Die pädiatrische Transfusionsmedizin unterscheidet sich durch Erkrankungen, die auf besondere Blutgruppeninkompatibilitäten zwischen Mutter und Fetus zurückzuführen sind, sowie durch die altersabhängig unterschiedlichen Blutvolumina und Transfusionsgrenzen wesentlich von der Transfusionsmedizin im Erwachsenenalter.

Die rechtlichen Grundlagen für Transfusionen bilden das Transfusionsgesetz und das Arzneimittelgesetz. Die nachfolgenden Empfehlungen zur Bluttransfusion im Kindesalter beruhen auf den Querschnitts-Leitlinien (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten, herausgegeben vom Vorstand der Bundesärztekammer auf Empfehlung des wissenschaftlichen Beirats, den Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie), aufgestellt gemäß §§ 12a und 18 Transfusionsgesetz von der Bundesärztekammer im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut, sowie den Kriterien des Pediatric Hemotherapy Committee of the American Association of Blood Banks.

1 Risiko übertragbarer Infektionen

Während eine Alloimmunisierung gegen Erythrozytenantigene im Neugeborenen- und jungen Säuglingsalter offenbar nur äußerst selten vorkommt, haben transfusionsbedingte Infektionen eine unverändert hohe Bedeutung. Das Expositionsrisiko ist besonders groß bei sehr unreifen Frühgeborenen, die regelmäßig kleine Mengen Blut von vielen Blutspendern benötigen. Durch sorgfältige Befragung (Ausschluss von Risikogruppen) und regelmäßige Untersuchung der Blutspender sowie verbesserte Nachweismethoden im Labor (NAT-, PCR-Testung) konnte das virale Infektionsrisiko durch Blutprodukte zwar reduziert, nicht aber völlig ausgeschlossen werden. Genaue Zahlen über die Häufigkeit der transfusionsbedingten Infektionen im Kindesalter existieren nicht. Im Hämovigilanzbericht des Paul-Ehrlich-Instituts werden für die Jahre 1997 bis 2008 insgesamt 22 Fälle für HBV, 20 für HCV und 5 für HIV einer wahrscheinlichen oder gesicherten viralen Transmission angegeben, bei einer Spendenzahl von ca. 50 Millionen während des genannten Zeitraums. Zu berücksichtigen ist dabei, dass erst ab Oktober 1999 ein verpflichtendes deutschlandweites HCV-NAT-Screening und ab Mai 2004 ein HIV-NAT-Screening eingeführt wurde und die Zahlen viraler Transmissionen durch Blutprodukte danach jeweils stark rückläufig waren. Für das Jahr 2009 wird kein Fall einer gesicherten viralen Transmission angegeben, was aber nicht zu dem Trugschluss führen sollte, ein virales Infektionsrisiko sei nicht weiter existent. Insbesondere die Variabiltät mancher Viren, okkulte persistierende Infektionen und niedrig virämische Blutspender, die auch von der PCR nicht erfasst werden, bzw. bislang unbekannte oder in Mitteleuropa derzeit nicht endemische Krankheitserreger verbieten auch weiterhin einen zu sorglosen Umgang mit Blutprodukten.

Die Risiken für HIV, HCV und HBV werden in den Hämotherapierichtlinien , Fassung 2010, folgendermaßen angegeben:

  • Posttransfusionshepatitis durch HBV: 1 : 500.000 bis 1 : 1.000.000;

  • Posttransfusionshepatitis durch HCV: <1 : 1.000.000;

  • Übertragung von HIV: <1 : 1.000.000.

Bei HIV-, HCV- oder HBV-Infektionen von Blutspendern oder Empfängern von Blutkomponenten bzw. Plasmaderivaten ist eine Rückverfolgung möglicherweise mitbetroffener Empfänger und Blutspender durchzuführen (sog. Look-back-Verfahren).

Selten werden Malaria (1 Fall/4–6 Mio. Erythrozytentransfusionen), Toxoplasmen u. a. Parasiten übertragen. Die potenziell infektiösen Blutspender können z. Z. nur durch sorgfältige Befragung erkannt und ggf. von der Spende ausgeschlossen werden.

Besonders nach Thrombozytentransfusion, aber auch nach EK- oder FFP-Gabe, kann eine bakterielle Kontamination der Konserve zu einer systemischen fieberhaften Infektion (bis zum Vollbild einer Sepsis) führen (▶ Abschn. 170.8).

1.1 Erregerinaktivierung

Wegen des bestehenden Restrisikos sollten so weit möglich nur noch virusinaktivierte oder Quarantäneblutprodukte eingesetzt werden. Bisher war eine Virusinaktivierung nur in Plasma und Plasmafraktionen möglich. Durch neue Pathogeninaktivierungsverfahren (Intercept, Mirasol Theraflex UV-Verfahren etc.) können neuerdings Viren (wahrscheinlich aber keine unbehüllten RNS-Viren) und Bakterien auch in Thrombozytenkonzentraten – die am ehesten für eine bakterielle Infektion in Frage kommen – inaktiviert werden. Zu bedenken ist dabei aber, dass die genannten Substanzen an den Nukleinsäuren der Erreger angreifen, damit potenziell aber auch auf die Nukleinsäuren des Präparateempfängers Auswirkungen haben und mutagen wirken könnten.

Um leukozytenassoziierte Viren zu entfernen, die Gefahr der Prionenübertragung zu reduzieren sowie die Immunisierungsrate zu erniedrigen, dürfen nur leukozytendepletierte Blutzellprodukte (Ausnahme: Stammzellen- und Leukozytenapherisate) verwendet werden (Leukozytengehalt <1 × 106/Einheit; Leukozytendepletion durch Filtrierung mittels Adhäsionsfilter oder durch Elutriation bei Aphereseprodukten). Ob tatsächlich ein leukozytendepletiertes Produkt einem CMV-negativ getesteten Produkt äquivalent ist, wird kontrovers diskutiert. Im Notfall kann auf die ausreichende Sicherheit der Leukozytendepletion vertraut werden. Für immunsupprimierte bzw. immuninkompetente CMV-negative Empfänger sollte weiterhin auf jegliche Verhinderung einer CMV-Übertragung geachtet und nach Möglichkeit CMV-negative Blutprodukte transfundiert werden.

2 Blutprodukte

2.1 Standardpräparate

Einen Überblick über die Standardpräparate für Bluttransfusionen gibt ◘ Tab. 170.1.

Tab. 170.1 Standardpräparate (Mod. nach: Bundesärztekammer u. Paul Ehrlich Institut 2005)

2.2 Speziell behandelte Blutprodukte

Standardmäßig werden Blutkonserven nur auf HIV, HBV, HCV und Lues getestet. Immungeschwächte Patienten können aber durch weitere Infektionen (CMV, Parvovirus B19) besonders gefährdet sein.

2.2.1 Zytomegalie – negative Blutprodukte

Das Zytomegalievirus (CMV) ist ubiquitär verbreitet und befindet sich vorwiegend intrazellulär in Leukozyten. Es findet sich in praktisch allen Körpersekreten (Speichel, Urin, Blut etc.) und ist damit grundsätzlich auch über Blutprodukte sowie transplazentar übertragbar. Die minimale infektiöse Dosis ist noch unbekannt. Die Primärinfektion führt bei immunkompetenten Personen im Allgemeinen zu keinen oder nur leichten Krankheitssymptomen (Fieber, Abgeschlagenheit, leicht erhöhte Leberwerte etc.). Bei seronegativen Immunkompromittierten, insbesondere Patienten mit gestörter zellulärer Immunität, sind dagegen schwere (Pneumonie, Enzephalitis, Hepatitis, akute oder chronische Transplantatschädigungen) bis tödliche Verläufe möglich.

Die seit 01.10.2001 in Deutschland vorgeschriebene Leukozytendepletion (<1 × 106 Restleukozyten) für Blutkonserven (ausgenommen Granulozytenkonzentrate) führt zu einer Risikoverminderung für CMV Infektionen um 90 %. Unwirksam ist die Leukozytendepletion per se bei Filtrationsversagern und bei virämischen Spendern in der Serokonversionsphase, weil das Virus in diesem Stadium noch nicht vollständig zellassoziiert ist. Die jährliche CMV-Inzidenzrate liegt in unseren Breiten bei 0,5–1 %. Eine CMV-Transmission durch Gefrierplasma oder Plasmaprodukte wie Fibrinogen, Albumin, PPSB etc. ist nicht zu erwarten. Die früher zur weiteren Verringerung des CMV-Infektionsrisikos durchgeführte Antikörpertestung wird aktuell nicht mehr empfohlen. Stattdessen können CMV-NAT-negative Präparate für nachfolgend aufgeführte Patientengruppen in Erwägung gezogen werden (in enger Anlehnung an die Querschnitts-Leitlinien [BÄK] zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten 2008 und die Stellungnahme des AK Blut, Humanes Cytomegalievirus [HCMV], 2010):

Gesicherte Indikation

  • Patienten, die Granulozytenpräparate erhalten sollen.

Nicht gesicherte Indikationen

  • Feten (intrauterine Transfusion),

  • CMV-negative, schwangere Frauen,

  • Frühgeborene,

  • Organ- oder Stammzelltransplantierte,

  • Empfänger mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten.

Im Notfall und bei Versorgungsschwierigkeiten können auch ausschließlich leukozytendepletierte Präparate transfundiert werden.

2.2.2 Parvovirus-B19 – negative Blutprodukte

Sehr ähnlich stellt sich die Situation für transfusionsassoziierte Parvovirus-B19-Infektionen dar. Auch hier ist mit einer jährlichen Inzidenz von ca. 1 % zu rechnen sowie einer hochvirämischen Phase vor Serokonversion. Demgegenüber stehen vergleichsweise wenige Fallberichte von transfusionsassoziierten Infektionen. Auch dieser Erreger ist durch Blut übertragbar und führt in der Regel nur bei Immungeschwächten, Feten und zusätzlich wegen der Vermehrung in den erythroiden Vorläuferzellen des Knochenmarks bei Patienten mit erhöhtem Erythrozytenumsatz (hämolytische Anämie etc.) zu gravierenden Krankheitsverläufen (Hydrops fetalis, Fruchttod bzw. Spontanaborte, Anämie, Knochenmarksnekrosen bis hin zu letalen Verläufen). Anders als für CMV besteht auch für Plasmaderivate wie Gerinnungsfaktorkonzentrate ein gewisses Restinfektionsrisiko wegen der deutlich problematischeren Virusinaktivierung. Auch für diese Risikopatienten kann eine zusätzliche B19-Testung von Blutkonserven ggf. sinnvoll sein. Im Einzelnen sind dies (in enger Anlehnung an die Querschnitts-Leitlinien [BÄK] zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten 2008 und die Stellungnahme des AK Blut, Parvovirus B19, 2010):

(Derzeit noch) nicht gesicherte Indikationen:

  • Feten (intrauterine Transfusion),

  • B19-negative, schwangere Frauen,

  • Frühgeborene,

  • Organ- oder Stammzelltransplantierte,

  • Patienten mit Hochdosis-Chemotherapie (Z. n. Stammzell-, Organtransplantation, Autoimmunerkrankungen etc.),

  • Empfänger mit angeborenen (SCID, Antikörpermangelsyndrom etc.) oder erworbenen Immundefekten (AIDS, Granulozytopenie etc.),

  • Empfänger mit hämolytischen Anämien,

  • Empfänger mit lymphatischen Erkrankungen (ALL, CLL, Lymphome, Plasmozytom etc.) unter bzw. nach Chemotherapie.

2.2.3 Bestrahlte Blutprodukte

Nach Übertragung von teilungsfähigen Spenderlymphozyten kann es beim Empfänger zu einer GvHD (Graft versus Host Disease) kommen. Besonders gefährdet sind Patienten mit gestörtem Immunsystem, aber auch Patienten mit intaktem Immunsystem, wenn eine Haploidentität im HLA-System zwischen Spender und Empfänger besteht. Die Empfängerlymphozyten können die HLA-haploidenten Spenderlymphozyten nicht als fremd erkennen, während die homozygoten Spenderlymphozyten den nicht gemeinsamen HLA-Haplotyp als fremd abstoßen. Die transfusionsbedingte GvHD ist eine seltene, meist akut verlaufende Erkrankung mit einer Letalität von bis zu 90 % im Kindesalter. Da es bisher außer einer supportiven keine effiziente Therapie gibt, kann die GvHD nur durch die Gabe von prophylaktisch bestrahlten Blutprodukten verhindert werden. Die Bestrahlung erfolgt mit einer Dosis von 25–30 Gy und hat bei dieser Dosis keine nachteiligen Folgen auf die Funktionalität der Blutzellen, bei Erythrozytenkonzentraten verringert sich die Haltbarkeit allerdings auf 14 Tage nach Bestrahlung aufgrund der dadurch erfolgten Membranläsionen und des damit verbundenen erhöhten Kaliumaustritts.

Nachfolgend eine Auflistung mit gesicherten bzw. (noch) nicht gesicherten Indikationen für bestrahlte zelluläre (EK, TK, Granulozyten, Vollblut) Blutkonserven (in enger Anlehnung an die Querschnitts-Leitlinien [BÄK] zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten 2008):

Gesicherte bzw. weitgehend gesicherte Indikationen:

  • Intrauterine Transfusion,

  • Neugeborene nach vorausgegangener intrauteriner Transfusion,

  • postpartale Austauschtransfusion,

  • Patienten mit SCID (schwerer kombinierter Immundefekt),

  • Patienten mit angeborener Immundefizienz oder Verdacht auf angeborene Immundefizienz,

  • Patienten vor der autologen Blutstammzellentnahme (beginnend ca. 14 Tage vorher), während und nach (bis ca. 3 Monate) der autologen Blutstammzell- oder Knochenmarktransplantation,

  • Patienten mit allogener Blutstammzell- oder Knochenmarktransplantation mindestens für 6 Monate,

  • Patienten mit GvHD nach allogener Blutstammzell- oder Knochenmarktransplantation,

  • Patienten mit Morbus Hodgkin (alle Stadien),

  • Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphomen (alle Stadien),

  • Patienten unter Therapie mit Purin-Analoga (Fludarabin, Cladribin, Deoxycoformycin),

  • alle Blutkomponenten aus gerichteten Blutspenden von Blutsverwandten,

  • HLA-ausgewählte Blutkomponenten,

  • alle Granulozytenpräparate.

Nicht gesicherte Indikationen:

  • Transfusion von Frühgeborenen,

  • Transfusion von Patienten mit AIDS,

  • Transfusion von Patienten mit Leukämie,

  • Transfusion von Patienten mit soliden Tumoren (einschließlich Neuroblastom und Rhabdomyosarkom),

  • Transplantation solider Organe (einschließlich Herztransplantationen).

Gefrierplasma (FFP) muss in keinem Fall bestrahlt werden, Stammzellpräparate dürfen niemals bestrahlt werden!

2.2.4 Gewaschene Blutprodukte

Waschen von Blutprodukten entfernt das restliche Plasma. Es ist nur in ganz seltenen Fällen indiziert, bei Patienten mit absolutem IgA-Mangel , ggf. mit nachgewiesenen Anti-IgA-Antikörpern bzw. mehrmaligen schweren allergischen Transfusionsreaktionen, die unzureichend auf die Gabe von Antihistaminika und/oder Prednison ansprechen. Insbesondere das Waschen von Thrombozyten führt zu einem relativ hohen Verlust mit gleichzeitiger Thrombozytenschädigung. Die Haltbarkeit von gewaschenen Blutpräparaten ist in der Regel reduziert. Auf keinen Fall darf durch das Waschen eine klinisch notwendige Transfusion verzögert werden.

2.2.5 Vorgehen bei möglicher T-Antigen-Aktivierung der Erythrozyten

Besonders im Kindesalter gehen einige Erkrankungen mit einer Aktivierung von T-Antigen auf der Erythrozytenoberfläche einher. Die Bedeutung dieses kryptischen Antigens für eine verstärkte Hämolyse ist bisher nicht bewiesen.

Hämolytisch – urämisches Syndrom (HUS) mit T-Antigenaktivierung

Beim hämolytisch-urämischem Syndrom infolge einer Pneumokokken-Sepsis und/oder Meningitis kommt es zu einer sehr schweren Hämolyse . Durch die bakterieneigene Neuraminidase wird das T-Antigen auf Erythrozyten und Glomerulazellen aktiviert. Möglicherweise trägt bei dieser Sonderform des HUS die T-Antigenaktivierung zur Morbidität bei. Daher empfehlen wir beim atpyischen HUS auch ein Screening auf T-Antigen. Dies erlaubt sehr früh die Identifizierung von Patienten mit HUS im Gefolge einer Pneumokokkeninfektion und hohem Risiko für schwere Hämolyse und Nierenversagen. In besonders schweren Fällen mit hämolytisch-urämischem Syndrom haben sich Blutaustauschtransfusionen bewährt.

3 Transfusion von Erythrozyten

3.1 Neugeborene und Säuglinge bis 4. Monat

Aufgrund der besonderen physiologischen Verhältnisse in der Neugeborenzeit ergeben sich hier besondere Indikationen. Neugeborene und insbesondere Frühgeborene gehören zu den Patientengruppen im Krankenhaus, die am ehesten eine Bluttransfusion erhalten.

Kriterien zur Erythrozytensubstitution bei Neugeborenen und Säuglingen bis zum 4. Lebensmonat (Guidelines for blood utilization 2001)

  • Hb-Wert <13 g/dl und schwere Lungenerkrankung, zyanotische Herzerkrankung oder Herzversagen

  • Hb-Wert <8 g/dl bei Neugeborenen mit klinischen Zeichen der Anämie (Tachykardie, Tachypnoe, rezidivierende Apnoe, fehlendes Gedeihen)

  • Akuter Blutverlust >10 % des Blutvolumens

  • Iatrogener Blutverlust >10 % des Blutvolumens innerhalb einer Woche

Bis zu 90 % aller Erythrozytentransfusionen für Frühgeborene <32 SSW erfolgen, um den iatrogenen Blutverlust zu ersetzen. Bis zu 25 % dieser Frühgeborenen verlieren dadurch innerhalb von 6 Wochen mehr als ihr gesamtes Blutvolumen. Trotz großer Fortschritte in der Miniaturisierung der Labortests müssen insbesondere die sehr unreifen Frühgeborenen regelmäßig transfundiert werden, um die Verluste durch die erforderlichen Blutentnahmen zur Überwachung der Vitalfunktionen auszugleichen. Die hochdosierte Erythropoietinbehandlung sehr kleiner Frühgeborener mit dem Ziel, den Transfusionsbedarf zu senken, kann bisher nicht empfohlen werden.

Ein iatrogener Blutverlust von 7 ml entspricht ca. 10 % des Blutvolumens eines 1000 g schweren Frühgeborenen. Dadurch sind wiederholte Transfusionen von kleinen Volumina (5–15 ml/kgKG) innerhalb einer relativ kurzen Zeit erforderlich. Das Früh- und Neugeborene sollte dabei einer möglichst geringen Anzahl an Blutspendern ausgesetzt sein, um das Risiko übertragener Infektionen zu mindern. Die benötigte Gesamtmenge an Blut für ein Neugeborenes kann in vielen Fällen leicht durch die Spende einer Person erfolgen („ein Spender für einen Patienten“; Guidelines for blood utilization review 2001). Durch den Einsatz von Quadrupelbeuteln und steriler Schweißtechnik können im geschlossenen System vier Aliquots mit kleinem Volumen (ca. 70 ml; sog. Babykonserven) hergestellt und für einen Patienten bereitgestellt werden. Zu beachten in diesem Zusammenhang laut Hämotherapierichtlinien ist aber, dass Früh- und Neugeborene frische, in der Regel nicht länger als 7, höchstens 28 Tage gelagerte Erythrozytenkonzentrate erhalten sollten. Bei länger gelagerten Erythrozytenkonzentraten ist mit einer Zunahme der Hämolyse, einem deutlichen Kaliumanstieg, pH-Verschiebungen in den leicht sauren Bereich, ATP-Verlust und einer damit verbundenen schlechteren Verformbarkeit der Zellen sowie einer 2,3-Diphosphoglycerat-Verarmung mit verminderter Freisetzung von Sauerstoff ins Gewebe durch Linksverschiebung der O2-Dissoziationskurve zu rechnen.

3.1.1 Massivtransfusionen , Austauschtransfusion

Die Transfusion von gelagertem Vollblut wird aus medizinischen und ökonomischen Gründen heute praktisch nicht mehr durchgeführt. Fast immer kann dafür die Kombination von Erythrozytenkonzentrat und Frischplasma gegeben werden (Erythrozyten der Blutgruppe 0, Rh und andere Antigene kompatibel hinsichtlich evtl. mütterlicher Antikörper, gemischt mit AB-Plasma; im Plasma sollten durch Antikörpersuchtest irreguläre Antikörper ausgeschlossen sein). Dies gilt auch für den vollständigen Blutaustausch beim Neugeborenen und die Massivtransfusion bei schwerem akutem Blutverlust. Hauptindikationen für eine Blutaustauschtransfusion sind die schwere Hyperbilirubinämie bei gesteigerter Hämolyse (mit oder ohne Blutgruppenunverträglichkeit), gefolgt von Sepsis und disseminierter intravasaler Gerinnung sowie die Sichelzell-Erkrankung. Der Austausch des einfachen Blutvolumens ersetzt ca. 75 % der kindlichen Erythrozyten, das Bilirubin fällt um ca. 50 %, kann aber in der Folge wegen Zustroms aus dem Extravasalraum erneut ansteigen.

Massivtransfusionen fallen an bei einer Verwendung des extrakorporalen Kreislaufs in der Kardiochirurgie und während der extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) beim Neugeborenen. Zu achten ist bei beiden Transfusionsarten auf das Kalzium wegen des Zitratzusatzes sowohl im EK als auch im FFP, ggf. muss vorsichtig substituiert werden. Weiter muss bei Austauschtransfusionen ein eventueller Mangel an Thrombozyten bedacht werden, bei einer Massivtransfusion (Ersetzen von mehr als einem Blutvolumen in weniger als 24 Stunden) ein mögliches Defizit an Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten. Eine Behandlung durch Zufuhr von Plättchen und/oder Gerinnungsfaktoren kann sinnvoll sein im Falle einer Blutung, die durch diesen Mangel verursacht wird. Eine Hypothermie muss durch Erwärmen des Blutes vermieden werden. Für Austauschtransfusionen sind ausschließlich bestrahlte, höchstens 7 Tage gelagerte Erythrozyten zu verwenden.

3.1.2 Austauschtransfusion, Transfusion und Aderlass bei Sichelzellpatienten

Patienten mit Sichelzellerkrankung benötigen eine Austauschtransfusion bei akutem ZNS-Infarkt und vor großen, mehrstündigen, besonders neurochirurgischen oder ophthalmologischen Eingriffen; eine schwere und nicht auf Analgetika ansprechende Schmerzkrise kann eine partielle Austauschtransfusion erfordern. Sofern nach dem Austausch das HbS 30 % oder tiefer ist, darf der Ziel-Hb-Wert über 100 g/l liegen.

Ein niedriger Hb-Wert ist allein noch keine Indikation für eine Transfusion. Bei ausreichender Retikulozytose (>10–20 %) kann auch ein niedriger Hb-Wert von 50 g/l toleriert werden. Kleinere Operationen sind genauso wenig ein Grund für eine Transfusion wie Schmerzkrisen. Beim akuten Thoraxsyndrom darf nur transfundiert werden, wenn das Hb <7 g/dl ist, sonst sollte partiell ausgetauscht werden. Bei einer Einzeltransfusion darf ein Ziel-Hb von 105 g/l nicht überschritten werden. Bei rezidivierenden Schmerzkrisen kann eine regelmäßige Aderlasstherapie (Entnahme von 10–15 ml/kgKG) helfen; über einen zweiten Zugang wird zeitgleich die gleiche Menge 0,9 % NaCl infundiert (zur Indikationsstellung der regelmäßigen Aderlass-Therapie sollte ein Expertenrat eingeholt werden).

3.1.3 Transfusionen bei AB0-Konstellation von Mutter und Kind

Mütter der Blutgruppe 0, die Kinder der Blutgruppe A oder B erwarten, bilden leicht plazentagängige IgG-Antikörper der Spezifität Anti-A bzw. Anti-B, die sich auch ohne Symptome einer AB0-Erythroblastose im kindlichen Organismus befinden können. Kindliche Erythrozyten werden wegen nur schwacher Ausbildung der A- und B-Antigene, insbesondere bei unreifen Frühgeborenen, praktisch nicht beschleunigt abgebaut. Werden jedoch blutgruppengleiche (A oder B) adulte Erythrozyten mit stark entwickelten Blutgruppenantigenen transfundiert, kann es zu einer, meist protrahierten, hämolytischen Transfusionsreaktion mit unzureichendem Hb-Anstieg, Hyperbilirubinämie und einem positiven direkten Coombs-Test kommen. Man sollte daher im ersten Monat die AB0-Konstellation zwischen Mutter und Kind bei der Auswahl des Blutes berücksichtigen und im Zweifelsfall Erythrozytenkonzentrate der Blutgruppe 0 auswählen.

3.1.4 Notfalltransfusion

Bei allen schweren Blutungen kann bei vitaler Indikation auf Veranlassung des zuständigen Arztes eine Transfusion mit einem Erythrozytenkonzentrat mit sog. „universeller“ Verträglichkeit (Blutgruppe 0 Rh neg., Kell neg.) ohne vorherige serologische Testung durchgeführt werden. „Universell“ darf nicht gleichgesetzt werden mit uneingeschränkter Verträglichkeit wegen völliger Antigenfreiheit, sondern nur mit dem geringsten immunologischen Unverträglichkeitsrisiko verglichen mit EKs sonstiger Blutgruppen. Für ein evtl. erhöhtes Unverträglichkeitsrisiko trägt der transfundierende Arzt die Verantwortung. Vor Beginn der Transfusion muss eine Blutprobe für die Serologie abgenommen werden. Für schwerkranke Frühgeborene und reife Neugeborene mit akutem Blutbedarf und bei notfallmäßiger Indikation werden in vielen Blutbanken kleinvolumige Notfall-Erythrozytenkonzentrate (sog. Babykonserven) bereitgestellt. Wenn der Antikörpersuchtest im Serum der Mutter keine unverträglichen, irregulären Antikörper nachweist, können diese Erythrozytenkonzentrate ohne prätransfusionelle Serologie unverzüglich eingesetzt werden. Dies ist besonders hilfreich bei der „weißen Asphyxie“ des Neugeborenen, wenn die Hypovolämie sofort durch verträgliches AB-Plasma und „universell“ verträgliches Erythrozytenkonzentrat behandelt werden muss. Die Ursache kann eine vorzeitige Plazentalösung, eine feto-maternale oder feto-fetale Blutung sein.

3.2 Transfusion bei älteren Kindern

Transfusionsgrenzen

Empfohlene Transfusionsgrenzen bei Kindern >4 Monate können individuell variieren. Als Richtwerte gelten (Guidelines for blood utilization review 2001)

  • Präoperativer Hb <80 g/l bzw. <100 g/l bei geplanter Vollnarkose (falls kein spezifischer Mangel [Eisen, Vitamin B12] besteht)

  • Postoperativer Hb <80 g/l und klinische Zeichen der Anämiea

  • Akuter Blutverlust von >15 % des Blutvolumens oder Zeichen einer Hypovolämie, die nicht auf Volumensubstitution anspricht

  • Hb <130 g/l und schwere kardiopulmonale Erkrankung

  • Hb <80 g/l unter Chemotherapie oder Bestrahlung und klinischen Symptomen einer Anämie

  • Hb <60–80 g/l bei Patienten mit chronischer Anämie und/oder klinischen Zeichen der Anämiea,b

  • Hb <70 g/l bei akutem Thoraxsyndrom und Sichelzellerkrankung. Beachte, dass diese Patienten nicht über 105 g/l transfundiert werden

a Die Grenzwerte sind individuell zu erhöhen bei: Fieber, Herz-Kreislauf- oder Ateminsuffizienz, raschem Hb-/HK-Abfall, Massenblutung und Retikulozytopenie

b Bei chronischem Transfusionsregime bei Thalassämie gelten höhere Grenzen

Die Substitutionsmenge hängt vom Ausgangs-Hb und dem angestrebten Hb-Wert ab. In der Regel wird ein posttransfusioneller Wert >100 g/l angestrebt. Dabei führt die Gabe von 3 ml Erythrozytenkonzentrat/kgKG zu einem Anstieg des Hb von 10 g/l. Zu beachten ist, dass bei sehr niedrigen Hb-Werten oder vorbestehender Herzschädigung nicht zu schnell und zu hoch auftransfundiert wird (▶ Abschn. 170.8).

Das benötigte Blutvolumen errechnet sich nach folgender Formel:

In der Praxis gilt, dass die Transfusionsmenge zwischen 10 bis maximal 20 ml/kgKG beträgt. Die Indikation zur Erythrozytensubstitution ist bei allen Kindern gegeben, die eine größere O2-Transportkapazität des Blutes benötigen, um eine Gewebshypoxie zu vermeiden. Bei der Festlegung des kritischen Hb-Werts müssen die physiologischerweise niedrigeren Hb-Werte im Kindesalter berücksichtigt werden. Neben dem kritischen Hb-Wert sollten auch das Allgemeinbefinden und die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Patienten individuell berücksichtigt werden. Bei akuten Blutverlusten wird zunächst durch Volumenersatzmittel der Kreislauf stabilisiert und nur bei ausgedehnten Blutungen eine Erythrozytensubstitution vorgenommen. Im Allgemeinen sollte ab einem intraoperativen oder spontanen Verlust von >15 % des Blutvolumens transfundiert werden. Der akute Hb-Wert kann über den wirklichen Blutverlust hinweg täuschen, da es erst nach Flüssigkeitseinstrom aus dem Extravasalraum zur Anämie kommt. Die bei den verschiedenen Anämien im Kindesalter empfohlenen Transfusionsgrenzen werden in Sektion VIII (▶ Kap. 4754) angegeben. Bei schwerkranken Patienten mit maschineller Beatmung sollte der Hb-Wert >80 g/l gehalten werden. Kinder mit chronischer Anämie und sonstigen Erkrankungen (insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Respirationsstörungen) tolerieren oft erstaunlich niedrige Hb-Werte. Bei Kindern mit Eisen-, Vitamin-B12- oder Folsäure-Mangelanämie sollte – bei gutem Allgemeinzustand – der Anstieg des Hb-Wertes unter Substitution ohne Transfusion abgewartet werden.

3.3 Blutproduktauswahl bei AB0-Blutgruppeninkompatibilität

Hat der Empfänger eine seltene Blutgruppe (z. B. B), ist nicht immer eine idente Blutkonserve verfügbar. In diesen Fällen muss (über die Blutgruppe hinweg) kompatibel transfundiert werden. Generell gilt, dass Patienten der Blutgruppe AB EKs aller Blutgruppen erhalten können; EKs mit der Blutgruppe 0 können allen Patienten verabreicht werden.

Bei Bluttransfusionen nach Stammzelltransplantationen mit einer Inkompatibilität der Blutgruppe zwischen Spender und Empfänger richtet sich der Übergang zur Spenderblutgruppe nach dem Verschwinden der gegen die Spenderblutgruppe gerichteten Hämolysine und Isoagglutinine oder nach dem Nachweis der Blutgruppe des Stammzell-Spenders im Blut des KM-Empfängers. Diese Tests sollten bei Auftreten der Retikulozyten durchgeführt werden.

3.4 Spezielle Erythrozytenkonserven

3.4.1 Eigenblutspende , Hämodilution

Indikation im Kindesalter

Generell kommt eine Eigenblutspende bei Kindern nur bei elektiven Eingriffen in Frage. Zudem sollte der Nutzen ein klares Übergewicht gegenüber den möglichen Risiken haben (hohe Belastung des kindlichen Kreislaufes, erforderliche Eisensubstitution, höhere Kosten, die von der Krankenkasse eventuell nicht erstattet werden, Verfallrisiko bei OP-Verschiebungen etc.). Insbesondere im Hinblick auf die mittlerweile erreichte hohe Sicherheit von allogenem Blut ist ein Vorteil einer autologen Blutspende im Kindesalter wahrscheinlich nur noch in sehr seltenen Fällen (multiple irreguläre erythrozytäre Alloantikörper, mehrfache schwere Unverträglichkeitsreaktionen auf Blutpräparate etc.) gegeben.

Sollte trotzdem eine Entscheidung zu Gunsten der Eigenblutspende gefällt werden, kommen dafür Eingriffe und Operationen mit einem erwarteten Blutverlust von mehr als 10–20 ml/kgKG in Frage.

Kontraindikation (Council of Europe 2006):

  • Vorbestehende Anämie (Hb <100 g/l),

  • Gewicht <20 kg oder Alter <3 Jahre,

  • schwere Grunderkrankung,

  • bakterielle Infektion,

  • positive Virusmarker für HBs-Ag, HCV, HIV.

Praxistipp

Aus Gründen der Praktikabilität (ausreichende Kooperation und venöser Zugang) ist eine Eigenblutspende in der Regel erst ab einem Gewicht von >30 kg und einem Alter >7–10 Jahren zu empfehlen.

Zur Verfügung stehende Verfahren, die die Notwendigkeit einer Fremdblutspende verringern:

  • Eigenblutkonserven,

  • maschinelle Autotransfusion,

  • intraoperative Hämodilution.

Die abzunehmende Eigenblutspende richtet sich nach dem geschätzten Blutverlust und beträgt 50–80 % des Volumenverlustes während des Eingriffs. Eigenblutkonserven sind je nach Zubereitung als Vollblut oder Erythrozytenkonzentrat bei geeignetem Stabilisator maximal 5–6 Wochen haltbar. Die Eigenblutspende(n) erfolgt daher höchstens 35 (um bei OP-Verschiebungen noch einen Zeitpuffer zu haben) und mindestens 7 Tage vor dem Eingriff. Je nach Bedarf und Möglichkeiten erfolgen eine oder zwei Eigenblutentnahmen von 10 ml/kgKG. Werden zwei Eigenblutentnahmen benötigt, so ist die erste möglichst früh (max. 35 Tage) und die zweite möglichst spät (mind. 7 Tage) vor dem Eingriff, jedoch im Abstand von 2–3 Wochen, durchzuführen. FFP zur Eigenspende ist je nach Hersteller 2–3 Jahre haltbar.

Im Anschluss an die Eigenblutentnahme wird eine Eisensubstitution während 1–3 Monaten durchgeführt (6 mg/kgKG Fe++), beginnend bereits ca. 2 Wochen vor der geplanten 1. Spende. Alternativ kann das Eisen i.v. nach der Operation gegeben werden. Eine hämatologische Kontrolle erfolgt 3 Monate nach dem Eingriff (Blutbild, Ferritin).

3.4.2 Maschinelle Autotransfusion und akute Hämodilution

Die maschinelle Autotransfusion ist für alle Altersgruppen die effizienteste Technik, um intraoperativ Blut zu sparen. Bei Erwachsenen wird neuerdings in einigen Zentren die normovolämische Hämodilution angewandt, bei der vor oder bei Einleitung der Narkose 2–4 Bluteinheiten Eigenblut entnommen und das Volumen mit kristallinen Lösungen aufgefüllt wird. Die Effektivität dieser Technik ist umstritten und das Verfahren sollte daher im Kindesalter nur in besonderen Situationen wie z. B. einer Knochenmarkspende zum Einsatz kommen. Bei der Hämodilution wird eine Blutverdünnung mit kristallinen Lösungen auf einen HKT-Wert von 23–25 % durchgeführt. Dadurch gehen intraoperativ weniger Erythrozyten verloren, sodass eine Bluttransfusion überflüssig ist oder weniger Konserven notwendig sind. Eine genaue Kontrolle der Volämie ist dabei intra- und postoperativ entscheidend, um Phasen von Hypotension oder Volumenüberladung zu vermeiden. Derzeit kann das Verfahren nur Kliniken mit größerer Erfahrung in der Hämodilution empfohlen werden. Es ist möglich, dass diese Technik in Zukunft auch im Kindesalter eine größere Anwendung findet, sofern O2-tragende Lösungen zur Verfügung stehen.

3.4.3 Gerichtete Blutspenden

Mit Ausnahme der Eigenblutspende ist von allen anderen gerichteten Blutspenden grundsätzlich abzuraten.

Eine größere Infektionssicherheit ist dabei nicht gegeben und bei wiederholter Exposition gegenüber demselben Spender steigt das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen an. Insbesondere sollte dem Wunsch nach einer Elternspende nicht nachgegeben werden. Bei der Elternblutspende ist das Risiko von transfusionsbedingten Nebenwirkungen für das Kind besonders hoch, weil im mütterlichen Serum Antikörper gegen väterliche Antigene vorhanden sein können. Bei immuninkompetenten Früh- und Neugeborenen können schwere Graft-versus-Host-Reaktionen auftreten. Wenn in einem besonderen Fall trotzdem eine Elternblutspende gemacht werden soll, müssen folgende Regeln beachtet werden:

  • Von der Mutter keine Plasmaprodukte, sondern nur plasmafrei gewaschene, zelluläre Blutprodukte verwenden,

  • vom Vater keine zellulären Blutprodukte einsetzen,

  • alle zellulären Blutprodukte von Verwandten 1. Grades wegen der Gefahr einer transfusionsbedingten Graft-versus-Host-Disease bestrahlen.

4 Transfusion von Thrombozyten

Die Transfusion von Thrombozyten ist bei Kindern mit verminderten oder funktionseingeschränkten Thrombozyten meist in Verbindung mit Blutungszeichen indiziert. Zunächst sollten jedoch eine ursächliche Abklärung der Thrombozytopenie oder Thrombozytopathie sowie eine Behandlung der Grunderkrankung erfolgen. Die Indikation zur prophylaktischen Transfusion von Thrombozyten beruht nicht auf wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen, sondern auf klinischer Erfahrung, und ist meist empirisch begründet. Das Risiko von oft lebensbedrohlichen Blutungen ist erhöht bei Thrombozytenzahlen unter 10.000–20.000/μl. Bei Fieber, bestehender Blutung, notwendigen invasiven Eingriffen und Gerinnungsstörungen müssen schon bei höheren Grenzwerten prophylaktische Transfusionen von Thrombozyten erfolgen. Wegen zusätzlicher Störungen der Plättchenfunktion und Gerinnungsfaktoren bei Neugeborenen, insbesondere Frühgeborenen, ist das Risiko einer Hirnblutung besonders ausgeprägt.

Eine Ausnahme stellt die Immunthrombozytopenie (ITP) im Kindes- und Jugendalter (ICD D69.57) dar, bei der sich eine Thrombozytentransfusion nicht nach der Thrombozytenzahl richtet, sondern nur bei schwerer Organblutung (Gehirn, Niere u. a.) indiziert ist.

4.1 Thrombozytopenie

4.1 Kriterien zur Substitution

In der Regel sollten bei einem Wert <10.000/μl (Kinder <3 Jahre: <20.000/μl) ungerichtet ausgewählte Thrombozyten unter Berücksichtigung der Blutgruppe prophylaktisch substituiert werden (z. B. Aplasie unter Chemotherapie, schwere Verbrauchskoagulopathie u. a.; Ausnahme ITP).

Bei fehlendem Anstieg muss nach HLA- oder thrombozytären (HPA-) Antikörpern gesucht werden. Dabei handelt es sich entweder um eine Sensibilisierung durch vorausgegangene Thrombozytentransfusionen (Bildung von HLA-Antikörpern oder Thrombozyten-spezifischen HPA-Antikörpern) oder um Autoantikörper bei der idiopathischen thrombozytopenischen Purpura.

Nur bei nachgewiesenen HLA- oder HPA-Antikörpern ist die Gabe von HLA- bzw. HPA-gematchten Thrombozytenkonzentraten sinnvoll.

Höhere Thrombozytenwerte als Transfusionsgrenze gelten in folgenden Fällen:

  • <20.000/μl bei zusätzlichen blutungsfördernden Zuständen wie Fieber, Infektionen, intravasaler Gerinnung,

  • <20.000 (z. B. Gelenkpunktionen) – 50.000/μl (Lumbalpunktionen) zur Vorbereitung auf diagnostische Eingriffe/Punktionen,

  • <20.000/μl (<30.000/μl bei Fieber) bei heparinisierten Patienten,

  • <20.000/μl bei Knochenmarkversagen/nach Knochenmarktransplantation,

  • <50.000/μl (ab der 2. Woche <30.000/μl) bei belastungsstabilen Neu- und Frühgeborenen,

  • <50.000/μl bei bestehender Blutung und/oder kleineren invasiven Eingriffen besonders bei unruhigen oder kleinen Kindern,

  • <50.000/μl bei schweren oder nicht beherrschbaren Blutungen bei Patienten mit Funktionsstörungen der Thrombozyten (z. B. Thrombasthenia Glanzmann),

  • <100.000/μl bei allen größeren Operationen mit oder ohne bestehende Blutung bzw. bei allen neurochirurgischen oder ophtalmologischen Eingriffen,

  • <100.000/μl bei schwer erkrankten Frühgeborenen,

  • <100.000/μl bei bestehender Blutung und gleichzeitiger Gerinnungsstörung.

Bei sehr unreifen Frühgeborenen oder Neugeborenen bzw. Säugllingen mit Kreislaufschwierigkeiten muss evtl. eine Volumenreduktion des Plättchenkonzentrats erfolgen. Das erfordert einen zusätzlichen Zeitaufwand von 1–3 Stunden und beinhaltet das Risiko, dass das Präparat wegen Aggregatbildung eventuell verworfen werden muss. Die Thrombozyten sollten neben der AB0-Verträglichkeit möglichst auch Rh(D)-kompatibel und wenn erforderlich auch CMV- bzw. Parvo-B19-negativ und bestrahlt sein.

4.1 Dosierung und Verabreichung

Das Ziel der Thrombozytentransfusion sollte ein Anstieg der Plättchenzahlen >100.000/μl sein. Dies kann erreicht werden durch die Transfusion von 10–20 ml/kgKG eines Thrombozytenkonzentrats (ca. 300 ml; Gesamtgehalt ca. 2- bis 3-mal 1011 bzw. 1 × 1010 Thrombozyten je 10 ml), das entweder durch Zentrifugation aus mehreren Vollblutspenden als gepooltes Thrombozytenkonzentrat oder durch Zellseparation (Apherese) gewonnen wird (▶ Abschn. 170.2.1). Nach Möglichkeit sollten immer ganze Beutel transfundiert werden, um die wertvolle Spende nicht zu verwerfen. Die Gabe eines Plättchenkonzentrates ergibt bei Erwachsenen (70 kg) einen Thrombozytenanstieg von 30.000/μl. Bei Kindern sollten maximal 20 ml/kgKG Thrombozytenkonzentrat pro Gabe transfundiert werden.

Die Infusion sollte so rasch wie möglich (ein Konzentrat über ca. 30 min) erfolgen; Pumpen und Druck-Manschette sind erlaubt. Ein Mischen mit anderen Infusionslösungen ist prinzipiell nicht erlaubt (auch nicht über Y-Stück). Jedoch ist die gleichzeitige Gabe (z. B. von 5–10 % Glukose oder 0,9 % NaCl) über 2 Lumina eines doppellumigen Katheters erlaubt. Bei Rh-negativen Empfängern, insbesondere Mädchen, die wegen Mangel an Rh-negativen Spendern ausnahmsweise ein Rh-positives Thrombozytenkonzentrat erhalten, sollte wegen der herstellungsbedingten Erythrozytenbeimengung zur Vorbeugung gegen eine Immunisierung eine Anti-D-Prophylaxe erfolgen, die in der Regel ca. 3–4 Monate vorhält.

Durch eine posttransfusionelle Thrombozytenzählung ca. 10–60 Minuten und ca. 24 Stunden nach Transfusion sollte festgestellt werden, ob weitere Thrombozytengaben erforderlich sind. Frische, nicht aktivierte kompatible Spenderthrombozyten sind beim Empfänger ca. 7–10 Tage nachweisbar, gelagerte Plättchen entsprechend kürzer (max. 4 Tage). Ein mindestens 3-maliger unzureichender 1-h-Anstieg spricht für das Vorliegen immunologischer Ursachen (HLA, HPA, thrombozytäre Autoantikörper), während ein initial zwar suffizienter Anstieg, anschließend aber wieder rascher Abfall (guter 1-h-Wert, zu niedriger 24-h-Wert) eher für einen erhöhten Verbrauch (Infektionen, DIC, Hämangiome, Hypersplenismus etc.) sprechen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass prinzipiell ca. 30–40 % der transfundierten Thrombozyten sofort in der Milz sequestriert werden. Um dieses und weitere Variablen wie Blutvolumen des Patienten und unterschiedlicher Thrombozytengehalt der Präparate bei der Beurteilung des Transfusionserfolges mit einzukalkulieren, kann das sog. korrigierte Inkrement (Kl) errechnet werden:

[Plättchenzahl: Anstieg in Tausend Thrombozyten; n: Anzahl transfundierte Thrombozyten (üblich sind 2–3 (×1011)]

Ein KI-Wert >10 gilt als gute Response, ein Wert <5 als Refraktärzustand. Daneben ist noch zu bedenken, dass abhängig vom Alter des TKs mit einer Erniedrigung der Recovery (Wiederauffindungsrate) um bis zu 20 % zu rechnen ist. Bei ungenügendem Thrombozytenanstieg (insbesondere 1-h-Wert) ist nach Ausschluss anderer Ursachen (Infekt, Hypersplenismus, Verbrauchskoagulopathie) eine Sensibilisierung anzunehmen und auf HLA- bzw. HPA-ausgewählte Thrombozytenkonzentrate zu wechseln.

Die geringe Menge an kontaminierenden Erythrozyten in den Thrombozyten-Konzentraten ist klinisch irrelevant und muss nicht berücksichtigt werden, außer für die Prophylaxe einer Rhesussensibilisierung. Eine Kreuzprobe ist vor Thrombozytentransfusionen daher auch nicht erforderlich.

4.1.1 Neonatale/fetale Alloimmunthrombozytopenie

Sie kommt ca. einmal auf 5000 Geburten vor und wird bei mehr als 75 % durch mütterliche IgG-Antikörper der Spezifität Anti-HPA-1a („human platelet antigen“), früher PlA1, und zu ca. 20 % der Spezifität Anti-HPA-5b verursacht. Plättchenantikörper können bereits in der 14. Schwangerschaftswoche die Plazenta passieren und führen in 10–15 % der betroffenen Kinder zu intrazerebralen Blutungen mit möglichem intrauterinen Fruchttod oder lebenslangen neurologischen Schäden. Deshalb müssen Frauen mit belasteter Anamnese sorgfältig überwacht werden, um rechtzeitig eine pränatale Diagnostik zu veranlassen. Die Therapie besteht in der regelmäßigen Gabe von Immunglobulinen (1 g/kgKG) an die Schwangere, Kortikosteroide allein haben sich nicht als ausreichend wirksam erwiesen. In schweren Fällen (Thrombozytenzahlen <50.000/μl) bzw. bei Verdacht auf intrauterine Blutung des Feten ist die intrauterine Transfusion von kompatiblen Thrombozyten erforderlich. Viele Blutbanken haben inzwischen typisierte HPA-1a- bzw. auch HPA-5b-negative Spender und/oder teilweise auch bereits entsprechende antigenfreie Präparate vorrätig, sodass die Mutter meist nicht mehr spenden muss. Mütterliche Thrombozyten müssen plasmafrei gewaschen und, wie Fremdspender TKs auch, bestrahlt sein.

Nach der Geburt muss bei Blutungsneigung umgehend die Thrombozytenzahl des Kindes bestimmt werden. Bei postpartaler Thrombozytopenie ist nach Ausschluss anderer Ursachen, insbesondere Sepsis, bei einer gesunden Mutter eine neonatale Alloimmunthrombozytopenie anzunehmen. Wegen der Gefahr intrazerebraler Blutungen muss das Kind, auch ohne immunhämatologische Bestätigung, sofort mit AB0-kompatiblen, bestrahlten und, sofern verfügbar, HPA-1a-negativen Thrombozyten behandelt werden. Bis zur Spezifizierung des vermuteten Antikörpers können bei Nichtverfügbarkeit von HPA-1a-negativen TKs ansonsten gefahrlos zunächst auch unausgewählte Präparate verabreicht werden, die allerdings meist eine verkürzte Lebensdauer aufweisen. Wegen des nicht unerheblichen Risikos für das Kind durch die pränatale Diagnostik und die Besonderheiten der prä- und postnatalen Therapie sollten Schwangere mit solchen Kindern als Risikoschwangerschaften angesehen und nur in perinatologischen Zentren mit besonderer Erfahrung behandelt werden. Eine neonatale/fetale Alloimmunthrombopenie kann bereits bei der ersten Schwangerschaft auftreten, das Risiko für schwere Verläufe nimmt bei Folgeschwangerschaften zu.

4.1.2 Neonatale Autoimmunthrombozytopenie

Diese verläuft milder und wird durch mütterliche IgG-Autoantikörper hervorgerufen. Eine Therapie ist meist nicht erforderlich. Nur Neugeborene mit ausgeprägter Thrombozytopenie sollten intravenöse γ-Globulinpräparate (1 g/kgKG an 2 Tagen) oder Steroide (1–2 mg/kgKG/Tag) erhalten.

4.1.3 Idiopathisch-thrombozytopenische Purpura (ITP)

Hierbei kommt es durch thrombozytäre Autoantikörper oder zirkulierende Immunkomplexe zu einem raschen Abbau der eigenen wie auch fremden Thrombozyten. Bei den meisten Patienten reicht eine sorgfältige Beobachtung, da schwere Blutungsereignisse sehr selten sind. Bei Schleimhautblutung (Nasenbluten) kann die Gabe von Predniso(lo)n (2–4 mg/kgKG über 4 Tage p.o.) nötig sein.

Weitere Therapieoptionen sind Immunglobuline, Splenektomie sowie Romiplostim. Nur bei lebensbedrohlicher Blutung werden Thrombozytenkonzentrate, dann aber in sehr hoher Dosierung, transfundiert. Bei Erkrankungen, die mit einer erhöhten Thromboseneigung einhergehen, wie hämolytisch urämisches Syndrom und thrombotisch-thrombozytopenische Purpura, sind Transfusionen von Thrombozyten nur bei lebensbedrohlichen Blutungen und Ausschöpfung aller sonstigen therapeutischen Möglichkeiten (Plasmaaustausch, Immunsuppressiva) indiziert.

4.2 HLA-/HPA-idente Thrombozytenkonzentrate

Einige Patienten entwickeln nach rezidivierenden Thrombozytengaben Antikörper gegen HLA- oder HPA-Eigenschaften der Spenderthrombozyten (▶ Abschn. 170.4.1).

4.3 Blutgruppeninkompatibilität bei Thrombozytentransfusionen

Thrombozytenkonzentrate enthalten neben dem eigentlichen Wirkstoff Thrombozyten in der Regel auch nicht unerhebliche Mengen an Isoagglutininen (Anti-A, Anti-B je nach Blutgruppe des Spenders), ausgenommen TKs mit Plasmaersatzlösungen. Diese können ggf. zu einer minor inkompatibel verursachten Lyse der Empfängererythrozyten führen. Es sollten daher prinzipiell Kinder unter 25 kgKG keine minor inkompatiblen (z. B. A-Empfänger keine 0- oder B-) Thrombozytenkonzentrate erhalten. Für diese Patientengruppe ist ggf., soweit verfügbar (manche Blutbanken liefern standardmäßig nur Konzentrate von Spendern der Blutgruppen 0 und A), AB-TKs, unter Inkaufnahme einer evtl. etwas beschleunigten Abbaurate, der Vorzug zu geben, bzw. sollte bei Nichtverfügbarkeit von minor kompatiblen TKs eine Volumeneinengung (meist auf 100–150 ml) versucht werden. Hinzuweisen ist darauf, dass „hämolysinfrei“ nicht gleichzusetzen ist mit „isoagglutininfrei“, sondern dies nur bedeutet, dass keine unter In-vitro Bedingungen stark hämolysierend wirkenden (zumeist hochtitrigen) Anti-A- und/oder Anti-B-Isoagglutinine nachgewiesen wurden.

In der Phase der Konditionierung vor Stammzelltransplantation und der anschließenden Aplasiephase sollte mit der Thrombozytengabe die Zufuhr von Isoagglutininen, die gegen die anwachsenden Spendererythrozyten gerichtet sind, unbedingt vermieden werden: Inkompatible Isoagglutinine können das Angehen der Spendererythropoese verzögern.

Thrombozytenkonzentrate sind relativ teuer, sie sollten daher indiziert angefordert, nach Erhalt einer optischen Qualitätsprüfung unterzogen (sog. Swirling-Effekt, keine größeren Aggregate) und möglichst umgehend und rasch (innerhalb 30 min) mit Standardtransfusionsbestecken transfundiert werden. Auf keinen Fall dürfen sie unter 20 °C abgekühlt werden. Sie sind laut Transfusionsgesetz wie alle Blutpräparate dokumentationspflichtig und der Leerbeutel muss nach Gabe 24 Stunden für eine evtl. Nachuntersuchung aufbewahrt werden.

5 Transfusion von Granulozyten

In den letzten Jahren hat sich die Transfusion von Granulozyten bei Kindern mit anhaltender schwerer Neutropenie und invasiven Infektionen zunehmend bewährt. Die gegenüber früheren Daten besseren Ergebnisse sind v. a. auf eine erhöhte Mobilisation von Granulozyten durch GCSF-Gabe an den Spender vor Apherese erzielt worden. Daten zur Applikation nach Stammzelltransplantation ergeben eine verbesserte Überlebensrate bei Sepsis u. a. schweren Infektionen. Aufgrund der großen Leukozytenzahlen sind die Risiken von transfusionsbedingten Infektionen, des TRALI-Syndroms (transfusionsassoziierte Lungeninsuffizienz), Alloimmunisierung sowie auch der GvHD (Graft-versus-Host-Disease) besonders groß. Die Indikation zur Granulozytentransfusion muss sehr streng gestellt werden und die Gabe bleibt neutropenen Patienten mit schwerer Sepsis oder Aspergillose als „Ultima ratio“ vorbehalten, wobei es vermehrt Hinweise darauf gibt, dass eine frühzeitigere Gabe mit besseren therapeutischen Erfolgen einhergeht.

Kriterien zur Transfusion von Granulozyten sind:

  • Granulozytenzahlen <3000/μl bei Neugeborenen in den ersten 2 Wochen mit bakterieller Sepsis,

  • prolongierte Granulozytopenien <500/μl bei Kindern mit bakterieller Sepsis und Antibiotikaresistenz, Mykobakterien-Infektion oder systemischer Aspergillose,

  • nachgewiesene Infektionen bei Patienten mit einem qualitativen Granulozytendefekt und Antibiotikaresistenz,

  • Granulozytenzahlen <500/μl bei Kindern nach Stammzelltransplantation und therapieresistentem Fieber unklarer Ursache.

Der Spender – in der Regel Eltern oder nahe Verwandte – muss folgende Voraussetzung erfüllen:

  • AB0-major (wie Erykonzentrate) kompatibel (und nicht völlig, aber möglichst HLA-teil-ident),

  • negative Infektserologien (HBV, HCV, HIV; Lues; falls möglich CMV + Parvovirus-B19-negativ),

  • Abklärung der Spendefähigkeit. Es müssen alle Bedingungen eines „normalen“ Blutspenders erfüllt sein, einschließlich negativer PCR-Testung für HCV und HIV;

  • Spendebereitschaft über 2 Wochen.

Die Granulozytenmobilisation erfolgt mit 5 μg/kgKG GCSF s.c. 6–12 Stunden vor Isolation. Ein therapeutisches Granulozytenpräparat sollte mindestens 1 × 1010 Granulozyten enthalten, die therapeutische Dosis für ein Neugeborenes beträgt 1–2 × 109/kgKG Leukozyten. Der Anstieg der Neutrophilen (≈1,5 × 109/L) wird 1 Stunde nach Transfusion kontrolliert (gleichzeitig Thrombozytenanstieg um 10.000/μl; kein Amphothericin B 4 Stunden vor und nach der Gabe!). Granulozytentransfusionen sollten täglich bis zweitägig gegeben werden, bis die Infektion bekämpft ist oder die Granulozytenzahlen über den kritischen Werten liegen. Alle Granulozytenpräparate müssen bestrahlt werden. Nach Granulozytentransfusionen kann es zu einem beatmungspflichtigen ARDS bzw. TRALI kommen. Bei geringsten respiratorischen Störungen nach Granulozytentransfusion muss daher eine Thoraxröntgenkontrolle erfolgen.

Bei Neugeborenen kommt es häufiger zu lebensbedrohlicher Sepsis und stark verminderten Leukozytenzahlen. Vor einer Granulozytengabe sollte versucht werden, die endogene Produktion und Ausschüttung von Granulozyten durch die Gabe von GCSF an das kranke Neugeborene zu verbessern. Bei Nichtansprechen sollte die Transfusion von Granulozyten bedacht werden, da zusätzlich die Funktion von Neugeborenenleukozyten beeinträchtigt ist.

Granulozytenkonzentrate sollten möglichst umgehend nach Erhalt, nicht zu schnell und nur mit gültiger Kreuzprobe über ein Standardtransfusionsbesteck verabreicht werden. Sie können ggf. bis max. 24 Stunden nach Herstellung bei Raumtemperatur aufbewahrt werden.

6 Transfusion von Frischplasma

Wegen ihres insgesamt geringen Blutvolumens können insbesondere bei Säuglingen, aber auch bei Kleinkindern bereits leichte Blutverluste zu Schockzuständen führen. Die Gabe von Frischplasma ist bei unklaren Gerinnungsstörungen , die mit klinisch relevanter Blutung einhergehen (oft mit Fehlen multipler Gerinnungsfaktoren), sowie Mangel an Faktoren, für die keine Einzelfaktorpräparate existieren (F V, XI und von-Willebrand-Faktor : Cleaving Protease bzw. Vorliegen von Inhibitor gegen vWF: CP, die beiden letztgenannten bei thrombotisch thrombopenischer Purpura), die Ersttherapie der Wahl.

Meist wird Frischplasma bei disseminierter intravasaler Gerinnung eingesetzt. Die initiale Dosis beträgt 10–20 ml/kgKG Frischplasma, das rasch (über eine halbe bis eine Stunde) verabreicht wird. Damit werden der Quickwert analog um ca. 10–20 % bzw. Fibrinogen um 0,25–0,5 g/l erhöht bei Patienten ohne Umsatzsteigerung, mit Umsatzsteigerung (Verbrauch) entsprechend weniger. Mit Gerinnungstests (Quick-Wert und partielle Thromboplastinzeit) vor und nach der Gabe sollte die Therapie kontrolliert werden. Zu berücksichtigen bei der Plasmatherapie sind die relativ kurzen Halbwertszeiten der Faktoren V (12–15 h), VII (3–6 h) und VIII (8–12 h), was Transfusionsintervalle von nicht länger als 5 bis max. 10 Stunden (bei gleichzeitigem Verbrauch/Verlust evtl. noch kürzer) erforderlich macht.

Zur Verfügung stehen derzeit 4 verschiedene Arten von Plasmen (◘ Tab. 170.2).

Tab. 170.2 Plasmaarten

Zur Vermeidung von Virusübertragung sollte nach Möglichkeit virusinaktiviertes oder Quarantäneplasma verwendet werden. Beide Verfahren gelten als äquivalent.

Die wesentlichen Indikationen für Frischplasma sind:

  • disseminierte intravasale Gerinnung und Blutung,

  • Quick <60 % oder PTT 1,5-fach verlängert bei Patienten, die eine Operation oder einen invasiven Eingriff benötigen,

  • diffuse mikrovaskuläre Blutung nach Blutaustausch,

  • mikroangiopathische hämolytische Anämie (z. B. thrombotisch thrombozytopenische Purpura) unter Plasmaaustausch-Therapie,

  • notfallmäßige Aufhebung einer Markumarisierung (falls kein PPSB zur Verfügung steht),

  • Ersatz von Gerinnungsfaktoren, für die kein spezifisches Präparat verfügbar ist.

Bei Neugeborenen ergeben sich zusätzlich die folgenden Indikationen:

  • Rekonstitution von Erythrozytenkonzentrat zu Vollblut bei der Blutaustauschtransfusion oder in Situationen mit extrakorporalem Kreislauf (Kardiochirurgie, ECMO = extrakorporale Membranoxygenierung),

  • Blutungen aufgrund von Vitamin-K-Mangel,

  • disseminierte intravaskuläre Gerinnung, obwohl hier meist eine Blutaustauschtransfusion durchgeführt wird,

  • Blutungen bei angeborenen Gerinnungsstörungen, wenn noch keine spezifischere Therapie möglich ist.

Die Gabe von Frischplasma ist nicht indiziert zur Behandlung der Hypovolämie oder zur Substitution von Eiweiß oder Immunglobulinen, da sichere Substitutionspräparate existieren. Für die Therapie von Gerinnungsstörungen wie Hämophilie A und B, Mangel an Faktor I, VII, XIII und F XI (Hemoleven, in Deutschland ohne Zulassung) stehen wirksamere Faktorenkonzentrate zur Verfügung. Auch für die Substitution von Inhibitoren der Gerinnung (wie Antithrombin III, Protein C) oder für den kongenitalen C1-Esterase-Inhibitor-Mangel (hereditäres Angioödem) stehen Hochkonzentrate zur Verfügung. Als nicht vorteilhaft hat sich die prophylaktische Gabe von Plasma an Frühgeborene am 1. oder 2. Lebenstag im Hinblick auf Häufigkeit oder Schwere zerebraler Blutungen erwiesen. Ebenso wenig zeigten Plasmagaben einen günstigen Effekt auf den Verlauf des hämolytisch urämischen Syndroms bei Kindern. Beim Hyperviskositätssyndrom aufgrund einer Polyglobulie des Neugeborenen sollte neuerdings nur isotone NaCl-Lösung als Volumenersatzmittel zum fraktionierten Aderlass verwendet werden. Ca. 1/4 einer Plasmaeinheit besteht aus Antikoagulans (Citrat). Dies kann bei Patienten mit Leberunreife bzw. Leberfunktionsstörungen zur Citratintoxikation (Arrhythmien, Neigung zu Krämpfen etc.) und sekundär zu einer metabolischen Alkalose führen, in der Regel aber nur bei Massivtransfusionen.

Im Notfall kann Plasma der Blutgruppe AB als Universalplasma für Empfänger aller Blutgruppen eingesetzt werden (◘ Tab. 170.3).

Tab. 170.3 AB0-Verträglichkeit von Plasma

Als sehr gering einzuschätzen ist das Risiko der Entwicklung von Hemmkörpern gegen Gerinnungsfaktoren durch Plasmatransfusionen.

Kontraindiziert ist Plasma für Patienten mit wiederholten schweren allergischen bzw. anaphylaktischen Reaktionen, ggf. auch für Patienten mit Anti-IgA-Antikörpern bei IgA-Mangel.

7 Praktische Durchführung von Bluttransfusionen

Die Durchführung und die Überwachung der Bluttransfusion fallen in den Verantwortungsbereich des transfundierenden Arztes, der über ausreichende Erfahrung in der Anwendung von Blutprodukten verfügen muss.

Voraussetzungen für die Transfusion sind:

  • die Identitätssicherung des Patienten (Bedside-Test bei EK, Vollblut, Granulozytenkonzentraten), bei Eigenblut (EK, Vollblut) auch jeder Konserve,

  • die Aufklärung über Nutzen und Risiko (möglichst schriftlich) der Transfusion, wenn nicht anders möglich ggf. auch im Nachhinein,

  • evtl. vorausgegangene Aufklärung über mögliche Eigenblutspenden,

  • schriftliche Einwilligung des Patienten bzw. des Erziehungsberechtigten bei Kindern,

  • das Vorliegen einer Transfusionsindikation (z. B. Blutbild),

  • Überprüfung der korrekten Zuordnung und der Blutgruppenverträglichkeit des Präparates zum Patienten, des Verfallsdatums und der Unversehrtheit des Blutbehältnisses, sowie bei Erythrozytenkonzentraten, Vollblut und Granulozytenkonzentraten der Gültigkeit der Verträglichkeitsprobe.

Nach dem Transfusionsgesetz müssen in der Krankengeschichte mindestens dokumentiert sein:

  • Datum und Uhrzeit der Transfusion; angewendete Blutprodukte und Plasmaproteine (Entnahmenummer, Hersteller),

  • die Aufklärung,

  • Einwilligungserklärung von Patient und/oder Eltern,

  • das Ergebnis der Blutgruppenbestimmung und sonstiger Untersuchungen (z. B. Kreuzprobe, Bedside-Test),

  • die Indikation,

  • die anwendungsbezogenen Wirkungen (z. B. Blutbild nach Transfusion),

  • ggf. unerwünschte Ereignisse (Transfusionsreaktionen).

Alle Unterlagen, die für eine Zuordnung eines Präparats zu einem Patienten und damit für eine evtl. Rückverfolgbarkeit sowohl vom Präparat (Spender) zum Empfänger als auch vom Empfänger zum Präparat erforderlich sind (z. B. entsprechende Dokumentation in der Patientenakte) müssen 30 Jahre aufbewahrt werden, alle anderen Unterlagen (wie Blutgruppenbefunde, Aufklärungen, Einverständniserklärungen etc.) 15 Jahre.

Nicht angewendete Blutprodukte müssen sachgerecht entsorgt werden; ihr Verbleib ist zu dokumentieren.

Zur Sicherung der Verträglichkeit und Identität müssen vor jeder Transfusion folgende Maßnahmen durchgeführt werden:

  • Serologische Voruntersuchungen und

  • Identitätssicherung von Empfänger und Spender.

7.1 Serologische Voruntersuchungen

Beim Patienten werden die AB0-Eigenschaft sowie der Rhesusfaktor D bestimmt. Bei Patienten, die voraussichtlich häufiger Bluttransfusionen erhalten, sowie bei Mädchen und gebärfähigen Frauen müssen zusätzlich die Rhesusfaktoren CcEe sowie der Kell-Faktor K festgestellt werden. Zur Erkennung von irregulären Erythrozytenantikörpern wird bei jeder Blutgruppenbestimmung der Antikörpersuchtest durchgeführt. Das Ergebnis der Blutgruppenbestimmung sollte vor der Transfusion aus einer zweiten Blutprobe bestätigt werden. Bei Kindern <6 Monate sollte die Blutgruppenbestimmung wiederholt werden, sobald Isoagglutinine nachweisbar sind (>6. Lebensmonat). Der Abstand zur letzten Transfusion muss mindestens 3 Monate betragen. Vor jeder (außer vitaler Notfall, dann anschließend) Transfusion erythrozytenhaltiger Präparate (EK, Granulozytenkonzentrate, Vollblut) muss eine Kreuzprobe (Verträglichkeitsprüfung) durchgeführt werden.

Bei Patienten mit regelmäßiger Transfusion können die Infektionsparameter (HIV; HCV, HBV) in jährlichen Abständen getestet werden, um im Fall einer Serokonversion nach Transfusion den Infektionsweg nachverfolgen zu können.

7.2 Identitätssicherung von Empfänger und Spender

Für die Identität der an das Laboratorium übersandten Blutproben ist der Arzt verantwortlich, der die Blutentnahme durchgeführt bzw. delegiert hat. Die Beschriftung der Blutprobe muss Namen, Vornamen und Geburtsdatum des Patienten enthalten. Bei Neugeborenen werden Geburtsdatum und Geschlecht und soweit bekannt der Familienname, ersatzweise der Hinweis „Neugeborenes von Frau (Name, Geburtsdatum)“ angegeben. Wenn zusätzlich mütterliches Blut mitgeschickt wird, können ansonsten leicht Verwechslungen auftreten. Eine schnelle Unterscheidung ist durch die NaOH-Probe möglich: Zu 1 ml einer 1%igen NaOH-Lösung werden 1–2 Tropfen Blut gegeben. Nach wenigen Minuten färbt sich das Erwachsenenblut schmutziggrün bis braun, während das Neugeborenenblut infolge des alkaliresistenten fetalen Hämoglobins seine rote Farbe beibehält. Als letzte Identitätssicherung unmittelbar vor der Transfusion muss mit einem Schnelltest die AB0-Eigenschaft des Empfängers mit Blut aus der liegenden Venenkanüle kontrolliert werden (AB0-Identitätstest am Krankenbett). Ferner muss der Schnelltest aus der Konserve ebenfalls durchgeführt werden, wenn es sich um eine Eigenblutkonserve handelt. Das Ergebnis des AB0-Identitätstests muss vom transfundierenden Arzt in der Krankenakte dokumentiert werden und mit den Angaben auf dem Konservenetikett sowie des Originalbefundes aus dem Laboratorium (Blutgruppe, Kreuzprobe) auf Identität bzw. Verträglichkeit verglichen werden.

7.3 Maßnahmen bei gestörten serologischen Voruntersuchungen

Bei den Blutproben mancher Patienten kann es im Labor zu störenden Fibrinausfällungen in den Testansätzen kommen. Mit EDTA-Blut kann auch bei dringenden Bluttransfusionen sofort Plasma gewonnen werden, das für die erforderlichen serologischen Voruntersuchungen geeignet ist. Kälteantikörper mit erhöhter thermischer Wirksamkeit können zu Schwierigkeiten bei der Blutgruppenbestimmung und Kreuzprobe führen. Bei autoimmunhämolytischen Anämien vom Wärmetyp reagieren die Autoantikörper auch mit allen Spendererythrozyten, was zu positiven Kreuzproben führt. Trotzdem werden die Konserven in aller Regel gut vertragen. In manchen Fällen liegen neben den Autoantikörpern auch Alloantikörper vor, die bei der Spenderauswahl berücksichtigt werden müssen. Das kann zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen bei der Konservenbereitstellung führen. Wegen der dadurch bedingten Unsicherheit bei der serologischen Verträglichkeit kann als zusätzliche Sicherung der „In-vivo-Hämolysetest“ durchgeführt werden, um bedrohliche hämolytische Transfusionsreaktionen zu vermeiden: Hierbei werden jeweils vor und 15–30 Minuten nach Transfusion einer kleinen Menge Spenderblutes (0,6 ml/kgKG) EDTA-Blutproben entnommen und sofort zentrifugiert. Bereits bei einem Hb-Gehalt von 10 mg/dl tritt eine leicht erkennbare Rotfärbung des Plasmas auf.

Eine Polyagglutinabilität (d. h. die Agglutination mit allen eingesetzten Testseren) ist meist auf die Freilegung des kryptischen T-Antigens auf der Erythrozytenoberfläche zurückzuführen.

7.4 Durchführung und Überwachung von Bluttransfusionen

Die Bluttransfusion erfolgt mit einem Transfusionsbesteck, das durch einen Standardfilter (DIN 58360, Porengröße 170–230 μm) grobe Partikel wie Gerinnsel auffängt. Abgesehen von den besonderen Bedingungen des extrakorporalen Kreislaufs in der Kardiochirurgie und bei der ECMO werden Mikroaggregatfilter (40 μm) in der pädiatrischen Transfusionsmedizin gewöhnlich nicht verwendet. Die Bluttransfusion erfolgt bei Neugeborenen gewöhnlich mit Einmalspritzen, die über Spritzenpumpen eine exakte Dosierung ermöglichen. Um die Gefahr einer mechanischen Hämolyse zu vermindern, sollten nicht zu englumige Katheter und Kanülen eingesetzt werden und die Transfusion nicht zu schnell erfolgen.

Der transfundierende Arzt muss die Transfusion einleiten, aber auch nach Delegation an eine erfahrene Schwester oder einen erfahrenen Pfleger jederzeit schnell erreichbar sein. Die Blutmenge bei einer Transfusion beträgt gewöhnlich 12–15 ml/kgKG und wird meist in 30–60 Minuten verabreicht, bei Kindern mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen über einen längeren Zeitraum. Das Transfusionsbehältnis muss für 24 Stunden bei +4 °C aufbewahrt werden, um Transfusionszwischenfälle abklären zu können. Angestochene oder erwärmte Blutprodukte sind binnen 6 Stunden zu transfundieren. Einmal geöffnete Blutkonserven dürfen wegen des Infektionsrisikos nicht weiter aufbewahrt werden.

Die Überwachung muss vor jeder Transfusion vom Arzt festgelegt werden. Die folgenden Empfehlungen können daher nur als Anhaltspunkt für ein individuell festzulegendes Vorgehen dienen: Unmittelbar vor Transfusion wird der Beutel mittels aseptischer Technik angestochen. Eine Erwärmung der Blutkonserve auf 37 °C ist außer bei Früh- und Neugeborenen, von vor Transfusion bereits unterkühlten bzw. Patienten mit Kälteagglutininkrankheit, sowie bei Massivtransfusion nicht erforderlich. Allerdings sollte die rasche Transfusion von kaltem Blut bei Kindern wegen der prinzipiellen Gefahr von Arrhythmien und Kammerflimmern nach Möglichkeit vermieden werden. Die Kontrolle von Kreislauf- und Allgemeinzustand sollte während der Transfusion dokumentiert werden. Zu Beginn der Transfusion empfehlen wir die Bestimmung von Blutdruck, Puls, Atmung und Temperatur, ebenso nach 5 und 15 Minuten. Anschließend sollten Puls und Atmung alle 30 Minuten, der Blutdruck alle 1–2 Stunden nach Transfusionsende kontrolliert werden.

Die Transfusionsgeschwindigkeit beträgt zu Beginn 1 ml/kgKG/h und kann nach 15 Minuten auf 5 ml/kgKG/h (max. 150 ml/h) gesteigert werden. Eine weitere Steigerung auf max. 10 ml/kgKG/h ist bei guter Verträglichkeit möglich.

Herzpatienten erhalten die Transfusion mit max. 1 ml/kgKG/h; zu hohe Transfusionsgeschwindigkeit kann zu Kreislaufüberlastung führen.

7.4.1 Vorgehen bei Unverträglichkeit

In bis zu ca. 5 % aller Bluttransfusionen kommt es zu unerwünschten, ganz überwiegend aber relativ harmlosen (kutane Symptome, leichtes Fieber, Unwohlsein) akuten Transfusionsreaktionen, die während oder 1–2 Stunden nach der Bluttransfusion auftreten. Ein Teil oder alle der folgenden, neu aufgetretenen Symptome sind während und bis 2 Stunden nach der Transfusion Zeichen einer akuten Transfusionsreaktion:

  • Schüttelfrost/Fieber >38,5 °C (bzw. Temperaturanstieg >1 °C),

  • Blutdruckabfall, Pulsanstieg u. a. Schockzeichen,

  • Exanthem,

  • Tachy-/Dyspnoe,

  • Rücken-, Thorax-, Bauchschmerzen,

  • Diarrhöe,

  • Petechien,

  • dunkler Urin,

  • Pruritus,

  • Hauterytheme,

  • Urtikaria,

  • Übelkeit, Unwohlsein.

Vorgehen

  • Bluttransfusion sofort stoppen und zuständigen Arzt rufen

  • Zugang mit NaCl 0,9 % oder Ringerlaktat offenhalten

  • Kreislaufkontrolle: Blutdruck, Puls, Atemfrequenz, Temperatur

  • Ggf. Schockbekämpfung

  • Transfusionsreaktion dokumentieren

  • Konservenbegleitschein ausfüllen (Reaktionen, Datum, Zeit, Unterschrift)

  • Sofern Transfusionsabbruch notwendig: Beutel und je 1 Röhrchen Nativ- und EDTA-Blut in die Blutbank schicken

Nach sofortiger Schockbekämpfung muss primär festgestellt werden, ob es sich um einen hämolytischen oder einen nichthämolytischen Transfusionszwischenfall handelt. Nach Zentrifugation einer EDTA-Blutprobe kann bei Rotfärbung des Plasmas bzw. des Urin bei liegendem Blasenkatheder die Diagnose einer hämolytischen Transfusionsreaktion leicht gestellt werden. Während der Narkose können die allgemeinen Symptome fehlen und Zeichen des Schocks abgeschwächt auftreten. Eine Blutungsneigung infolge einer Gerinnungsstörung während oder nach der Operation kann das auffallendste Symptom einer hämolytischen Sofortreaktion sein. Ein vereinfachtes Vorgehen ist in ◘ Tab. 170.4 aufgeführt.

Tab. 170.4 Spezielle Maßnahmen bei akuten und subakuten Transfusionsnebenwirkungen

Gemäß Transfusionsgesetz muss der behandelnde Arzt bzw. der Transfusionsverantwortliche oder -beauftragte den Verdacht auf blutproduktbezogene unerwünschte Wirkungen dem zuständigen Produkthersteller (meist das örtliche Blutspendezentrum), in schweren Fällen (z. B. dauerhafter Schaden des Patienten) parallel der Bundesoberbehörde (PEI) melden.

8 Komplikationen

Die Häufigkeiten der wichtigsten Transfusionsreaktionen sind in ◘ Tab. 170.5 aufgelistet (auch ◘ Tab. 170.4). Vergleichsweise häufig sind Blutkonservenverwechslungen, die zu einer schweren akuten Hämolyse führen können und ein hohes Letalitätsrisiko beinhalten. Diese schwersten Transfusionszwischenfälle müssen durch eine sorgfältige Identitätssicherung von Patient und ggf. Konserve vermieden werden.

Tab. 170.5 Unerwünschte Wirkungen von Bluttransfusionen und deren Häufigkeit (Mod. nach: Hämotherapie-Querschnittsleitlinien 2008)

8.1 Akute Hämolyse

Die am meisten gefürchtete Komplikation ist die lebensbedrohliche akute hämolytische Transfusionsreaktion, die in ca. 10 % tödlich ausgeht. Fast alle akuten hämolytischen Transfusionsreaktionen werden durch Antikörper des AB0-Systems ausgelöst, die über eine Komplementaktivierung zu einer intravaskulären Hämolyse führen. Die sofortige Behandlung muss versuchen, die nachfolgenden schwerwiegenden Komplikationen zu verhüten: arterieller Blutdruckabfall und Schock, disseminierte intravasale Gerinnung und Nierenversagen. Nach initialer Schocktherapie sollte spätestens bei deutlicher Rotfärbung des Urins durch forcierte Diurese unter kontrollierten Bedingungen (Urin >2 ml/kgKG/h; Alkalisierung des Urins mit Natriumbikarbonat bis pH >7) eine Nierenfunktionsschädigung vermieden werden. Gleichzeitig wird nach ursächlicher Abklärung der hämolytischen Reaktion die noch bestehende Anämie durch Transfusion verträglichen Blutes behoben. In schweren Fällen kann auch eine Blutaustauschtransfusion indiziert sein. Im weiteren Verlauf müssen regelmäßig Urinmenge und Kreatininspiegel im Serum kontrolliert werden.

Eine Dialyse (meist als Hämodialyse) ist indiziert bei längerdauernder (>24 h) Anurie oder Oligurie, ausgeprägter Hypervolämie mit Lungenödem und Hypertonie sowie bei Elektrolytverschiebungen (z. B. Hyperkaliämie). Die Ursache für die akute hämolytische Transfusionsreaktion ist in den meisten Fällen durch menschliches Versagen (Verwechslung, Dokumentationsfehler etc.) bedingt (◘ Abb. 170.1). Deswegen ist die wichtigste prophylaktische Maßnahme in organisatorischen Anweisungen zur Identitätssicherung zu sehen (Dienstvorschriften über Arbeitsabläufe mit Festlegung der Verantwortlichkeiten auch für Notfälle, verbesserte Ausbildung der Mitarbeiter etc.). Bei Verdacht auf Verwechslung ist auch der zweite ggf. in die Verwechslung involvierte Patient zu identifizieren.

Abb. 170.1
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Häufigkeit von Transfusionsreaktionen

8.2 Verzögerte hämolytische Transfusionsreaktion

Sie tritt meist erst Tage nach der Transfusion auf und wird durch IgG-Antikörper hervorgerufen, die über eine Aktivierung der Phagozytose zu einer extravaskulären Hämolyse führen. Dadurch ist der klinische Verlauf milde und wird meist nur durch erneuten Hb-Abfall, erhöhtes Serumbilirubin + LDH, ggf. in Verbindung mit einem positiven direkten Coombs-Test, erkannt. Diese verzögerten hämolytischen Transfusionsreaktionen können nur durch sorgfältige Dokumentation einmal festgestellter Antikörper und Berücksichtigung bei der Auswahl des Blutes vermieden werden. Die Therapie ist symptomatisch.

8.3 Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI)

Es handelt sich um eine dem „adult respiratory distress syndrome“ vergleichbare immunologisch ausgelöste Transfusionsreaktion, die innerhalb von 6 Stunden nach der Transfusion auftritt, meist nach FFP-Transfusion. Initialsymptome sind Husten, Kurzatmigkeit, erhöhte Atemfrequenz und häufig Fieber. Im Blutbild kann sich ein akuter Leukozytenabfall finden, das Thoraxröntgenbild zeigt eine flaue Verschattung ohne Kardiomegalie. Die Therapie besteht in der Gabe von Steroiden und Sauerstoff (Cave: kein Lasix). Der Blutspender sollte auf Antikörper gegen Granulozyten untersucht werden. Seit dem Ausschluss von weiblichen Spendern mit positiver Schwangerschaftsanamnese zur Plasmaspende bzw. Zulassung nur nach negativem Screening nach leukozytären Antikörpern ist die Anzahl der gemeldeten TRALI-Verdachtsfälle rückläufig.

8.4 Hypervolämie , transfusionsassoziierte zirkulatorische Überladung (TACO)

Auch heute kommt es noch in Deutschland zur schweren kardialen Insuffizienz, zu Gefäßverschlüssen und bleibenden Behinderungen (z. B. Erblindung), wenn schweranämische Kinder zu schnell auftransfundiert werden. Kritische Situationen sind die Milzsequestrationskrise bei Sichelzellerkrankung, die schwere aplastische Krise bei allen hämolytischen Anämien und die Transfusion bei vorbestehender Herzinsuffizienz (Cave v. a. Patienten mit chronischer Eisenüberladung und hämosiderosebedingter Kardiomyopthie). Bei Hämoglobinwerten unter 40 g/l sollte nach Möglichkeit in mindestens zwei Schritten in 12- bis 24-stündigem Intervall transfundiert werden. Der Hb-Zielbereich liegt für die erste Transfusion bei 60–70 g/l, im zweiten Schritt bei 100–110 g/l. Patienten mit Sichelzellerkrankung sollten nur bei dringlicher Indikation transfundiert werden.

8.5 Nichthämolytische, febrile Transfusionsreaktion

Sie wird hervorgerufen durch Antikörper gegen Leukozytenantigene. Nach Einführung der Leukozytendepletion ist die Häufigkeit stark zurückgegangen. In der Regel reicht eine fiebersenkende Therapie.

8.6 Allergische Transfusionsreaktion

Die Ursache kann meist nicht ermittelt werden (wahrscheinlich Empfängerantikörper gegen Plasmaproteine des Spenders), im Regelfall handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose. Klinisch kommt es ohne bzw. mit nur geringem Temperaturanstieg zu leichten Hautreaktionen wie Flush oder Urtikaria, die gut auf Antihistaminika ansprechen. In den seltenen schweren Fällen mit Luftnot und Blutdruckabfall ist die zusätzliche Gabe von Steroiden erforderlich.

8.7 Anaphylaktische Reaktionen

Diese glücklicherweise sehr seltenen Reaktionen können bereits nach der Verabreichung geringster Plasmamengen zu lebensbedrohlichen Schocksymptomen mit Bronchospasmus, Atem- und Kreislaufstillstand führen, die mit intensivmedizinischen Maßnahmen behandelt werden müssen. Ursache ist wahrscheinlich eine Unverträglichkeit gegen Plasmaproteine des Spenders, manchmal Antikörper gegen IgA- oder seltener gegen Gm-Rezeptoren des IgG-Moleküls. Der isolierte IgA-Defekt ist mit 1 : 700 der häufigste Immundefekt in der mitteleuropäischen Bevölkerung. Bei nachgewiesenen Antikörpern gegen IgA sollten nur plasmafrei gewaschene Blutprodukte verabreicht werden. Die Frischplasmasubstitution muss bei solchen Patienten mit Produkten von Spendern mit IgA-Defizienz erfolgen (Cave: auch Immunglobulingaben!).

8.8 Posttransfusionelle Purpura

Sie tritt meist 1 Woche nach Bluttransfusionen bei Frauen auf, die durch vorangegangene Schwangerschaften Thrombozytenantikörper meist der Spezifität Anti-HPA-1a (PIA1) gebildet haben. Dabei werden nicht nur die HPA-1a-positiven Spenderthrombozyten, sondern auch die patienteneigenen antigennegativen Thrombozyten zerstört mit Thrombopenien bis unter 10.000 μl. Der Pathomechanismus ist bisher nicht befriedigend geklärt. In bedrohlichen Situationen wird eine Plasmapherese oder die i.v.-Gabe von hochdosiertem γ-Globulin empfohlen.

8.9 Nichtimmunologische Transfusionsreaktionen

Beispielsweise Übertransfusion, bakterielle Kontamination und metabolische Nebenwirkungen (Hyperkaliämie, Hypokalzämie, Mikroaggregate im gelagerten Blut) kommen bei sachgerechter Erythrozytentransfusion nur selten vor. Nach Thrombozyten- oder Granulozytengaben kann eine Therapie mit Diuretika (Furosemid 0,25 mg/kg) erforderlich sein, um eine Volumenüberlastung zu vermeiden. Bakterielle Verunreinigungen von Thrombozytenkonzentraten sind nicht so selten (0,1–0,5 %), deutlich seltener (ca. 1 : 100.000) führt das beim Patienten aber zur Sepsis mit ggf. letalem Verlauf.

8.10 Transfusionshämosiderose

Wiederholte oder regelmäßige Transfusionen führen zu einer Eisenüberladung des Organismus. Pro ml Erythrozytenkonzentrat werden 1 mg Eisen zugeführt. In der Praxis kommt es nach 15 Transfusionen oder ab einem Ferritinwert >1000–1500 μg/L zu einer signifikanten Körpereisenüberladung, sodass eine eisenausschleussende Therapie notwendig wird (siehe Abschn. Erkrankungen der Erythrozyten).