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Übersichtsarbeit

Diagnoseeröffnung und Begleitung

Published Online:https://doi.org/10.1024/0040-5930/a000669

Vor der Diagnoseeröffnung geht sowohl für die Demenzerkrankten, wie aber auch für ihre Angehörigen eine lange Zeit der Unsicherheit, der Verunsicherung, der Angst, der Zweifel, aber auch von Konflikten voraus. Der Beginn einer neurodegnerativen Erkrankung ist immer mit sehr vielen offenen Fragen verbunden. Wenn jüngere Patienten noch im Berufsleben stehen, löst bereits das Stadium des Mild Cognitive Impairment Fehlleistungen, Burnout, Mobbing, Depression und Krankschreibung aus. In der Partnerschaft entstehen Konflikte und Schuldzuweisungen. Es ist viel zu wenig bekannt, dass meist diese Probleme auf Beziehungsebene belastender sind als die typischen Defizite, die auf die Demenzerkrankung zurückzuführen sind. Es besteht leider immer noch die Meinung, dass sich eine Abklärung und Diagnosestellung nur bei Krankheiten lohnt, die auch behandelbar sind. Ziel jeder evidenzbasierten Medizin sollte es aber sein, den Patienten und ihren Angehörigen eine möglichst gute Lebensqualität zu geben. Und diese Forderung ist besonders bezüglich Demenzdiagnose zu stellen. Ein offenes Diagnoseeröffnungsgespräch ermöglicht es den Patienten und ihren Angehörigen, sich mit der Situation auseinander zu setzen, miteinander Lösungsstrategien zu suchen in der herausfordernden Situation einer Demenzerkrankung, die immer das ganze familiäre und soziale System betrifft. Der Patient hat das Recht auf Information über seine Diagnose, das gilt auch für die Demenzerkrankten. Das Diagnosegespräch erfordert Zeit und höchste Professionalität, das Wissen um die individuellen Defizite und Ressourcen, die soziale Situation und die Biographie und Persönlichkeit der Patienten, aber auch ihrer Angehörigen. Das Diagnosegespräch löst viele Emotionen aus, es ist wichtig auf diese einzugehen und diese auch aufzunehmen. Primär sollte mit dem Patienten gesprochen werden, aber möglichst im Beisein der Angehörigen, wichtig dabei ist die Wertschätzung des Demenzerkrankten auch bei Anosognosie. Den Angehörigen sollten nicht Ratschläge gegeben werden, sondern es sollte in einem therapeutischen Gespräch auf ihre Gefühle des permanenten Abschiednehmens der geliebten Person eingegangen werden, auf ihre Trauer und Wut. Erst dann wird die Grundlage gelegt, damit gemeinsam im Sinne eines verhaltenstherapeutisch-systemischen Settings Lösungsstrategien gefunden werden können. Begleitung von Demenzerkrankten und ihren Angehörigen bedeutet somit nicht nur Case-Management und Beratung, wobei auch dies von großer Wichtigkeit ist, sondern sich Einlassen auf die veränderte Beziehung und Situation. Dann kann Resilienz entstehen, welche Voraussetzung dafür ist, dass die langdauernde Krankheit, die mit einem permanenten Abschiednehmen verbunden ist, gemeistert werden kann.

Before the disclosure of the diagnosis, both the patients with dementia and their relatives experience a long time not only full of insecurity, uncertainty, fear and misgivings but also of conflicts. The beginning of a neurodegenerative disease is always associated with a lot of open questions. If young patients are still active in their professional life, already the stage of “Mild Cognitive Impairment” will cause mistakes, burnout, mobbing, depression and sick leaves. In the partner relationship conflicts and accusations may emerge. It is far too little recognized that those problems at the relational level are often more burdening than the typical deficiencies due to dementia. Unfortunately, it is still considered that a clarification and diagnosis are only worthwhile for diseases which are curable. However, the aim of every evidence-based medicine should be giving every patient and his relatives the best possible quality of life, including symptomatic treatment options and prevention of possible complications. A frank opening discussion of the diagnosis paves the way for the patient and his relatives to deal with the situation and to develop together a solution strategy in the challenging setting of dementia, which always affects the whole familial and social system. The patient is entitled to be informed about his/her diagnosis, including dementia. The diagnostic disclosure requires time and highest professionalism, the knowledge of the individual deficiencies and resources, the social situation, the biography and the personality of the patients but also of their relatives. The diagnostic disclosure arouses a lot of emotions, that need to be addressed and also be absorbed. Primarily, the conversation should be conducted with the patient, but preferably in the presence of the relatives. A very important point is the appreciation of the dementia patient, even with anosognosia. The relatives should not be given just general advice, there should rather be a therapeutic conversation responding to their sensation of permanent loss of the beloved person, their grief and anger. Only this way a solid fundament can be established for mutually finding a cooperative strategy in terms of a behavior-oriented systematic therapy. Therefore, the support of a patient with dementia and his relatives not only involves case management and expert advice, even though they are of great importance too, but also the commitment to the changed relationship and situation. After that, resilience might be developed, which is crucial to cope with this long-lasting disease, which is always associated with a step-by-step farewell.