Bereits 1972 stellte die Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen in Stockholm fest, dass zur Lösung der Schlüsselprobleme, mit denen die Menschheit auf der Erde in den nächsten Jahrzehnten konfrontiert sein wird, wesentliche Beiträge aus Wissenschaft und Technik unabdingbar sind (UNEP 1972). In der Folge wurden internationale Forschungsprogramme aufgesetzt, die zu einer Mobilisierung und Neuausrichtung der Wissenschaftsgemeinschaft führten. Durch intensive wissenschaftliche Arbeit konnte mit inzwischen deutlicher Sicherheit dargestellt werden, dass das industrielle Wirtschaften des Menschen auf dem Planeten zu einer Veränderung des Klimas, zu einer Minderung der biologischen Vielfalt, aber auch zur Zunahme der Wasser- und Luftverschmutzung sowie zu einer Abnahme des stratosphärischen Ozons führt. Als langfristige Folge dieser Entwicklung wurde schon frühzeitig die Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen und damit des Wohlergehens der Weltgemeinschaft vorausgesehen (Vogler 2014; Heinrichs und Grunenberg 2009).

Auch die Erkenntnis, dass es um globale Veränderungen geht, war eine Konsequenz dieser Konferenz: Es wurde klar, dass die Menschheit durch ihr Verhalten den Planeten insgesamt mit langfristigen Folgen verändert. Weltweite Forschungsanstrengungen wie etwa das World Climate Research Programme (WCRP) oder das International Geosphere-Biosphere Programme (IGBP) entwickelten eine anspruchsvolle Agenda, die von der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft verfolgt wurde. Physikalische, chemische sowie biologische Prozesse und Rückkopplungseffekte, welche die Funktionsweise des Systems Erde maßgeblich bestimmen, wurden untersucht und auf ihre Anfälligkeit gegenüber menschlichen Einflüssen überprüft. Einige vorausschauende Persönlichkeiten, beispielsweise die ehemalige norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland, verstanden schnell, dass die einzig denkbare zukünftige Form wirtschaftlichen Wachstums nachhaltigen Charakter besitzen muss (Vogler 2014; Brundtland 1987).

In den letzten zehn Jahren wandelte sich die internationale Forschung zu globalen Umweltveränderungen von einer vorwiegend auf das Verständnis des Erdsystems ausgerichteten Forschung zu einer mehr auf die Lösung von Problemen der Nachhaltigkeit ausgerichteten Forschung. Vor dem Hintergrund neuer wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Herausforderungen wurden die Forschungsprogramme neu ausgerichtet und im Jahr 2012 auf der Konferenz zur nachhaltigen Entwicklung der Vereinten Nationen (Rio + 20) wurde das Programm Future EarthFootnote 1 als internationale Initiative zu globaler integrativer Nachhaltigkeitsforschung vorgestellt.

Der Klimawandel und die damit einhergehenden Veränderungen sind nur ein Teil dieser globalen Herausforderungen. Aber bereits sie sind äußerst komplex; sie bedingen sich teilweise gegenseitig und hängen vom gesellschaftlichen Rahmen ab, auf den sie auch wieder zurückwirken.

Mehr als 500 internationale Konventionen und Verträge, die sich mit dem Schutz der Umwelt beschäftigen, wurden seit 1972 unterschrieben. Die Wissenschaftsgemeinschaft veröffentlicht unablässig Berichte über die neuesten Erkenntnisse und stellt hierzu umfangreiche Erkenntnisse zur Unterstützung politischer Entscheidungsvorgänge bereit. Zu diesen Berichten gehören die detaillierten Einschätzungen, die der Zwischenstaatliche Ausschuss über Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate ChangeFootnote 2), in den Medien und hier ab jetzt „Weltklimarat“ genannt, alle fünf bis sieben Jahre durchführt. Diese Dokumente und ihre Zusammenfassungen werden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus vielen Ländern verfasst und sorgfältig von einer noch größeren Gruppe wissenschaftlicher und praxisnaher Fachleute zur Überarbeitung kommentiert. Die Berichte stellen eine einzigartige Zusammenschau der klimarelevanten Wissenschaftsbereiche dar, die in aller Welt bearbeitet werden. Das sind vor allem die naturwissenschaftlich-physikalischen Grundlagen, die sozioökologischen Folgen sowie Anpassungs- und Klimaschutzthemen. Dabei sind diese Berichte – und darin vor allem die Summaries for Policymakers – für politische Entscheidungen bedeutsam (policy-relevant), zeichnen aber keine Entscheidungen vor (not policy-prescriptive) (IPCC 2023).

Ohne Zweifel sind die Sachstandsberichte des Weltklimarats für die internationalen Verhandlungen unerlässlich. Derzeit aktuell ist der Sechste Sachstandsbericht (IPCC 2021, 2022a, b), dessen Ergebnisse in Kap. 2 dargestellt sind. Obwohl inzwischen auch diese Berichte kleinräumige Informationen beinhalten und Aussagen für einzelne Regionen machen, sind spezielle Informationen zu einzelnen Regionen oder Sektoren nicht immer vorhanden. Deshalb sind zur Ergänzung der internationalen Berichte und unabhängig davon diverse nationale oder sogar subnationale Berichte entstanden.

Das Ziel des vorliegenden Berichts besteht darin, die wissenschaftlichen Informationen zum Klimawandel in Deutschland zu sammeln und im Zusammenhang zu betrachten. Es werden keine Handlungsempfehlungen gegeben. Vielmehr analysiert dieser Bericht bereits veröffentlichte Erkenntnisse der einschlägigen Fachleute und bewertet – soweit angebracht – die jeweiligen Schlussfolgerungen.

Die Themen sind breit gefächert und reichen von der physikalischen Seite des Klimawandels bis zu dessen Auswirkungen auf die natürlichen (ökologische Aspekte) und gesellschaftlichen Systeme (sozioökonomische Aspekte). Die Einzelbeiträge benennen Verwundbarkeiten und untersuchen klimabedingte Risiken für verschiedene Wirtschaftssektoren und Gesellschaftsbereiche. Möglichkeiten, um die Elastizität der Gesellschaft gegenüber dem klimatischen Schaden (Resilienz) zu stärken, werden diskutiert und die Notwendigkeit hervorgehoben, Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln.

Für politische Entscheidungen zur Weiterentwicklung der Deutschen Anpassungsstrategie (Bundesregierung 2011) hat die Bundesregierung 2020 einen zweiten Fortschrittsbericht vorgelegt (Bundesregierung 2020). Er enthält den dritten Aktionsplan Anpassung mit Maßnahmen vorrangig des Bundes und beschreibt unter anderem die Schwerpunkte der künftigen Politik zur Anpassung an den Klimawandel in Deutschland. 2021 folgte die Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Bundes (Kahlenborn et al. 2021), die die wesentlichen Klimarisiken und Handlungserfordernisse aus sektoraler und sektorübergreifender Sicht aufzeigt und auf die Arbeit des „Behördennetzwerks Klimawandel und Anpassung“ der Bundesoberbehörden zurückgeht. Wesentliche Grundlage für die Klimaanpassungspolitik des Bundes sind wissenschaftliche Analysen, die mit einer einheitlichen Methodik Grundlagen für die Maßnahmenplanung und die Ableitung konkreter Ziele zur Anpassung bereitstellen. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung („Ampelkoalition“) sind viele Aktivitäten zur Anpassung an den Klimawandel enthalten, beispielsweise Bestrebungen für ein Klimaanpassungsgesetz des Bundes und zur gemeinschaftlichen Finanzierung der Klimaanpassung. Das vorliegende Buch ist als Ergänzung der IPCC-Berichte gedacht und legt den Schwerpunkt auf die Problematik in Deutschland. Es behandelt ganz verschiedene Facetten des Klimawandels und diskutiert die neuesten Erkenntnisse. Eine derartige Synthese von Wissen kann nur interdisziplinär erfolgen.

Die Initiative, die vorliegende Zusammenschau durchzuführen, wird seit den Vorbereitungen für die Erstauflage 2017 von einer vielfältigen Forschungscommunity  mitgetragen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehrerer Universitäten, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemeinschaft, des Deutschen Wetterdienstes und der Max-Planck-Gesellschaft hatten die Entstehung des Berichts in der Erstauflage als editorial board begleitet. Sie alle sowie an die 200 Beitragende ganz verschiedener Fachrichtungen und aus einer breiten Palette unterschiedlicher deutscher Forschungseinrichtungen („Beteiligte“ ab S. V) sind überzeugt, dass es die Aufgabe guter Forschung ist, ihre Ergebnisse mit der Gesellschaft zu teilen.

Alle Beiträge dieses Buches sind selbständige Kapitel und fungieren als eigenständige Veröffentlichungen. Um zu gewährleisten, dass die wiedergegebene Information neutral, genau und relevant ist, wurde für die Erstauflage jeder Text von mindestens zwei unabhängigen Fachleuten (reviewers) anonym begutachtet, davon eine Person aus der Wissenschaft und die andere eher von der Nutzungsseite, also aus der praktischen Anwendung (komplette Liste der reviewers ab S. XIII). Auf diese Weise wurde einerseits die fachliche Zuverlässigkeit und Qualität, andererseits aber auch die Anwendbarkeit sichergestellt. Für die vorliegende Zweitauflage wurde sowohl mit neu hinzugekommenen Texten als auch mit den Beiträgen, in denen viel geändert oder ergänzt worden war, ebenso verfahren. Die einzelnen Kapitel sind thematisch sechs Teilen zugeordnet. Jeder dieser Teile wurde durch editors strukturiert und durchgesehen.

Geschrieben wurde der vorliegende Bericht für eine Leserschaft mit einem Grundverständnis von klimarelevanten Fragen, die jedoch nicht über Spezialwissen in den einzelnen Disziplinen verfügen muss. Er wendet sich vor allem an Fachleute aus der öffentlichen Verwaltung, der Politik und dem Wirtschaftsleben sowie an die ganze wissenschaftliche Gemeinschaft.

Der erste Teil des Buches richtet den Blick auf das physikalische Klimasystem und skizziert den aktuellen Stand der Wetteraufzeichnungen und der Projektionen, welche die Klimamodelle auf der globalen und regionalen Skala derzeit liefern. Beobachtungen über das Klima der vergangenen 100 Jahre in Deutschland werden dargestellt und aus der Klimamodellierung resultierende Unsicherheiten diskutiert. Der zweite Teil handelt von den zu erwartenden physikalischen Klimafolgen. Besonders werden Temperatur, Niederschläge, Windfelder und die Häufigkeit von Extremereignissen wie Hochwasser, Dürren, Waldbrände und Stürme betrachtet. Um die potenziellen sozioökonomischen Klimafolgen geht es im dritten Teil; das Augenmerk liegt auf Luftqualität, Gesundheit, ökologischen Systemen, Land- und Forstwirtschaft sowie weiteren Wirtschaftssektoren und der Infrastruktur in Deutschland. Teil IV untersucht Verletzlichkeiten, Risiken – und systemische Ungewissheiten sowie die Probleme der Attribution von Wetter- und Klimaphänomenen. Für die Neuauflage ergänzt wurde Teil V über Emissionsminderungsstrategien und Dekarbonisierung. Schließlich fasst der letzte Teil die Diskussion zu integrierten Anpassungsstrategien zusammen, indem er sich mit den Ideen zu einer klimaresilienten Gesellschaft beschäftigt und in der Literatur dargestellte weitere Anpassungsmaßnahmen untersucht. Grundsätzlich betrachtet der Bericht Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel ganzheitlich und kennzeichnet, wo konkurrierende Maßnahmen oder auch Win-win-Situationen identifiziert werden.

Weil das Buch sehr interdisziplinär angelegt ist, alle Kapitel weitgehend selbständigen Charakter haben und auch einzeln heruntergeladen werden können, war die Herausgeberschaft mit der Vereinheitlichung von Fachbegriffen sehr zurückhaltend. Je nach Kapitel scheinen deshalb die Fächerkulturen sprachlich durch. Auch verschiedene wissenschaftliche Konzepte und Sichtweisen sind zu finden und wurden bewusst nicht harmonisiert. Eine Qualität des Buches liegt so auch in der Diversität der dargestellten Ansätze. Wo Aussagen aus Klimamodellprojektionen thematisiert werden, kann es aufgrund der unterschiedlichen Modelle und Ensembles, auf denen die jeweiligen Auswertungen basieren, Abweichungen in den Aussagen geben. Wir haben deshalb die zugrundeliegenden Projektionen, Modelle und Ensembles aus Gründen der Transparenz genannt – auch wenn das den Lesefluss an einigen Stellen hemmt.

Allerdings wurde versucht, die Fachbegriffe für ein interdisziplinäres Publikum verständlich zu machen. Begriffe, die immer wieder vorkommen, wurden in ein Glossar übernommen, das im Serviceteil von Buch und E-Book enthalten ist.

Trotz eingehender Diskussion konnten nicht alle Aspekte des Klimawandels angesprochen werden. So werden etwa soziale, gesamtgesellschaftliche, politische und psychologische Themen nur gestreift, da sie erst in letzter Zeit und damit nach dem Entwurf der Texte zunehmend Aufmerksamkeit erfahren. Auch auf der internationalen Ebene zu erwartende Sicherheitsprobleme – beispielsweise Konflikte um Trinkwasser oder Flüchtlingsbewegungen aufgrund von Dürren oder Verlust von fruchtbarem Boden – werden in diesem Bericht nur angerissen.

Für derart komplexe, globale Problemlagen wie den Klimawandel verändert sich die Situation praktisch täglich. So hat es zwischen der Originalausgabe und dieser Neuauflage bereits sehr viele Änderungen und Ergänzungen gegeben. Da an der vorliegenden Neuauflage mehr als drei Jahre gearbeitet wurde, konnten aktuelle Geschehnisse nur sehr begrenzt einfließen. Mit dem vorliegenden Bericht können die Beteiligten also naturgemäß nur einen kleinen Ausschnitt darstellen. Die Hauptaufgabe des Berichts ist deshalb in der Integration und Synthese des heutigen Wissensstandes (Herbst 2022) zu sehen. Einzelne wichtige Entwicklungen wurden während des Produktionsprozesses noch eingefügt.