Zusammenfassung
Etwa jede fünfte in Deutschland lebende Person hat einen so genannten Migrationshintergrund. Bezüglich ihrer sozialen und gesundheitlichen Lage sind diese knapp 16 Mio. Menschen in ihrer Gesamtheit allerdings eine extrem heterogene Gruppe. Gut gebildete und sozial integrierte Migranten stellen wie Einheimische in vergleichbaren sozialen Lagen im Prinzip keine außergewöhnliche Herausforderung im Behandlungsalltag einer diabetologischen Praxis dar. Grundsätzlich komplizierter ist jedoch die Versorgung von bildungsfernen Patienten mit niedrigem Sozialstatus. Haben diese zusätzlich noch Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache, einen anderen kulturellen Hintergrund und ein unterschiedliches Gesundheitsverständnis, gestalten sich Behandlung, Beratung und Schulung als eine anspruchsvolle Aufgabe, die individuelle und kreative Lösungen erfordert. Die Behandlung von Migrantinnen und Migranten mit Diabetes benötigt eine sprach- und kulturübergreifende Arzt-Patient-Beziehung. Letztere setzt auf Seiten der Behandelnden und Schulenden eine hohe soziale und interkulturelle Kompetenz voraus. Ziel der Behandlung und Beratung ist auf der Basis eines kulturübergreifenden Verständnisses die Steigerung der Selbstwirksamkeit der Betroffenen im Rahmen einer individualisierten Schulung einschließlich der Messung des Schulungserfolgs. Die gelingt bei fehlender gemeinsamer Sprache nur durch Einbeziehung von Dolmetschern oder von deutschkundigen Angehörigen als „familiäre Kotherapeuten“.
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Kalvelage, B., Kofahl , C. (2013). Behandlung von Migrantinnen und Migranten mit Diabetes. In: Petrak, F., Herpertz, S. (eds) Psychodiabetologie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-29908-7_7
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