Zusammenfassung
Forschendes Lernen verknüpft Forschung und Lernprozesse integrativ und synergetisch miteinander (vgl. exemplarisch Huber 2009). Wird Forschen als Praxisvollzug von Wissenschaft verstanden (vgl. BAK 1970, S. 9), werden im Bereich des forschenden Lernens neben lerntheoretischen auch wissenschaftstheoretische Fragestellungen relevant. Mit Bezug auf das forschende Lernen stellt sich die Frage, wie Wissenschaft theoretisch im Kontext des forschenden Lernens verortet werden kann?
Welches Wissenschaftsverständnis liegt dem Konzept des forschenden Lernens zugrunde?
Weist das forschende Lernen spezifische wissenschaftstheoretische Implikationen auf, die auch für die Lehr-Lernpraxis von Bedeutung sind?
Der Beitrag versucht Eckpunkte für eine wissenschaftstheoretische Verortung des forschenden Lernens herauszuarbeiten, um eine erste Annährung an diese Fragen zu leisten.
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Notes
- 1.
„Obwohl viele Wissenschaftler leicht und gut über die besonderen individuellen Hypothesen sprechen, die einem konkreten Teil der laufenden Forschung zugrunde liegen, sind sie doch nur wenig besser als Laien, wenn es um die Charakterisierung der etablierten Grundlagen ihres Gebietes, seiner legitimen Probleme und Methoden geht. Wenn sie derartige Abstraktionen überhaupt gelernt haben, dann zeigen sie es in erster Linie durch ihre Fähigkeit zu erfolgreicher Forschung. Diese Fähigkeit kann aber verstanden werden, ohne dass man bei hypothetischen Spielregeln Zuflucht suchen müsste.“ (Kuhn 1973, S. 73).
- 2.
Diese Zielsetzung kann auch eine kreativ-freie Entwicklung von Hypothesen beinhalten, diese müssen aber „an der Erfahrung durch Beobachtung und Experiment überprüft werden“ (Popper 1973, S. 3) können und so den Ansprüchen einer logisch fundierten, empirischen Prüfung zugänglich gemacht werden. Hypothesen liefern als „allgemeine Sätze“ (Popper 1973, S. 32) „kausale Erklärungen“ (ebd.) und sind logisch strukturiert (vgl. Popper 1973, S. 19 u. S. 59).
- 3.
Vgl. dazu auch Habermas (1983), der diese Form diskursiven Erkennens in Form einer Diskursethik als Idealbild gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse fasst.
- 4.
An dieser Stelle kann nicht geklärt werden, wann eine Disziplin zu den Geisteswissenschaften zählt. Dem müsste u.a. eine Klärung vorangehen, ob in der jeweiligen Wissenschaft menschliches Erleben hermeneutisch beforscht wird (vgl. dazu Anzenbacher 1981).
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Dieses menschliche Leben ist stets, wie Dilthey herausgearbeitet hat, historische gebunden. Dies heißt, dass Erlebensprozesse stets historisch bzw. sozial beeinflusst werden, wie Bourdieu mit seinem Ansatz des Habitus zeigt (vgl. Bourdieu 1983). Denkt man diesen Gedanken weiter, ist selbst das einsame Erleben des gestrandeten Robinson ein gesellschaftlich gebundenes Erleben, da sich die historische Gebundenheit das Erleben Robinsons derart präfiguriert hat, dass es sich auch auf einer einsamen Insel aktualisiert. So wie Wittgenstein formuliert, dass es keine Privatsprache gibt, da Sprache immer gesellschaftlich gebunden ist, gibt es auch kein ‚privates‘ Erleben.
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Z.B.: Element W ruft Wirkung X hervor. Element X wiederum ruft in Wechselwirkung mit Element Y – quasi als Effekt – Wirkung Z hervor.
- 7.
Kant diskutiert die ontologische Letztbegründung vom Wesen der Dinge nicht, da das ‚Ding an sich‘ aus subjektzentrierter Erkenntnisanalyse als eine nicht verifizierbare Hypothese zu werten ist. Die Möglichkeit einer Erkenntnis der Wesenswelt beschreibt Kant als konstruierenden Erkenntnisprozess, der als Abstraktion archetypische Dinge an sich evoziert und den subjektzentrierten, erkenntnistheoretischen Ansatz Kants deutlich macht: „Denn, wenn wir von allen Bedingungen der Anschauung abstrahiert haben, so bleibt uns freilich im bloßen Begriffe nichts übrig, als das Innere überhaupt, und das Verhältnis desselben untereinander, wodurch allein das Äußere möglich ist. Diese Notwendigkeit aber, die sich allein auf Abstraktion gründet, findet nicht bei den Dingen statt, sofern sie in der Anschauung mit solchen Bestimmungen gegeben werden, die bloße Verhältnisse ausdrücken, ohne etwas Inneres zum Grunde zu haben, darum, weil sie nicht Dinge an sich selbst, sondern lediglich Erscheinungen sind“ (Kant 1956, B341f./A284f.). Kant umreißt die schöpferische Kompetenz des Menschen mittels dessen Erkenntnisvermögens. Er beschränkt sich auf positiv erlangbares Wissen, in dem sich die Möglichkeit des Subjekts manifestiert, die ihm dargebotene Welt zu erkennen, was auf die empirische Dimension jeglicher Erkenntnis verweist: „Die Fähigkeit (Rezeptivität), Vorstellungen durch die Art, wie wir von Gegenständen affiziert werden, zu bekommen, heißt Sinnlichkeit. Vermittelst der Sinnlichkeit also werden uns Gegenstände gegeben, und sie allein liefert uns Anschauungen; durch den Verstand aber werden sie gedacht, und von ihm entspringen Begriffe“ (Kant 1956, B33/A19).
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In Anschluss an die Sprechakttheorie von Austin (1972) bzw. Searle (1971), die Diskussion dieses Ansatzes von Derrida (1988) und Butler (2006) bezeichnet ‚Performanz‘ nicht den Akt einer reinen Wiederholung, sondern einen reproduzierenden Akt, der in seiner Nachahmung etwas Neues hervorbringt (vgl. dazu auch den von Derrida definierten Begriff ‚Iterabilität‘, Derrida 1976).
- 9.
Nietzsche als Philosoph setzte sich mit einem ausgehendem idealistischen Wissenschaftsverständnis und einem aufstrebenden, positivistisch ausgerichteten Naturwissenschaftsverständnis auseinander, vgl. Heit 2011.
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Kergel, D. (2016). Glücklich forschend Lernen – Wissenschaftstheoretische Überlegungen zum forschenden Lernen. In: Kergel, D., Heidkamp, B. (eds) Forschendes Lernen 2.0. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-11621-7_9
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