Hintergrund

Die Lungensonographie (LUS) hat sich im Vergleich zu anderen häufig angewandten Ultraschallverfahren, wie die Echokardiographie bzw. die Abdomen- Gefäß- und gynäkologische Sonographie, relativ spät entwickelt, weil an der gesunden Lunge über das Pleuragleiten hinaus sonographisch nur Artefakte darstellbar sind.

In den letzten 2 Dekaden sind jedoch sehr viele Arbeiten erschienen, die den Wert der LUS besonders in Notfallsituationen belegen. Diese wurden auch in einer intensiven, internationalen Konsensuskonferenz zusammengefasst [1]. Anschließend hat sich ein wahrer Boom an Publikationen zur LUS entwickelt. Unter dem Titel „lung ultrasound“ sind in PubMed gegenwärtig 91.710 Titel gelistet.

Die LUS führt in 80–90 % der Erkrankungen der Lunge oder des Herzens zur Diagnose

Die LUS ist eine symptomorientierte „Point-of-care“-Sonographie (POCUS): Sie ermöglicht eine Bildgebung genau an der Stelle der Beschwerden bzw. dient der Ursachendiagnostik einer Atemnot. Die ersten Fragen lauten: Was ist das Leitsymptom, gibt es Begleitsymptome? Liegen Luftnot bzw. Schmerzen vor oder hat der Patient/die Patientin Fieber? Dabei gibt es oft Überlappungen, die zu bedenken sind (Abb. 1). Nach Anamnese und klinischer Untersuchung kann die symptomorientierte Sonographie sofort eingesetzt werden und führt in 80–90 % der Erkrankungen der Lunge oder des Herzens (z. B. Lungenödem als Ausdruck einer dekompensierten Herzinsuffizienz) zur Diagnose [2].

Abb. 1
figure 1

Die Lungensonographie als symptomorientierte, fokussierte Untersuchung. (Adaptiert nach [2])

Eine große italienische Multizenterstudie an 2683 Patienten hat gezeigt, dass in der Notaufnahme mit Einsatz der LUS die Zeit bis zur Diagnose und Therapie 24 min beträgt im Gegensatz zu 186 min bei üblicher Notfalldiagnostik mit anderen bildgebenden Verfahren [3].

Notfallsonographische Konzepte haben die rein fachbezogenen Ultraschallverfahren gesprengt und eine interdisziplinäre Entwicklung eingeleitet. Dies zeigte sich zunächst in der Traumatologie mit dem „focused assessment with sonography for trauma“ (FAST), dann erweitert um die Pneumothoraxdiagnostik („extended“ FAST). Da sich jedoch die meisten Patienten im Notfall mit internistischen Erkrankungen vorstellen, hat sich die Notfallsonographie beträchtlich ausgeweitet, besonders auch auf die Lunge [4].

Die Entwicklung portabler Ultraschallsysteme stellt eine Revolution in der Notfallsonographie dar

Die wirkliche Revolution in der Notfallsonographie fand durch die Entwicklung portabler Ultraschallsysteme statt, die eine bettseitige Untersuchung ubiquitär ermöglichen. Mit einem Schallkopf in der Kitteltasche, der das Bild auf das Smartphone überträgt, wird die Sonographie die Auskultation mit dem Stethoskop ablösen.

Wozu dient dann noch die überflüssige radiologische Bildgebungen, wozu das Ritual der täglichen Röntgenthoraxuntersuchung im Bett auf Intensivstationen? Prinzipiell steht die LUS auf 2 Säulen: (1.) auf der Darstellung von subpleuralen Lungenkonsolidierungen, (2.) auf der Interpretation von Artefakten, die an der Pleura entstehen.

Technische Voraussetzungen

Für die Thoraxwand und zur Beurteilung der Pleura sind Linearschallsonden mit 5–8 MHz sehr geeignet, wie sie für die Gefäß- oder Schilddrüsensonographie verwendet werden. Es empfiehlt sich eine entsprechende Voreinstellung, die zwischen „muskuloskelettal“ und „Schilddrüse“ liegt. Für tieferliegende Lungenkonsolidierungen reicht die Abdominalsonde. Der Echoschallkopf eignet sich jedoch auch, weswegen der kardiologisch versierte Untersucher nicht selten die Echokardiographie und die anschließende Lungensonographie mittels Sektorschallkopf durchführt. Wenn man nur eine Sonde an einem portablen Gerät zur Verfügung hat, sollte diese mit 5 MHz arbeiten und mikrokonvex sein, um die Interkostalzwischenräume besser beurteilen zu können [4].

Die Position der Patienten hängt von der Symptomatik bzw. der Fragestellung ab. Der Nachweis eines Pneumothorax oder eines Lungenödems wird idealerweise am liegenden Patienten bzw. in halbsitzender Position erfolgen. Lungenkonsolidierungen lassen sich besser im Sitzen darstellen, zumal diese meisten dorsal lokalisiert sind. Im Notfall können liegende Probanden etwas zur Seite gedreht werden. Im Fall einer akuten Dyspnoe bis Orthopnoe lässt sich der Patient im Sitzen relativ gut sonographisch untersuchen.

Pleuraerguss

Minimale Ansammlungen von Flüssigkeit im Pleuraraum lassen sich ab etwa 5 ml, also bis in den physiologischen Bereich, sonographisch nachweisen. Kardiale Stauungsergüsse sind in aller Regel echolos, solange diese noch nicht punktiert wurden (Abb. 2). Septen bzw. Septierungen können auf ein Lungenempyem deuten, Knotenbildungen auf dem Zwerchfell sind hoch malignitätsverdächtig [5].

Abb. 2
figure 2

Pleuraergussschätzung beim „sitzenden“ Patienten: 74 mm × 70 = etwa 500 ml

Pleuraergüsse sind so vielgestaltig, dass eine exakte Volumetrie nicht möglich ist. Eine Volumenschätzung ist zielführend, zumal sie in der Frage, ob ein Erguss punktionswürdig ist, gerade im Bereich von 400–600 ml gut zutrifft. Kleine Ergüsse werden im Volumen eher überschätzt, größere hingegen unterschätzt. Beim „liegenden“ oder wegen Atemnot etwas aufgerichteten Patienten (25–30 %) ist eine Messung von der dorsalen Brustwand zum Lungenunterrand in mm × 20 relativ treffsicher (κ = 0,72; [6]). Hier zeigt sich auch eine gute Übereinstimmung mit computertomographisch geführten Pleuraergussschätzungen [7].

Thoraxtrauma

Bei traumatischen Thoraxverletzungen kann die POCUS oft rasch zu einer Klärung führen. Rippenfrakturen lassen sich mit Stufe, Lücke und einem Reverberationsartefakt („Kaminphänomen“) am Schmerzpunkt 2‑ bis 4‑mal häufiger sonographisch darstellen als im Röntgenthoraxbild [8]. An der Brustwand nichttastbare und nichtsichtbare Weichteilverletzungen und Hämatome lassen sich leicht detektieren. Dazu sind weitere Läsionen, wie Hämatothorax (pleurale Flüssigkeit mit tanzenden Binnenechos), Pneumothorax, Perikardtamponade und bedrohliche Lungenkontusionen (Abb. 3), sofort zu entdecken. Beim Thoraxtrauma zeigen sich in 18 % subpleurale Konsolidierungen, die überwacht werden sollten, da diese Patienten noch 48 h später ein „acute respiratory distress syndrome“ (ARDS) entwickeln können. Leichtere Thoraxtraumen zeigen ein fokales interstitielles Syndrom [8].

Abb. 3
figure 3

Sonographisches Bild einer Rippenfraktur (a) nach Sturz von der Leiter, die in der Röntgendiagnostik nicht darstellbar war. Lungenkontusion mit schmalem Pleuraerguss (b). (Aus [2] mit freundlicher Genehmigung © S. Karger AG, Basel)

Pneumothorax

Ein Pneumothorax, ob spontan oder traumatisch aufgetreten, kann in kurzer Zeit lebensbedrohlich werden.

Sonographische Zeichen eines Pneumothorax sind:

  • fehlendes Lungengleiten,

  • fehlende B‑Linien,

  • fehlender Lungenpuls,

  • horizontale Reverberationen,

  • vorhandene(r) Lungenpunkt(e; [1]).

Der Lungenpuls lässt sich sonographisch in der Power-Doppler-Sonographie leichter nachweisen als im M‑Mode. Die Treffsicherheit des Ultraschalls in der Diagnostik des Pneumothorax liegt deutlich über 90 %, wenn alle Kriterien berücksichtigt werden. Sie ist deutlich besser als die der Röntgenuntersuchung des Thorax und vergleichbar mit der Computertomographie. Die Ausdehnung eines Pneumothorax kann sonographisch nicht beurteilt werden, dazu ist radiologische Bildgebung erforderlich. Ein lebensbedrohlicher Pneumothorax kann jedoch unter LUS-Kontrolle sofort drainiert und in der Entfaltung der Lunge kontrolliert werden [9].

Pleuritis

Starke, atemabhängige, lokalisierte und stechende Brustschmerzen bestehen bei Pleuritis, weshalb diese Patienten häufig Notaufnahmen besuchen. Ein knarrendes oder reibendes Atemgeräusch ist besonders bei Pleuritis exsudativa mit begleitendem Pleuraerguss durch Auskultation mit dem Stethoskop kaum feststellbar. Sonographisch zeigen sich am Schmerzpunkt Verdickungen und Fragmentierungen der Pleura visceralis mit diskreten subpleuralen Konsolidierungen und vermehrten Kometenschweifartefakten (fokales interstitielles Syndrom), die in der Röntgendiagnostik nicht nachweisbar sind [10].

Interstitielles Syndrom

Ein Syndrom ist noch keine Diagnose, sondern eine Ansammlung von Symptomen und Befunden, die auf eine bestimmte Krankheit hinweisen kann. Vor über 20 Jahren hat Daniel Lichtenstein gezeigt, dass sich durch vermehrte Kometenschweifarte ein Lungenödem von einer Exazerbation einer chronisch-obstruktive Lungenerkrankung differenzieren lässt [11]. Diese speziellen Kometenschweife werden heute B‑Linien genannt. B‑Linien sind als diskrete laserähnliche echoreiche Reverberationsartefakte definiert, die an der Pleuralinie entstehen, sich über den ganzen Bildschirm erstrecken und sich synchron mit dem Lungengleiten bewegen (früher: „Kometenschweifartefakte“).

Multiple B‑Linien sind das sonographische Zeichen eines interstitiellen Lungensyndroms. Eine positive Region ist durch das Vorhandensein von ≥3 B-Linien im Längsschnitt zwischen 2 Rippen definiert. Idealerweise sollten B‑Linien in 8 Regionen präsent sein, doch auch ein rascher Blick auf 2 Regionen kann ausreichen [1]. Eine Untersuchung der vorderen oberen Quadraten sowie dorsobasal ist ausreichend, zumal die feuchten Rasselgeräusche beim Lungenödem am besten basal zu hören sind.

In der internationalen Konsensuskonferenz wurde die diffuse Präsenz von B‑Linien auf verschiedene pulmonale Erkrankungen ausgeweitet:

  • Lungenödem verschiedener Genese,

  • interstitielle Pneumonie oder Pneumonitis,

  • diffuse interstitielle Lungenparenchymerkrankungen (Lungenfibrose, exogen allergische Alveolitis, Sarkoidose, Asbestose usw.; [1]).

Diese Ausweitung der Indikation führt zu einer Reduktion der Spezifität. Nach Meinung des Autors sollte der B‑Linien-Hype auf die Frage nach „sound of lung water“ bzw. auf die Herzinsuffizienz mit semiquantitativer Verlaufsbeurteilung beschränkt und fokussiert werden [12,13,14]. Auch beim ARDS finden sich vermehrte B‑Linien. Diese sind dabei jedoch unregelmäßig verteilt: zwischen Regionen mit vermehrten B‑Linien zeigen sich Areale mit normaler Belüftung.

Lungenkonsolidierungen

Ätiologisch gesehen bestehen 4 Formen von Lungenkonsolidierungen, die sonographisch dargestellt werden können:

  • inflammatorisch (→ Pneumonie),

  • mechanisch (→ Atelektase),

  • vaskulär (→ Lungenembolie),

  • neoplastisch (→ Karzinom und Metastase).

Wenn auch selten ein Patient mit Lungenkarzinom wegen Schmerzen und Luftnot in die Notaufnahme kommt, sollen Neoplasien hier aus Platzgründen nicht weiter vertieft werden.

Pneumonie

Die häufigste Diagnose bei Atemnot in der Notaufnahme ist mit 35 % eine Pneumonie [3]. Sonomorphologisch ist die bakterielle Pneumonie durch eine echoarme subpleurale Konsolidierung charakterisiert, in der sich ein dynamisches Bronchoaerogramm zeigt. Die Dynamik des Bronchoaerogramms ist zur Abgrenzung einer Obturationsatelektase essenziell (Abb. 4). Der Rand ist zackig begrenzt und zeigt Kometenschweifartefakte. Bedeutend ist eine kräftige reguläre Durchblutung insbesondere zur Differenzierung von Lungenembolien. Virus- und Pilzpneumonien sind meistens kleiner und zeigen weniger Bronchoaerogramme. Parapneumonische Pleuraergüsse werden in der LUS bei 55 %, im Röntgenthoraxbild zu 25 % gesehen. Durch deren Überwachung können Pleuraempyeme rechtzeitig erkannt und therapiert werden. Im klinischen Verlauf korreliert die Wiederbelüftung der pneumonischen Lungenkonsolidierung mit der LUS besser als mit dem Röntgenthoraxbild, in dem noch länger interstitielle Restinfiltrationen nachweisbar sind, obwohl die Patienten wieder gesund sind [15, 16].

Abb. 4
figure 4

Randständige Pneumonie mit Bronchoaerogramm: zackige Begrenzung, Kometenschweifartefakte und kleiner parapneumonischer Erguss

In 4 Metanalysen wurde die LUS mit der Computertomographie als Referenzmethode evaluiert. Dabei zeigt sich für LUS eine Sensitivität von 88–97 % und eine Spezifität von 90–96 %. Die Thoraxröntgendiagnostik hingegen wies eine gepoolte Sensitivität von 77 % und eine Spezifität von 91 % auf. Daher sollte LUS die Thoraxröntgendiagnostik in der bildgebenden Diagnostik der ambulant erworbenen Pneumonie ersetzen [17].

Atelektasen

Bei beatmeten Patienten ist es schwieriger, sonographisch zwischen resorptiver Atelektase und einer Pneumonie zu unterscheiden. Dazu ist die klinische Gesamtschau inklusive Labordiagnostik erforderlich. Doch wurde gezeigt, dass solche Konsolidierungen mittels LUS gut nachweisbar sind und dass die Reventilation mit der Computertomographie korreliert [18]. Kompressionsatelektasen in voluminösen Pleuraergüssen zeigen eine typische Sonomorphologie: Sie sind schmal, zipfelmützenförmig, bewegen sich im Erguss wie eine winkende Hand und sind bei Inspiration teilweise wieder belüftet.

Thromboembolie

Mit Einführung der Mehrschichtspiralcomputertomographie (MSCT) hat die Inzidenz der Lungenembolie zugenommen, deren Mortalität konnte jedoch seit 3 Jahrzehnten nicht gesenkt werden [19, 20]. Da die klinischen Symptome unspezifisch sind, wird in der Notaufnahme zu selten daran gedacht oder diagnostisch zu langsam vorgegangen. Die klinische Wahrscheinlichkeit spielt wieder zunehmend eine entscheidende Rolle. Bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit sollte sofort eine adäquate Bildgebung erfolgen und kein D‑Dimer-Test mehr durchgeführt werden.

Ein hämodynamisch instabiler Patient sollte bei Verdacht auf eine Lungenembolie sofort echokardiographiert und bei Zeichen der Rechtsherzbelastung sofort lysiert werden. Etwa die Hälfte der Pulmonalarterienembolien stammen aus den tiefen Beinvenen. Die 2‑Punkt-Kompressionssonographie der V. femoralis und der V. poplitea hat sich laut aktuellen Leitlinien ausreichend bewährt und kann rasch durchgeführt werden [21].

Je nach Beschwerden und klinischem Status ist eine Triple-Mode-Sonographie sinnvoll

Je nach Beschwerden und klinischem Status ist die Triple-Mode-Sonographie sinnvoll: Herz, Lunge und Beinvenen. Virchow hat schon vor 150 Jahren festgestellt, dass die Thromboembolie eine gemeinsame Erkrankung darstellt. Die beste Sensitivität zur Diagnostik der Lungenembolie hat die LUS [22]. Dabei zeigen sich relativ kleine echoarme Lungenkonsolidierungen (1–3 cm groß) mit pleuraler Basis (überwiegend triangulär, durchschnittlich 2,4 Läsionen pro Patient; Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Sonographische Bild einer peripheren Lungenembolie

Zentral lässt sich in der Farb-Doppler-Sonographie keine Durchblutung nachweisen. In der Hälfte der Fälle zeigt sich ein kleiner lokaler oder basaler Pleuraerguss [23]. Metaanalysen zeigen für die alleinige LUS eine Sensitivität von 80–87 % und eine Spezifität von 82–93 % [24]. Eine Senkung der Mortalität kann erreicht werden, wenn möglichst zeitgerecht eine Triple-Ultraschalluntersuchung durchgeführt wird [25, 26].

Fazit für die Praxis

  • Jeder Kliniker ist gefordert, bei Dyspnoe oder Thoraxschmerzen die Lungen‑/Thoraxsonographie in Kombination mit der fokussierten Echokardiographie einzusetzen.

  • Aktuell besteht die Möglichkeit, mit mobilen Geräten die Auskultation mit dem Stethoskop zu ergänzen oder gar zu ersetzen.

  • Viele der beschriebenen Lungenerkrankungen in der Akutmedizin können rasch bildgebend diagnostiziert werden. Dies führt über eine frühzeitige Diagnose zu einer besseren Behandlung der Patienten und spart Ressourcen.