Ausgangspunkt der Sepsis zu. Wichtige und häufig anzutreffende „Problemerreger“ ausgewählter Erkrankungen zeigt Tab. 1.

Tab. 1 Typische Erreger ausgewählter Infektionen in der Intensivmedizin

Das Erregerspektrum umfasst sowohl grampositive Kokken, wie z. B. Staphylococcus aureus und Streptococcus pneumoniae, als auch gramnegative Stäbchen, wie z. B. die Enterobacteriaceae Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae, sowie Pseudomonas aeruginosa [27,28,29]. Da die Zahl an Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRE) in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist, sind diese auch häufiger Auslöser einer Sepsis – insbesondere im Fall nosokomialer Infektionen [17]. In den letzten Jahren verzeichnet Deutschland einen Anstieg von Infektionen mit multiresistenten gramnegativen Erregern (MRGN, [30]). Wenngleich diese Entwicklung in verschiedenen europäischen Nachbarländern weitaus gravierender ausfällt [31,32,33], werden antibiotikaresistente Erreger auf deutschen Intensivstationen zunehmend häufiger als Ursache schwerer, kaum zu beherrschender (nosokomialer) Infektionen mit hoher Sterblichkeit isoliert. Klassische MRE aus dem gramnegativen Bereich umfassen die Enterobacteriaceae (z. B. E. - coli-Spezies, Klebsiella-Spezies) und Nonfermenter (z. B. Pseudomonas-Spezies, Acinetobacter-Spezies). Diese Gruppen besitzen häufig Resistenzen gegenüber Breitspektrumantibiotika. Hierbei spielt v. a. die enzymatische Inaktivierung (z. B. β‑Lactamasen) von Antibiotika eine bedeutende Rolle. Multiresistente grampositive Erreger, wie Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) oder Methicillin-resistente Staphylokokken (MRSA), stellen ein weiteres Problemkollektiv dar. Während der Anteil an (asymptomatischen) VRE-Trägern und VRE-Infektionen weiterhin zunimmt [30, 34], verliert der MRSA als Erreger septischer Krankheitsbilder in den letzten Jahren an klinischer Bedeutung [30].

Der Einfluss des globalen Tourismus und der Fernreisen in Gebiete mit einer hohen Prävalenz an MRE und MRE-Trägern bei der Distribution von MRE ist erst seit wenigen Jahren verstärkt in den Fokus gerückt [35]. Eine prospektive Untersuchung aus 2017 [36] zeigte, dass z. B. bis zu 75 % der untersuchten Reisenden nach der Rückkehr aus Indien eine Besiedlung mit Enterobacteriaceae aufwiesen, die Breitspektrum-β-Lactamasen produzierten. Obwohl diese Touristen primär symptomfreie Träger der MRE sind, können diese im Rahmen einer Infektion (z. B. abdominelle Infektion) Relevanz erlangen. Aufgrund der besorgniserregenden Entwicklung von steigenden Infektionsraten mit multiresistenten Erregern und dem Auftreten immer neuer Resistenzphänotypen erließ die World Health Organization (WHO) bereits 2015 einen Aktionsplan zu Eindämmung und Prävention von MRE und MRE-Infektionen [37].

Fazit.

Mit steigenden Inzidenzen stellen die Sepsis und der septische Schock auf operativen Intensivstationen die Haupttodesursache von Patienten dar. Die Sterblichkeit der Patienten ist anhaltend hoch. Nosokomiale Infektionen und/oder Infektionen mit MRE als schwer therapierbare Erreger spielen eine wesentliche Rolle in der Entstehung und der Therapie der Sepsis und tragen zu der hohen Sterblichkeit der Erkrankung bei.

Allgemeine Therapieprinzipien: Sepsisbündel

Lange galt die von Rivers et al. [38] postulierte „early goal directed therapy“ (EGDT) als Goldstandard der Sepsistherapie. Bis heute sind Intensivmediziner mit dem Prinzip der EGDT vertraut. Durch Vorgabe eines strikten Behandlungspfades und dessen strikte Einhaltung gelang es Rivers et al. erstmals, die Sterblichkeit der Patienten in der Sepsis nachweislich zu reduzieren. Folgestudien zur Therapieoptimierung der Sepsis fanden jedoch heraus, dass flexiblere Maßnahmenbündel („sepsis bundles“) der strikten EGDT nicht unterlegen waren [18, 19, 39, 40]. Als Konsequenz verließ man die EGDT nach Rivers et al. und implementierte die von der Surviving Sepsis Campaign (SSC) definierten Sepsisbündel [7]. Diese beinhalten neben der Definition der Sepsis als medizinischem Notfall, der hämodynamischen Optimierung (30 ml/kgKG Flüssigkeit) des Patienten und der Focussuche bzw. Erregerdiagnostik auch den schnellen Beginn einer kalkulierten Antibiotikatherapie innerhalb der ersten Stunde nach Erkennen der Sepsis („recognition of sepsis“, [7], [1, 41,42,43]). Dass die Adhärenz zu definierten Maßnahmenbündeln die Sterblichkeit septischer Patienten senkt, wiesen Damiani et al. in einer insgesamt 50 Studien umfassenden Metaanalyse nach („odds ratio“ [OR] 0,66; 95 %-KI, 0,6–0,72; [44]). Prospektive Untersuchungen, wie z. B. die International Multicentre Prevalence Study on Sepsis (IMPreSS) von Rhodes et al. erreichten durch Umsetzung von Maßnahmenbündeln eine Reduktion der Krankenhaussterblichkeit bis zu 36–40 % [45]. Dies wird auch durch weitere Studien belegt [18, 19, 40].

Dass nicht jede Maßnahme der Sepsisbündel gleiches Gewicht bzw. gleiche Priorität hat, konnten Seymour et al. [46] in einer aktuellen, retrospektiven Arbeit zeigen. Hier waren die schnelle Komplettierung des 3‑h-Maßnahmenbündels und der möglichst frühe Beginn einer Antibiotikatherapie die maßgeblichen Faktoren einer Reduktion der Sterblichkeit. Erstaunlicherweise scheinen die Vervollständigung des Flüssigkeitsbolus (zumindest in dieser Studie) und damit die hämodynamische Stabilisierung in der Akutphase weniger relevant für das Überleben der septischen Patienten zu sein. Die Einbindung der Intensivpflegekräfte in das therapeutische Team ist von großer Bedeutung und führte in Studien ebenfalls zur Senkung der Sterblichkeit [47, 48].

Fazit.

Die Maßnahmenbündel der SSC stellen den neuen Therapiestandard der Sepsis dar. Die Adhärenz zu diesen Empfehlungen führt zu einer deutlichen Senkung der Krankenhaussterblichkeit. Neben der hämodynamischen Optimierung des Patienten stellen die frühestmögliche (≤1 h) kalkulierte Antibiotikatherapie und eine umgehende Focussanierung zentrale Elemente der Therapie dar.

Biomarker und Erregerdiagnostik

Auch nach SEPSIS-3 [5] werden weiterhin diverse Biomarker zu Diagnostik, Therapiesteuerung und Prognoseabschätzung verwendet. Die Relevanz verschiedener „Sepsismarker“ bleibt jedoch weiterhin unklar. In den vergangenen Jahren wurde eine Vielzahl neuer Biomarker untersucht, jedoch vermochte keiner mit hinreichender Spezifität und Sensitivität, eine Sepsis sicher zu erkennen bzw. definitiv auszuschließen [49, 50]. Im Folgenden werden einige wichtige und in der klinischen Routine häufig bestimmte Infektionsmarker in Bezug auf ihre Wertigkeit und ihren prognostischen Nutzen im Kontext der Sepsis behandelt. Ebenso werden experimentelle Biomarker vorgestellt, die noch keinen Eingang in die klinische Routine gefunden haben.

Biomarker

Lactat

Als Produkt der anaeroben Glykolyse dient Lactat (Anion der Milchsäure) als Biomarker einer Gewebehypoxie. Im Rahmen eines Schocks führen die beschleunigte Glykolyse und der verminderte mitochondriale Metabolismus zur vermehrten Lactatproduktion. Ebenso kommt es in dieser Situation durch eine verminderte Elimination und eine Enzyminduktion zum weiteren Lactatanstieg. In der Sepsis kann Lactat sowohl zur Prognose als auch zur Therapiekontrolle eingesetzt werden (Stagnation bzw. Abfall der Plasmakonzentrationen, [51,52,53,54,55]). Nach Jahren kontroverser Diskussion wurde in die neu gefassten Definition des septischen Schocks [5] die Hyperlaktatämie >2 mmol/l (≈18 mg/dl) als zwingende Voraussetzung zur Diagnosestellung aufgenommen [10]. Durch die Analyse der Daten von über 280.000 Patienten der SSC konnten Casserly et al. [53] zeigen, dass eine Hyperlaktatämie >4 mmol/l und eine geringe Lactat-Clearance binnen der ersten 6 h mit einem signifikanten Anstieg der Krankenhaussterblichkeit assoziiert waren.

Prokalzitonin

Prokalzitonin (PCT) hat sich in den vergangenen Jahren als sensibler und schneller Parameter einer bakteriellen Infektion im klinischen Alltag fest etabliert und wird aufgrund seiner Kinetik (Response-Halbwertszeit [Response-HWZ] bis 4–6 h) bei bakteriellen Infektionen als diagnostischer Goldstandard angesehen [56, 57]. Trotz dieser Vorteile können insbesondere regional begrenzte Infektionen, wie eine beatmungsassoziierte Pneumonie oder Abszesse, ohne einen PCT-Anstieg auftreten [58, 59]. Ebenso schwierig ist zuweilen die Interpretation des PCT bei kritisch kranken Patienten mit relevanten Leberfunktionsstörungen bzw. nach leberchirurgischen Eingriffen. Hier treten gelegentlich PCT-Anstiege ohne eine bakterielle Infektion auf. Ob PCT als hinreichend sicherer Marker angesehen werden kann, um zwischen verschiedenen Schweregraden der Sepsis und einem nichtinfektiösen SIRS zu unterscheiden, wird kontrovers diskutiert [58, 60, 61]. Spezifität und Sensitivität des PCT betragen unabhängig vom Cut-off-Wert des bestimmenden Labors in der Diagnose der Sepsis unter 90 % [62, 63]. Daher sollte PCT stets unter Berücksichtigung des klinischen Zustands des Patienten und seiner Limitationen interpretiert werden [58]: Mit einer Induktionszeit von ca. 4 h besteht auch beim PCT grundsätzlich die Möglichkeit der Entwicklung eines fulminanten septischen Schocks ohne relevanten PCT-Anstieg.

Interleukin-6

Ein Biomarker, der besonders in der Pädiatrie im Rahmen infektiologischer Erkrankungen bestimmt wird, ist das Interleukin-6 (IL-6). Interleukin-6 wird bereits in einer frühen Phase der Immunreaktion freigesetzt und erreicht binnen 2 h Spitzenspiegel im Plasma (Induktionszeit ca. 20 min). Die IL-6-Spitzenspiegel korrelieren positiv mit Schweregrad und Verlauf der Infektion [64, 65]. Einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass eine Reihe weiterer Erkrankungen ebenfalls mit erhöhten IL-6-Spiegeln einhergeht ([59]; z. B. Autoimmunerkrankungen, Operationen und Trauma). Bei Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock kann ein Abfall des IL-6-Serumspiegels als prognostischer Faktor genutzt werden [66]. Die Kinetik des IL-6-Spiegels kann zudem als Monitor der Effektivität einer antiinfektiven Therapie dienen [66]. Trotz dieser Vorteile sowie der zunehmenden laborchemischen Bestimmung in Notaufnahmen und auf Intensivstationen ist IL-6 kein Routineparameter zur Diagnose der Sepsis im Erwachsenenalter.

C-reaktives Protein

Das C‑reaktive Protein (CRP) wird bereits seit Langem als Routineparameter der Diagnose und Therapiekontrolle von Infektionen bestimmt und zählt zu den hepatisch synthetisierten Akute-Phase-Proteinen. Die Spezifität des CRP für die Diagnose einer Infektion ist insgesamt gering [56]. Anstiege des CRP-Werts kommen nicht nur im Rahmen von Infektionen vor, sondern treten auch nach Operationen, Trauma, Verbrennungen oder im Rahmen der akuten (aseptischen) Pankreatitis auf. Gerade zur Diagnosestellung der Sepsis ist CRP sehr kritisch zu werten. Bei fulminanten Krankheitsverläufen kann durch die Induktionszeit des CRP (Response-HWZ nach Stimulus 6–10 h, relativer Anstieg 10- bis 100-fach) bereits ein septischer Schock vorliegen, ohne dass sich laborchemisch ein Anstieg des CRP-Werts findet. Einen anderen Stellenwert genießt CRP in der Verlaufsbeurteilung und Therapieeffizienzkontrolle der Sepsis [59, 67]. So können persistierend erhöhte CRP-Spiegel oder ein sekundärer Anstieg der Plasmakonzentration unter antiinfektiver Therapie auf eine mangelnde Infektionskontrolle hindeuten (z. B. infektiöse Komplikation, Sekundärinfektionen, polymikrobielle Infektion, MRE, ineffektives Antibiotikum, unzureichende Dosierung des Antibiotikums, [59]). In dieser Situation kann der CRP-Konzentrationsverlauf zu einer Reevaluation der klinischen Gesamtsituation, des vermuteten Focus und des Therapieregimes führen [50, 68].

Proadrenomedullin und löslicher Subtyp des CD14-Oberflächenrezeptors

Neue, experimentelle Biomarker der Sepsis sind z. B. das antiinflammatorische und antimikrobielle Peptid Proadrenomedullin (proADM) oder der lösliche Subtyp des CD14-Oberflächenrezeptors (sCD14-ST, „Presepsin“; [59]):

ProADM zeigte in klinischen Studien eine höhere prognostische Aussagkraft bei septischen Patienten mit einer nosokomialen Pneumonie („hospital-acquired pneumonia“, HAP) als die „klassischen“ Biomarker CRP und PCT [69, 70]. Da es jedoch im Rahmen diverser Erkrankungen, wie beispielsweise bei kardiovaskulären und autoimmunen Erkrankungen, zu erhöhten Plasmaspiegeln kommt [71], ist ADM zur initialen Detektion einer Sepsis eher ungeeignet. In klinischen Studien korrelierte der ADM-Plasma-Spiegel sehr gut mit dem Erkrankungsverlauf bzw. der Erkrankungsschwere und der Sterblichkeit des Patientenkollektivs [69]. Daher könnte ADM zukünftig ein geeigneter Marker zur Prognoseeinschätzung der Sepsis sein. Weiterhin zeigte ADM in einer klinischen Studie eine deutlich höhere Aussagekraft für die Krankenhaussterblichkeit der Patienten als die „klassischen“ Infektionsmarker CRP und PCT [70].

Die sCD14-ST(Presepsin)-Konzentrationen steigen im Plasma binnen 6 h nach bakterieller Infektion an [72]. Aufgrund der relativ starken Korrelation mit bakteriellen Infektionen [73] könnte Presepsin in Zukunft als ein spezifischer Marker zur Detektion einer Sepsis und zur Abgrenzung eines nichtinfektiösen SIRS dienen [74, 75]. Da die Höhen der gemessenen Plasmaspiegel schlecht mit dem Schweregrad der Sepsis korrelieren, scheint Presepsin als prognostischer Marker eher ungeeignet zu sein [75].

Ergänzende laborchemische Untersuchungen

Ergänzende laborchemische Untersuchungen beinhalten im klinischen Alltag natürlich auch die Leukozytenzahl (Leukozytose und Leukopenie) und das klassische Differenzialblutbild. Diese können im Rahmen der Sepsis zusätzliche Hinweise liefern, sollten aber zur Diagnosestellung nicht herangezogen werden.

Fazit.

Es existiert kein hinreichend sensitiver und spezifischer Sepsisbiomarker. Die Marker PCT, IL-6 und Lactat können die Diagnose untermauern und zur Therapieeffizienzkontrolle und/oder zur Prognoseabschätzung (Lactat) herangezogen werden. Wichtig ist das Bewusstsein, dass klassische Infektionsparameter im Rahmen fulminanter Krankheitsverläufe initial normwertig sein können und erst im Verlauf ansteigen. Daher können die Diagnose bzw. der Ausschluss einer Sepsis niemals allein auf diesen Parametern fußen.

Blutkulturen

Eine Konsequenz des möglichst schnellen Beginns einer kalkulierten Antibiotikatherapie [7, 76] ist die umgehende Evaluation des möglichen Infektfocus und der zu erwartenden Erreger der Sepsis. Während die Focussuche insbesondere mithilfe der klinischen Untersuchung und bildgebenden Verfahren erfolgt, müssen mit Blick auf die Identifikation des ursächlichen Erregers umfangreiche Probenentnahmen vorgenommen werden. In der Erregerdiagnostik spielen, neben anderen Proben (z. B. tiefes Trachealsekret/bronchoalveoläre Lavage [BAL], Abszesspunktate, Liquorentnahme, Gewebeproben) Blutkulturen eine sehr wichtige Rolle. Die aseptische Entnahme von 2 bis 3 Blutkulturpärchen [77, 78] sollte vor Beginn der Antibiotikagabe und an unterschiedlichen Entnahmeorten durchgeführt werden. Dabei sollte mindestens einmal frisch punktiert und bei Verdacht auf eine katheterassoziierte Infektion auch aus dem entsprechenden Katheter eine Blutprobe entnommen werden (z. B. zentraler Venenkatheter [ZVK], Shaldon-Katheter, arterieller Katheter) und zur mikrobiologischen Diagnostik eingesandt werden. Die Entnahme von 3 Blutkulturpärchen gelingt binnen weniger Minuten [79] und erbringt bei Vorliegen einer Bakteriämie in über 90 % den Erregernachweis [80, 81]. Bereits die einmalige Gabe/Erstgabe eines Antibiotikums kann den Nachweis des Erregers aus dem Blutkulturmedium unmöglich machen [82, 83]. Obwohl die Erregeridentifikation in der Sepsis elementar wichtig ist (Senkung der Versorgungskosten, Möglichkeit der Deeskalation bzw. erregerspezifische Therapie, Minderung des Selektionsdrucks auf Erreger, Senkung der Patientensterblichkeit, [84, 85]) und die Wahrscheinlichkeit der Erregerisolation bei Bakteriämie durch Anfertigen von Blutkulturen sehr hoch ist, liegt die Entnahmerate mit ca. 55 Blutkulturen/1000 Patiententagen auf deutschen Intensivstationen deutlich unter dem internationalen Durchschnitt (100–200/1000 Patiententagen, [86]). Die Steigerung der Entnahmeraten auf ca. 100 Blutkulturen/1000 Patiententage ist daher dringend zu fordern [87].

Im Umgang mit Blutkulturen kommt der präanalytischen Phase eine hohe Bedeutung zu. Neben der sterilen Entnahme sind die Inokulationsvolumina (8–10 ml/Flasche) und der möglichst unverzügliche Transport in das mikrobiologische Labor kritische Faktoren im Umgang mit Blutkulturen. Die früher propagierte Entnahme von Blutproben zur kulturellen Erregerdiagnostik in der Phase des Auffieberns oder das Beimpfen des Blutkulturmediums mit besonders großen Inokulationsvolumina erhöht die Detektionsraten nicht [88, 89]. Es soll dazu angemerkt werden, dass Koagulase-negative Staphylokokken (KNS) klassische Kontaminanten der Blutkulturen sind. Werden diese nachgewiesen, muss kritisch abgewogen werden, ob der Nachweis Relevanz besitzt oder unsteriles Arbeiten die Ursache ist.

Der entscheidende Nachteil der Blutkulturdiagnostik im Rahmen der Sepsis besteht in der Latenz zwischen Entnahme und Kulturergebnis (18–24 h zum Erregernachweis, bis zu 72 h für eine Resistenztestung).

Fazit.

Die umgehende Focus- und Erregersuche vor Beginn der kalkulierten Antibiotikatherapie ist die Grundlage der erfolgreichen Sepsistherapie. Die Focusidentifikation liefert bereits wichtige Hinweise auf das Erregerspektrum und beeinflusst damit auch die kalkulierte Antibiotikatherapie. Blutkulturen bilden weiterhin den Goldstandard zur Detektion von Bakteriämien, und ihre Entnahme ist in der Sepsis zwingend erforderlich.

Neue Verfahren

Seit geraumer Zeit sind molekulargenetische und kulturunabhängige Verfahren zur Erregerdetektion kommerziell erhältlich. Diese neuen Verfahren erscheinen sinnvoll, da die Phase der empirischen Antibiotikatherapie ohne differenzierten mikrobiologischen Befund im Interesse des einzelnen Patienten, aber auch im Interesse eines rationalen und sparsamen Einsatzes von Antibiotika möglichst kurz gehalten werden sollte [90]. Ebenso ist es insbesondere in der Intensivtherapie wünschenswert, neben dem Erreger v. a. seine Resistenzen gegenüber verschiedenen Antibiotika zu kennen. Während die Detektion von MRSA (mecA- oder mecC-Gen) technisch keine Schwierigkeit darstellt, ist die adäquate Abbildung der β‑Lactam-Resistenz von gramnegativen Bakterien aufgrund Hunderter verschiedener β‑Lactamasen eine Herausforderung [91]. Die meisten Multiplex-PCR-Ansätze beschränken sich daher auf wenige, häufig vorkommende Resistenzdeterminanten. Hier können die molekulargenetischen Verfahren bislang jedoch nur wenige Resistenzmechanismen detektieren [92]. Ob die von den Herstellern propagierte, kürzere Latenz zwischen Entnahme und Befund [93] in der Praxis realisierbar ist, scheint fraglich. Da eine eubakterielle Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und Sequenzierung der amplifizierten DNA viele Stunden in Anspruch nimmt, ist ein deutlicher Zeitgewinn PCR-basierter Verfahren in der Erregerdiagnostik v. a. dort realisierbar, wo nach definierten Erregern bzw. innerhalb eines begrenzten Erregerspektrums gesucht wird, wie z. B. die Suche nach Neisseria meningitidis und Listeria monocytogenes bei der Meningoenzephalitis oder in der Diagnostik viraler Infektionen. Einen Vorteil PCR-basierter Verfahren liegt sicher darin, dass Pathogene (DNA-Fragmente) auch dann noch detektierbar sind, wenn die Kulturdiagnostik – z. B. durch eine antiinfektive Vorbehandlung – kompromittiert ist.

Inwieweit eine PCR-basierte Diagnostik Einfluss auf therapeutische Entscheidungen hat, die konsekutiv das Patienten-Outcome verbessern, ist bisher kaum untersucht. In einer Beobachtungsstudie, bei der die Implementierung einer Multiplex-PCR auf einer Intensivstation im klinischen Alltag untersucht wurde, zeigte sich nur dann ein Einfluss des Verfahrens, wenn ein Erreger nachgewiesen wurde, der durch die initiale kalkulierte Therapie nicht erfasst wurde. Dabei handelte es sich um MRE (VRE und MRSA) sowie Candida-Spezies [94]. Bislang wurden nur 2 randomisierte Studien zu dieser Thematik publiziert: In einer Studie zu einer Aspergillus-PCR vs. Standarddiagnostik bei Patienten mit Fieber in Neutropenie konnte die Letalität durch die PCR-gesteuerte Therapie signifikant reduziert werden [95]. In einer anderen Arbeit auf einer indischen neonatologischen Intensivstation zeigte sich ein signifikanter Überlebensvorteil für eine Multiplex-PCR vs. Blutkulturdiagnostik [96]. Bei letzterer Arbeit muss kritisch angemerkt werden, dass in einem Umfeld mit ausgesprochen hoher Extended-spectrum-β-lactamases(ESBL)-Rate standardmäßig eine kalkulierte Initialtherapie mit Cephalosporinen erfolgte.

Im Folgenden werden 3 neue Arten der Erregerdiagnostik vorgestellt.

Kombination aus Polymerase-Kettenreaktion und Massenspektrometrie

Das IRIDICA®-System (Fa. Abbott, Chicago, Illinois, USA) basiert auf einer Kombination aus PCR und Massenspektrometrie (PCR/ESI-MS-Verfahren; ESI-MS: „electrospray ionization mass spectrometry“). Durch Anwendung distinkter Primer können in ca. 6 h zielgerichtet bis zu 800 bakterielle, fungale und virale Erreger detektiert werden. Die nach der PCR gewonnenen Amplifikate können dann im zweiten Schritt durch einen vollautomatischen Datenbankabgleich anhand ihres molekularen Gewichts einem spezifischen Erreger zugeordnet werden. Mögliche Probenmaterialien umfassen neben Blut z. B. auch Sputum oder Gewebepartikel. Die prospektive Studie The Rapid Diagnosis of Infections in the Critically Ill (RADICAL, [97]) verglich die Ergebnisse konventioneller Blutkulturen mit denen des IRIDICA®-Systems an 616 Patientenproben. Die Anwendung des PCR/ESI-MS-Verfahrens erreichte dabei eine Sensitivität von 81 % und eine Spezifität von 69 %. Der negative prädiktive Wert des Testverfahrens betrug in dieser Studie 97 %. IRIDICA® ist zudem in der Lage, das Vorliegen einiger weniger Resistenzgene nachzuweisen (mecA, vanA/B, KPC). Neben dem potenziellen Zeitvorteil kann eine Erregerdiagnostik bei diesem Verfahren durch das Amplifikationsprinzip auch dann noch gelingen, wenn die Antibiotikatherapie bereits eingeleitet wurde und ein Nachweis des Erregers mit konventionellen/kulturellen Verfahren nicht mehr möglich ist. Weitere prospektive Daten zu diesem Verfahren fehlen noch.

„Next generation sequencing“

Eine weitere Technik ist das „next generation sequencing“ (NGS). Bei diesem Verfahren werden durch Extraktion zellfreier DNA (cfDNA) aus Plasmaproben zunächst alle Pathogene detektiert und sequenziert. Eine Diskrimination zwischen Infektion und Kolonisation ist mithilfe der Berechnung des Sepsis Indicating Quantifier (SIQ) Score möglich [98]. In Analogie zu den PCR-basierten Verfahren besteht ein weiterer Vorteil des NGS in der Vorhersagemöglichkeit von bestimmten Resistenzphänotypen [98]. Das NGS wird in der Zukunft sicher zunehmend interessant werden, da sich hier – analog zur Blutkultur – die Möglichkeit der breiten Erregersuche bietet und diese unabhängig von der Wachstumsgeschwindigkeit des Erregers ist.

Erregerbestimmung und Ermittlung der spezifischen minimalen Hemmkonzentration

Ein Verfahren zur Erregerbestimmung und Ermittlung der spezifischen minimalen Hemmkonzentration (MHK) ist der Accelerate Pheno TestTM BC Kit (Fa. Accelerate DiagnosticsTM Inc., Tucson, Arizona, USA). Mithilfe einer vollautomatisierten Testung von erregerpositiven Blutproben können eine Vielzahl grampositiver und -negativer Erreger (sowie Candida-Spezies) identifiziert und die MHK klassischer Breitspektrumantibiotika getestet werden. Laut Angaben des Herstellers gelingt die Erregeridentifikation aus einer positiven Blutprobe binnen 90 min; die Ergebnisse der Suszeptibilitätstestung liegen binnen 7 h vor. Somit scheint dieses Verfahren grundsätzlich geeignet, das Intervall zwischen empirischer und gezielter, erregerspezifischer (MHK-adaptierter) Therapie deutlich zu verkürzen und die erhöhte Sterblichkeit von Patienten durch eine initial inadäquate Therapie einer Bakteriämie („bloodstream infection“, BSI) zu reduzieren [99, 100]. Die Möglichkeit einer frühen Anpassung der antiinfektiven Therapie rückt damit näher.

Ausblick

Die genannten PCR- und NGS-basierten Verfahren bieten interessante Optionen, die Erregeridentifikation und Resistenzphänotypisierung zu beschleunigen und die Therapie der Sepsis positiv zu beeinflussen. Dennoch werden diese Verfahren heute noch nicht in der Routine eingesetzt [93]. Die Kosten der Untersuchungen sind aktuell sehr hoch [101, 102] und bedingen den überwiegenden Einsatz im Rahmen von Studien. Verfahren wie der Accelerate Pheno TestTM BC Kit könnten künftig, neben der Erregeridentifikation, zeitnahe MHK-Daten liefern und somit eine frühere, individuellere Therapie erlauben.

Fazit.

Die PCR-basierten Verfahren der Erregerdiagnostik sind seit vielen Jahren etabliert. Neue Verfahren auf molekulargenetischer Basis detektieren aktuell nur definierte Erreger und bestimmte Resistenztypen. Sie werden noch nicht in der klinischen Routine verwendet. Durch die Möglichkeit der Erfassung eines sehr breiten Erregerspektrums (analog der Blutkultur) ist das NGS ein vielversprechendes Verfahren für die Zukunft.

Kalkulierte Antibiotikatherapie

Behandlungsprinzipien

Operative Intensivbehandlungspatienten mit Sepsis und septischem Schock werden heute von einem interdisziplinären, interprofessionellen Behandlungsteam aus Intensivmedizinern, Chirurgen, klinischen Pharmazeuten/Pharmakologen, Mikrobiologen/Hygienikern und Konsiliarärzten anderer Fachdisziplinen (z. B. Neurologie, Kardiologie, etc.) betreut.

Das zentrale Motto der erfolgreichen antiinfektiven Therapie wurde bereits 1913 von Paul Ehrlich auf dem 17th International Congress of Medicine mit der Aufforderung [103] „Frapper fort et frapper vite“ („hit hard and fast“) formuliert – sie gilt bis heute.

Ehrlichs Motto der schnellen Antibiotikatherapie wurde Ende der 1990er-Jahre z. B. durch Kollef et al. aufgegriffen. Sie zeigten [104], dass die verzögerte Antibiotikagabe mit einem deutlichen Anstieg der Sterblichkeit septischer Patienten assoziiert war. Dass neben dem Zeitfaktor auch die Effektivität der Therapie in der Sepsis entscheidend ist, resümierten Kumar und Kethireddy 100 Jahre nach Paul Ehrlich in einem Editorial des Jahres 2013 [105] mit den Worten „Speed is life but a hammer helps too“. Untermauert wird dieses Motto durch die Auswertung der ersten (ca. 1000) Patienten der Studie Medical Education for Sepsis Source Control and Antibiotics (MEDUSA, [6]). Hier wiesen septische Patienten mit initial inadäquater Therapie eine signifikant höhere 28-Tage-Sterblichkeit auf. Einerseits erhöhte eine Verzögerung (>6 h) der chirurgischen Focussanierung und -kontrolle die Sterblichkeit um 16,2 % (42,9 % vs. 26,7 %, p < 0,001). Andererseits war auch eine inadäquate Antibiotikatherapie (unabhängig vom Zeitpunkt der Erstgabe) mit einem signifikanten Anstieg der Sterblichkeit assoziiert (30,3 % vs. 40,9 %, p < 0,001). Nach Abschluss der Studie werteten Bloos et al. im Jahr 2017 [106] den Gesamtdatensatz von MEDUSA mit insgesamt 4000 Patienten aus und untersuchten u. a. den Effekt des Zeitpunkts der ersten Antibiotikagabe auf die Patientensterblichkeit. Sie fanden, dass mit jeder Stunde der Verzögerung einer Antibiotikatherapie ein Anstieg der Sterblichkeit um 2 % resultierte. Auch die protrahierte Focussanierung war mit einer Zunahme der Sterblichkeit um 1 % je Stunde vergesellschaftet [106]. Diverse weitere Arbeiten konnten die Assoziation zwischen verzögerter Erstgabe und einem Anstieg der Sterblichkeit [6, 107,108,109,110,111] und der Verschlechterung sekundärer Endpunkte (z. B. akute Nierenschädigung, Entwicklung eines „acute respiratory distress syndrome“ [ARDS], Anstieg des SOFA-Scores, [112,113,114]) im untersuchten Patientenkollektiv belegen. Daher verwundert es nicht, dass das rasche Initiieren einer kalkulierten Antibiotikatherapie einer der wichtigsten Pfeiler der Sepsistherapie ist [1, 7, 76, 115,116,117,118,119] und ein zentrales Element der aktuellen Leitlinien darstellt [7]. Bereits 2006 identifizierten Kumar et al. [115] in einer retrospektiven Analyse den Faktor „Zeit“ als unabhängigen Prädiktor für das Überleben der Patienten im septischen Schock und paraphrasierten ihre Ergebnisse in Anlehnung an die Zeitvorgabe der Behandlung Schwerstverletzter als die „golden hour of sepsis“. Spätere Arbeiten zeigte ähnliche Ergebnisse [76, 107, 120]. Obwohl der Zeitfaktor und ein Anstieg der Sterblichkeit durch Verzögerung der Antibiotikagabe scheinbar sehr gut belegt sind, gibt es berechtigte Kritikpunkte am Konzept der „golden hour of sepsis“ und der abgeleiteten Notwendigkeit der kalkulierten Therapie in der ersten Stunde [7, 115]. In einem aktuellen Editorial fasst Singer [121] diese Kritikpunkte zusammen und relativiert das Dogma der „golden hour of sepsis“ in Bezug auf das Problem des Übereinsatzes von Antibiotika bei kritisch Kranken auf Intensivstationen und dem Phänomen der „incestuous amplification“.

Moderne Sepsistherapie ist heute eine interprofessionelle Herausforderung. Die ständige Reevaluation aller Therapieaspekte ist für den Einzelnen oder eine einzige Fachdisziplin zu komplex. Daher erfolgt die Therapiesteuerung heute meist in einem „antimicrobial stewardship team“ (ABS-Team, [122]). Dieses Team umfasst u. a. Infektiologen/Mikrobiologen und klinische Pharmazeuten. In einer aktuellen Metaanalyse zur Effektivität dieser ABS-Aktivitäten, basierend auf 145 Studien, die 14 ABS-Maßnahmen adressierten, zeigte sich eine Reduktion der Letalität durch eine verbesserte Leitlinienadhärenz (Reduktion der Letalität um 35 %; relatives Risiko [RR] 0,65; 95 %-KI 0,54–0,80, p < 0,0001) und eine konsequente Deeskalation (Reduktion der Letalität um 65 %; RR 0,44; 95 %-KI 0,30–0,66, p < 0,0001; [123]). Die ABS-Maßnahmen sind mittlerweile ein fester Bestandteil auf Intensivstationen und werden in der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie e. V. (DGI, [124]) berücksichtigt.

Fazit.

Die kalkulierte Antibiotikatherapie der Sepsis sollte schnellstmöglich (idealerweise binnen der ersten Stunde nach Bemerken der Sepsis) eingeleitet werden. Die weitere Therapieführung übernimmt ein interprofessionelles ABS-Team.

Tarragona-Strategie

Ein konkretes Behandlungskonzept ist die Tarragona-Strategie [125]. Ursprünglich für beatmungsassoziierte Pneumonien („ventilator-associated pneumonia“, VAP) etabliert, kann sie auch in der initial kalkulierten Therapie der Sepsis angewandt werden und umfasst die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen Überlegungen. Die Kernaussagen des Tarragona-Konzeptes finden sich in Tab. 2.

Tab. 2 Tarragona-Strategie. (Mod. nach Sandiumenge et al. [125])

Kernpunkt ist auch hier die frühe, hochdosierte und ausreichend breite Antibiotikatherapie. Weiterhin fließen der wahrscheinliche Infektfocus, individuelle Risikoprofile der Patienten, die Möglichkeit des Vorliegens multiresistenter Erreger und lokale Antibiotikaresistenzraten in das Konzept ein. Gerade bei intensivmedizinischen und/oder invasiv beatmeten Patienten sind nosokomiale Infektionen durch MRE von besonderem Interesse [21, 30] und müssen damit bei der Wahl der Antibiotika Berücksichtigung finden. Werden etablierte Behandlungskonzepte verlassen, ist ein Therapieversagen die häufige Konsequenz [126]. Anzumerken ist, dass die Tarragona-Strategie die Möglichkeit der ständigen Reevaluation und Therapiekontrolle beinhaltet. Die regelmäßige Überprüfung der Kernfragen dieses Konzepts in festen Zeitabständen und bei Veränderungen des Patientenzustands in der Sepsis ist obligatorisch.

Behandlungsdauer und Therapiesteuerung

Die anhaltend hohe Sterblichkeit der Patienten mit Sepsis und septischem Schock [116] sowie die Assoziation mit der verzögerten und/oder ineffektiven Antibiotikatherapie führten zur Forderung der schnellstmöglichen, kalkulierten Erstgabe (<1 h) eines Breitspektrumantibiotikums [7]. Da die Erregeridentifikation und, vielleicht wichtiger, die Resistenzphänotypisierung viele Stunden bis Tage dauern kann, bedarf es im Hinblick auf die kalkulierte Antibiotikatherapie besonderer Vigilanz und Vorsicht. Die Wahl der Substanzklasse und die Entscheidung über eine kalkulierte Mono- oder Kombinationstherapie orientieren sich am (vermuteten) Focus und am klinischen Zustand des Patienten (Vorliegen eines septischen Schocks, Immunsuppression usw.). Daher gilt es, trotz des zeitkritischen Notfalls „Sepsis“, folgende grundsätzliche Fragen zu erörtern:

  • Welcher Focus ist Ausgangspunkt der Sepsis, und wie kann der Focus saniert werden (operativ, interventionell z. B. durch Computertomographie[CT]-gesteuertes Einlegen einer Drainage)? Mit welchen Erregern muss man rechnen?

  • Befindet sich der Patient im septischen Schock?

  • Wie wahrscheinlich ist das Vorliegen einer Infektion mit einem MRE? Existieren Risikofaktoren: antiinfektive Vorbehandlung, häufige Hospitalisierung, bekannte Besiedlung mit einem MRE oder häufige Reisen in Endemiegebiete?

Aus diesen Überlegungen kann die Notwendigkeit der primären Kombinations- oder Monotherapie abgeleitet werden. Im Verlauf der stetigen therapeutischen Reevaluation und nach der mikrobiologischen Identifikation des Erregers samt Resistenztestung erfolgt die Anpassung der Therapie im Sinne einer De- oder Eskalation [102].

Auf diese Weise gelingt es, die Überlebenschancen der Patienten zu wahren [7]. Eine grundsätzliche Kombinationstherapie aus 2 (oder mehreren) Breitspektrumantibiotika ist aufgrund der uneinheitlichen Datenlage nicht zu empfehlen. Zwar existieren Arbeiten, die eine Reduktion der Sterblichkeit durch eine Kombination zeigten [127,128,129,130,131,132], in der randomisierten, multizentrischen MaxSep-Studie („Comparison of Two Antibiotic Regimen [Meropenem vs. Meropenem+Moxifloxacin] in the Treatment of Severe Sepsis and Septic Shock“) von Brunkhorst et al. [133] fand sich in der Behandlung der schweren Sepsis aber wiederum kein Vorteil der Kombinationstherapie (Moxifloxacin/Meropenem) gegenüber der Monotherapie (Meropenem). Die Sterblichkeit betrug 28 Tage nach Randomisierung 23,9 % (95 %-KI 19–29,4 %) in der Kombinationsgruppe und 21,9 % (95 %-KI 17,1–27,4 %) in der Monotherapiegruppe. Das Behandlungsergebnis war auch an Tag 90 nicht signifikant verschieden [133]. Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die primäre Kombinationstherapie einer Sepsis immer dann nicht überlegen war, wenn das Antibiotikum der Monotherapie ein Carbapenem war. In retrospektiven Analysen konnte außerdem festgestellt werden, dass in nur ca. 30 % der Patienten die initiale, kalkulierte Antibiotikatherapie den tatsächlichen Erreger erfasste und eine Deeskalation der Therapie nur bei einem Drittel der Patienten erfolgte [127, 133]. Gleichzeitig potenziert sich durch die Kombination breit wirksamer Antibiotika der Selektionsdruck auf Erreger und kann zur vermehrten Ausbildung von Resistenzen führen [134].

Aufgrund der uneinheitlichen Datenlage kann gemäß der SSC [7] im septischen Schock eine primäre Mono- oder Kombinationstherapie durchgeführt werden (Empfehlungsgrad: hoch, Evidenz: moderat). Während im Rahmen der Sepsis ohne Zeichen eines Schocks einer primären Monotherapie der Vorzug zu geben ist (Ausnahme: katheterassoziierte BSI), kann z. B. im septischen Schock und/oder bei Verdacht auf eine Infektion mit MRE eine primäre Kombinationstherapie zur Erweiterung des Spektrums dringend notwendig sein. Carbapeneme wie Meropenem und Imipenem/Cilastatin sind im Rahmen der Eskalation und Kombinationstherapie bei Vorliegen eines septischen Schocks häufig sinnvolle Kombinationspartner, da sie auch gegen resistente, gramnegative Erreger mit Produktion von Breitspektrum-β-Lactamasen (ESBL) wirksam sind. Grampositive „Problemerreger“ wie MRSA zeigen seit einiger Zeit stabile Resistenzen (sowie eine konstante Inzidenz an Infektionen) und sind meist sensibel gegenüber Vancomycin, Teicoplanin, Tigecyclin und Linezolid. Während die Inzidenz von VRE deutlich ansteigt [34], ist allerdings auch eine Zunahme linezolidresistenter Enterokokken zu verzeichnen [135]. Somit scheinen resistente VRE künftig ein zunehmendes Problem darzustellen.

Während bei Vorliegen eines bekannten Focus oftmals auch die möglichen Erreger eingegrenzt werden können, stellt eine Sepsis mit unbekanntem Focus eine besondere Herausforderung dar.

Grundsätzlich muss im Rahmen einer strukturierten Behandlung spätestens nach 48- bis 72-stündiger Behandlung eine Reevaluation der Therapie erfolgen und ggf. eine Anpassung des antiinfektiven Therapieregimes (Eskalation falls nötig, Deeskalation falls möglich) initiiert werden. Ebenso sollte bei unzureichendem Ansprechen der Therapie der vermutete Infektfocus erneut beleuchtet werden. Als Surrogatparameter der Therapieeffizienz sowie zu Steuerung und Überwachung des Krankheitsverlaufes kann der Verlauf des PCT-Plasma-Spiegels dienen. Viele Arbeiten zum Thema zeigen, dass ein Abfall der PCT-Spiegel mit einer effektiven Antibiotikatherapie korreliert (PCT <0,5 µg/l macht eine bakterielle Infektion sehr unwahrscheinlich) und ein sinnvoller Parameter der Therapiesteuerung ist [79, 136,137,138,139,140]. Schuetz et al. stellten in der Multicenter Procalcitonin Monitoring Sepsis Study (MOSES, [141]) zusätzlich fest, dass ein Abfall des PCT-Spiegels um weniger als 80 % des Ausgangswertes binnen 4 Therapietagen ein unabhängiger Risikofaktor für das Versterben der Patienten war. Obwohl de Jong et al. [138] in ihrer Arbeit zur PCT-unterstützten Deeskalation der antiinfektiven Therapie neben einer Verkürzung der Antibiotikaexposition auch ein signifikantes Absinken der Sterblichkeit innerhalb des Patientenkollektivs beobachteten, konnte ein Überlebensvorteil durch dieses Vorgehen in einer aktuellen Cochrane-Analyse [142] mit 10 Studien und über 1000 Patienten nicht nachgewiesen werden. Zusammenfassend sollte einem PCT-gesteuerten Therapie-Monitoring gegenüber anderen Biomarkern der Vorzug gegeben werden [79, 140, 143, 144]. Auch wenn ein Überlebensvorteil bisher nicht zweifelsfrei gesichert ist, kann dieses Vorgehen die Antibiotikaexposition verkürzen sowie damit Nebenwirkungen und Resistenzbildung reduzieren. Ergeben sich klinisch und laborchemisch Hinweise einer insuffizienten Therapie müssen neben der Reevaluation des Antibiotikaregimes auch eine erneute bildgebende Untersuchung erfolgen sowie niederschwellig eine operative Exploration („second look“) in Betracht gezogen werden. Weiterhin muss bei fehlendem Ansprechen grundsätzlich das Vorliegen einer Infektion mit MRE oder einer invasiven Mykose bedacht werden. Umgekehrt ist bei Ansprechen der Therapie und Vorliegen eines plausiblen mikrobiologischen Erregernachweises und der Resistenztestung eine Deeskalation anzustreben [145]. Es gilt hier nicht das Prinzip: „Never change a winning team.“

Obwohl Studien zu Fragen der Therapiedauer und zügigen Deeskalation keine einheitlichen Ergebnisse erbrachten, konnten z. B. Leone et al. [146] in einer 2014 veröffentlichten Arbeit nachweisen, dass eine antibiogrammgerechte Anpassung der kalkulierten Therapie die Letalität im Vergleich zur fortgeführten empirischen Therapie nicht negativ beeinflusste. Ähnliche Ergebnisse zu deeskalativen Strategien lieferten die Arbeiten von Turza und Havey et al. [147, 148]. Klinische und mikrobiologische Restitutio sowie das Überleben waren bei den Patienten mit einer kürzeren Therapiedauer nicht schlechter als in den Vergleichsgruppen mit längerer Therapiedauer. Zu diesem Schluss kamen auch Sawyer et al. in der Behandlung komplizierter intraabdomineller Infektionen („complicated intra-abdominal infections“, cIAI): Nach erfolgreicher chirurgischer Focussanierung und 4 Tagen Antibiotikatherapie fanden sich im Vergleich zu einer 8‑tägigen Therapie keine Unterschiede bezüglich des Behandlungserfolges [149]. Auch bei Chastre et al. [150] ergab sich in der Behandlung der beatmungsassoziierten Pneumonie kein Vorteil einer langen (15 Tage) gegenüber einer verkürzten (8 Tage) Therapiedauer. Somit sind die erregergerechte Anpassung und die Deeskalation der Therapie nach Identifikation und Resistenztestung durch die aktuelle Studienlage abgesichert [151, 152] und in den aktuellen Leitlinien der SSC [7] fixiert. Eine Therapiedauer, die 7 bis 10 Tage überschreitet, sollte nur in Ausnahmefällen erfolgen (z. B. Endokarditis). Die moderne Therapie schwerer Infektionen auf Intensivstationen sollte immer multidisziplinär durchgeführt werden. Strategien wie der Einsatz eines ABS-Teams haben sich etabliert und in die Leitlinien der Fachgesellschaften Eingang gefunden [124].

Fazit.

Die Entscheidung zu einer Mono- oder Kombinationstherapie erfolgt individuell anhand patientenspezifischer Risikofaktoren, dem Vorliegen eines Schocks, dem (vermuteten) Infektfocus und der Möglichkeit von MRE als auslösende Pathogene. Eine Deeskalation der Therapie bei klinischer Verbesserung bzw. nach Erregeridentifikation ist zwingend und beeinflusst den Therapieerfolg nicht negativ. Zu Therapiesteuerung und -überwachung können PCT-Messungen dienen. Die Therapiedauer von 7 bis 10 Tagen sollte nur in Ausnahmen überschritten werden.

Beispiele

Sepsis mit unklarem Focus ohne Vorbehandlung

Eine Sepsis mit unklarem Focus ohne Vorbehandlung erlaubt zunächst eine Monotherapie ([7, 153]; Ausnahme: v. a. katheterassoziierte BSI). Hier sollten primär Breitspektrum-β-Lactame mit β‑Lactamase-Inhibitor (BLI, z. B. Piperacillin/Tazobactam) eingesetzt werden. Carbapeneme (z. B. Meropenem, Imipenem/Cilastatin) können alternativ verabreicht werden, v. a. wenn das Vorliegen von ESBL wahrscheinlich ist. Kombinationen mit Fluorchinolonen der Gruppe 2/3 sind möglich. Gerade bei Vorliegen eines unklaren Focus ist es wichtig, neben Patientencharakteristika und Risikoprofilen die örtliche Erreger- und Resistenzepidemiologie der „Problemkeime“ zu kennen. Durch ESBL-produzierende Erreger werden nahezu alle Cephalosporine und teilweise auch Piperacillin/Tazobactam inaktiviert. Ist mit ESBL-Bildnern zu rechnen, sollte daher in der empirischen Therapie eher Carbapenemen der Vorzug gegeben werden, auch wenn bei einigen klinisch relevanten ESBL-Varianten (TEM: Temoneira-β-Lactamase, SHV: Sulfhydryl-variable-type-β-Lactamase, CTX‑M: Cefotaxim-München-β-Lactamase) noch eine Empfindlichkeit gegenüber Piperacillin/Tazobactam erhalten sein kann [154]. Wird ein ESBL-Erreger im Antibiogramm als empfindlich gegen Piperacillin/Tazobactam ausgewiesen, gilt der therapeutische Einsatz im Fall von Harnwegsinfektionen als unproblematisch; im Fall von Bakteriämien ist ein entsprechendes Vorgehen aufgrund des „inoculum effect“ [155] und der schwerwiegenden Veränderung der Pharmakokinetik der β‑Lactame in der Sepsis nicht unumstritten [156, 157]. Ob eine antibiogrammgerechte Therapie ESBL-bildender Erreger mit Piperacillin/Tazobactam durchgeführt werden soll, bleibt also eine individuell zu treffende Risiko-Nutzen-Entscheidung. Risikokollektive (großer chirurgischer Eingriff, Langzeitintensivtherapie, antiinfektive Vorbehandlung, Beatmung) und häufige Komplikationen durch MRSA-Infektionen am Standort bzw. die bekannte Besiedlung des Patienten mit MRSA rechtfertigen die Kombination mit einem Glykopeptid (Vancomycin, Teicoplanin). Alternativ kann u. U. die Kombination mit einem Lipopeptid (Daptomycin) erfolgen (Cave: nicht bei MRSA-Pneumonie). Bei einem septischen Schock mit unklarem Infektfocus sollte primär eine Kombinationstherapie durchgeführt werden [7]. Neben einem Carbapenem empfehlen sich als Kombinationspartner z. B. Vancomycin (Erweiterung des Spektrums auf MRSA, KNS und Vancomycin-sensitive Enterokokken) oder ein Fluorchinolon. Einen Beispielalgorithmus zur kalkulierten Therapie der Sepsis und des septischen Schocks bei unklarem Focus stellt Abb. 1 vor. Ziel der Therapie ist in der Initialphase die zügige, kalkulierte Antibiotikatherapie (<1 h). Die Entscheidung über eine Mono- oder Kombinationstherapie sollte nach dem klinischen Zustand des Patienten (Vorliegen eines septischen Schocks), einer etwaigen antimikrobiellen Vorbehandlung und dem Risiko einer Infektion mit einem MRE erfolgen. Wie jeder Algorithmus ist auch dieser nicht bindend und kann natürlich aufgrund der klinischen Situation oder lokaler Problemerreger jederzeit verändert und verlassen werden.

Abb. 1
figure 1

Beispielalgorithmus zur initialen, kalkulierten Therapie einer Sepsis mit unklarem Focus. AB Antibiotika, ABS „antibiotic stewardship program“, BAL bronchoalveoläre Lavage, BSI „blood stream infection“ (Bakteriämie), CAP „community-acquired pneumonia“ (ambulant erworbene Pneumonie), HAP „hospital-acquired pneumonia“ (nosokomiale Pneumonie), MHK minimale Hemmkonzentration, MRE multiresistente gramnegative Erreger, MRSA multiresistenter/Methicillin-resistenter S. aureus, PIP/TAZ Piperacillin/Tazobactam, qSOFA Quick Sequential Organ Failure Assessment Score, PCT Prokalzitonin, RS Rücksprache, TDM therapeutisches Drugmonitoring. aKatheterassoziierte Sepsis/BSI: Kombinationstherapie mit Vancomycin oder Daptomycin

Katheterassoziierte Infektion

Kommt es im Rahmen einer katheterassoziierten Infektion zu einer Bakteriämie (katheterassoziierte BSI) und Sepsis, ist grundsätzlich die sofortige Focussanierung im Sinne eines Katheterwechsels indiziert. Im weitesten Sinne zählen neben „klassischen“ Kathetern auch Port-Systeme, Schrittmachersonden oder Dialysekatheter zu den infrage kommenden ursächlichen Foci. Entfernte Katheter müssen einer mikrobiologischen Untersuchung zugeführt werden. Herausragende Bedeutung in der Identifikation der Erreger einer katheterassoziierten BSI hat die Anfertigung von mehreren, multilokulären Blutkulturpaaren [80, 81]. Da KNS den Hauptanteil der Erreger von Katheterinfektionen ausmachen sowie meist gegenüber Penicillinen und Cephalosporinen resistent sind, stellen Glykopeptide den Grundpfeiler der Initialtherapie der katheterassoziierten BSI dar. Um die wesentlich seltener vorkommenden, gramnegativen Erreger einer BSI ebenfalls zu erfassen, ist die Kombination mit einem β‑Lactam-Antibiotikum (Piperacillin/Tazobactam oder Carbapenem) nötig. Da die Therapie mit Vancomycin als intermittierende Bolusapplikationen häufiger mit nephrotoxischen Nebenwirkungen assoziiert ist, sind zur Therapiekontrolle regelmäßige Spiegelbestimmungen notwendig (Ziel: bei intermittierender Gabe Talspiegel 15 µg/ml, [158, 159]). Nephrotoxizität scheint bei kontinuierlicher Gabe von Vancomycin insgesamt seltener aufzutreten [158]. Alternativ kann statt Vancomycin auch Teicoplanin oder das Lipopeptid Daptomycin eingesetzt werden (6–12 mg/kgKG und Tag, [153]). Daptomycin scheint nach aktuellen Daten bis zu einer Tagesdosis von maximal 12 mg/kgKG sicher zu sein [160]. Diese Variante erzielt auch eine gute Wirksamkeit, wenn ein VRE (E. faecium) als Erreger wahrscheinlich ist. Ist eine Infektion mit resistenten, gramnegativen Erregern wahrscheinlich, sollte der primäre Kombinationspartner ein Carbapenem sein.

In Fällen ohne septischen Verlauf und ohne Antibiotikavorbehandlung kann bei regredienter Symptomatik nach Katheterwechsel Zuwarten indiziert sein bzw. eine Therapie nach Erregeridentifikation begonnen werden. Bei Bakteriämien durch Methicillin-sensitive S. - aureus-Spezies (MSSA) ist die Deeskalation auf Flucloxacillin oder auf das Cephalosporin Cefazolin angezeigt [161]. Andere Cephalosporine oder Kombinationen von β‑Lactam/BLI sind nach aktueller Studienlage nicht zu empfehlen [162]. Ist die Therapie einer katheterassoziierten BSI durch MRSA, KNS oder Enterokokken mit Vancomycin nicht erfolgreich, kann eine Kombination aus Daptomycin in hoher Dosis (10–12 mg/kgKG und Tag) mit Gentamicin oder Rifampicin erfolgen [163]. Fallberichte beschreiben den effektiven Einsatz von Ceftarolin als Möglichkeit der Therapie von daptomycinrefraktären, persistierenden MRSA-Bakteriämien bei infektiöser Endokarditis oder Osteomyelitis [164, 165]. Als neues Lipoglykopeptid zeigte Dalbavancin in einigen Studien bei katheterassoziierten BSI mit grampositiven Erregern eine, in Bezug auf klinische und mikrobiologische Ansprechraten, signifikant bessere Wirkung als Vancomycin [166, 167]. Die Therapiedauer richtet sich nach dem Verlauf der Infektion. Als unkomplizierte S. - aureus-Infektion gilt eine Bakteriämie mit Ausschluss einer Endokarditis, dem Fehlen septischer Herde/Absiedlungen, fehlenden intravasalen Fremdkörpern (Gefäßkatheter, Herzklappenprothesen, Gefäßprothesen, Schrittmacher etc.), einer sterilen Blutkultur, die 2 bis 4 Tage nach der initial positiven Blutkultur asserviert wurde, und Entfieberung des Patienten binnen 72 h. Unkomplizierte Infektionen sollten mindestens 2 Wochen behandelt werden. Liegt eine komplizierte Infektion vor, ist ein Therapieintervall von 4 bis 6 Wochen indiziert [163]. Das Management einer Staphylokokkenbakteriämie umfasst neben Herdsanierung und Kontrollblutkulturen unter Therapie v. a. eine transösophageale Echokardiographie (TEE) zum Ausschluss einer Klappenvegetation/Endokarditis [163, 168, 169].

Nosokomiale und beatmungsassoziierte Pneumonien

Nosokomiale (HAP) und beatmungsassoziierte Pneumonien (VAP) stellen in der Intensivmedizin häufige Ursachen einer Sepsis dar. Definitionsgemäß spricht man von einer HAP, wenn die Symptome der Pneumonie >48 h nach Hospitalisierung auftreten. Die im US-amerikanischen Raum von der Infectious Diseases Society of America (IDSA) und der American Thoracic Society (ATS; [110]) im Jahr 2005 etablierten Begriffe der „healthcare-associated pneumonia“ (HCAP) und der „nursing home-acquired pneumonia“ (NHAP) haben sich aufgrund des mangelnden prädiktiven Werts für die Infektion mit MRE in Deutschland bisher nicht etablieren können. Mittlerweile wurde der Begriff HCAP auch in den IDSA-Leitlinien revidiert [170]. Definitionsgemäß wird von einer VAP bei Auftreten pneumonischer Symptome nach mindestens 48-stündiger Beatmung gesprochen. Die Symptome der VAP sind bei beatmeten Patienten nicht sehr spezifisch (purulentes Trachealsekret, Fieber, neu aufgetretene Transparenzminderungen im Thoraxröntgenbild und kompromittierter Gasaustausch), und eine sichere Abgrenzung zu anderen Entitäten ist nicht immer möglich. Das Risiko einer VAP steigt in den ersten 7 Beatmungstagen konstant an, fällt danach jedoch wieder ab. Zur Gesamtheit nosokomialer Infektionen tragen HAP und VAP mit einem Anteil bis zu 22 % bei [171]. Obwohl die VAP im Vergleich zur HAP als die komplexere Infektion mit einer Sterblichkeit von ca. 13 % [172] und einer Vielzahl anderer negativer Effekte [173, 174] für den Patienten angesehen wird, muss man entgegenhalten, dass auch die HAP mit Komplikationsraten von 50 % ([175], z. B. Empyembildung, Nierenversagen und Sepsis) alles andere als eine triviale infektiologische Herausforderung ist und mitunter vergleichbare Sterblichkeitsraten wie die VAP aufweist [175, 176].

Initial kann die kalkulierte Therapie der nosokomialen Pneumonie beim septischen Patienten ohne Schock oder antiinfektive Vorbehandlung und mit einem geringen Risiko für das Vorliegen eines MRE als Monotherapie mit Piperacillin/Tazobactam erfolgen [177]. Carbapeneme der Gruppe 1 (Imipenem/Cilastatin, Meropenem) decken ein ähnliches Erregerspektrum wie Piperacillin/Tazobactam ab, sind aber beim Vorliegen von ESBL-produzierenden Erregern der Therapie mit Piperacillin/Tazobactam überlegen. Auch Cefepim oder Ceftazidim sind wegen ihrer hohen Wirksamkeit gegen viele P. - aeruginosa-Isolate ein wichtiges Element der Pneumonietherapie. Der Einsatz zur Monotherapie einer nosokomialen Pneumonie wird jedoch in den deutschen S3-Leitlinien aufgrund der eingeschränkten Wirksamkeit gegen grampositive Pneumonieerreger nicht empfohlen [178]. Die IDSA hingegen erwähnt Cefepim (nicht Ceftazidim) als eine zur Monotherapie geeignete Substanz [170]. Die initiale Therapie mit Fluorchinolonen (Moxifloxacin oder Levofloxacin) ist zwar prinzipiell möglich, sollte aber kritisch evaluiert werden. Eine Monotherapie mit einem Aminoglykosid ist zu vermeiden [170]. Die primäre Kombinationstherapie der HAP/VAP mit 2 potenziell gegen P. aeruginosa wirksamen Substanzen (und ggf. Erweiterung um ein MRSA-wirksames Präparat) ist in Erwägung zu ziehen, wenn das Risiko einer Infektion durch MRE hoch ist und/oder der Patient das Stadium des septischen Schocks erreicht hat. In dieser Situation sehen deutsche und US-amerikanische Standards [170, 177] die Therapie mit einem β‑Lactam (z. B. Piperacillin/Tazobactam, Ceftazidim bzw. Cefepim oder Carbapenem der Gruppe 1) in Kombination mit einem pseudomonadenwirksamen Fluorchinolon (Ciprofloxacin, Levofloxacin), einem Aminoglykosid oder Aztreonam vor [178]. Diese Kombinationen decken die wichtigsten und häufig hoch resistenten Problemerreger wie P. aeruginosa sowie ESBL-bildende gramnegative Erreger (E. coli, K. pneumoniae, Acinetobacter baumannii) adäquat ab. Gerade die Kombination Carbapenem/Fluorchinolon führt meist zu einer guten Wirkung gegenüber resistenten Erregern wie ESBL-bildenden E. coli oder K. pneumoniae sowie P. aeruginosa. Für Patienten nach antiinfektiver Vorbehandlung empfiehlt sich zu Vermeidung und Umgehung möglicher Resistenzen zudem der Wechsel zwischen Substanzklassen [178]. Eine Kombination aus 2 β-Lactamen wird in den IDSA-Empfehlungen als wenig sinnvoll bezeichnet [170]. Im Fall eines hohen MRSA-Risikos (z. B. vorbekannte Besiedlung des Patienten) ist zumindest bei nosokomialer Pneumonie mit septischem Schock zusätzlich eine MRSA-wirksame Substanz gefordert [170, 177]. Infrage kommen in dieser Indikation Linezolid oder Vancomycin (nicht Daptomycin, s. unten). Individuelle Patientencharakteristika und der Nachweis des Erregers führen dann zu spezifischen Monotherapien (MRSA, P. aeruginosa, ESBL-produzierende Enterobacteriaceae usw.). Für die erfolgreiche und rationale Therapie der VAP/HAP ist also die Kenntnis des Erregers und seines spezifischen Resistenzphänotyps von besonderer Bedeutung. Insbesondere bei der VAP/HAP durch gramnegative MRE, die z. B. gegenüber Polymyxinen (Colistin, Polymyxin B) oder Aminoglykosiden sensibel sind, kann die Kombination einer i.v.- und inhalativen Therapie erwogen werden [170]. Wenngleich eine inhalative Anwendung geringe Evidenz hat, führt sie bei geringeren systemischen Nebenwirkungen zu einer hohen lokalen Konzentration des Antibiotikums am Infektionsort (Lungen). Werden beim isolierten Erreger Carbapenemasen nachgewiesen, muss sich die Therapie am Antibiogramm orientieren und kann den Einsatz von Polymyxinen notwendig machen (i.v. und inhalativ; [170]). Neuerdings ist auch die fixe Kombination Ceftazidim/Avibactam zur Therapie der HAP zugelassen. Die Kombination zeigt eine gute In-vitro-Wirksamkeit gegenüber ESBL-Bildnern, gegenüber Carbapenemase-Bildnern (Klebsiella-pneumoniae-Carbapenemase [KPC] und Oxacillinase [OXA-48]) und gegenüber P. aeruginosa und ist daher v. a. in der gezielten Therapie der HAP durch MRE mit den genannten Resistenzen sehr interessant. Die Kombination Ceftolozan/Tazobactam könnte in naher Zukunft für die Therapie der HAP und VAP zugelassen werden. Aktuelle Studienergebnisse stehen noch aus (NCT01853982, NCT02387372, NCT02070757). Stenotrophomonas maltophilia ist regelhaft resistent gegen Carbapeneme, aber in der Regel sensibel für Cotrimoxazol, das daher – sofern dieser Erreger tatsächlich als Ursache einer HAP/VAP eingestuft wird – die typische Therapieoption darstellt. Ist dies nicht möglich, müssen andere Präparate evaluiert werden (z. B. Ceftazidim, Moxifloxacin, Levofloxacin). Gegenüber Acinetobacter-Spezies sind Carbapeneme meist wirksam und bei hoher intrinsischer Resistenz gegenüber anderen β‑Lactamen indiziert. Bei Panresistenz gegenüber β‑Lactamen, die häufig auch mit einer Resistenz gegenüber Fluorchinolonen einhergeht, ist nur eine Kombination aus Colistin und einer weiteren Substanz entsprechend der Resistenztestung möglich. Eine MRSA-Pneumonie kann prinzipiell mit Vancomycin (alternativ Teicoplanin) oder Linezolid behandelt werden [170, 178]. Als neuere Alternative kann zur Behandlung der MRSA-Pneumonie auch Tedizolid erfolgreich eingesetzt werden; es zeigte in der Studie Linezolid in the Treatment of Subjects with Nosocomial Pneumonia proven to be due to Methicillin-Resistant Staphylococcus aureus (ZEPHyR, [179]) eine bessere Wirkung als Vancomycin. Da Daptomycin durch Surfactant inaktiviert wird, ist die Anwendung bei einer MRSA-Pneumonie nicht sinnvoll [178]. Als weitere Option steht seit 2014 auch Ceftobiprol (nur HAP, [180]) zur Verfügung, das auch effektiv gegen MRSA wirkt. Die Therapiedauer der VAP und HAP sollte 7 Tage nur in Einzelfällen überschreiten. Klinische Studien und Metaanalysen zur Therapiedauer der VAP/HAP fanden keinen Unterschied bezüglich Sterblichkeit, Rekurrenz der Pneumonie, Behandlungsversagen oder Dauer der invasiven Beatmung zwischen kürzerer (7 bis 8 Tage) und langer Therapie (bis 15 Tage; [150, 170, 181, 182]). In einer Subgruppenanalyse der Arbeit von Chastre et al. [150] zur VAP zeigte sich, dass Pneumonien durch Nonfermenter wie P. aeruginosa und A. baumannii, bei gleicher Sterblichkeit, in der Gruppe mit kurzer Therapie (8 Tage) häufiger mit rekurrenten Infektionen einhergingen (40,6 vs. 25,5 %). Dieser Aspekt wird mittlerweile (zumindest für P. aeruginosa) von der IDSA jedoch als so schwach bewertet, dass von einer grundsätzlichen Verlängerung der Therapie abgeraten wird [170]. Grundsätzlich orientiert sich die Dauer der Antibiotikatherapie von VAP und HAP auch immer an klinischen und radiologischen Kriterien.

Der Nachweis von Candida-Spezies, Enterokokken oder KNS im Trachealsekret eines nichtneutropenen Patienten stellt keine Indikation zur Therapie dar. Im überwiegenden Teil der Fälle handelt es nicht um invasive Infektionen, sondern um die residente Standortflora bzw. um Kontaminanten der Proben.

Intraabdominelle Infektionen

Intraabdominelle Infektionen sind in ca. 30 % der Fälle die Ursache einer schweren Sepsis oder eines septischen Schocks und eine der häufigsten Diagnosen auf operativen Intensivstationen [26]. Intraabdominelle Foci müssen in 90 % der Fälle primär chirurgisch saniert und antibiotisch behandelt werden. Der enge Kontakt mit den chirurgischen Kollegen ist hier ab initio wichtig. Die kalkulierte Antibiotikatherapie sollte immer aerobe und anaerobe gramnegative Erreger sowie grampositive Erreger des Gastrointestinaltrakts erfassen [183]. Zwar wird immer noch grundsätzlich zwischen einer ambulant erworbenen und einer nosokomialen IAI („intra-abdominal infections“) unterschieden, man sollte sich aber bewusst sein, dass Patienten durch Fernreisen, antibiotische Vorbehandlung oder Immunsuppression mittlerweile häufig mit MRE kolonisiert sind. Die Sepsis mit intraabdominellem Focus ohne Vorliegen eines Schocks/Vorbehandlung kann antiinfektiv zunächst mit Piperacillin/Tazobactam oder einem Carbapenem monotherapiert werden. Unter Kenntnis des lokalen Erregerspektrums ist z. B. die Kombination aus einem Cephalosporin oder einem Fluorchinolon mit Metronidazol ebenso möglich. Bei besonders schweren Verläufen kann Tigecyclin, das Enterobacteriaceae und auch VRE erfasst, als Kombinationspartner dienen. Bei refraktären intraabdominellen Infektionen muss an eine invasive Candida-Infektion gedacht und ggf. antimykotisch behandelt werden. Die Gruppe der Echinocandine stellt eine Behandlungsoption dar [153]. Bei mangelndem Ansprechen der Therapie muss über eine chirurgische Intervention diskutiert werden. Postoperative IAI (z. B. Anastomoseninsuffizienz nach anteriorer Rektumresektion) bergen ein hohes Risiko einer Infektion mit einem MRE. Hier muss man ein selektioniertes Erregerspektrum erwarten, das Enterokokken (einschließlich VRE), gramnegative Problemkeime (Carbapenemase-bildende Erreger), Pilze und seltener KPC-Bildner umfasst. Deshalb ist in dieser Situation zu erwägen, neben einem Carbapenem eine zweite Substanz einzusetzen, um zumindest bei Vorliegen eines septischen Schocks das empirisch adressierte Erregerspektrum zu erweitern. So kommen neben Carbapenemen (wie Meropenem, Imipenem/Cilastatin, Ertapenem), z. B. Tigecyclin und Fosfomycin (nie als Monotherapie) zum Einsatz. Eine MRSA-wirksame Therapie ist dann indiziert, wenn ein Patient mit nosokomialer cIAI mit MRSA kolonisiert ist oder ein hohes Risiko einer MRSA-Infektion hat [183]. Zusätzlich werden MRSA-cIAI dann mit Vancomycin, Tigecyclin oder Linezolid behandelt [183]. Als neue Eskalationsvarianten können z. B. Ceftolozan/Tazobactam oder Ceftazidim/Avibactam [184, 185] in Kombination mit Metronidazol bei cIAI mit resistenten gramnegativen Erregern verabreicht werden [186]. Unter der Voraussetzung einer effektiven, chirurgischen Focuskontrolle und klinischer Besserung des Patientenzustands reicht eine Therapiedauer von 4 bis 7 Tagen aus [149, 153, 183].

Insbesondere in der Ösophaguschirurgie ist eine Mediastinitis aufgrund der Anastomosensituation ein möglicher Infektfocus. Häufige Erreger nach Ösophaguschirurgie sind v. a. grampositive Kokken, Anaerobier und Candida-Spezies. Die Behandlung der Mediastinitis sollte primär durch ein Carbapenem der Gruppen 1/2 (Imipenem/Cilastatin, Ertapenem, Meropenem) erfolgen. Alternativ kann ein Acylaminopenicillin/BLI oder Cephalosporin der Gruppe 3/4 mit Metronidazol eingesetzt werden. Besteht ein MRSA-Risiko sind Linezolid, Tigecyclin oder Daptomycin indiziert [153]. Gerade im Hinblick auf die Möglichkeit einer invasiven Mykose kann ein Antimykotikum indiziert sein. Im septischen Schock und bei komplizierten Verläufen muss darüber hinaus eine chirurgische Intervention erfolgen. Moderne Konzepte sind neben der endoskopischen Exploration die Anlage eines Vakuumsaugsystems (z. B. Endo-SPONGE®, B. Braun, Melsungen) oder einer interventionellen Drainage. Als Ultima Ratio muss eine chirurgische Revision des Operationsgebietes bzw. der Anastomose erfolgen.

Die nekrotisierende Fasziitis/Fournier-Gangrän ist eine oftmals fulminant verlaufende und lebensbedrohliche Infektion des Weichgewebes. Hier existieren neben der klassischen Streptokokkeninfektion meist polymikrobielle Infektionen mit gramnegativen Erregern und mit S. aureus. Entsprechend dem Erregerspektrum und der häufig polymikrobiellen Infektion muss hier primär eine ausreichend breite Kombinationstherapie erfolgen. In der Regel werden Acylaminopenicilline/BLI oder ein Carbapenem (z. B. Meropenem), Penicillin G und Clindamycin (oder Linezolid) kombiniert. Clindamycin wirkt als suffizient gewebepenetrierendes Lincosamid gegen Anaerobier sowie S. aureus und hemmt in der Kombination mit einem β‑Lactam zusätzlich die Proteinbiosynthese grampositiver Erreger. Dieser Nebeneffekt kann die Komplikationsrate durch mikrobielle Exotoxine abmildern [187]. Besteht eine Unverträglichkeit gegenüber Clindamycin, kann alternativ Linezolid (oder Tedizolid) eingesetzt werden (Cave: Hämatotoxizität, Optikusneuritis; [187]). Penicillin G besitzt die höchste Effektivität gegen Streptokokken. Ist die Infektion mit einem MRSA wahrscheinlich, sollte im Kontext der Weichteilinfektion Linezolid der Vorzug gegenüber Vancomycin gegeben werden [153]. Seit einiger Zeit steht ebenso in Tedizolid als neuem Oxazolidinon eine Therapiealternative zur Verfügung. Aufgrund des fulminanten Verlaufs und bei inadäquater Focuskontrolle häufig letalen Krankheitsbildes sind eine chirurgische Reevaluation und die Indikation einer Revisionsoperation regelmäßig zu prüfen.

Andere Ursachen

Andere Ursachen der Sepsis umfassen die Endokarditis, die ambulant-erworbene Pneumonie, die komplizierte Harnwegsinfektion, Osteomyelitiden, Erysipele und Meningitiden. Bezüglich der Therapie wird auf die Leitlinien der jeweiligen Fachgesellschaften verwiesen (http://www.awmf.org).

Pharmakokinetische Konzepte

Ziel der kalkulierten Antibiotikatherapie in der Sepsis ist das Erreichen eines ausreichend hohen Medikamentenspiegels. Dieses Ziel sollte möglichst mit der ersten Dosis („loading dose“, LD) des Antibiotikums erreicht werden und spielt insbesondere für die zeitabhängigen β‑Lactame eine entscheidende Rolle [188]. Im Verlauf der Therapie müssen, unabhängig von Organdysfunktionen, erhöhter renaler Elimination („augmented renal clearance“, ARC) oder Organersatzverfahren, suffiziente Plasmaspiegel aufrechterhalten werden, um die antiinfektive Potenz der β‑Lactame auszuschöpfen. Während sich die notwendigen Plasmakonzentrationen eines Antibiotikums v. a. an der erregerspezifischen MHK orientieren, ist die Abschätzung der Arzneistoffelimination und des Verteilungsvolumens bei kritisch kranken Patienten nur schwer kalkulierbar. Vor allem die Sepsis und der septische Schock führen bei fast allen antiinfektiven Substanzen zu einer erheblichen Veränderung der substanzspezifischen Pharmakokinetik. Beispielhaft zeigt Abb. 2 die Auswirkung einer ARC auf den Plasmaspiegelverlauf eines β‑Lactam-Antibiotikums. Durch eine ARC des β‑Lactams kommt es zum vorzeitigen Abfall des Serumspiegels unter die erregerspezifische MHK und damit zu einer Reduktion der für den bakteriziden Effekt des Präparates wichtigen Zeit über der MHK (fT>MHK).

Abb. 2
figure 2

Einfluss einer erhöhten renalen Elimination eines β‑Lactams auf den Verlauf des Serumspiegels (blaue Kurve). Im Vergleich der Spiegelverlauf bei physiologischer Elimination (schwarz). AUC area under the curve, c Serumkonzentration, fT>MHK Zeitintervall mit einer Serumkonzentration des Antibiotikums oberhalb der minimalen erregerspezifischen Hemmkonzentration (MHK), t Zeit

Um in der kalkulierten Antibiotikatherapie bei unbekanntem Erreger ein möglichst weites Spektrum potenzieller Erreger sicher zu erfassen, werden Breitspektrumantibiotika in möglichst hohen Konzentrationen am Infektionsort benötigt. Die Dosierungsempfehlungen und der mikrobiologische Nachweis der Empfindlichkeit eines Bakterienstamms gegenüber bestimmten Antibiotika beruhen auf der Annahme, dass die PK des Arzneistoffs der eines „Normpatienten“ entspricht. Tatsächlich sind jedoch die Verteilung und die Ausscheidungskapazität verschiedener Antibiotikagruppen beim septischen Patienten sehr variabel und schwer prognostizierbar [189,190,191,192,193,194,195,196]. Obwohl Fachgesellschaften wie PEG (Paul-Ehrlich-Gesellschaft) oder IDSA in ihren Leitlinienempfehlungen diesen Umständen Rechnung tragen [153, 178, 183], werden diese Fakten im klinischen Alltag noch immer zu wenig beachtet – mit der Folge erhöhter Sterblichkeit schwer kranker Patienten [104, 197,198,199,200]. Zahlreiche Organdysfunktionen stehen im Zentrum der substanzspezifischen PK-Veränderungen. Die dadurch bedingten Veränderungen der Antibiotikakonzentrationen in unterschiedlichen Kompartimenten können zum einen für ein Therapieversagen, zum anderen für die Entwicklung von Resistenzen und zusätzlich für potenziell toxische Effekte prädisponieren [159]. Insbesondere die zeitabhängigen β‑Lactam-Antibiotika stellen vor diesem Hintergrund ein Problem dar. Einen zusammenfassenden Überblick über die Auswirkungen einiger wichtiger pathophysiologischer Veränderungen im Rahmen der Sepsis auf die Serumkonzentrationen von Antibiotika gibt Abb. 3.

Abb. 3
figure 3

Pathophysiologische Einflüsse der Sepsis auf die Serumkonzentrationen (SK) von Antibiotika. HZV Herz-Zeit-Volumen

Während für eine Bakteriostase deutlich kürzere Zeiträume oberhalb der MHK ausreichen, bedarf es für die maximale Bakterizidie bei Penicillinen und Cephalosporinen einer freien Arzneistoffkonzentration oberhalb der MHK von mindestens 50–70 % der Zeit eines Dosierungsintervalls (fT>MHK). Carbapeneme benötigen eine fT>MHK von ca. 40 % [153, 198]. Das fT>MHK ist bei den Carbapenemen geringer, da bei dieser Substanzklasse im Vergleich zu anderen Substanzen ein ausgeprägterer postantibiotischer Effekt angenommen wird [198]. Diese Empfehlungen sind aus tierexperimentellen Daten abgeleitet. Klinische Untersuchungen unterstreichen jedoch, dass gerade in der Sepsis eine fT>MHK von 100 % eine effektivere, antiinfektive Wirksamkeit entfaltet und Outcome-relevant ist [190, 201,202,203]. Insbesondere vor dem Hintergrund des Erreichens adäquater Gewebekonzentration auch in tiefen Kompartimenten (Pneumonie, Knocheninfektionen, Infektionen des Zentralnervensystems [ZNS]) bei häufig durch die Sepsis bedingter Mikrozirkulationsstörung [204,205,206] und der Vermeidung von Resistenzentwicklung [207, 208] empfehlen zahlreiche Experten, als Zielgröße im primären Kompartiment „Serum/Plasma“ 60–100 % der Zeit eines Dosierungsintervalls oberhalb des 4‑ (bis 6‑)Fachen der MHK bei β‑Lactam-Antibiotika anzustreben [209]. Die aktuelle S3-Leitlinie der DGI [124] nennt neben einer individuellen Dosierung von Antibiotika das TDM (therapeutische Drugmonitoring) als eine Möglichkeit der Therapiesteuerung und der Reduktion von unerwünschten Nebenwirkungen der Antibiotika.

Wie schwierig das Erreichen effektiver Serum‑/Plasmakonzentrationen bei septischen Patienten sein kann, illustrierten Roberts et al. [202] in einer prospektiven Studie aus dem Jahre 2014: Von 248 Patienten mit einer schweren Infektion erreichten 16 % der Patienten nicht einmal das minimale PK/PD-Ziel 50 % des Dosierungsintervalls oberhalb der MHK (50 % fT>MHK). Dieser Befund war mit einer deutlich reduzierten Wahrscheinlichkeit für ein gutes klinisches Outcome assoziiert. Dass zu niedrige Plasmaspiegel in der Sepsis ein häufiges Problem darstellen, wiesen neben Taccone et al. [209] und Udy et al. [210] auch Roberts et al. in der prospektiven Studie Defining Antibiotic Levels in Intensive care unit patients (DALI, [202]) am Beispiel der β‑Lactame nach: Roberts et al. mussten bei 175 von 236 Patienten (75 %) eine Dosisanpassung des β‑Lactam-Antibiotikums vornehmen; davon in 119 Fällen (50,4 %) eine Dosissteigerung [211]. Die Ergebnisse von Taccone et al. zeigten, dass nach Erstgabe der Standarddosierung bei kritisch Kranken nur Meropenem bei 75 % der Patienten (12/16) ein ausreichendes PK-Profil erreichen konnte. Ceftazidim (28 %), Cefepim (16 %) und Piperacillin/Tazobactam (44 %) hingegen erzielten nur unbefriedigende PK-Profile mit konsekutiv insuffizienter Wirkung [209]. Diese Daten illustrieren nicht nur die Probleme der Antibiotikatherapie, sondern zeigen auch, wie wichtig die genaue Kenntnis der PD- und PK-Eigenschaften des eingesetzten Antibiotikums ist.

Zur effektiveren Therapie empfehlen die Autoren des vorliegenden Beitrags bei kritisch kranken, septischen Patienten ein Infusionsregime, das einerseits praktikabel ist und andererseits die erwähnten pharmakokinetischen Probleme zumindest kupieren kann: die prolongierte Infusion von β‑Lactam-Antibiotika. Hier wird zunächst durch eine initiale, hochdosierte Bolusgabe über 20–30 min ein Plasmaspitzenspiegel generiert, der eine suffiziente Konzentration des Antibiotikums im Zielkompartiment sichern soll. Danach erfolgen die weiteren Gaben als prolongierte Infusion über 3 h via Perfusor. Somit können die fT>MHK maximiert und die Effektivität der β‑Lactame durch optimale Exposition des Antibiotikums gegenüber dem Erreger gesteigert werden (Abb. 4). Intermittierende Bolusgaben (Abb. 4 schwarz) zeichnen sich nach Erreichen eines Spitzenspiegels durch einen raschen Abfall der Plasmakonzentrationen unter die MHK aus. Es resultiert eine relativ kurze Zeitspanne, in der (für die Sepsis und den septischen Schock) effektive Spiegel erreicht werden (fT>1–4MHK). Durch die prolongierte Infusion nach initialem Bolus (Abb. 4 blau) über 3 (bis 4) h kommt es zum deutlichen Anstieg des Zeitintervalls, in der effektive Spiegel erreicht werden (fT>MHK und fT>4MHK).

Einen benefiziellen Effekt wiesen bereits Lodise et al. 2007 in der prolongierten Anwendung von Piperacillin/Tazobactam bei Patienten mit P. - aeruginosa-Infektionen nach [212]. Im darauf folgenden Jahr konnten Lee et al. anhand pharmakokinetischer Modelle zeigen, dass die prolongierte Applikation von Meropenem und Imipenem/Cilastatin die kumulative Wahrscheinlichkeit suffizienter fT>MHK für klinisch relevante Erreger erhöhte [213]. Nachdem die Studie DALI regelhaft insuffiziente β‑Lactam-Konzentrationen bei kritisch Kranken nachweisen konnte [202], fanden Abdul-Aziz et al. in einer Subgruppenanalyse der Studie heraus, dass die prolongierte/kontinuierliche Infusion von Piperacillin/Tazobactam und Meropenem bei Patienten mit Pneumonie und/oder einem SOFA-Score >9 zum signifikanten Anstieg des Dreißigtageüberlebens führte (p < 0,05) und die Heilungsrate der Patienten mit SOFA >9 unter prolongierter Applikation ebenfalls signifikant höher war [214].

Abb. 4
figure 4

Effekt der prolongierten Infusion von β‑Lactamen in der Sepsis. fT >xMHK  Zeitintervall mit einer Serumkonzentration des Antibiotikums oberhalb der einfachen (oder x‑fachen) erregerspezifischen minimalen Hemmkonzentration (MHK)

Auch Linezolid zeigt bei Patienten mit schweren Infektionen eine hohe Variabilität der Plasmakonzentrationen mit unzureichenden Blutspiegeln unter Standarddosierungskonzepten. Aktuelle Daten von Taubert et al. [215] weisen darauf hin, dass hier – wie bei Vancomycin [158] – eine kontinuierliche Applikation einen Beitrag leisten kann, effektive PK/PD-Ziele zu erreichen und Toxizität zu vermindern.

Zusammenfassend ist in der Therapie der Sepsis eine prolongierte Infusion von β‑Lactam-Antibiotika nach initialem Bolus der intermittierenden Bolustherapie vorzuziehen. Zu besserer Steuerung sowie Vermeidung von Über- und Unterdosierungen kann ergänzend ein therapeutisches Spiegel-Monitoring eine sinnvolle Ergänzung sein. Gerade im Kontext der Sepsis fehlt dem Kliniker in der hochakuten Phase (24–48 h) ein Parameter zur Beurteilung des Erfolgs oder Misserfolgs der kalkulierten Antibiotikatherapie. Hier kann TDM von β‑Lactamen zumindest nachweisen, dass effektive, therapeutische Plasmaspiegel erreicht wurden. Mittlerweile wird deshalb das TDM auch in den Empfehlungen der DGI als sinnvolle Ergänzung und Therapieoptimierung erwähnt [124, 153]. Trotz des bisher nichtbelegten positiven Effekts auf die Sterblichkeit der Patienten unter TDM gibt es eine Reihe pathophysiologischer Rahmenbedingungen, bei denen TDM geradezu unumgänglich erscheint und in entsprechenden Arbeiten klar favorisiert wird: hohe Variabilität der Arzneimittelverteilung, Veränderung der Metabolisierung und Ausscheidung, Organfunktionsstörungen, Organersatzverfahren/extrakorporale Unterstützungssysteme, Interaktion diverser Arzneistoffgruppen sowie Gefahr der Über- und Unterdosierung des Antibiotikums [159, 216,217,218,219,220,221,222,223]. Mit TARGET untersucht erstmals eine deutsche, prospektive Multizenterstudie den Einfluss des TDM von Piperacillin/Tazobactam bei septischen Patienten (https://www.clinicaltrialsregister.eu/ctr-search/trial/2016-000136-17/DE). Die prolongierte Applikation der β‑Lactame ist allerdings für keines der auf dem Markt befindlichen Präparate zugelassen und sollte nur durchgeführt werden, wenn die Substanz zumindest ausreichend stabil bei Raumtemperatur über das Applikationsintervall von 3–4 h ist. Dies trifft für Piperacillin/Tazobactam, Meropenem, Ceftazidim und Cefepim zu.

Schlussfolgerungen

Schnelle Diagnose und Behandlung der Sepsis sind für den Patienten von entscheidender Bedeutung. Aus diesem Grund wurde im Februar 2016 eine neue und nicht unumstrittene Sepsisdefinition etabliert, die v. a. auf dem Vorhandensein infektionsbedingter Organdysfunktionen basiert. Deren Erfassung soll in erster Linie mithilfe eines modifizierten SOFA-Scores (qSOFA) erfolgen.

Blutkulturen bilden weiterhin den Goldstandard der infektiologischen Diagnostik. Zeitpunkt, Entnahmeort und korrekte Durchführung können einige potenzielle Fehlerquellen eliminieren. Molekulargenetische Methoden zur Erregerdiagnostik sind durchaus vielversprechende Ansätze, können die Blutkulturen aktuell jedoch nicht ersetzen und sind im klinischen Alltag noch nicht etabliert. Sie könnten in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

Die antimikrobielle Therapie ist einer der Grundpfeiler einer erfolgreichen Sepsistherapie. Der initiale Einsatz einer hochdosierten Breitspektrummono- oder einer Kombinationstherapie ist aufgrund der hohen Letalität der Sepsis und in häufiger Unkenntnis des Erregers unabdingbar. Ein Therapiebeginn ist binnen der ersten Stunde nach Erkennen der Sepsis zu fordern, da jeder Zeitverlust zum deutlichen Anstieg der Letalität führt. Die regelmäßige Reevaluation von Infektfocus und Antibiotikatherapie sollte in Handlungsanweisungen fixiert und in einem multidisziplinären Team (ABS-Team) koordiniert werden.

Weiterhin oft vernachlässigt werden die gravierenden pathophysiologischen Veränderungen in der Sepsis (veränderte Verteilungsvolumina, erhöhte renale Elimination, Organersatzverfahren), die einen profunden Einfluss auf die Pharmakokinetik der Antibiotika haben. Um an dieser Stelle Fehldosierungen und suboptimale Wirkstoffkonzentrationen beim septischen Patienten zu vermeiden, kommt man vom Konzept der Standarddosierung zunehmend ab und orientiert die Therapie am PK/PD-Index des verwendeten Antibiotikums. Für β‑Lactame bedeutet dies z. B., dass eine prolongierte (oder kontinuierliche) Infusion in der Sepsis zu favorisieren ist, um über das Dosisintervall optimale Wirkstoffkonzentrationen (fT>MHK) im Kompartiment „Blut“ zu erreichen. Zur Therapiesteuerung bietet sich ein TDM in der Sepsis an. Seine Anwendung führte in Studien zu einer effektiveren Therapie, stabileren Plasmaspiegeln des Antibiotikums und einer Reduktion der Therapiedauer.

Neue Antibiotika decken ein definiertes Spektrum an Erregern ab und zeichnen sich v. a. durch eine hohe Potenz gegenüber einigen MRE aus. Um die Ausbildung von Resistenzen zu verzögern, sollte die Gabe dieser neuen Präparate auf die spezifische Eskalationstherapie von Infektionen mit MRE beschränkt werden. Das Verabreichen neuer Antibiotika sollte im Rahmen eines ABS-Teams diskutiert und beschlossen werden. Nur so ist der rationale Einsatz neuer Antibiotika zu gewährleisten.

Fazit für die Praxis

  • Ein tieferes Verständnis der pathophysiologischen Veränderungen in der Sepsis und deren Einfluss auf die Pharmakokinetik von Antibiotika (besonders der β‑Lactame) hat zu einer Revision des Einsatzes insbesondere von β‑Lactamen geführt.

  • Die prolongierte Infusion von β‑Lactamen (nach initialem Bolus) in der Sepsis ist der intermittierenden Gabe mit Blick auf PK/PD-Ziele vorzuziehen.

  • Es existieren mittlerweile Studien, die den Vorteil der prolongierten Infusion gegenüber der intermittierenden Bolusgabe nachweisen. Unabhängig vom Dosierungsregime muss eine initiale LD (hochdosierte Bolusgabe) appliziert werden.

  • Therapeutisches Drugmonitoring kann in der Sepsis sinnvoll sein.