Zusammenfassung
Zum fachlichen Konsens der Alters- und Familiensoziologie dürfte es gehören, den Generationenbegriff zu differenzieren zwischen dem Generationenverhältnis als das öffentliche, mittels Recht durch den Wohlfahrtsstaat konstituierte Verhältnis zwischen anonymen Altersgruppen, und den Generationenbeziehungen als den familiären Austausch- und Hilfebeziehungen zwischen Personen linearer Abstammungsfolge in der Familie.1 Schon mehrfach wurde auf die ganz unterschiedlichen Determinanten hingewiesen, die einmal die Generationenbeziehungen, das andere Mal das Generationenverhältnis bestimmen (Leisering 1992; Kaufmann 1993, 1997; Rosenmayr 1993, S. 12f). Beim öffentlichen Generationenverhältnis, das im wesentlichen aus dem Generationenvertrag des sozialen Sicherungssystems besteht, handelt es sich um Probleme des Wohlfahrtsstaates. Das Argument von Attias-Donfut (1995) und anderen so argumentierenden Autorene2, daß die Verteilungswirkung der staatlichen Systeme durch private finanzielle Transfers der alten Eltern an ihre erwachsenen Kinder korrigiert würde, und diese privaten Transfers zudem die Akzeptanz der sozialstaatlichen Umverteilung durch den Generationenvertrag sicherten, konfundiert die beiden Ebenen. Man kann zwar empirisch beide Ressourcenströme oberflächlich vergleichen; auch trifft zu, daß erst ein relativ gutes Niveau sozialstaatlicher Versorgung den Älteren Transfers an die jüngeren Familiengenerationen ermöglicht. Aber doch bleiben Generationenverhältnis und -beziehung in ihren konstitutiven Mechanismen unterschiedlich begründet.
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Literatur
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Dallinger, U. (2000). Solidarität und Generationenverhältnis — Was leistet die Soziologie zur Klärung des Verhältnisses zwischen den Generationen?. In: Backes, G.M. (eds) Soziologie und Alter(n). Reihe Alter(n) und Gesellschaft, vol 2. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11437-6_8
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