Zusammenfassung
Die ethischen Anforderungen an die Psychiatrie und die psychiatrische Forschung gehören zu den brisanten Problemkreisen unserer Gesellschaft. Ethische Fragen gewinnen immer dann an Bedeutung, wenn tradierte humanistische und religiöse Wertsysteme entweder infrage gestellt werden oder die allgemeingültige Normfunktion verloren haben. Da heutzutage ehemals grundlegende Überzeugungen ihre Verbindlichkeit abgelegt haben, fordert und fördert die Ethik das Reden über Moral, da alle Beteiligten eine neue Orientierungssicherheit benötigen (E. Waibl). Wichtig ist heute mehr denn je eine ehrliche und offene Auseinandersetzung mit den unserer Gesellschaft zugrunde liegenden Wertesystemen, gefordert sind ethische Grundhaltungen, die die Würde und Rechte des Menschen respektieren. Die Psychiatrie ist dabei aufgefordert, die wachsende Wahrnehmung von Menschen- und Bürgerrechten genauso zu reflektieren, wie die Vorstellungen von menschlicher Würde, Freiheit und Selbstbestimmung, auch (oder gerade) wenn letztere durch psychiatrische Erkrankungen oft eingeschränkt oder aufgehoben ist. Das Aufzeigen und Besprechen ausgewählter Problemfelder der psychiatrischen Ethik ist für die Entwicklung der beruflichen Identität künftiger Ärzte und Fachärzte von fundamentaler Bedeutung. Der ethisch reflektierende und handelnde Arzt muss sich bemühen, moralische Probleme zu gewichten. Damit er diese mit der nötigen Sensibilität wahrnehmen kann, ist es unerlässlich, dass er seine Wachsamkeit schärft und mit großer Aufmerksamkeit die Entwicklung der biomedizinischen und biotechnischen Möglichkeiten verfolgt. Die Verführung durch das Machbare ist in der Tat gewaltig, das technisch Realisierbare hat Dimensionen angenommen, die vor wenigen Jahren noch nicht vorstellbar waren. Dabei können allerdings auch bei guter Begründung ethischer Empfehlungen den Therapeuten schwerwiegende Entscheidungen nicht abnehmen, sie können aber die Last der Entscheidung verringern, wenn sie dazu beitragen, ihnen in ihrem Handeln größere Klarheit zu vermitteln. Und so kann und soll sich in der Erörterung der ethischen Fragestellungen ein begriffliches Instrumentarium entwickeln, mit dessen Hilfe es gelingt, Problemfälle zu erkennen und diese einer adäquaten Lösung zuzuführen.
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Hinterhuber, H. (2017). Ethik in der Psychiatrie. In: Möller, HJ., Laux, G., Kapfhammer, HP. (eds) Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie. Springer Reference Medizin. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-49295-6_2
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