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Wie bereits in Kap. 1 besprochen, können die körpereigenen Abwehrmechanismen der angeborenen Immunität die meisten mikrobiellen Eindringlinge innerhalb von Minuten oder Stunden erkennen und vernichten. Diese Abwehrmechanismen beruhen nicht darauf, dass sich antigenspezifische Lymphocyten vermehren. Das angeborene Immunsystem nutzt eine begrenzte Anzahl von sezernierten Proteinen und zellulären Rezeptoren, um eine Infektion zu erkennen und zwischen Krankheitserregern und körpereigenem Gewebe zu unterscheiden. Man bezeichnet sie als angeborene Rezeptoren, da sie von Genen codiert werden, die direkt von den Eltern eines Individuums vererbt werden und nicht wie die Antigenrezeptoren der Lymphocyten erst durch eine Genumlagerung entstehen (Abschn. 1.3.4). Die Bedeutung der angeborenen Immunität lässt sich anhand mehrerer Immunschwächekrankheiten veranschaulichen, die sich bei einer Störung der angeborenen Immunität entwickeln (Kap. 13). Durch solche Krankheiten nimmt die Anfälligkeit für Infektionen zu, selbst wenn das adaptive Immunsystem intakt ist.

Wie Abb. 1.5 zeigt, beginnt eine Infektion, sobald ein Krankheitserreger eine der Körperbarrieren überwindet. Einige Mechanismen der angeborenen Immunität setzen sofort ein (Abb. 2.1). Dazu gehören mehrere Arten von bereits vorhandenen löslichen Molekülen, die in der extrazellulären Flüssigkeit, im Blut und in epithelialen Sekreten vorkommen und einen Krankheitserreger sofort töten oder seine Wirkung abschwächen können. Antimikrobielle Enzyme wie Lysozym beginnen damit, die Zellwand von Bakterien abzubauen; antimikrobielle Peptide wie die Defensine lysieren bakterielle Zellmembranen direkt und ein System von Plasmaproteinen, das Komplement, greift Krankheitserreger an, sodass sie entweder lysiert oder von Zellen des angeborenen Immunsystems, beispielsweise von Makrophagen, durch Phagocytose aufgenommen werden. Wenn das nicht gelingt, werden angeborene Immunzellen über Mustererkennungsrezeptoren (pattern recognition receptors, PRRs) aktiviert, die pathogenassoziierte molekulare Muster (PAMPs) erkennen (Abschn. 1.2.5), die für Mikroorganismen charakteristisch sind. Die aktivierten Zellen des angeborenen Immunsystems können verschiedene Effektormechanismen auslösen, um eine Infektion zu beseitigen. Weder die löslichen noch die zellulären Komponenten der angeborenen Immunität können von sich aus ein lang andauerndes immunologisches Gedächtnis entwickeln. Nur wenn ein infektiöser Organismus die ersten beiden Abwehrlinien überwindet, werden Mechanismen aktiviert, die eine adaptive Immunantwort in Gang setzen. Das ist die dritte Phase der Reaktion auf einen Krankheitserreger. Dabei kommt es zur Vermehrung antigenspezifischer Lymphocyten, die speziell gegen den Krankheitserreger gerichtet sind, und zur Herausbildung von Gedächtniszellen, die zu einer lang andauernden Immunität führen.

Abb. 2.1
figure 1

Die Reaktion auf eine erstmalige Infektion verläuft in drei Phasen. Dabei handelt es sich um die angeborene Phase, die frühe induzierte angeborene Immunantwort und die adaptive Immunantwort. Die ersten beiden Phasen beruhen darauf, dass keimbahncodierte Rezeptoren des angeborenen Immunsystems die Krankheitserreger erkennen, während bei der erworbenen Immunität variable antigenspezifische Rezeptoren – das Ergebnis von Gensegmentumlagerungen – von Bedeutung sind. Die adaptive Immunantwort setzt spät ein, da sich die seltenen B- und T-Zellen, die für das eindringende Pathogen spezifisch sind, zunächst durch klonale Expansion vermehren müssen, bevor sie sich zu Effektorzellen differenzieren, welche die Infektion beseitigen. Die Effektormechanismen, die den Krankheitserreger beseitigen, sind in jeder Phase ähnlich oder stimmen überein

Dieses Kapitel befasst sich mit der ersten Phase der angeborenen Immunantwort. Zuerst betrachten wir die anatomischen Barrieren, die den Körper vor einer Infektion schützen, und untersuchen die sofort einsetzenden angeborenen Abwehrmechanismen, die von verschiedenen freigesetzten, löslichen Proteinen ausgehen. Die anatomischen Barrieren bilden eine feste Abwehr gegen Infektionen; sie bestehen aus Epithelien, die die innere und äußere Oberfläche des Körpers bedecken. Dazu gehören auch die Phagocyten, die unter allen Epitheloberflächen vorkommen. Diese Phagocyten entfalten ihre Wirkung direkt, indem sie eingedrungene Mikroorganismen aufnehmen und abbauen. Epithelien werden außerdem durch viele Arten von chemischer Abwehr geschützt, etwa durch antimikrobielle Enzyme und Peptide. Als nächstes behandeln wir das Komplementsystem, das einige Mikroorganismen direkt tötet und mit anderen interagiert, sodass sie leichter von phagocytotischen Zellen aufgenommen werden können. Das Komplementsystem bezeichnet man zusammen mit den anderen zirkulierenden löslichen Proteinen als angeborene humorale Immunität (nach dem alten Wort „humor“ für Körperflüssigkeiten). Wenn diese früh einsetzenden Abwehrmechanismen nicht erfolgreich sind, tragen die Phagocyten am Infektionsherd dazu bei, neue Zellen und zirkulierende Effektormoleküle zu rekrutieren. Diesen Vorgang bezeichnet man als Entzündung (Kap. 3).

1 Anatomische Barrieren und erste chemische Abwehrmechanismen

Mikroorganismen, die für Menschen oder Tiere pathogen sind, dringen in bestimmte Regionen des Körpers ein und lösen dort über eine Vielzahl von Mechanismen Krankheitssymptome aus. Mikroorganismen, die Erkrankungen und Schädigungen von Gewebe verursachen, das heißt pathologische Auswirkungen haben, bezeichnet man als pathogene Mikroorganismen oder Krankheitserreger (Pathogene). Während die angeborene Immunität die meisten Mikroorganismen vernichtet, die gelegentlich eine anatomische Barriere durchqueren, haben Krankheitserreger in der Evolution Mechanismen entwickelt, durch die sie die angeborene Abwehr effektiver als andere Mikroorganismen überwinden können. Sobald sich eine Infektion festgesetzt hat, sind normalerweise sowohl die angeborene als auch die adaptive Immunantwort gefordert, um die Krankheitserreger aus dem Körper zu entfernen. Selbst in diesen Fällen erfüllt jedoch das angeborene Immunsystem eine wichtige Funktion, indem es die Anzahl der Krankheitserreger verringert, während sich das adaptive Immunsystem darauf einstellt, seine Aktivitäten zu entfalten. Im ersten Teil dieses Kapitels werden wir die verschiedenen Arten von Krankheitserregern und ihre Infektionsstrategien kurz umreißen, um dann auf die angeborenen Abwehrmechanismen einzugehen, die in den meisten Fällen verhindern, dass sich eine Infektion durch Mikroorganismen entwickeln kann.

1.1 Infektionskrankheiten werden durch verschiedene Organismen verursacht, die sich in ihrem Wirt vermehren

Pathogene lassen sich in fünf Gruppen unterteilen: Viren, Bakterien, Pilze, Protozoen und bestimmte Würmer (Helminthen). Protozoen und Würmer fasst man normalerweise unter dem Oberbegriff Parasiten zusammen; sie werden von der Parasitologie untersucht, während Viren, Bakterien und Pilze Untersuchungsobjekte der Mikrobiologie sind. In Abb. 2.2 sind einige Beispiele aus den verschiedenen Gruppen von krankheitsverursachenden Mikroorganismen und Parasiten aufgelistet. Die charakteristischen Merkmale der einzelnen Erreger sind die Art und Weise ihrer Übertragung und ihrer Vermehrung, ihre Pathogenese (die Art, wie sie eine Krankheit hervorrufen) sowie die Immunantwort, die sie im Wirt auslösen. Die verschiedenen Lebensräume und Lebenszyklen der Krankheitserreger bedeuten, dass eine ganze Reihe unterschiedlicher angeborener und adaptiver Immunitätsmechanismen erforderlich ist, um sie zu vernichten.

Abb. 2.2
figure 2

Viele verschiedene Mikroorganismen können Krankheiten verursachen. Es gibt fünf Haupttypen pathogener Organismen: Viren, Bakterien, Pilze, Protozoen und Würmer. Aus jeder Gruppe sind einige häufige Vertreter aufgeführt

Infektiöse Organismen können sich in verschiedenen Kompartimenten des Körpers vermehren (Abb. 2.3). In Kap. 1 haben wir bereits die beiden Hauptkompartimente kennengelernt: den Intrazellularraum und den Extrazellularraum. Sowohl die angeborenen als auch die adaptiven Immunantworten reagieren auf Krankheitserreger, die in diesen beiden Kompartimenten vorkommen, auf unterschiedliche Weise. Viele bakterielle Krankheitserreger leben und vermehren sich in extrazellulären Räumen, entweder innerhalb von Geweben oder an der Oberfläche von Epithelien, die die Körperhöhlen auskleiden. Extrazelluläre Bakterien sind normalerweise für Phagocyten zugänglich, die sie abtöten – eine wichtige Abwehrwaffe des angeborenen Immunsystems. Es gibt jedoch einige Krankheitserreger – Spezies von Staphylococcus und Streptococcus –, die von einer Kapsel aus Polysacchariden geschützt sind, welche eine Aufnahme in die Zelle verhindert. Dies wiederum wird teilweise durch die Mitwirkung eines anderen Bestandteils der angeborenen Immunität aufgehoben – wodurch die Bakterien für die Phagocytose zugänglich werden. Bei der adaptiven Immunantwort werden Bakterien durch eine Kombination aus Antikörpern und Komplement für die Phagocytose noch besser zugänglich gemacht.

Abb. 2.3
figure 3

Krankheitserreger können in verschiedenen Kompartimenten des Körpers vorkommen, wo sie mit unterschiedlichen Abwehrmechanismen bekämpft werden müssen. Nahezu alle Krankheitserreger haben in ihrem Infektionszyklus eine extrazelluläre Phase, in der sie für zirkulierende Moleküle und Zellen der angeborenen Immunität und für Antikörper der adaptiven Immunantwort anfällig sind. Alle diese Faktoren führen vor allem dadurch zu einer Beseitigung der Mikroorganismen, dass sie die Phagocytose durch die Phagocyten des Immunsystems stimulieren. Krankheitserreger wie Viren sind während der intrazellulären Phase nicht für solche Mechanismen zugänglich. Stattdessen wird die infizierte Zelle durch NK-Zellen des angeborenen Immunsystems oder die cytotoxischen T-Zellen des adaptiven Immunsystems angegriffen. Die Aktivierung von Makrophagen als Folge der Aktivität von NK-Zellen oder T-Zellen kann den Makrophagen veranlassen, die Krankheitserreger in seinen Vesikeln zu töten

Die Symptome und Auswirkungen von Infektionskrankheiten unterscheiden sich, abhängig davon, wo sich der verursachende Krankheitserreger im Körper vermehrt – im intrazellulären oder extrazellulären Raum – und welche Schäden er hervorruft (Abb. 2.4). Obligat intrazelluläre Krankheitserreger wie Viren müssen in Wirtszellen eindringen, um sich zu vermehren. Fakultativ intrazelluläre Krankheitserreger wie die Mycobakterien hingegen können sich innerhalb oder außerhalb der Zelle vermehren. Es gibt zwei Mechanismen der angeborenen Immunität, die intrazelluläre Krankheitserreger bekämpfen. Zum einen werden die Erreger vernichtet, bevor sie Zellen infizieren können. Dafür besitzt die angeborene Immunität lösliche Komponenten wie antimikrobielle Peptide, aber auch phagocytotische Zellen, die Krankheitserreger aufnehmen und zerstören können, bevor sie in die Zellen eindringen. Andererseits kann das angeborene Immunsystem Zellen erkennen, die mit Krankheitserregern infiziert sind, und sie töten. Das ist die Aufgabe der natürlichen Killerzellen (NK-Zellen), die geeignet sind, bestimmte Virusinfektionen in Schach zu halten, bis die cytotoxischen T-Zellen des adaptiven Immunsystems einsatzbereit sind. Intrazelluläre Erreger lassen sich noch weiter unterteilen in Mikroorganismen, die sich frei in der Zelle vermehren, etwa Viren und bestimmte Bakterien (beispielsweise Chlamydia, Rickettsia und Listeria), sowie in solche, die sich in zellulären Vesikeln vermehren (wie Mycobakterien). Krankheitserreger, die in den Vesikeln von Makrophagen leben, können abgetötet werden, nachdem der Makrophage durch Aktivitäten von NK-Zellen oder T-Zellen stimuliert wurde (Abb. 2.3).

Abb. 2.4
figure 4

Krankheitserreger können Gewebe auf verschiedene Weise schädigen. In der Tabelle sind die Mechanismen der Gewebeschädigung, typische infektiöse Organismen sowie die allgemeine Bezeichnung der jeweils ausgelösten Erkrankung aufgeführt. Einige Mikroorganismen setzen Exotoxine frei, die an der Oberfläche der Wirtszellen ihre Wirkung entfalten, indem sie zum Beispiel an Rezeptoren binden. Endotoxine sind innere Strukturelemente von Mikroben; sie regen Phagocyten zur Ausschüttung von Cytokinen an, die lokale oder systemische Symptome hervorrufen. Viele Krankheitserreger schädigen die Zellen, die sie infizieren, direkt. Bei adaptiven Immunreaktionen gegen einen Erreger können schließlich Antigen:Antikörper-Komplexe entstehen, die wiederum Neutrophile und Makrophagen aktivieren, ferner Antikörper, die mit Wirtsgewebe kreuzreagieren, oder T-Zellen, die infizierte Zellen töten; sie alle haben ein gewisses Potenzial, das Wirtsgewebe zu schädigen. Darüber hinaus sezernieren die in den Anfangsstadien der Infektion dominierenden Neutrophilen viele Proteine und kleine Mediatormoleküle der Entzündung, die sowohl die Infektion kontrollieren als auch Gewebe zerstören

Viele der gefährlichsten extrazellulären Krankheitserreger verursachen eine Krankheit, indem sie Proteintoxine freisetzen, die man als Exotoxine bezeichnet (Abb. 2.4). Das angeborene Immunsystem besitzt dagegen nur geringe Abwehrmöglichkeiten. Die hochspezifischen Antikörper, die vom adaptiven Immunsystem produziert werden, dienen dazu, die Aktivität solcher Toxine zu neutralisieren (Abb. 1.28). Die Schäden, die ein bestimmter Krankheitserreger hervorruft, hängen auch immer von dem Ort ab, an dem er sich angesiedelt hat. So verursacht Streptococcus pneumoniae in der Lunge eine Lungenentzündung, im Blut jedoch eine schnell tödlich verlaufende systemische Erkrankung, eine Pneumokokkensepsis. Nichtsezernierte Bestandteile der bakteriellen Strukturen, die Phagocyten zur Freisetzung von Cytokinen mit lokal begrenzten oder systemischen Auswirkungen anregen, bezeichnet man hingegen als Endotoxine. Ein Endotoxin, das in der Medizin große Bedeutung besitzt, ist das Lipopolysaccharid (LPS) der äußeren Zellmembran von gramnegativen Bakterien, beispielsweise von Salmonella. Viele Krankheitssymptome einer Infektion durch diese Art von Bakterien – etwa Fieber, Schmerzen, Hautausschlag, Blutungen, septischer Schock – sind zu einem großen Teil auf LPS zurückzuführen.

Die meisten pathogenen Mikroorganismen können die angeborene Immunantwort überwinden und weiter wachsen, was uns krank macht. Um sie zu beseitigen und eine spätere erneute Infektion zu verhindern, ist eine adaptive Immunantwort notwendig. Bestimmte Krankheitserreger werden niemals vollständig durch das Immunsystem vernichtet und bleiben jahrelang im Körper bestehen. Die meisten Krankheitserreger sind jedoch nicht universell letal. Diejenigen, die schon seit Tausenden von Jahren in der menschlichen Population leben, sind hoch entwickelt, ihre menschlichen Wirte auszubeuten. Sie können ihre Pathogenität nicht ändern, ohne den Kompromiss aufzugeben, den sie mit dem Immunsystem des Menschen erreicht haben. Wenn ein Krankheitserreger jeden Wirt schnell töten würde, in dem er lebt, wäre das für das langfristige Überleben genauso wenig geeignet als wenn er durch das Immunsystem beseitigt würde, bevor er jemand anders infiziert. Kurz gesagt, wir haben uns bei vielen Mikroorganismen daran angepasst, mit ihnen zu leben, und umgekehrt. Dennoch ist man aktuell durch hochgradig pathogene Stämme der Vogelgrippe beunruhigt und auch der Ausbruch des schweren akuten respiratorischen Syndroms (SARS) in den Jahren 2002–2003, verursacht durch ein von Fledermäusen übertragenes Coronavirus, das beim Menschen eine schwere Lungenentzündung hervorruft, weist darauf hin, dass neue und tödliche Infektionen vom Tier auf den Menschen übertragen werden können. Eine solche Übertragung war anscheinend auch für die Epidemie mit dem Ebolavirus in Westafrika in den Jahren 2014–2015 verantwortlich, die man als zoonotische Infektionen bezeichnet. Wir müssen immer wachsam sein, um das Auftreten von neuen Krankheitserregern und neuen gesundheitlichen Bedrohungen frühzeitig zu bemerken. Das humane Immunschwächevirus, das AIDS verursacht (Kap. 13), dient als Warnung davor, dass wir weiterhin verwundbar sind.

1.2 Die Epitheloberflächen des Körpers bilden die erste Barriere gegen Infektionen

Unser Körper ist an der Oberfläche durch Epithelien geschützt, die zwischen dem inneren Bereich und der äußeren Welt, in der sich Krankheitserreger befinden, eine physikalische Barriere bilden. Zu den Epithelien gehören die Haut und die Auskleidung der Röhrensysteme im Körper, also der Atemwege, des Urogenital- und des Magen-Darm-Trakts. Die Epithelien in diesen Bereichen sind auf ihre besonderen Funktionen spezialisiert und besitzen eigene angeborene Abwehrmechanismen gegen die Mikroorganismen, denen sie normalerweise ausgesetzt sind (Abb. 2.5 und 2.6).

Abb. 2.5
figure 5

Viele Barrieren verhindern, dass Krankheitserreger Epithelien durchqueren und das Gewebe besiedeln. Oberflächenepithelien bilden mechanische, chemische und mikrobiologische Barrieren gegen eine Infektion

Abb. 2.6
figure 6

Epithelien bilden spezialisierte physikalische und chemische Barrieren, die in verschiedenen Körperregionen als angeborene Abwehr wirken. Oben: Die Epidermis besteht aus mehreren Schichten von Keratinocyten in unterschiedlichen Differenzierungsstadien, die aus der basalen Schicht der Stammzellen hervorgehen. Differenzierte Keratinocyten im Stratum spinosum produzieren β-Defensine und Cathelicidine, die in sekretorische Organellen, die lamellären Granula (gelb), eingeschleust und in den Interzellularraum freigesetzt werden, wo sie eine wasserdichte Lipidschicht (das Stratum corneum) mit antimikrobieller Aktivität bilden. Mitte (Lunge): Die Atemwege sind mit einem cilienbesetzten Epithel ausgekleidet. Durch das Schlagen der Cilien bewegt sich ein ständiger Strom aus Schleim (grün), der von den Becherzellen sezerniert wird, nach außen. Dadurch werden potenzielle Krankheitserreger festgehalten und abtransportiert. Typ-II-Pneumocyten in den Lungenalveolen (nicht dargestellt) produzieren ebenfalls antimikrobielle Defensine und setzen sie frei. Unten: Im Darm bilden die Paneth-Zellen – spezialisierte Zellen in den epithelialen Krypten – verschiedene Arten von antimikrobiellen Proteinen: α-Defensine (Cryptidine) und das antimkrobielle Lektin RegIII. (Oberstes Fenster mit Genehmigung der AAAS: Button, B., et al.: A periciliary brush promotes the lung health by separating the mucus layer from airway epithelia. Science 2012, 337:937–941)

Die Epithelzellen werden von Tight Junctions zusammengehalten, die gegenüber der äußeren Umgebung eine wirksame Barriere bilden. Die inneren Epithelien bezeichnet man als mucosale Epithelien (Schleimhautepithelien), da sie eine viskose Flüssigkeit (Schleim, Mucus) freisetzen. Diese enthält zahlreiche Glykoproteine, die Mucine. Der Schleim besitzt eine Reihe von Schutzfunktionen. Mikroorganismen, die mit Schleim bedeckt sind, können daran gehindert werden, sich an einem Epithel anzuheften. In den Atemwegen werden Mikroorganismen durch einen beständigen Strom von Schleim nach außen befördert, der von den schlagenden Cilien auf der Schleimhaut bewegt wird (Abb. 2.7). Die Bedeutung dieses Schleimflusses für die Beseitigung von Infektionen zeigt sich bei Personen, die an der erblichen Krankheit cystische Fibrose leiden. Durch Defekte im CFTR-Gen, das im Epithel einen Chloridkanal codiert, wird der Schleim aufgrund der Dehydratisierung ungewöhnlich dickflüssig. Bei diesen Patienten kommt es häufig zu Lungeninfektionen durch Bakterien, die das Epithel besiedeln, es aber nicht durchqueren (Abb. 2.7). Im Darm ist die Peristaltik ein wichtiger Mechanismus, der dafür sorgt, dass sowohl die aufgenommene Nahrung als auch Mikroorganismen durch den Körper transportiert werden. Ein Versagen der Peristaltik geht üblicherweise mit einer übermäßigen Vermehrung pathogener Bakterien im Darmlumen einher.

Abb. 2.7
figure 7

Das cilienbesetzte Atemepithel transportiert die darauf befindliche Schleimschicht, wodurch die Mikroorganismen, die aus der Umgebung stammen, beseitigt werden. Oben: Das mit Cilien besetzte respiratorische Epithel der Atemwege in der Lunge ist von einer Schleimschicht bedeckt. Die Cilien transportieren den Schleim nach außen und tragen so dazu bei, eine Besiedlung der Atemwege mit Bakterien zu verhindern. Unten: Schnitt durch die Lunge eines Patienten mit cystischer Fibrose. Die Schicht aus dehydratisiertem Schleim beeinträchtigt den Transport des Schleims durch die Cilien, sodass es häufig zu einer Besiedlung der Atemwege mit Bakterien und zu Entzündungen kommt. (Fotos mit freundlicher Genehmigung von J. Ritter)

Auf den meisten gesunden Epitheloberflächen befinden sich große Populationen von normalerweise nichtpathogenen Bakterien, die man als kommensale Bakterien oder Mikrobiota bezeichnet. Diese tragen dazu bei, Krankheitserreger in Schach zu halten. Die Mikrobiota können ebenfalls antimikrobielle Substanzen produzieren, beispielsweise Milchsäure, die von vaginalen Lactobazillen freigesetzt wird. Einige dieser Stämme wiederum produzieren auch antimikrobielle Peptide (Bacteriocine). Kommensale Bakterien lösen auch Reaktionen aus, die die Barrierefunktionen der Epithelien unterstützen, indem sie die Epithelzellen anregen, selbst antimikrobielle Peptide freizusetzen. Wenn kommensale Mikroorganismen durch eine Behandlung mit Antibiotika abgetötet wurden, treten häufig Krankheitserreger an ihre Stelle und verursachen Krankheiten (Abb. 12.20). Unter bestimmten Bedingungen können kommensale Mikroorganismen auch selbst Krankheiten hervorrufen, wenn ihre Vermehrung nicht in Schach gehalten wird oder wenn das Immunsystem beeinträchtigt ist. In Kap. 12 werden wir uns weiter damit beschäftigen, welche große Bedeutung kommensale Mikroorganismen für die normale Immunität besitzen, vor allem im Darm. In Kap. 15 werden wir erfahren, wie diese normalerweise nichtpathogenen Organismen im Zusammenhang mit vererbbaren Immunschwächen Krankheiten verursachen können.

1.3 Um einen Infektionsherd im Körper bilden zu können, müssen Erreger die angeborenen Abwehrmechanismen des Wirtes überwinden

Der menschliche Körper ist ständig Mikroorganismen ausgesetzt, die in der Umgebung vorhanden sind. Hierzu gehören auch Krankheitserreger, die von infizierten Individuen freigesetzt wurden. Über äußere oder innere Epitheloberflächen kann es zum Kontakt mit diesen Mikroorganismen kommen. Damit sich eine Infektion entwickeln kann, muss ein Mikroorganismus zuerst in den Körper eindringen, indem er an ein Epithel bindet oder dieses durchquert (Abb. 2.8). Wenn das Epithel geschädigt wird, meist durch Wunden, Verbrennungen oder bei einem Zusammenbruch von Epithelien im Inneren des Körpers, sind Infektionen eine der Hauptursachen für Krankheit und Tod. Der Körper repariert geschädigte Epitheloberflächen zwar schnell, aber selbst ohne eine Schädigung können Krankheitserreger durch spezifisches Anheften an eine Epitheloberfläche und deren Besiedlung eine Infektion in Gang setzen. Mithilfe der Anheftung verhindern die Organismen, dass sie durch einen Luft- oder Flüssigkeitsstrom abtransportiert werden.

Abb. 2.8
figure 8

Eine Infektion und die durch sie ausgelösten Immunantworten lassen sich in mehrere Stadien einteilen. Diese sind hier für einen infektiösen Organismus dargestellt, der über eine Hautverletzung in den Körper gelangt. Der Erreger muss sich zunächst an die Zellen des Epithels heften und diese dann durchqueren. Eine lokale angeborene Immunreaktion kann verhindern, dass sich die Infektion etabliert. Gelingt dies nicht, trägt sie zumindest dazu bei, die Infektion einzudämmen, und bringt den Krankheitserreger durch einen Transport in der Lymphflüssigkeit und innerhalb von dendritischen Zellen zu den lokalen Lymphknoten. Dadurch kommt es zu einer adaptiven Immunantwort

Eine Krankheit entsteht, wenn es einem Mikroorganismus gelingt, die angeborene Abwehr des Wirtes zu umgehen oder auszuschalten, einen lokalen Infektionsherd zu bilden und sich so zu vermehren, dass eine weitere Ausbreitung im Körper möglich ist. Das Epithel, das die Atemwege auskleidet, eröffnet für Mikroorganismen, die durch die Luft übertragen werden, einen Weg, um ins Gewebe einzudringen; die innere Schicht des Verdauungstrakts übernimmt dies für Mikroorganismen, die mit Nahrung oder Wasser aufgenommen werden. Die Darmpathogene Salmonella Typhi (Typhuserreger) und Vibrio cholerae (Erreger der Cholera) werden durch Wasser, das mit Fäkalien verunreinigt ist, beziehungsweise durch verunreinigte Nahrungsmittel übertragen. Über Insektenstiche oder Wunden ist es Mikroorganismen ebenfalls möglich, die Haut zu durchdringen, und bei direktem Körperkontakt können Infektionen durch die Haut, den Darm oder die Geschlechtsorgane übertragen werden (Abb. 2.2).

Obwohl der Körper auf diese Weise ständig infektiösen Organismen ausgesetzt ist, kommt es glücklicherweise verhältnismäßig selten zu Infektionskrankheiten. Die meisten Mikroorganismen, die dennoch über ein Epithel eindringen, werden von den angeborenen Abwehrmechanismen in den darunter liegenden Gewebeschichten wirkungsvoll vernichtet, sodass sich keine Infektion bilden kann. Es ist schwer festzustellen, wie viele Infektionen auf diese Weise abgewehrt werden, da sie keine Symptome entwickeln und unentdeckt bleiben.

Pathogene Mikroorganismen unterscheiden sich von der Vielzahl der Mikroorganismen in der Umgebung generell dadurch, dass sie in besonderer Weise angepasst sind, dem Immunsystem zu entkommen. In einigen Fällen wie beim Fußpilz bleibt die ursprüngliche Infektion lokal begrenzt und verursacht keine ausgeprägten Krankheitssymptome. In anderen Fällen, etwa bei Tetanus, setzt das Bakterium Clostridium tetani ein starkes Nervengift frei. Die Infektion führt zu einer schweren Erkrankung, da sie sich über die Lymphgefäße oder mit dem Blutstrom ausbreitet, in Gewebe eindringt und diese zerstört, und die Körperfunktionen nachhaltig schädigt.

Die Ausbreitung von Krankheitserregern ist häufig von einer Entzündungsreaktion (inflammatorische Reaktion) begleitet, die aus lokalen Blutgefäßen weitere Effektorzellen und -moleküle des angeborenen Immunsystems rekrutiert und außerdem im Blutkreislauf nachgeschaltete Gerinnungsreaktionen auslöst, damit sich die Mikroorganismen im Blut nicht ausbreiten können (Abb. 2.8). Die zellulären Reaktionen der angeborenen Immunität sind einige Tage lang aktiv. Während dieser Zeit kann auch die adaptive Immunantwort einsetzen, wenn Antigene des Pathogens mit dendritischen Zellen in das lymphatische Gewebe gelangt sind (Abschn. 1.3.8). Die angeborene Immunantwort kann zwar einige Infektionen beseitigen, aber eine adaptive Immunantwort kann gegen bestimmte Stämme und Varianten von Krankheitserregern gerichtet sein und den Körper vor einer erneuten Infektion mit dem gleichen Krankheitserreger schützen. Das geschieht entweder durch T-Effektorzellen oder Antikörper, die ein immunologisches Gedächtnis bilden.

1.4 Epithelzellen und Phagocyten produzieren verschiedene Arten von antimikrobiellen Proteinen

Unsere Oberflächenepithelien sind jedoch mehr als nur eine physikalische Barriere gegen Infektionen. Sie produzieren auch chemische Substanzen, die Mikroorganismen töten oder deren Wachstum hemmen. So erzeugt beispielsweise das saure Milieu im Magen zusammen mit den Verdauungsenzymen, Gallensäuren, Fettsäuren und Lysolipiden im oberen Gastrointestinaltrakt eine starke chemische Barriere gegen Infektionen (Abb. 2.5). Eine wichtige Gruppe von antimikrobiellen Proteinen umfasst Enzyme, die für die bakterielle Zellwand charakteristische chemische Strukturen angreifen. Dazu gehören das Lysozym und die sekretorische Phospholipase A2, die in Tränen und Speichel vorhanden sind sowie von Phagocyten freigesetzt werden. Lysozym ist eine Glykosylase, die im Baustein Peptidoglykan der bakteriellen Zellwand eine bestimmte chemische Bindung spaltet. Peptidoglykan ist ein alternierendes Polymer aus N-Acetylglucosamin (GlcNAc) und N-Acetylmuraminsäure (MurNAc), verstärkt durch Peptidbrücken, die der Quervernetzung dienen (Abb. 2.9). Lysozym spaltet selektiv die β-(1,4)-glykosidische Bindung zwischen diesen beiden Zuckern und ist bei der Bekämpfung grampositiver Bakterien, bei denen die Peptidoglykanzellwand frei zugänglich ist, wirksamer als bei gramnegativen Bakterien, bei denen die Peptidoglykanschicht von einer äußeren LPS-Schicht bedeckt wird. Lysozym wird auch von den Paneth-Zellen produziert. Das sind spezialisierte Epithelzellen an der Basis der Krypten des Dünndarmepithels, die viele antimikrobielle Proteine in den Darm freisetzen (Abb. 2.6). Paneth-Zellen produzieren auch die sekretorische Phospholipase A2. Dieses stark basische Enzym kann in die bakterielle Zellwand eindringen und Phospholipide in der Zellmembran abbauen, wodurch die Bakterien getötet werden.

Abb. 2.9
figure 9

Lysozym baut die Zellwand von gramnegativen und grampositiven Bakterien ab. Oben: Das Peptidoglykan der bakteriellen Zellwände ist ein Polymer aus abwechselnden Resten von β-(1,4)-glykosidisch verknüpftem N-Acetylglucosamin (GlcNAc) (große türkisfarbene Sechsecke) und N-Acetylmuraminsäure (MurNAc) (violette Punkte), die untereinander durch Peptidbrücken (rote Linien) zu einem dichten dreidimensionalen Netzwerk verbunden sind. Bei grampositiven Bakterien (oben links) bildet Peptidoglykan die äußere Schicht, in die andere Moleküle eingebettet sind, etwa Teichonsäuren oder Lipoteichonsäuren, welche die Peptidoglykanschicht mit der bakteriellen Membran verbinden. Bei gramnegativen Bakterien (oben rechts) wird eine dünne innere Peptidoglykanschicht von einer äußeren Lipidmembran bedeckt, die Proteine und Lipopolysaccharide (LPS) enthält. Lipopolysaccharide bestehen aus dem Lipid A (türkisfarbene Punkte), das mit einem Polysaccharidkern (kleine türkisfarbene Sechsecke) verbunden ist. Lysozym (unten) spaltet β-(1,4)-glykosidische Verbindungen zwischen GlcNAc und MurNAc. Dadurch wird die Peptidoglykanschicht geschädigt und die darunterliegende Zellmembran wird für andere antimikrobielle Faktoren zugänglich. Lysozym ist gegen grampositive Bakterien wirksamer als gramnegative, da das Peptidoglykan hier besser zugänglich ist

Die zweite Gruppe der antimikrobiellen Faktoren, die von Epithelzellen und Phagocyten freigesetzt werden, sind antimikrobielle Peptide. Diese bilden eine der ältesten Formen der Infektionsabwehr. Epithelzellen sezernieren diese Peptide in die Flüssigkeit, die die Schleimhaut bedeckt. Phagocyten hingegen sezernieren die Peptide in die Gewebe. Die drei wichtigsten Gruppen von antimikrobiellen Peptiden der Säuger bezeichnet man als Defensine, Cathelicidine und Histatine. Die Defensine bilden eine in der Evolution konservierte Gruppe von antimikrobiellen Peptiden, die von zahlreichen eukaryotischen Lebewesen produziert werden, etwa von Säugern, Insekten und Pflanzen (Abb. 2.10). Es handelt sich um kurze kationische Peptide aus 30–40 Aminosäuren, die normalerweise drei Disulfidbrücken aufweisen, Dadurch wird die allen Peptiden gemeinsame amphipathische Struktur stabilisiert – eine positiv geladene Region ist dabei von einer hydrophoben Region getrennt. Defensine wirken innerhalb von Minuten, indem sie die Zellmembran von Bakterien, Pilzen und die Membranhüllen einiger Viren zerstören. Der Mechanismus besteht wahrscheinlich darin, dass die hydrophobe Region in die Membrandoppelschicht eindringt und eine Pore bildet, sodass die Membran durchlässig wird (Abb. 2.10). Die meisten Vielzeller produzieren viele verschiedene Defensine – beispielsweise 13 bei der Pflanze Arabidopsis thaliana und 15 bei der Taufliege Drosophila melanogaster. Die Paneth-Zellen des Menschen bringen 21 verschiedene Defensine hervor, von denen viele in einem Gencluster auf Chromosom 8 codiert werden.

Abb. 2.10
figure 10

Defensine sind amphipathische Peptide, die die Zellmembranen von Mikroorganismen aufbrechen. Oben: Struktur des humanen β1-Defensins, Es besteht aus einer kurzen α-Helix (gelb), die sich an drei antiparallele Stränge eines β-Faltblatts (grün) lehnt. Sodass ein amphipathisches Peptid mit geladenen und hydrophoben Resten entsteht, die in voneinander getrennten Regionen liegen. Dieses allgemeine Merkmal kennzeichnet alle Defensive der Pflanzen und Insekten und ermöglicht es ihnen, mit der geladenen Oberfläche der Zellmembran zu interagieren und in die Lipiddoppelschicht einzudringen (Mitte). Die Einzelheiten sind zwar noch unbekannt, aber durch eine Neuordnung der Defensine innerhalb der Membran kommt es zur Ausbildung von Poren und die Integrität der Membran geht verloren

Aufgrund der Aminosäuresequenzen unterscheidet man drei Unterfamilien, die α-, β- und θ-Defensine. Die Mitglieder der einzelnen Familien zeigen unterschiedliche Aktivitäten. Einige wirken gegen grampositive, einige gegen gramnegative Bakterien, während wiederum andere gegen pathogene Pilze gerichtet sind. Die Defensine entstehen wie alle antimikrobiellen Peptide durch proteolytische Prozessierung aus inaktiven Propeptiden (Abb. 2.11). Beim Menschen produzieren sich entwickelnde neutrophile Zellen α-Defensine, indem sie mithilfe von Proteasen ein ursprüngliches Propeptid aus 90 Aminosäuren prozessieren, wodurch ein anionisches Präfragment entfernt wird und das reife kationische Defensin entsteht, das in primären Granula der neutrophilen Zellen gespeichert wird. Diese primären Granula sind spezialisierte, von einer Membran umgebene Vesikel, ähnlich den Lysosomen, die neben Defensinen noch eine Reihe anderer antimikrobieller Faktoren enthalten. In Kap. 3 wollen wir uns damit befassen, wie diese primären Granula in den neutrophilen Zellen aktiviert werden, mit phagocytotischen Vesikeln (Phagosomen) zu fusionieren, nachdem die Zelle einen Krankheitserreger aufgenommen hat, der dann getötet wird. Die Paneth-Zellen des Darms produzieren ständig α-Defensine, die man als Cryptidine bezeichnet. Sie werden von Proteasen prozessiert, etwa bei Mäusen von der Metalloproteinase Matrilysin oder beim Menschen von Trypsin, bevor sie in das Darmlumen freigesetzt werden. Den β-Defensinen fehlt das lange Präfragment der α-Defensine. Sie werden immer als Reaktion auf das Vorhandensein mikrobieller Produkte spezifisch gebildet. β-Defensine (und einige α-Defensine) werden von Epithelien außerhalb des Darms produziert, vor allem in den Atemwegen und im Urogenitaltrakt, von der Haut und der Zunge. β-Defensine werden in der Epidermis von Keratinocyten und in der Lunge von Typ-II-Pneumocyten erzeugt und in lamellären Granula (Abb. 2.6) verpackt. Das sind lipidreiche sekretorische Organellen, die ihren Inhalt in den Extrazellularraum freisetzen, sodass sich in der Epidermis und an der Oberfläche der Lunge eine wasserdichte Lipidschicht bildet. Die θ-Defensine sind bei den Primaten entstanden, wobei das einzige humane θ-Defensin-Gen durch eine Mutation inaktiviert ist.

Abb. 2.11
figure 11

Defensine, Cathelicidine und RegIII-Proteine werden durch Proteolyse aktiviert. Wenn α- und β-Defensine synthetisiert werden, enthalten sie ein Signalpeptid (nicht dargestellt); ein Präfragment (blau), das bei den β-Defensinen kürzer ist; und eine amphipathische Domäne (AMPH, grün/gelb). Das Präfragment blockiert das Eindringen der amphipathischen Domäne in Membranen. Nach Freisetzung der Defensine aus der Zelle oder in Phagosomen werden sie von Proteasen gespalten und die amphipathische Domäne wird in einer aktiven Form freigesetzt. Neu synthetisierte Cathelicidine enthalten ein Signalpeptid, eine Cathelindomäne, ein kurzes Präfragment und eine amphipathische Domäne. Auch sie werden durch proteolytische Spaltung aktiviert. RegIII enthält eine C-Typ-Lektin-ähnliche Domäne (CTLD), die auch als Kohlenhydraterkennungsdomäne (CRD) bezeichnet wird. Nach Abtrennen des Signalpeptids reguliert die weitere proteolytische Spaltung von RegIII dessen antimikrobielle Aktivität

Die antimikrobiellen Peptide, die zur Familie der Cathelicidine gehören, besitzen keine Disulfidbrücken zur Stabilisierung wie die Defensine. Menschen und Mäuse verfügen über ein Cathelicidin-Gen, bei einigen anderen Säugern jedoch, beispielsweise bei Rindern und Schafen, gibt es mehrere. Cathelicidine werden von neutrophilen Zellen und Makrophagen konstitutiv produziert, von den Keratinocyten der Haut und den Epithelzellen in Lunge und Darm nur als Reaktion auf eine Infektion. Sie werden als inaktive Propeptide gebildet, die aus zwei miteinander verknüpften Domänen bestehen, und vor der Freisetzung prozessiert (Abb. 2.11). In den neutrophilen Zellen werden die inaktiven Cathelicidinpropeptide in einer anderen Form von spezialisierten Granula im Cytoplasma gespeichert, den sekundären Granula. Cathelicidin wird nur dann durch proteolytische Spaltung aktiviert, wenn primäre und sekundäre Granula mit den Phagosomen fusionieren. Dort erfolgt die Spaltung durch die Neutrophilen-Elastase, die in den primären Granula gespeichert war. Durch die Spaltung werden die beiden Domänen getrennt und die zugehörigen Produkte bleiben entweder im Phagosom oder sie werden von der neutrophilen Zelle durch Exocytose freigesetzt. Das carboxyterminale Fragment ist ein kationisches amphipathisches Peptid, das Membranen aufbricht und auf zahlreiche Mikroorganismen toxisch wirkt. Das aminoterminale Fragment ähnelt in der Struktur einem Protein mit der Bezeichnung Cathelin, einem Inhibitor von Cathepsin L (dieses lysosomale Enzym wirkt bei der Antigenprozessierung und beim Abbau von Proteinen mit). Die Funktion von Cathelin bei der Immunantwort ist jedoch unbekannt. In den Keratinocyten werden Cathelicidine wie die β-Defensine in den lamellären Granula gespeichert und prozessiert.

Die Histatine sind eine Gruppe von antimikrobiellen Peptiden, die konstitutiv in der Mundhöhle durch die Ohrspeicheldrüse, die Unterzungendrüse und die Glandula submandibularis produziert werden. Diese kurzen, histidinreichen, kationischen Peptide wirken gegen pathogene Pilze wie Cryptococcus neoformans und Candida albicans. Neuere Forschungen haben gezeigt, dass Histatine die schnelle Wundheilung, wie sie für die Mundhöhle charakteristisch ist, befördern können, wobei jedoch der Mechanismus dafür unbekannt ist.

Eine andere Art von bakteriziden Proteinen, die von Epithelien produziert werden, sind kohlenhydratbindende Proteine oder Lektine. C-Typ-Lektine benötigen Calcium für die Bindungsaktivität ihrer Kohlenhydraterkennungsdomäne (carbohydrate recognition domain, CRD), die eine variable Oberfläche für die Bindung von Kohlenhydratstrukturen besitzt. C-Typ-Lektine der RegIII-Familie umfassen mehrere bakterizide Proteine, die bei Mäusen und Menschen vom Darmepithel exprimiert werden und die Familie der Lekticidine bilden. Bei den Mäusen produzieren die Paneth-Zellen RegIIIγ, das dann in den Darm freigesetzt wird. Dort bindet es an die Peptidoglykane der bakteriellen Zellwände und entfaltet eine direkte bakterizide Aktivität. Wie andere antibakterielle Peptide wird auch RegIIIγ als inaktive Form synthetisiert und von der Protease Trypsin gespalten. Dadurch wird ein kurzes aminoterminales Fragment entfernt und so die bakterizide Wirkung von RegIIIγ im Darmlumen aktiviert (Abb. 2.11). RegIIIα des Menschen (auch als HIP/PAP für hepatocarcinoma-intestine-pancreas/pancreatitis associated protein bezeichnet) tötet Bakterien direkt durch Bildung einer sechseckigen Pore in der bakteriellen Membran (Abb. 2.12). Proteine der RegIIIγ-Familie töten vor allem grampositive Bakterien, bei denen das Peptidoglykan von außen an der Oberfläche zugänglich ist (Abb. 2.19). Tatsächlich hemmt das LPS der gramnegativen Bakterien die Porenbildung durch RegIIIα, sodass sich die RegIII-Selektivität für die grampositiven Bakterien noch verstärkt.

Abb. 2.12
figure 12

Porenbildung durch RegIIIα. Oben: Das Modell der RegIIIα-Pore wurde durch Einfügen der Pro-RegIIIα-Struktur des Menschen (PDB-ID: 1UV0; violette und türkisfarbene Bändermodelle) in die kryoelektronenmikroskopische Aufnahme des RegIIIα-Filaments erzeugt. LPS der gramnegativen Bakterien blockiert die Porenbildung durch RegIIIα, wodurch sich die selektive bakterizide Wirkung gegen grampositive Bakterien erklären lässt. Unten: Elektronenmikroskopische Aufnahme von RegIIIα-Poren in Lipiddoppelschichten. (Mikrofotografie bearbeitet von Mukherjee, S., et al.: Antibacterial membrane attack by a pore-forming intestinal C-type lectin. Nature 2014, 505:103–107)

1.4 Zusammenfassung

Die Immunantwort der Säuger gegen eindringende Organismen geht in drei Phasen vor sich, beginnend mit den sofort einsetzenden, angeborenen Abwehrmechanismen, dann folgen induzierte angeborene Reaktionen und schließlich die adaptive Immunität. Die erste Phase der Immunabwehr umfasst Mechanismen, die ständig verfügbar und bereit sind, einen Angreifer abzuwehren. Die Oberflächen der Epithelien bilden eine physikalische Barriere gegen das Eindringen von Krankheitserregern, aber sie verfügen auch über weitere, stärker spezialisierte Mechanismen. Mucosale Oberflächen sind durch eine Schleimschicht geschützt. Mithilfe besonderer Wechselwirkungen an den Zelloberflächen schützen sich hochdifferenzierte Epithelien sowohl vor der Besiedlung durch Mikroorganismen als auch vor deren Eindringen. Zu den Abwehrmechanismen der Epithelien gehört, dass sich Krankheitserreger nicht anheften können, antimikrobielle Enzyme und bakterizide Peptide freigesetzt werden und dass Cilien Schleim befördern. Antimikrobielle Peptide und die bakteriziden Lektine der RegIII-Familie entstehen aus inaktiven Vorstufen, die mithilfe eines Proteolyseschritts aktiviert werden müssen, um Mikroorganismen töten zu können, indem sie in deren Zellmembranen Poren erzeugen. Die Aktivitäten der antimikrobiellen Enzyme und Peptide, die in diesem Teil des Kapitels beschrieben wurden, richten sich häufig gegen spezielle Glykan/Kohlenhydrat-Strukturen der Mikroorganismen. Diese löslichen Abwehrkomponenten sind demnach Mustererkennungsrezeptoren und Effektormoleküle in einem und bilden die einfachste Form der angeborenen Immunität.

2 Das Komplementsystem und die angeborene Immunität

Wenn ein Krankheitserreger die Epithelbarrieren und erste antimikrobielle Abwehrmechanismen des Körpers überwunden hat, trifft er als nächstes auf eine Hauptkomponente der angeborenen Immunität, die man als Komplementsystem bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Reihe löslicher Proteine, die im Blut und in anderen Körperflüssigkeiten vorkommen. Das Komplement wurde in den 1890er-Jahren von Jules Bordet als hitzeinstabile Komponente im normalen Plasma entdeckt, deren Aktivität die antibakterielle Aktivität von Immunseren ergänzen (komplementieren) kann. Teil dieser Reaktion ist die Opsonisierung. Dabei wird ein Krankheitserreger mit Antikörpern und/oder Komplementproteinen bedeckt, sodass er von phagocytotischen Zellen leichter aufgenommen und zerstört werden kann. Das Komplementsystem wurde zwar als Effektor der Antikörperreaktion entdeckt, heute wissen wir aber, dass es sich ursprünglich als Teil der angeborenen Immunität in der Evolution entwickelt hat und auch weiterhin in frühen Infektionsphasen eine Schutzfunktion besitzt, solange noch keine Antikörper vorhanden sind. Auslöser sind ältere Reaktionswege der Komplementaktivierung.

Das Komplement besteht aus über 30 verschiedenen Plasmaproteinen, die vor allem in der Leber produziert werden. Wenn keine Infektion vorliegt, zirkulieren diese Proteine in einer inaktiven Form. Bei Anwesenheit von Krankheitserregern oder an Krankheitserreger gebundenen Antikörpern wird das Komplement „aktiviert“. Bestimmte Komplementproteine treten miteinander in Wechselwirkung und bilden verschiedene Reaktionswege der Komplementaktivierung aus, wobei alle dasselbe Ziel haben – das Abtöten der Krankheitserreger, entweder direkt durch Erleichtern der Phagocytose oder durch Auslösen von Entzündungsreaktionen, die das Bekämpfen der Infektion unterstützen. Es gibt drei Wege der Komplementaktivierung. Da der von Antikörpern induzierte Reaktionsweg zuerst entdeckt wurde, nennt man ihn den klassischen Weg der Komplementaktivierung. Den als nächstes gefundenen Weg bezeichnet man als alternativen Weg; dieser kann allein von Krankheitserregern aktiviert werden. Zuletzt hat man noch den Lektinweg entdeckt, der von Proteinen des Lektintyps aktiviert wird, die Kohlenhydrate an der Oberfläche von Krankheitserregern erkennen und daran binden.

In Abschn. 2.1.4 haben wir besprochen, dass es durch Proteolyse möglich ist, antimikrobielle Proteine zu aktivieren. Dies ist auch eine feststehende Eigenschaft des Komplementsystems. Viele Komplementproteine sind Proteasen, die sich nacheinander gegenseitig spalten und aktivieren. Die Proteasen des Komplementsystems werden als inaktive Vorstufen, Zymogene, synthetisiert, die nur nach einer proteolytischen Spaltung, im Allgemeinen durch ein anderes Komplementprotein, enzymatisch aktiv werden. Die Reaktionswege des Komplements werden von Proteinen in Gang gesetzt, die als Mustererkennungsrezeptoren das Vorhandensein von Krankheitserregern erkennen können. Dadurch wird das erste Zymogen aktiviert, das dann eine Proteolysekaskade anstößt. Dabei werden die Komplementproteine nacheinander aktiviert, wobei jedes zu einer aktiven Protease wird, die viele Moleküle des nächsten Zymogens im Reaktionsweg spaltet und aktiviert. Auf diese Weise wird das Signal verstärkt, während sich die Kaskade fortsetzt. Das führt schließlich zur Aktivierung von drei unterschiedlichen Effektorwegen – Entzündung, Phagocytose und Angriff auf Membranen – die dazu beitragen, den Krankheitserreger zu beseitigen. So kann selbst das Auftreten einer geringen Anzahl von Pathogenen eine schnelle Reaktion auslösen, die sich bei jedem Schritt deutlich verstärkt. Das Reaktionsschema des Komplementsystems ist als Übersicht in Abb. 2.13 dargestellt.

Abb. 2.13
figure 13

Das Komplementsystem schreitet bei der Vernichtung von Krankheitserregern in einzelnen Phasen voran. Proteine, die zwischen körpereigenen und mikrobiellen Oberflächen unterscheiden können (gelber Kasten), aktivieren eine proteolytische Verstärkungskaskade. Diese führt letztendlich zur Bildung der entscheidenden enzymatischen Aktivität (grüner Kasten) der C3-Konvertase, bei der es sich um eine ganze Proteasefamilie handelt. Diese Aktivität bildet den Ausgangspunkt von drei Effektorwegen des Komplements, die eine Entzündung hervorrufen (violett), die Phagocytose der Mikroorganismen unterstützen (blau) und die Membranen der Mikroorganismen lysieren (rosa). Das Farbschema der Abbildung verwenden wir überall in diesem Kapitel, um zu veranschaulichen, welche Aktivität die einzelnen Komplementproteine besitzen

Die Nomenklatur der Komplementproteine erscheint verwirrend, sodass wir zuerst die Bezeichnungen erklären wollen. Die zuerst entdeckten Proteine gehören zum klassischen Reaktionsweg. Sie sind alle durch den Buchstaben C gekennzeichnet, dem eine Zahl folgt. Bei den nativen Komplementproteinen – den inaktiven Zymogenen – ist die Nummerierung einfach, zum Beispiel C1 und C2. Ungünstig ist dabei, dass sie in der Reihenfolge nummeriert sind, in der sie entdeckt wurden, und nicht nach ihren aufeinanderfolgenden Reaktionen. So ist die Reaktionsfolge des klassischen Komplementwegs C1, C4, C2, C3, C5, C6, C7, C8 und C9 (nicht alle davon sind Proteasen). Bei den Produkten der Spaltungsreaktionen wird an die Bezeichnung ein kleiner Buchstabe gehängt. So entstehen durch die Spaltung von C3 das kleine Proteinfragment C3a und das größere Fragment C3b. Gemäß einer Vereinbarung wird das große Fragment auch der anderen Faktoren mit einem kleinen b versehen, mit Ausnahme von C2 und seinem großen Fragment, das von seinen Entdeckern mit C2a bezeichnet wurde. Dieses System hat sich in der Literatur etabliert, sodass wir es hier beibehalten. Eine weitere Ausnahme sind die Bezeichnungen C1q, C1r und C1s. Sie sind keine Spaltprodukte von C1, sondern unterschiedliche Proteine, die zusammen C1 bilden. Die Proteine des alternativen Komplementwegs wurden später entdeckt und man hat sie mit verschiedenen großen Buchstaben bezeichnet, beispielsweise die Faktoren B und D. Bei der Bezeichnung ihrer Spaltprodukte werden ebenfalls die kleinen Buchstaben a und b angehängt. Das große Fragment von B ist also Bb, das kleine dann Ba. Die aktivierten Komplementbestandteile werden manchmal durch eine horizontale Linie gekennzeichnet, zum Beispiel \( \overline{\mathrm{C2a}} \), darauf verzichten wir jedoch. Alle Bestandteile des Komplementsystems sind in Abb. 2.14 aufgeführt.

Abb. 2.14
figure 14

Funktionelle Proteinklassen im Komplementsystem. In diesem Buch wird das größere, aktive Fragment von C2 mit C2a bezeichnet

Neben den Aktivitäten in der angeborenen Immunität wirkt sich das Komplementsystem auch auf die adaptive Immunität aus. Die Opsonisierung von Krankheitserregern durch das Komplement erleichtert deren Aufnahme in phagocytotische antigenpräsentierende Zellen, die Komplementrezeptoren exprimieren. So verstärkt sich die Präsentation von Antigenen aus Krankheitserregern gegenüber den T-Zellen (Kap. 6). B-Zellen exprimieren Rezeptoren für Komplementproteine, welche die Reaktionen der B-Zellen auf Antigene verstärken, die mit Komplement beschichtet sind (Kap. 10). Darüber hinaus können verschiedene Komplementfragmente die Cytokinproduktion durch antigenpräsentierende Zellen beeinflussen, was sich auch auf die Richtung und das Ausmaß der anschließenden adaptiven Immunantwort auswirkt (Kap. 11).

2.1 Das Komplementsystem erkennt Merkmale von mikrobiellen Oberflächen und markiert diese durch Einhüllen in C3b für die Zerstörung

Abb. 2.15 enthält eine stark vereinfachte Übersicht der Initiationsmechanismen und der Ergebnisse der Komplementaktivierung. Die Aktivierung der drei Komplementwege wird auf unterschiedliche Weise eingeleitet. Der Lektinweg wird von löslichen kohlenhydratbindenden Proteinen in Gang gesetzt – dem mannosebindenden Lektin (MBL) und den Ficolinen –, die an bestimmte Kohlenhydratstrukturen auf den Oberflächen von Mikroorganismen binden. Spezifische Proteasen, die man als MBL-assoziierte Serinproteasen (MASPs) bezeichnet und die an diese Erkennungsproteine binden, regen dann die Spaltung der Komplementproteine und die Aktivierung des Reaktionswegs an. Der klassische Weg der Komplementaktivierung wird von dem Komplementfaktor C1 aktiviert, der aus einem Erkennungsprotein C1q und den zwei Proteasen C1r und C1s besteht. C1 erkennt eine mikrobielle Oberfläche direkt oder bindet an Antikörper, die ihrerseits an den Krankheitserreger gebunden haben. Der alternative Weg der Komplementaktivierung schließlich kann durch die spontane Hydrolyse und Aktivierung des Komplementproteins C3 in Gang gesetzt werden, das dann direkt an mikrobielle Oberflächen binden kann.

Abb. 2.15
figure 15

Das Komplement ist ein System aus löslichen Mustererkennungsrezeptoren und Effektormolekülen, die Mikroorganismen erkennen und zerstören. In der oberen Reihe sind die Pathogenerkennungsmechanismen der drei Komplementaktivierungswege dargestellt, außerdem die Komplementfaktoren der proteolytischen Kaskaden, die schließlich zur Bildung der C3-Konvertase führen. Dieses Enzym spaltet das Komplementprotein C3 in das kleine lösliche Protein C3a und das größere Fragment C3b, das kovalent an die Oberfläche des Krankheitserregers bindet (Bildmitte). Die einzelnen Bestandteile sind nach ihrer Funktion in Abb. 2.14 zusammengefasst, genauere Darstellungen finden sich in Abbildungen weiter unten im Text. Der Lektinweg der Komplementaktivierung (oben links) wird ausgelöst, indem sich entweder das mannosebindende Lektin (MBL) oder Ficoline an Kohlenhydratreste auf Zellwänden und -kapseln von Mikroorganismen heften. Der klassische Komplementweg (oben Mitte) wird von C1 in Gang gesetzt, indem C1 entweder an die Oberfläche des Krankheitserregers oder an Antikörper bindet, die bereits an den Krankheitserreger gebunden haben. Beim alternativen Komplementweg (oben rechts) wird C3 in der flüssigen Phase spontan hydrolysiert, sodass C3(H2O) entsteht. Dies wird durch die Faktoren B, D und P (Properdin) noch verstärkt. Alle Reaktionswege laufen bei der Bildung von C3b zusammen, das an den Krankheitserreger gebunden ist. Dadurch werden die Effektorfunktionen des Komplements aktiviert (untere Reihe). Das an einen Krankheitserreger gebundene C3b wirkt als Opsonin, sodass Phagocyten, die Rezeptoren für C3b exprimieren, den komplementbedeckten Mikroorganismus leichter in sich aufnehmen können (unten Mitte). C3b kann auch an die C3-Konvertase binden, sodass die C5-Konvertase entsteht (hier nicht dargestellt), die C5 in C5a und C5b spaltet. C5 initiiert die späten Ereignisse des Komplementwegs, bei dem sich die letzten Komponenten des Weges – C6 bis C9 – zu einem membranangreifenden Komplex (MAC) zusammenlagern, der die Membranen bestimmter Krankheitserreger perforieren kann (unten rechts). C3a und C5a fungieren als Chemoattraktoren, indem sie Zellen des Immunsystems zu Infektionsherden dirigieren und eine Entzündung auslösen (unten links)

Video 2.1 

Diese drei Reaktionswege laufen am zentralen und wichtigsten Schritt der Komplementaktivierung zusammen. Wenn irgendeiner dieser Reaktionswege mit der Oberfläche eines Krankheitserregers in Wechselwirkung tritt, entsteht die enzymatische Aktivität der C3-Konvertase. Es gibt davon verschiedene Typen, abhängig vom aktivierenden Reaktionsweg, jedoch bestehen alle aus mehreren Untereinheiten und besitzen eine Proteasefunktion für C3. Die C3-Konvertase ist kovalent an die Oberfläche des Pathogens gebunden, wo sie C3 spaltet. Dadurch entstehen große Mengen des wichtigsten Komplementeffektorproteins C3b, außerdem wird C3a gebildet, ein kleines Peptid, das an spezifische Rezeptoren bindet und zum Auslösen einer Entzündung beiträgt. Die Spaltung von C3 ist der entscheidende Schritt der Komplementaktivierung und führt direkt oder indirekt zu allen Effektoraktivitäten des Komplementsystems (Abb. 2.15). C3b bindet kovalent an die Oberfläche von Mikroorganismen und wirkt als Opsonin, sodass Phagocyten, die Komplementrezeptoren tragen, C3b-umhüllte Mikroorganismen aufnehmen und zerstören können. Weiter unten in diesem Kapitel werden wir uns mit den verschiedenen Komplementrezeptoren befassen, die C3b binden und in diese Komplementfunktion eingebunden sind. Außerdem soll es darum gehen, wie C3b von einer Serumprotease zu den inaktiven kleineren Fragmenten C3f und C3dg abgebaut wird. C3b kann auch an die C3-Konvertase binden, die über den klassischen und den Lektinweg entsteht, und bildet so ein weiteres Enzym aus mehreren Untereinheiten, die C5-Konvertase. Diese spaltet C5 und setzt das hochgradig proinflammatorische Peptid C5a frei, wobei auch C5b entsteht. C5b löst die „späten“ Ereignisse der Komplementaktivierung aus, bei denen weitere Komplementproteine mit C5b in Wechselwirkung treten und sich schließlich auf der Oberfläche von Pathogenen ein membranangreifender Komplex (MAC) bildet. Dadurch entsteht in der Zellmembran eine Pore, die zur Lyse der Zelle führt (Abb. 2.15, unten rechts).

Die entscheidende Eigenschaft von C3b ist die kovalente Bindung an die Oberfläche von Mikroorganismen. Dadurch kann die angeborene Erkennung von Mikroorganismen in Effektorreaktionen umgesetzt werden. Die Bildung von kovalenten Bindungen wird durch die hochreaktive Thioesterbindung ermöglicht, die tief im Inneren des gefalteten C3-Proteins liegt und erst reagieren kann, wenn C3 gespalten wurde. Wenn die C3-Konvertase C3 spaltet und das C3a-Fragment freisetzt, kommt es in C3b zu starken Änderungen der Konformation, sodass die Thioesterbindung mit einer nahen Hydroxyl- oder Aminogruppe auf der mikrobiellen Oberfläche reagiert (Abb. 2.16). Wenn keine Bindung entsteht, wird der Thioester schnell hydrolysiert und C3b inaktiviert. Dies ist ein möglicher Mechanismus, durch den bei gesunden Individuen der alternative Komplementweg abgeschaltet wird. Wie wir weiter untern erfahren werden, unterscheiden sich einige Komponenten der C3- und der C5-Konvertase in den verschiedenen Komplementwegen (Abb. 2.17).

Abb. 2.16
figure 16

Die C3-Konvertase aktiviert C3 zur Bildung einer kovalenten Bindung an der Oberfläche von Mikroorganismen, spaltet das Protein in C3a und C3b und legt die hochreaktive Thioesterbindung in C3b frei. Oben: C3 im Blutplasma besteht aus einer α- und einer β-Kette, die durch proteolytische Spaltung aus dem nativen C3-Polypeptid hervorgehen und von einer Disulfidbrücke zusammengehalten werden. Die TED-Domäne der α-Kette, die den Thioester enthält, besitzt auf diese Weise eine potenziell hochreaktive Thioesterbindung (roter Punkt). Unten links: Die Spaltung durch die C3-Konvertase (dargestellt ist hier die Konvertase C4b2a des Lektinwegs) und die Freisetzung von C3a vom Aminoterminus der α-Kette führt zu einer Konformationsänderung in C3b, wodurch die Thioesterbindung zugänglich wird. Diese kann nun mit einer Hydroxyl- oder Aminogruppe in Molekülen an der Oberfläche eines Mikroorganismus reagieren, an die C3b dadurch kovalent bindet. Unten rechts: Grafische Darstellung der Thioesterreaktion. Kommt mit der mikrobiellen Oberfläche keine kovalente Bindung zustande, wird der Thioester schnell hydrolysiert (das heißt durch Wasser gespalten) und C3b damit inaktiviert

Abb. 2.17
figure 17

Die C3- und die C5-Konvertase der Komplementwege. Die C5-Konvertase des alternativen Komplementwegs besteht aus zwei Untereinheiten C3b und einer Untereinheit Bb

Reaktionswege, die solch starke entzündungsfördernde und zerstörerische Auswirkungen haben und eine Folge von Verstärkungsschritten beinhalten, müssen streng reguliert werden. Ein wichtiger Schutzmechanismus besteht darin, dass die entscheidenden aktivierten Komplementfaktoren schnell inaktiviert werden, wenn sie nicht an die Oberfläche eines Krankheitserregers binden, an der die Aktivierung ausgelöst wurde. Es gibt auch mehrere Kontrollstellen in den Reaktionswegen, an denen regulatorische Proteine die Aktivierung des Komplements an der Oberfläche von gesunden Körperzellen verhindern und diese damit vor einer zufälligen Schädigung zu bewahren (siehe unten). Das Komplementsystem kann jedoch auch von absterbenden Zellen aktiviert werden, etwa bei Schädigungen aufgrund von Sauerstoffmangel, aber auch durch Zellen, die eine Apoptose (den programmierten Zelltod) durchlaufen. In diesen Fällen unterstützt die Bindung des Komplements die Phagocyten dabei, die toten und absterbenden Zellen vollständig zu beseitigen. So wird das Risiko verringert, dass Zellinhaltsstoffe freigesetzt werden und eine Autoimmunreaktion auslösen (Kap. 15).

Da wir nun einige der wichtigen Komplementfaktoren kennengelernt haben, können wir uns genauer mit den drei Reaktionswegen beschäftigen. Um in den Tabellen dieses Kapitels die jeweiligen Funktionen der einzelnen Komplementfaktoren darzustellen, verwenden wir den Farbcode der Abb. 2.13 und 2.14: gelb für Erkennung und Aktivierung, grün für Verstärkung, violett für Entzündung, blau für Phagocytose und rosa für den Angriff auf Membranen.

2.2 Der Lektinweg basiert auf löslichen Rezeptoren, die Oberflächen von Mikroorganismen erkennen und daraufhin die Komplementkaskade auslösen

Mikroorganismen tragen an ihrer Oberfläche charakteristische, sich wiederholende Muster von molekularen Strukturen. Diese bezeichnet man als pathogenassoziierte molekulare Muster (pathogen-associated molecular patterns, PAMPs). So bestehen beispielsweise die Zellwände von grampositiven und gramnegativen Bakterien aus einer Matrix von Proteinen, Kohlenhydraten und Lipiden in einer sich wiederholenden Anordnung (Abb. 2.9). Die Lipoteichonsäuren der Zellwand grampositiver Bakterien und die Lipopolysaccharide der äußeren Membran von gramnegativen Bakterien kommen auf tierischen Zellen nicht vor und sind daher bedeutend für die Erkennung der Bakterien durch das angeborene Immunsystem. Ein ähnliches Beispiel sind die Glykane an Zelloberflächenproteinen von Hefen, die üblicherweise mit Mannose- und nicht mit Sialinsäureresten (N-Acetylneuraminsäureresten) enden, wie sie am Ende der Glykane von Vertebraten vorkommen (Abb. 2.18). Der Lektinweg basiert auf diesen drei Eigenschaften von mikrobiellen Oberflächen, um Krankheitserreger zu erkennen und darauf zu reagieren.

Abb. 2.18
figure 18

Die Kohlenhydratseitenketten von Glykoproteinen enden bei Hefen und Vertebraten mit einem unterschiedlichen Muster von Zuckerresten. Die N-gekoppelte Glykosylierung bei Pilzen und Tieren beginnt mit dem Anhängen der gleichen Oligosaccharidvorstufe, Glc3-Man9-GlcNAc2 (links) an einen Asparaginrest. Bei vielen Hefen entstehen so Glykane mit einem hohen Mannoseanteil (Mitte). Im Gegensatz dazu wird bei den Vertebraten das erste Glykan verkürzt und prozessiert, sodass die N-gekoppelten Glykoproteine endständige Sialinsäurereste tragen (rechts)

Der Lektinweg kann durch einen von vier verschiedenen Mustererkennungsrezeptoren, die im Blut und in der extrazellulären Flüssigkeit zirkulieren und Kohlenhydrate an der Oberfläche von Mikroorganismen erkennen, in Gang gesetzt werden. Der als erstes entdeckte Rezeptor dieser Art ist das mannosebindende Lektin (MBL; Abb. 2.19), das in der Leber synthetisiert wird. MBL ist ein oligomeres Protein, das aus einem Monomer mit einer aminoterminalen kollagenähnlichen Domäne und einer carboxyterminalen C-Typ-Lektin-Domäne besteht (Abschn. 2.1.4). Proteine dieser Art bezeichnet man als Kollektine. MBL-Monomere setzen sich zu Trimeren zusammen, indem zwischen ihren kollagenähnlichen Domänen eine Dreifachhelix entsteht. Die Trimere lagern sich schließlich über Disulfidbrücken zwischen den cysteinreichen kollagenähnlichen Domänen zu Oligomeren zusammen. Das MBL im Blut besteht aus zwei bis sechs Trimeren, wobei die Hauptformen beim Menschen Trimere und Tetramere dieser Trimere sind. Eine einzelne MBL-Kohlenhydraterkennungsdomäne besitzt nur eine geringe Affinität für Mannose‑, Fucose- und N-Acetylglucosaminreste (GlcNAc), die in mikrobiellen Glykanen häufig vorkommen, bindet aber keine Sialinsäurereste, die das Ende von Glykanen der Vertebraten bilden. Das multimere MBL besitzt also insgesamt eine hohe Bindungsstärke, Avidität, für sich wiederholende Kohlenhydratstrukturen auf den Oberflächen einer Vielzahl verschiedener Mikroorganismen (grampositive und gramnegative Bakterien, Mycobakterien, Hefen, einige Viren und Parasiten), wobei es mit körpereigenen Zellen keine Wechselwirkungen gibt. MBL kommt meistens in geringer Konzentration im Plasma vor. Im Fall einer Infektion nimmt die MBL-Produktion jedoch während der Immunantwort der akuten Phase zu, die zur induzierten Phase der angeborenen Immunantwort gehört (Kap. 3).

Abb. 2.19
figure 19

Das mannosebindende Lektin und die Ficoline bilden Komplexe mit Serinproteasen und erkennen bestimmte Kohlenhydrate an der Oberfläche von Mikroorganismen. Das mannosebindende Lektin (MBL, links) ist ein Proteinoligomer, bei dem zwei bis sechs Gruppen von kohlenhydratbindenden Köpfen aus dem zentralen Stiel herausragen, den die kollagenähnlichen Schwänze der MBL-Monomere bilden. Ein MBL-Monomer besteht aus einer Kollagenregion (rot), einer α-helikalen, halsförmigen Region (blau) und einer Kohlenhydraterkennungsdomäne (gelb). Drei MBL-Monomere assoziieren zu einem Trimer und zwei bis sechs Trimere lagern sich zu einem reifen MBL-Molekül zusammen (unten links). Ein MBL-Molekül bindet an MBL-assoziierte Serinproteasen (MASPs). Ein MBL heftet sich auch an bakterielle Oberflächen, die eine bestimmte räumliche Anordnung von Mannose- und Fucoseresten aufweisen. Die Ficoline (rechts) ähneln dem MBL in der Gesamtstruktur, sind mit MASP-1 und MASP-2 assoziiert und können C4 und C2 aktivieren, nachdem sie an Kohlenhydratmoleküle auf der Oberfläche von Mikroorganismen gebunden haben. Die kohlenhydratbindende Domäne der Ficoline ist eine fibrinogenähnliche Domäne, also keine Lektindomäne wie beim MBL

Die anderen drei Moleküle für die Pathogenerkennung im Lektinweg sind die Ficoline. Sie sind zwar in ihrer Gesamtstruktur und Funktion mit dem MBL verwandt, enthalten aber keine Lektindomäne, sondern eine fibrinogenähnliche Domäne, die über einen kollagenähnlichen Stiel befestigt ist (Abb. 2.19). Die fibrinogenähnliche Domäne verleiht den Ficolinen eine allgemeine Spezifität für Oligosaccharide, die acetylierte Zuckerreste enthalten, bindet aber keine mannosehaltigen Kohlenhydrate. Der Mensch verfügt über drei Ficoline: L-Ficolin (Ficolin-2), M-Ficolin (Ficolin-1) und H-Ficolin (Ficolin-3). L- und H-Ficolin werden in der Leber produziert und zirkulieren im Blut, M-Ficolin wird in der Lunge und von Blutzellen synthetisiert und freigesetzt.

Das MBL im Plasma bildet Komplexe mit den MBL-assoziierten Serinproteasen MASP-1, MASP-2 und MASP-3, die als inaktive Zymogene mit dem MBL assoziieren. Wenn ein MBL an die Oberfläche eines Krankheitserregers bindet, kommt es bei MASP-1 zu einer Konformationsänderung. Dadurch kann die Protease das MASP-2-Molekül im selben MBL-Komplex spalten und aktivieren. Das aktivierte MASP-2 kann dann die Komplementfaktoren C4 und C2 (Abb. 2.20) spalten. Wie MBL lagern sich auch die Ficoline zu Oligomeren zusammen, die mit MASP-1 und MASP-2 einen Komplex bilden, der wiederum Komplementfaktoren aktiviert, nachdem Ficolin eine mikrobielle Oberfläche erkannt hat. C4 enthält wie C3 eine verborgene Thioesterbindung. Wenn MASP-2 C4 spaltet, wird C4a freigesetzt und durch die nun mögliche Konformationsänderung von C4b wird der reaktive Thioester wie bei C3b zugänglich (Abb. 2.16). C4b heftet sich über diesen Thioester in der Nähe kovalent an die Oberfläche des Mikroorganismus und bindet noch ein C2-Molekül (Abb. 2.20). C2 wird durch MASP-2 gespalten. Dabei entsteht C2a, eine aktive Serinprotease, die an C4b gebunden bleibt, sodass C4b2a entsteht. Das wiederum ist die C3-Konvertase des Lektinwegs. (Zur Erinnerung: C2a ist die Ausnahme in der Komplementnomenklatur.) C4b2a spaltet nun viele C3-Moleküle in C3a und C3b. Die C3b-Fragmente binden kovalent an die Oberfläche des Krankheitserregers und das freigesetzte C3a löst eine lokale Entzündungsreaktion aus. Der Komplementaktivierungsweg, der durch die Ficoline aktiviert wird, setzt sich wie der MBL-Lektinweg (Abb. 2.20) fort.

Abb. 2.20
figure 20

Die Aktivitäten der C3-Konvertase führen dazu, dass eine große Zahl von C3b-Molekülen an die Oberfläche des Pathogens binden. Die Anheftung von mannosebindendem Lektin oder Ficolinen an ihre Kohlenhydratliganden auf den Oberflächen von Mikroorganismen führt dazu, dass MASP-1 die Serinprotease MASP-2 spaltet und aktiviert. MASP-2 spaltet dann C4. Dabei wird die Thioesterbindung in C4b freigelegt, die kovalent an die Oberfläche des Krankheitserregers bindet. C4b bindet dann C2, sodass C2 für eine Spaltung durch MASP-2 zugänglich wird und letztendlich die C3-Konvertase C4b2a entsteht. C2a ist die aktive Proteasekomponente der C3-Konvertase und spaltet viele C3-Moleküle. Dabei entstehen C3b, das an die Oberfläche des Krankheitserregers bindet, und der Entzündungsmediator C3a. Die kovalente Anheftung von C3b und C4b an die Oberfläche des Krankheitserregers ist von Bedeutung, da sich dort in der Folge die Komplementaktivität entfalten kann

Patienten, die nicht über MBL oder MASP-2 verfügen, leiden in der frühen Kindheit deutlich häufiger an Infektionen der Atemwege durch verbreitete extrazelluläre Bakterien, was die Bedeutung des Lektinwegs für die Körperabwehr veranschaulicht. Diese Anfälligkeit unterstreicht die besondere Bedeutung der angeborenen Abwehrmechanismen für die frühe Kindheitsphase, wenn sich die adaptiven Immunreaktionen noch nicht vollständig entwickelt haben, aber die über die Placenta und Muttermilch übertragenen Antikörper nicht mehr vorhanden sind. Andere Vertreter der Kollektinfamilie sind die Surfactant-Proteine SP-A und SP-D, die in der Flüssigkeit vorkommen, welche die Oberflächenepithelien der Lunge benetzt. Dort binden sie an die Oberfläche von Krankheitserregern und umhüllen sie, sodass sie für die Phagocytose durch Makrophagen, die die subepithelialen Gewebe verlassen haben und in die Alveolen der Lunge einwandern, besser zugänglich sind. Da SP-A und SP-D nicht mit MASP assoziiert sind, aktivieren sie das Komplementsystem nicht.

Wir haben das MBL hier als Grundform für einen Aktivator des Lektinwegs eingeführt, die Ficoline kommen jedoch im Plasma häufiger vor als das MBL und sind deshalb wahrscheinlich von größerer Bedeutung. L-Ficolin erkennt acetylierte Zuckerreste wie GlcNAc und N-Acetylgalactosamin (GalNAc) sowie vor allem Lipoteichonsäure, einen Bestandteil der Zellwände von grampositiven Bakterien, der GalNAc enthält. L-Ficolin kann an verschiedene kapseltragende Bakterien binden und so das Komplementsystem aktivieren. M-Ficolin erkennt ebenfalls acetylierte Zuckerreste. H-Ficolin bindet hingegen vor allem D-Fucose und Galactose und besitzt daher eine enger begrenzte Spezifität. Man konnte dem Molekül nur eine Aktivität gegen das grampositive Bakterium Aerococcus viridans zuordnen, das die bakterielle Endocarditis hervorruft.

2.3 Der klassische Komplementweg wird durch Aktivierung des C1-Komplexes ausgelöst und ist zum Lektinweg homolog

In seiner Struktur insgesamt entspricht der klassische Komplementweg dem Lektinweg, mit der Ausnahme, dass darin der C1-Komplex (C1) als Pathogen-Sensormolekül eine Rolle spielt. Da C1 mit einigen Krankheitserregern direkt interagiert, aber auch mit Antikörpern in Wechselwirkung tritt, kann der klassische Komplementweg seine Aktivität sowohl in der angeborenen Immunität, mit der wir uns hier beschäftigen, als auch in der adaptiven Immunität entfalten (Kap. 10).

Der C1-Komplex besteht wie der MBL-MASP-Komplex aus einer großen Untereinheit (C1q), die als Sensormolekül für Pathogene fungiert, und zwei Serinproteasen (C1r und C1s), die zu Beginn in einer inaktiven Form vorliegen (Abb. 2.21). C1q ist ein Hexamer von Trimeren, die ihrerseits aus Monomeren bestehen. Diese tragen am Aminoterminus eine globuläre Domäne und am Carboxyterminus eine kollagenähnliche Domäne. Die Trimere entstehen durch Wechselwirkungen der kollagenähnlichen Domänen der Monomere. Dabei bilden die globulären Domänen eine globuläre Kopfstruktur. Sechs solcher Trimere assoziieren zum vollständigen C1q-Molekül, das sechs globuläre Köpfe besitzt, die wiederum von den Kollagenschwänzen zusammengehalten werden. C1r und C1s sind mit MASP-2 eng verwandt, weiter entfernt auch mit MASP-1 und -3. Wahrscheinlich sind alle fünf Enzyme durch Verdopplung aus einem gemeinsamen Vorfahrengen entstanden. C1r und C1s interagieren nichtkovalent und bilden Tetramere, die sich in die Arme von C1q hineinfalten, wobei zumindest ein Teil des C1r:C1s-Komplexes außerhalb von C1q liegt.

Abb. 2.21
figure 21

Das erste Protein des klassischen Weges der Komplementaktivierung ist C1, ein Komplex aus C1q, C1r und C1s. Wie in der mikroskopischen Aufnahme und in der Grafik zu erkennen ist, setzt sich C1q aus sechs gleichen Untereinheiten mit globulären Köpfen (gelb) und langen, kollagenähnlichen Schwänzen (rot) zusammen, ähnlich einem Tulpenstrauß. Die Schwänze binden zusammen an je zwei Moleküle C1r und C1s und bilden so den C1-Komplex C1q:C1r2:C1s2. Die Köpfe binden an die konstanten Domänen von Immunglobulinen oder direkt an die Oberfläche von Pathogenen. Dies führt zu einer Konformationsänderung von C1r, wodurch wiederum das C1s-Zymogen gespalten und aktiviert wird. Vergrößerung × 500.000. (Foto mit freundlicher Genehmigung von K.B.M. Reid)

Die Erkennungsfunktion von C1 befindet sich in den sechs globulären Köpfen von C1q. Wenn zwei oder mehr dieser Köpfe mit einem Liganden interagieren, wird die autokatalytische Enzymaktivität von C1r stimuliert. Die aktive Form von C1r spaltet dann das assoziierte C1s-Molekül, sodass eine aktive Serinprotease entsteht. Das aktivierte C1s-Molekül wirkt auf C4 und C2 ein, die beiden nächsten Komponenten des klassischen Komplementwegs. C1 spaltet C4, wodurch C4b entsteht, das wie im Lektinweg kovalent an die Oberfläche des Krankheitserregers bindet (Abb. 2.20). C4b bindet dann auch ein C2-Molekül, das von C1s zur Serinprotease C2a gespalten wird. Dadurch entsteht die aktive C3-Konvertase C4b2a des klassischen und des Lektinwegs. Da C4b2a zuerst als Bestandteil des klassischen Komplementwegs entdeckt wurde, bezeichnet man das Molekül auch als klassische C3-Konvertase (Abb. 2.17). Die Proteine des klassischen Komplementwegs und ihre aktiven Formen sind in Abb. 2.22 aufgeführt.

Abb. 2.22
figure 22

Die Proteine des klassischen Weges der Komplementaktivierung

C1q kann sich auf unterschiedliche Weise an die Oberfläche von Pathogenen heften. Bei einigen Bakterien ist dies durch direkte Bindung an Bestandteile der Oberfläche möglich, beispielsweise an bestimmte Proteine der bakteriellen Zellwand und Polyanionstrukturen wie die Lipoteichonsäuren auf gramnegativen Bakterien. Auch kann C1q an das C-reaktive Protein binden, das im Plasma des Menschen als Akute-Phase-Protein vorkommt und an Phosphocholinreste in bakteriellen Oberflächenmolekülen bindet (etwa im C-Polysaccharid der Pneumokokken, daher auch die Bezeichnung C-reaktiv). Die Proteine der akuten Phase werden in Kap. 3 behandelt. Die Hauptfunktion von C1q bei einer Immunantwort besteht jedoch darin, an die konstanten (Fc‑)Regionen der Antikörper zu binden (Abschn. 1.3.2), die über ihre Antigenbindungsstellen an Krankheitserreger gebunden haben. C1q verknüpft also die Effektorfunktionen des Komplementsystems mit der Erkennung durch die adaptive Immunität. Das scheint den Nutzen von C1q für die Bekämpfung der ersten Phasen einer Infektion einzuschränken, bevor dann die adaptive Immunität pathogenspezifische Antikörper hervorbringt. Einige Antikörper jedoch, die man als natürliche Antikörper bezeichnet, werden selbst dann vom Immunsystem produziert, wenn offensichtlich keine Infektion vorliegt. Diese Antikörper besitzen eine niedrige Affinität für zahlreiche pathogene Mikroorganismen und zeigen eine starke Kreuzreaktion, erkennen also häufig vorkommende Membranbausteine wie Phosphocholin und erkennen sogar Antigene auf körpereigenen Zellen (Autoantigene). Natürliche Antikörper werden wahrscheinlich als Reaktion auf die kommensale Mikroflora oder Autoantigene produziert, sind aber anscheinend keine Folge der adaptiven Immunantwort auf eine Infektion durch Krankheitserreger. Die meisten natürlichen Antikörper gehören zum Isotyp (zur Immunglobulinklasse) IgM (Abschn. 1.3.2 und 1.4.2) und bilden wahrscheinlich einen erheblichen Anteil der gesamten IgM-Population beim Menschen. IgM ist die Klasse der Antikörper, die C1q am effektivsten bindet. Dadurch sind die natürlichen Antikörper ein wirksames Mittel für die Aktivierung des Komplementsystems auf mikrobiellen Oberflächen unmittelbar nach einer Infektion und sie führen zur Beseitigung von Bakterien wie Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken), bevor diese gefährlich werden.

2.4 Die Aktivierung des Komplementsystems beschränkt sich größtenteils auf die Oberfläche, an der die Initiation erfolgte

Der klassische und der Lektinweg der Komplementaktivierung werden durch Proteine in Gang gesetzt, die an die Oberfläche von Krankheitserregern binden (siehe oben). Während der anschließenden triggered enzyme-Kaskade ist von Bedeutung, dass die aktivierenden Ereignisse in demselben Bereich stattfinden, damit auch die C3-Aktivierung an der Oberfläche des Pathogens erfolgt und nicht im Plasma oder an Oberflächen von Körperzellen. Dies wird hauptsächlich durch die kovalente Bindung von C4b an die Oberfläche des Pathogens erreicht. Bei der angeborenen Immunität wird die C4-Spaltung durch einen Ficolin- oder einen MBL-Komplex katalysiert, der an die Oberfläche des Pathogens gebunden ist. C4b kann an benachbarte Proteine oder Kohlenhydrate auf der Oberfläche des Krankheitserregers binden. Wenn C4b diese Bindung nicht schnell ausbildet, wird die Thioesterbindung durch eine Reaktion mit einem Wassermolekül gespalten und diese Hydrolysereaktion inaktiviert C4b irreversibel. Dies hindert C4b daran, von der Aktivierungsstelle an der Oberfläche des Mikroorganismus weg zu diffundieren und sich an gesunde Körperzellen anzulagern.

C2 wird nur dann für die Spaltung durch C1s zugänglich, wenn es an C4b gebunden ist. Dadurch bleibt auch die Aktivität der C2a-Serinprotease auf die Oberfläche des Pathogens beschränkt, wo sie mit C4b assoziiert bleibt und die C3-Konvertase (C4b2a) bildet. Die Spaltung von C3-Molekülen zu C3a und C3b erfolgt also ebenfalls an der Oberfläche des Pathogens. C3b wird wie C4b durch Hydrolyse inaktiviert, wenn nicht die freigelegte Thioesterbindung schnell eine kovalente Bindung ausbildet (Abb. 2.16). Dadurch kann C4b nur die Oberfläche opsonisieren, an der die Komplementaktivierung stattgefunden hat. Die Opsonisierung von Krankheitserregern durch C3b ist effizienter, wenn Antikörper an die Oberfläche des Pathogens gebunden sind, da Phagocyten sowohl für das Komplement als auch für die Fc-Region von Antikörpern Rezeptoren besitzen (Abschn. 1.4.2 und 10.2.6). Da die reaktiven Faktoren C3b und C4b mit jedem angrenzenden Protein oder Kohlenhydrat eine kovalente Bindung ausbilden können, wird ein Teil des reaktiven C3b oder C4b mit den Antikörpermolekülen selbst verknüpft. Diese Kombination aus Antikörpern, die mit dem Komplement chemisch quervernetzt sind, ist wahrscheinlich das wirkungsvollste Signal für das Auslösen der Phagocytose.

2.5 Der alternative Komplementweg ist eine Verstärkerschleife für die Bildung von C3b, die in Gegenwart von Krankheitserregern durch Properdin beschleunigt wird

Der alternative Komplementweg wurde zwar erst als zweiter „alternativer“ Weg nach dem „klassischen“ Weg entdeckt, ist aber wahrscheinlich der älteste aller Aktivierungswege des Komplements. Seine wichtigste Eigenschaft besteht darin, dass er spontan aktiviert werden kann. Er besitzt eine eigene C3-Konvertase, die man als C3-Konvertase des alternativen Komplementwegs bezeichnet. Sie unterscheidet sich von der C4b2a-Konvertase des Lektin beziehungsweise des klassischen Weges (Abb. 2.17). Die C3-Konvertase des alternativen Komplementwegs besteht aus C3b mit dem daran gebundenen Bb-Molekül, einem Spaltungsfragment des Plasmaproteins Faktor B. Diese C3-Konvertase mit der Bezeichnung C3bBb besitzt bei der Komplementaktivierung einen besonderen Stellenwert, da sie sich durch die Produktion von C3b selbst vermehren kann. Das bedeutet, dass der alternative Komplementweg als Verstärkerschleife wirken und die C3b-Produktion schnell steigern kann, sobald sich, durch welchen Weg auch immer, schon einige C3b-Moleküle gebildet haben.

Der alternative Komplementweg kann auf zwei verschiedene Weisen aktiviert werden. Die Aktivierung kann zum einen durch den Lektin- oder den klassischen Weg erfolgen. Wenn C3b durch einen dieser Wege gebildet wurde und kovalent an die mikrobielle Oberfläche gebunden ist, kann Faktor B daran binden (Abb. 2.23). Dadurch verändert sich die Konformation von Faktor B, sodass die Plasmaprotease Faktor D das B-Molekül in Ba und Bb spaltet. Bb bleibt mit C3b fest assoziiert, wodurch die C3-Konvertase entsteht. Die zweite Möglichkeit, den alternativen Komplementweg zu aktivieren, ist die spontane Hydrolyse (tickover) der Thioesterbindung im C3-Molekül, wobei C3(H2O) entsteht (Abb. 2.24). Dieses Molekül kann an Faktor B binden, der dann von Faktor D gespalten wird. Dabei entsteht eine kurzlebige C3-Konvertase der flüssigen Phase, C3(H2O)Bb. Die Konvertase C3(H2O)Bb wird zwar beim C3-tickover nur in einer geringen Menge gebildet, kann aber viele C3-Moleküle in C3a und C3b spalten. Ein großer Teil dieser C3b-Moleküle wird durch Hydrolyse inaktiviert, einige heften sich jedoch über ihre Thioesterbindung an die Oberfläche von Mikroorganismen, die gerade vorhanden sind. Auf diese Weise gebildete C3b-Moleküle unterscheiden sich nicht von C3b-Molekülen, die im Lektinweg oder im klassischen Weg entstanden sind, und binden genauso an Faktor B, was zur Bildung der C3-Konvertase und zu einer Steigerung der C3b-Produktion führt (Abb. 2.23).

Abb. 2.23
figure 23

Der alternative Weg der Komplementaktivierung kann den klassischen oder den Lektinweg verstärken, indem er eine alternative C3-Konvertase erzeugt und mehr C3b-Moleküle auf dem Pathogen abgelagert werden. C3b, das durch den klassischen oder den Lektinweg angelagert wurde, kann Faktor B binden. Danach kann dieser von Faktor D gespalten werden. Der C3bBb-Komplex ist die C3-Konvertase des alternativen Weges der Komplementaktivierung. Ihre Tätigkeit führt, ähnlich wie bei C4b2a, zur Ablagerung vieler C3b-Moleküle auf der Pathogenoberfläche

Abb. 2.24
figure 24

Der alternative Weg der Komplementaktivierung kann durch spontane Aktivierung von C3 in Gang gesetzt werden. C3 wird im Serum spontan zu C3(H2O) hydrolysiert. C3(H2O) bindet Faktor B, der dann durch Faktor D gespalten wird (erstes Bild). Die entstehende lösliche C3-Konvertase spaltet C3 zu C3a und C3b. Letzteres kann sich an die Oberfläche von Körperzellen oder Pathogenen heften (zweites Bild). Kovalent an die Zelloberfläche gebundenes C3b bindet Faktor B, der daraufhin von Faktor D schnell in Bb und Ba gespalten wird. Bb bleibt an C3b gebunden, sodass eine C3-Konvertase entsteht, während Ba freigesetzt wird (drittes Bild). Diese Konvertase wirkt im alternativen Weg der Komplementaktivierung wie die C3-Konvertase C4a2b im Lektinweg und im klassischen Weg der Komplementaktivierung (Abb. 2.17)

Die C3-Konvertasen des alternativen Komplementaktivierungswegs, C3bBb und C3(H2O)Bb sind sehr kurzlebig. Sie werden jedoch durch Bindung an das Plasmaprotein Properdin (Faktor P) stabilisiert (Abb. 2.25). Properdin wird von neutrophilen Zellen produziert und in sekundären Granula gespeichert. Properdin wird freigesetzt, wenn die neutrophilen Zellen durch die Anwesenheit von Krankheitserregern aktiviert werden. Es besitzt anscheinend einige Eigenschaften eines Mustererkennungsrezeptors, da es an die Oberfläche bestimmter Mikroorganismen binden kann. Patienten mit einem Properdinmangel sind für Infektionen mit Neisseria meningitidis besonders anfällig. Die Eigenschaft von Properdin, an bakterielle Oberflächen zu binden, lenkt wahrscheinlich die Aktivität des alternativen Komplementwegs auf diese Krankheitserreger und trägt so zu deren Beseitigung durch Phagocytose bei. Properdin kann auch an Säugerzellen binden, die eine Apoptose durchlaufen oder durch Sauerstoffmangel, eine Virusinfektion oder die Bindung von Antikörpern geschädigt wurden. So werden C3b-Moleküle auf diesen Zellen abgelagert, die dann durch Phagocytose leichter entfernt werden. Die einzelnen Bestandteile des alternativen Weges der Komplementaktivierung sind in Abb. 2.26 aufgeführt.

Abb. 2.25
figure 25

Properdin stabilisiert die C3-Konvertase des alternativen Komplementaktivierungswegs. Bakterielle Oberflächen exprimieren keine regulatorischen Proteine des Komplementsystems und unterstützen so die Bindung von Properdin (Faktor P), wodurch die C3bBb-Konvertase stabilisiert wird. Diese Konvertaseaktivität entspricht der C4b2a-Konvertase des klassischen Aktivierungswegs. C3bBb spaltet dann viele weitere C3-Moleküle, sodass der Krankheitserreger von gebundenem C3b eingehüllt wird

Abb. 2.26
figure 26

Die Proteine des alternativen Weges der Komplementaktivierung

2.6 Membran- und Plasmaproteine, die die Bildung und Stabilität der C3-Konvertase regulieren, bestimmen das Ausmaß der Komplementaktivierung unter verschiedenen Bedingungen

Mehrere Mechanismen stellen sicher, dass die Komplementaktivierung nur an der Oberfläche eines Krankheitserregers oder einer geschädigten Körperzelle stattfindet, nicht jedoch auf normalen Körperzellen und Geweben. Nach der ersten Aktivierung des Komplementsystems durch irgendeinen der Komplementwege hängt das Ausmaß der Verstärkung durch den alternativen Weg entscheidend von der Stabilität der C3-Konvertase C3bBb ab. Diese Stabilität wird sowohl durch positive als auch negative regulatorische Proteine kontrolliert. Wir haben bereits erläutert, wie Properdin als positiv regulatorisches Protein auf fremde Oberflächen wirkt, etwa von Bakterien oder geschädigten Körperzellen, indem es C3bBb stabilisiert.

Normale Körperzellen sind durch mehrere negative regulatorische Proteine vor einer Komplementaktivierung geschützt. Diese Proteine kommen im Plasma und in den Membranen der Körperzellen vor und schützen die normalen Zellen vor den schädlichen Auswirkungen einer unpassenden Komplementaktivierung auf ihren Oberflächen. Diese komplementregulatorischen Proteine treten mit C3b in Wechselwirkung und verhindern entweder die Bildung der Konvertase oder sie bewirken deren schnelle Dissoziation (Abb. 2.27). So konkurriert etwa ein an der Membran angeheftetes Protein, das man als DAF (decay-accelerating factor) oder CD55 bezeichnet, an der Zelloberfläche mit Faktor B um die Bindung an C3b und kann Bb aus der Konvertase verdrängen, wenn diese sich bereits gebildet hat. Die Spaltung von C3b zum inaktiven iC3b verhindert ebenfalls die Bildung der Konvertase. Dafür verantwortlich ist die Plasmaprotease Faktor I, wobei als Cofaktoren C3b-bindende Proteine wie der Membrancofaktor der Proteolyse (MCP oder CD46) als weiteres Membranprotein der Körperzelle mitwirken (Abb. 2.27). Der Komplementrezeptor CR1 (CD35) auf der Zelloberfläche zeigt bei der Hemmung der C3-Konvertase-Bildung und der Stimulation des C3b-Abbaus zu inaktiven Produkten ähnliche Aktivitäten wie DAF und MCP, seine Verteilung im Gewebe ist jedoch stärker begrenzt. Faktor H ist ebenfalls ein komplementregulatorisches Protein im Plasma, das an C3b bindet und wie auch CR1 mit Faktor B konkurriert und Bb in der Konvertase ersetzen kann; außerdem wirkt Faktor H als Cofaktor für Faktor I. Faktor H bindet bevorzugt an C3b, das wiederum an Vertebratenzellen gebunden ist, da es eine Affinität für Sialinsäurereste besitzt, die auf den Oberflächen dieser Zellen vorhanden sind (Abb. 2.18). So kann sich die Verstärkungsschleife des alternativen. Komplementwegs an der Oberfläche eines Krankheitserregers oder einer geschädigten Körperzelle fortsetzen, nicht jedoch auf normalen Zellen oder Geweben, die diese negativ regulatorischen Proteine exprimieren.

Abb. 2.27
figure 27

Die Komplementaktivierung verschont die körpereigenen Zellen, die durch komplementregulatorische Proteine geschützt sind. Wenn sich C3bBb an der Oberfläche von Körperzellen bildet, wird der Komplex von komplementregulatorischen Proteinen der Körperzelle schnell inaktiviert; dies sind Komplementrezeptor 1 (CR1), DAF und der Membrancofaktor der Proteolyse (MCP). Die Oberflächen von Körperzellen begünstigen außerdem die Bindung vom Faktor H aus dem Plasma. CR1, DAF und Faktor H verdrängen Bb von C3b, und CR1, MCP und Faktor H katalysieren die Spaltung von gebundenem C3b durch die Plasmaprotease Faktor I; dabei entsteht das inaktive C3b (iC3b)

Die C3-Konvertasen, die durch die Aktivierung des klassischen oder Lektinwegs (C4b2a) und des alternativen Komplementwegs (C3bBb) entstehen, unterscheiden sich offensichtlich. Jedoch lässt sich das Komplementsystem leichter verstehen, wenn man die enge evolutionäre Verwandtschaft zwischen den verschiedenen Komplementproteinen kennt (Abb. 2.28). Demnach sind die Komplementzymogene Faktor B und C2 eng verwandte Proteine, die von homologen Genen codiert werden. Diese sind auf dem menschlichen Chromosom 6 im Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) tandemartig angeordnet. Darüber hinaus enthalten ihre jeweiligen Bindungspartner C3 und C4 Thioesterbindungen, mit deren Hilfe die C3-Konvertasen kovalent an die Oberfläche von Pathogenen binden können.

Abb. 2.28
figure 28

Zwischen den Faktoren des alternativen, des Lektin- und des klassischen Weges der Komplementaktivierung besteht eine enge evolutionäre Verwandtschaft. Die meisten Faktoren sind entweder identisch oder es sind homologe Produkte von Genen, die erst dupliziert wurden und dann in der Sequenz divergierten. Die Proteine C4 und C3 sind homolog und enthalten jeweils die instabile Thioesterbindung, über die das größere Fragment, C4b beziehungsweise C3b, kovalent an Membranen bindet. Die C2- und B-codierende Gene liegen benachbart in der MHC-Region des Genoms; sie sind durch Genverdopplung entstanden. Die regulatorischen Proteine Faktor H, CR1 und C4BP enthalten eine Sequenzwiederholung, die bei zahlreichen komplementregulatorischen Proteinen vorkommt. Die einzelnen Wege unterscheiden sich am stärksten in ihrer Aktivierung. Beim klassischen Weg bindet der C1-Komplex entweder an bestimmte Pathogene oder an gebundene Antikörper; im zweiten Fall dient der C1-Komplex dazu, die Antikörperbindung in eine enzymatische Aktivität auf einer spezifischen Oberfläche umzusetzen. Beim Lektinweg lagert sich das mannosebindende Lektin (MBL) an MASP-1 und MASP-2 an, die dadurch aktiviert werden, und erfüllt so dieselbe Funktion wie C1r:C1s, während beim alternativen Weg Faktor D diese Enzymaktivität enthält

Nur eine einzige Komponente des alternativen Komplementwegs scheint mit den funktionell äquivalenten Komponenten des klassischen und Lektinwegs keinerlei Verwandtschaft zu besitzen. Dabei handelt es sich um die Serinprotease Faktor D, die den alternativen Weg in Gang setzt. Dieses Protein ist die einzige aktivierende Protease des Komplementsystems, die als aktives Enzym zirkuliert und nicht als Zymogen. Dies ist für das Auslösen des alternativen Weges durch spontane Spaltung von Faktor B notwendig, der an das spontan aktivierte C3 gebunden ist, bedeutet aber auch Sicherheit für den Körper, da Faktor D nur Faktor B als Substrat erkennt, wenn dieser an C3b gebunden ist. Das heißt, dass Faktor D sein Substrat nur an den Oberflächen von Pathogenen und in sehr geringen Mengen im Plasma findet, wo der alternative Weg der Komplementaktivierung ablaufen darf.

2.7 Das Komplementsystem hat sich schon früh in der Evolution der vielzelligen Organismen entwickelt

Das Komplementsystem kannte man ursprünglich nur bei den Vertebraten. Aber inzwischen hat man bei Wirbellosen zu C3 und B homologe Faktoren sowie einen urtümlichen „alternativen Komplementaktivierungsweg“ entdeckt. Das ist insgesamt nicht verwunderlich, da das C3-Molekül, das von Serinproteasen gespalten und aktiviert wird, in der Evolution mit dem Serinproteaseinhibitor α2-Makroglobulin verwandt ist, der wahrscheinlich in einem Vorfahren der heutigen Vertebraten zum ersten Mal in Erscheinung trat. Der Ursprung der Verstärkungsschleife des alternativen Komplementwegs liegt ebenfalls schon lange Zeit zurück, da man diesen Reaktionsweg auch bei Stachelhäutern (zu denen etwa die Seeigel und Seesterne gehören) gefunden hat. Er basiert ebenfalls auf einer C3-Konvertase, die aus den homologen Proteinen der Stachelhäuter für C3 und B gebildet wird. Diese Faktoren werden von phagocytotischen Zellen exprimiert, die man als amöboide Coelomyceten bezeichnet; sie kommen in der Coelomflüssigkeit vor. Die Expression von C3 durch diese Zellen ist in Anwesenheit von Bakterien erhöht. Dieses einfache System ist anscheinend in der Lage, Bakterienzellen und andere Fremdpartikel zu opsonisieren und deren Aufnahme durch die Coelomyceten zu erleichtern. Zu C3 homologe Moleküle bei den Wirbellosen sind eindeutig miteinander verwandt. Sie alle enthalten eine charakteristische Thioesterbindung und bilden die Familie der thioesterhaltigen Proteine (TEPs). Bei der Stechmücke Anopheles wird die Produktion des Proteins TEP1 als Reaktion auf eine Infektion in Gang gesetzt und das Protein bindet wahrscheinlich direkt an die Oberfläche von Bakterien, um die Phagocytose von gramnegativen Bakterien zu stimulieren. Eine gewisse Form von C3-Aktivität reicht in der Evolution womöglich noch weiter zurück als bis zu den Bilateria (Tiere mit einer zweiseitigen Symmetrie, wobei Fadenwürmer die primitivsten heutigen Vertreter sind); in den Genomen gibt es Hinweise darauf, dass die Faktoren C3, B und einige später im Reaktionsweg aktive Komplementfaktoren bereits bei den Anthozoen (Korallen und Seeanemonen) vorkommen.

Nach dem ersten Auftreten des Komplementsystems in der Evolution hat es sich anscheinend durch den Erwerb neuer Aktivierungswege weiterentwickelt, sodass nun mikrobielle Oberflächen spezifisch angegriffen werden können. Von diesen Aktivierungswegen ist wahrscheinlich der Ficolinweg als erster entstanden. Er ist sowohl bei den Vertebraten als auch bei einigen eng verwandten Wirbellosen vorhanden, etwa bei den Manteltieren. In der Evolution sind die Ficoline möglicherweise eine Vorstufe der Kollektine, die ebenfalls bei den Manteltieren vorkommen. Im Genom der Seescheide Ciona (eines Organismus aus der Klasse der Ascidien, die zu den Manteltieren gehört) hat man zu MBL und zum Faktor C1q des klassischen Aktivierungswegs homologe Proteine gefunden (beide Faktoren sind Kollektine). Bei Ciona hat man außerdem zwei Faktoren identifiziert, die zu den MASP-Molekülen homolog sind; sie können wahrscheinlich C3 spalten und aktivieren. Das rudimentäre Komplementsystem der Stachelhäuter hat sich also offensichtlich bei den Manteltieren erweitert, indem ein spezifisches Aktivierungssystem hinzugekommen ist, das die C3-Ablagerung auf mikrobiellen Oberflächen gezielt bewerkstelligt. Das deutet auch darauf hin, dass bei der viel späteren Evolution der adaptiven Immunität die ursprünglichen Antikörper das Komplementsystem über ein bereits diversifiziertes C1q-ähnliches Kollektin aktivieren konnten. Das Komplementaktivierungssystem hat sich dann weiterentwickelt, indem dieses Kollektin und die zugehörigen MASP-Moleküle zu den auslösenden Faktoren des klassischen Aktivierungswegs wurden, also C1q, C1r, C1s.

2.8 Die oberflächengebundene C3-Konvertase lagert große Mengen von C3b-Fragmenten an der Oberfläche von Krankheitserregern ab und erzeugt die C5-Konvertase

Wir wenden uns nun wieder dem heute anzutreffenden Komplementsystem zu. Die Bildung der C3-Konvertasen ist der Punkt, an dem die drei Aktivierungswege des Komplements zusammenlaufen. Die Konvertase C4b2a des Lektin- und des klassischen Weges und die Konvertase C3bBb des alternativen Weges lösen dieselben Folgereaktionen aus – sie spalten C3 in C3b und C3a. C3b bindet kovalent über seine Thioesterbindung an benachbarte Moleküle auf der Oberfläche von Krankheitserregern; wenn nicht, wird es durch Hydrolyse inaktiviert. C3 ist das häufigste Komplementprotein im Plasma, mit einer Konzentration von 1,2 mg/ml. Bis zu 1000 C3b-Moleküle können direkt in der Umgebung einer einzigen aktiven C3-Konvertase binden (Abb. 2.23). Die Hauptwirkung der Komplementaktivierung ist also die Ablagerung von C3b in großen Mengen auf der Oberfläche von infizierenden Krankheitserregern. Dort bildet C3b eine kovalent befestigte Hülle, die Signale an die Phagocyten sendet, das Pathogen zu vernichten.

Im nächsten Schritt der Komplementkaskade werden die C5-Konvertasen erzeugt. C5 gehört zur selben Proteinfamilie wie C3, C4, α2-Makroglobulin und die thioesterhaltigen Proteine (TEPs) der Wirbellosen. C5 bildet während seiner Synthese keine aktive Thioesterbindung, sondern wird wie C3 und C4 von einer spezifischen Protease in die Fragmente C5a und C5b gespalten. Beide entfalten in der Folge spezifische Aktivitäten, die für die Weiterführung der Komplementkaskade wichtig sind. Im klassischen und im Lektinweg entsteht eine C5-Konvertase, indem C3b an C4b2a bindet; das Ergebnis ist C4b2a3b. Die C5-Konvertase des alternativen Komplementwegs wird gebildet, indem C3b an C3bBb bindet und C3b2Bb entsteht. Diese C5-Konvertase-Komplexe binden ein C5-Molekül über eine Akzeptorstelle auf C3b. C5 wird dadurch für eine Spaltung durch die Serinproteasen C2a oder Bb zugänglich. Diese Reaktion, die C5b und C5a hervorbringt, ist wesentlich stärker begrenzt als die Spaltung von C3, da C5 nur dann gespalten werden kann, wenn es an C3b bindet, das daraufhin an C4b2a oderC3bBb bindet, wodurch der aktive C5-Konvertase-Komplex entsteht. Das Komplementsystem, das über alle drei Reaktionswege aktiviert wird, führt so zur Ablagerung großer Mengen von C3b-Molekülen auf der Oberfläche des Krankheitserregers und es wird eine geringere Menge an C5b-Molekülen erzeugt. Außerdem wird C3a und eine geringere Menge C5a freigesetzt (Abb. 2.29).

Abb. 2.29
figure 29

Die Bindung der Komplementkomponente C5 durch ein C3b-Molekül, das Teil des C5-Konvertase-Komplexes ist, führt zur Spaltung von C5. Wie im oberen Bild dargestellt, entstehen C5-Konvertasen entweder, wenn C3b an die C3-Konvertase des klassischen und Lektinwegs (C4b2a) bindet und C4b2a3b bildet, oder wenn C3b an die C3-Konvertase des alternativen Weges (C3bBb) bindet, sodass C3b2Bb entsteht. C5 lagert sich in diesen Komplexen an C3b an (Mitte). Das untere Bild zeigt die Spaltung von C5 durch das aktive Enzym C2a oder Bb, bei der C5b und das entzündungsvermittelnde C5a gebildet werden. Anders als C3b und C4b bindet C5b nichtkovalent an die Zelloberfläche. Die Produktion von C5b führt zum Zusammenfügen der terminalen Komplementkomponenten

2.9 Rezeptoren für gebundene Komplementproteine vermitteln die Aufnahme von komplementmarkierten Krankheitserregern durch die Phagocyten

Die wichtigste Aufgabe des Komplements ist, die Aufnahme und Zerstörung von Pathogenen durch phagocytotische Zellen zu erleichtern. Dies geschieht dadurch, dass Komplementrezeptoren (CRs) auf Phagocyten gebundene Komplementkomponenten spezifisch erkennen. Diese Komplementrezeptoren binden an Pathogene, die mit Komplementkomponenten opsonisiert wurden. Die Opsonisierung von Pathogenen ist eine Hauptfunktion von C3b und seinen proteolytischen Derivaten. C4b wirkt ebenfalls als Opsonin, spielt aber nur eine relativ geringe Rolle, hauptsächlich weil viel mehr C3b als C4b entsteht.

Die bekannten Rezeptoren für gebundene Komplementkomponenten sind mit ihrer Funktion und Verteilung in Abb. 2.30 aufgeführt. Der C3b-Rezeptor CR1 (Abschn. 2.2.6) ist ein negativer Regulator der Komplementaktivierung (Abb. 2.27). CR1 wird von vielen verschiedenen Arten von Immunzellen exprimiert, beispielweise von Makrophagen oder neutrophilen Zellen. Die Bindung von C3b an CR1 allein kann die Phagocytose nicht anregen, dafür sind weitere Immunmediatoren erforderlich, die Makrophagen aktivieren. So kann das kleine Komplementfragment C5a Makrophagen aktivieren, Bakterien aufzunehmen, die an ihre CR1-Rezeptoren gebunden sind (Abb. 2.31). C5a bindet an den C5a-Rezeptor, der ebenfalls von Makrophagen exprimiert wird. Dieser Rezeptor enthält sieben membrandurchspannende Domänen. Rezeptoren dieser Art übertragen ihre Signale durch guaninnucleotidbindende Proteine (G-Proteine) im Zellinneren und man bezeichnet sie deshalb allgemein als G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCRs; Abschn. 3.1.2). C5L2 (GPR77) wird von neutrophilen Zellen und von Makrophagen exprimiert. Er ist ein nichtsignalisierender Rezeptor, der für C5a als eine Art Köder (decoy receptor) fungiert und wahrscheinlich die Aktivität des C5a-Rezeptors reguliert. Auch Proteine, die mit der extrazellulären Matrix assoziiert sind wie Fibronectin, können zur Aktivierung von Phagocyten beitragen; diese Proteine sind von Bedeutung, wenn Phagocyten in das Bindegewebe gelockt und dort aktiviert werden.

Abb. 2.30
figure 30

Verteilung und Funktion von Zelloberflächenrezeptoren für Komplementproteine. Eine Reihe verschiedener Rezeptoren sind für das gebundene C3b und seine Abbauprodukte (iC3b und C3dg) spezifisch. CR1 und CR3 sind wichtig für die Induktion der Phagocytose von Bakterien, an deren Oberfläche Komplementkomponenten gebunden sind. CR2 kommt hauptsächlich auf B-Zellen vor, wo es auch zum Corezeptorkomplex der B-Zelle gehört. CR1 und CR2 enthalten Strukturmerkmale, die sich auch bei komplementregulatorischen Proteinen finden, welche C3b und C4b binden. CR3 und CR4 sind Integrine und bestehen aus dem Integrin β2 und dem Integrin αM (CD11b) beziehungsweise dem Integrin αX (CD11c) (Anhang II). CR3 (auch als Mac-1 bezeichnet) ist auch bei der Adhäsion und Wanderung der Leukocyten von Bedeutung, während CR4 offenbar nur bei Reaktionen der Phagocyten eine Rolle spielt. Die C5a- und C3a-Rezeptoren sind G-Protein-gekoppelte Rezeptoren mit sieben membrandurchspannenden Helices. FDC, follikuläre dendritische Zellen (sie sind an der angeborenen Immunität nicht beteiligt, siehe Kapitel weiter unten)

Abb. 2.31
figure 31

Das Anaphylatoxin C5a kann bei einer angeborenen Immunantwort die Phagocytose von opsonisierten Mikroorganismen verstärken. Die Komplementaktivierung führt zur Anlagerung von C3b an die Oberfläche des Mikroorganismus (links). Der Komplementrezeptor CR1 an der Oberfläche von Phagocyten kann C3b binden, dies allein reicht jedoch nicht aus, um die Phagocytose zu aktivieren (Mitte). Phagocyten exprimieren aber auch Rezeptoren für das Anaphylatoxin C5a und die C5a-Bindung aktiviert die Zelle zur Phagocytose der Mikroorganismen, die über CR1 gebunden sind (rechts)

Vier weitere Komplementrezeptoren – CR2, auch unter der Bezeichnung CD21 bekannt, CR3 (CD11b:CD18), CR4 (CD11c:CD18) und CRIg (Komplementrezeptor der Immunglobulinfamilie) – binden an Formen von C3b, die von Faktor I gespalten wurden, aber an die Pathogenoberfläche angeheftet bleiben. Wie verschiedene andere Schlüsselkomponenten des Komplements kann C3b durch einen regulatorischen Mechanismus in Derivate gespalten werden, beispielsweise iC3b, die keine aktive Konvertase bilden können. Das an die mikrobielle Oberfläche gebundene C3b-Molekül kann durch Faktor I und MCP gespalten werden, wodurch das kleine Fragment C3f entfernt wird und das inaktive iC3b an die Oberfläche gebunden bleibt (Abb. 2.32). iC3b wird von verschiedenen Komplementrezeptoren erkannt – CR2, CR3, CR4 und CRIg. Anders als die Bindung von iC3b an CR1, reicht die Assoziierung von iC3b mit CR3 aus, um die Phagocytose zu stimulieren. Faktor I und CR1 spalten iC3b, sodass C3c freigesetzt wird und C3dg an das Pathogen gebunden bleibt. C3dg wird nur von CR2 erkannt. Dieser Rezeptor kommt auf B-Zellen als Teil des Corezeptorkomplexes vor, der das über den antigenspezifischen Immunglobulinrezeptor empfangene Signal verstärkt. So erhält eine B-Zelle, deren Antigenrezeptor für ein Antigen auf einem Pathogen spezifisch ist, nach Bindung dieses Pathogens ein starkes Signal, wenn das Antigen oder das Pathogen zudem mit C3dg bedeckt ist. Die Komplementaktivierung kann daher zur Erzeugung einer starken Antikörperantwort beitragen.

Abb. 2.32
figure 32

Die Abbauprodukte von C3b werden von verschiedenen Komplementrezeptoren erkannt. Nachdem sich C3b an die Oberfläche eines Krankheitserregers angelagert hat, kann das Molekül unterschiedliche Konformationsänderungen durchlaufen, die seine Wechselwirkung mit den Komplementrezeptoren verändern. Faktor I und MCP können das C3f-Fragment von C3b abspalten, wodurch iC3b entsteht, das wiederum ein Ligand für die Komplementrezeptoren CR2, CR3 und CR4 ist, nicht jedoch für CR1. Faktor I und CR1 spalten iC3b und setzen dabei C3c frei, während C3dg gebunden bleibt. C3dg wird dann von CR2 erkannt

Die Bedeutung der Opsonisierung durch C3b und seine inaktiven Fragmente für die Zerstörung von extrazellulären Pathogenen zeigt sich an den Auswirkungen verschiedener Komplementmangelkrankheiten. So zeigen beispielsweise Personen, denen C3 oder Moleküle fehlen, welche die C3b-Anlagerung katalysieren, eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen mit einem breiten Spektrum extrazellulärer Bakterien, darunter auch Streptococcus pneumoniae (Kap. 13).

2.10 Die kleinen Peptidfragmente einiger Komplementproteine können eine lokale Entzündungsreaktion auslösen

Die kleinen Komplementfragmente C3a und C5a wirken auf spezifische Rezeptoren auf Endothelzellen und Mastzellen (Abb. 2.30) und rufen dadurch lokale Entzündungsreaktionen hervor. C3a gibt wie C5a seine Signale über einen G-Protein-gekoppelten Rezeptor weiter (Kap. 3). C4a wird durch die C4-Spaltung erzeugt, kann aber keine Entzündung auslösen und ist an den C3a- und C5a-Rezeptoren unwirksam; möglicherweise gibt es für C4a überhaupt keinen Rezeptor. Wenn C3a und C5a in großer Menge gebildet oder systemisch injiziert werden, lösen sie einen allgemeinen Kreislaufkollaps aus und verursachen ein schockähnliches Syndrom, ähnlich einer systemischen allergischen Reaktion unter Mitwirkung von IgE-Antikörpern (Kap. 14). Solch eine Reaktion bezeichnet man als anaphylaktischen Schock und die kleinen Fragmente des Komplements demzufolge häufig als Anaphylatoxine. C5a besitzt die höchste spezifische biologische Aktivität, aber sowohl C3 als auch C5 induzieren Kontraktionen der glatten Muskulatur, steigern die Gefäßdurchlässigkeit und wirken auf Endothelzellen, die Blutgefäße auskleiden, und sie induzieren die Synthese von Adhäsionsmolekülen. Darüber hinaus können C3a und C5a Mastzellen aktivieren, die in Geweben unterhalb von Schleimhäuten vorkommen und anschließend Mediatoren wie Histamin und den Tumornekrosefaktor TNF-α freisetzen, die ähnliche Effekte hervorrufen. Die Veränderungen, die C5a und C3a verursachen, rekrutieren Antikörper und das Komplementsystem und locken Phagocyten zu Infektionsherden (Abb. 2.33). Das erhöhte Flüssigkeitsvolumen in den Geweben beschleunigt die Bewegung von antigenpräsentierenden Zellen, die Pathogene enthalten, zu den lokalen Lymphknoten und trägt damit zum schnellen Auslösen der adaptiven Immunantwort bei.

Abb. 2.33
figure 33

Kleine Komplementfragmente, besonders C5a, können lokale Entzündungsreaktionen auslösen. Die kleinen Komplementfragmente sind unterschiedlich aktiv, C5a mehr als C3a, C4a wenig bis gar nicht. C5a und C3a führen zu lokalen Entzündungsreaktionen, indem sie direkt auf lokale Blutgefäße einwirken. Dabei kommt es zu einer Erhöhung der Fließgeschwindigkeit des Blutes, zu einer erhöhten Gefäßpermeabilität und zu einer verstärkten Bindung von Phagocyten an Endothelzellen. C3a und C5a aktivieren auch Mastzellen (nicht dargestellt), Mediatoren wie Histamin und TNF-α freizusetzen, die zur Entzündungsreaktion beitragen. Der vergrößerte Durchmesser und die verstärkte Permeabilität der Gefäße führen zu einer Ansammlung von Flüssigkeit und Protein im umgebenden Gewebe. Die Flüssigkeit steigert den Lymphfluss, wodurch Pathogene und ihre Antigenkomponenten zu den lokalen Lymphknoten gebracht werden. Die Antikörper, Komplementproteine und Zellen, die so angelockt werden, tragen zur Beseitigung der Pathogene durch eine verstärkte Phagocytose bei. Die kleineren Komplementfragmente erhöhen die Aktivität der Phagocyten auch direkt

C5a wirkt außerdem direkt auf neutrophile Zellen und Monocyten und verstärkt so ihre Anheftung an Gefäßwände, ihre Wanderung zu Stellen mit Antigenablagerungen und ihre Fähigkeit, Partikel aufzunehmen. Außerdem steigert C5a die Expression von CR1 und CR3 auf der Oberfläche dieser Zellen. So wirken C5a und, weniger ausgeprägt, C3a mit anderen Komplementkomponenten zusammen, um die Zerstörung von Pathogenen durch Phagocyten zu beschleunigen.

2.11 Die terminalen Komplementproteine polymerisieren und bilden Poren in Membranen, die bestimmte Pathogene töten können

Ein wichtiger Effekt der Komplementaktivierung ist die Zusammenlagerung der terminalen Komplementkomponenten (Abb. 2.34), wodurch ein membranangreifender Komplex entsteht. Die Reaktionen, die zur Bildung dieses Komplexes führen, sind in Abb. 2.35 schematisch und in Form von elektronenmikroskopischen Aufnahmen dargestellt. Das Endergebnis ist eine Pore in der Lipiddoppelschicht, wodurch die Integrität der Membran zerstört wird. Vermutlich tötet dies den Erreger, indem der Protonengradient über der Pathogenmembran zerstört wird.

Abb. 2.34
figure 34

Die terminalen Komplementkomponenten

Abb. 2.35
figure 35

Die Zusammenlagerung des membranangreifenden Komplexes erzeugt eine Pore in der Lipiddoppelschicht der Membran. Die Abfolge der Schritte und ihr ungefähres Auftreten sind hier in schematischer Form dargestellt. C5b löst die Zusammenlagerung von je einem C6-, C7- und C8-Molekül (in dieser Reihenfolge) aus. C7 und C8 ändern ihre Konformation und hydrophobe Domänen werden exponiert, die dann in die Membran eindringen. Dieser Komplex verursacht von sich aus schon eine leichte Membranschädigung. Außerdem induziert er die Polymerisierung von C9, wiederum mit Exposition einer hydrophoben Stelle. Bis zu 16 C9-Moleküle bilden dann zusammen in der Membran einen Kanal von etwa 10 nm Durchmesser. Dieser durchbricht die äußere Bakterienmembran und tötet das Bakterium. Die elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt Erythrocytenmembranen mit membranangreifenden Komplexen in zwei Orientierungen, von oben und von der Seite. (Nachgezeichnet mit Genehmigung von Bhakdi, S., et al.: Functions and relevance of the terminal complement sequence. Blut 1990, 60:309–318. © Springer-Verlag 1990.)

Der erste Schritt bei der Bildung des membranangreifenden Komplexes ist die Spaltung von C5 durch eine C5-Konvertase unter Freisetzung von C5b (Abb. 2.29). In den nächsten Phasen (Abb. 2.35) leitet C5b das Zusammenlagern der späteren Komplementkomponenten und ihren Einbau in die Zellmembran ein. Zuerst bindet ein C5b-Molekül an ein C6-Molekül. Der C5b6-Komplex lagert sich dann an ein Molekül C7 an. Diese Reaktion führt zu einer Konformationsänderung bei den beteiligten Molekülen, sodass ein hydrophober Bereich auf C7 zugänglich wird. Dieser schiebt sich in die Lipiddoppelschicht. Hydrophobe Stellen werden auf ähnliche Weise bei den späteren Komponenten C8 und C9 exponiert, wenn sie an den Komplex binden; so ist es ihnen möglich, ebenfalls in die Lipiddoppelschicht einzudringen. C8 ist ein Komplex aus zwei Proteinen: C8β und C8α-γ. Das C8β-Protein bindet an C5b und durch die Bindung von C8β an den membranassoziierten C5b67-Komplex ist es der hydrophoben Domäne von C8α-γ möglich, in die Lipiddoppelschicht einzudringen. Schließlich induziert C8α-γ die Polymerisierung von 10–16 C9-Molekülen zu einer porenbildenden Struktur, die man als membranangreifenden Komplex bezeichnet. Dieser besitzt eine hydrophobe äußere Oberfläche, wodurch er mit der Lipiddoppelschicht assoziieren kann, hat jedoch einen hydrophilen inneren Kanal. Der Durchmesser dieses Kanals beträgt etwa 10 nm. Damit können gelöste Moleküle und Wasser frei durch die Lipiddoppelschicht gelangen. Die Schädigung der Lipiddoppelschicht durch die Poren führt zum Verlust der zellulären Homöostase, zur Zerstörung des Protonengradienten über der Membran, zum Eindringen von Enzymen wie Lysozym in die Zellen und schließlich zur Zerstörung des Pathogens.

Obwohl die Effekte des membranangreifenden Komplexes sehr dramatisch sind, wie sich vor allem bei Experimenten zeigte, bei denen man Antikörper gegen Erythrocytenmembranen einsetzte, um die Komplementkaskade auszulösen, scheint die Bedeutung dieser Komponenten für die Immunabwehr eher begrenzt zu sein. Bis heute wurde ein Mangel an den Komplementkomponenten C5 bis C9 nur mit einer Anfälligkeit für Neisseria in Verbindung gebracht. Dieses Bakterium verursacht die sexuell übertragbare Krankheit Gonorrhö und eine verbreitete Form der bakteriellen Meningitis. Die opsonisierenden und inflammatorischen Aktivitäten der früheren Komponenten der Komplementkaskade sind daher für die Abwehr einer Infektion zweifellos am wichtigsten. Die Bildung des membranangreifenden Komplexes ist anscheinend nur für das Abtöten einiger weniger Krankheitserreger von Bedeutung, sie spielt aber möglicherweise bei Immunerkrankungen eine wichtige Rolle (Kap. 15).

2.12 Komplementregulatorische Proteine steuern alle drei Reaktionswege der Komplementaktivierung und schützen den Körper vor deren zerstörerischen Effekten

Die Aktivierung des Komplements erfolgt normalerweise an der Oberfläche eines Krankheitserregers und die aktivierten Komplementfragmente, die dabei entstehen, binden in der Nähe an die Pathogenoberfläche oder werden durch Hydrolyse schnell inaktiviert. Außerdem werden alle Komplementkomponenten im Plasma mit einer geringen Rate spontan aktiviert; die aktivierten Komplementfaktoren binden manchmal an Proteine auf Körperzellen. In Abschn. 2.2.6 wurden die löslichen körpereigenen Proteine Faktor I und Faktor H sowie die membrangebundenen Proteine MCP und DAF eingeführt, die den alternativen Weg der Komplementaktivierung regulieren. Darüber hinaus gibt es mehrere weitere lösliche und membrangebundene komplementregulatorische Proteine, die die Komplementkaskade an verschiedenen Stellen kontrollieren können, um die normalen Körperzellen zu schützen, während die Komplementaktivierung an der Oberfläche von Pathogenen zugelassen wird (Abb. 2.36).

Abb. 2.36
figure 36

Die löslichen und membrangebundenen Proteine, die die Komplementaktivität regulieren

Die Aktivierung von C1 wird vom C1-Inhibitor (C1INH) kontrolliert. Dies ist ein Serinproteaseinhibitor oder Serpin. C1INH bindet an die aktiven Enzyme C1r:C1s und bewirkt, dass sie von C1q dissoziieren (Abb. 2.37), welches am Pathogen gebunden bleibt. Auf diese Weise begrenzt C1INH die Zeit, während der das aktive C1s C4 und C2 spalten kann. Genauso begrenzt C1INH die spontane Aktivierung von C1 im Plasma. Die Bedeutung dieses Inhibitors wird beim erblichen Angioödem (hereditary angioedema, HAE) deutlich, das von einem C1INH-Defekt verursacht wird. Dabei kommt es durch eine chronische spontane Komplementaktivierung zu einer übermäßigen Produktion der Spaltstücke von C4 und C2. Die großen aktivierten Fragmente aus dieser Spaltungsreaktion, die normalerweise zusammen die C3-Konvertase bilden, schädigen bei diesen Patienten keine Körperzellen, da C4b im Plasma durch Hydrolyse schnell inaktiviert wird und sich die Konvertase nicht bildet. C2b, das kleine Fragment von C2, wird jedoch weiter zum Peptid C2-Kinin abgebaut, das starke Schwellungen verursacht. Am gefährlichsten ist die lokale Schwellung im Kehlkopf, die zur Erstickung führen kann. Auch Bradykinin, das in seinen Aktivitäten dem C2-Kinin ähnelt, wird bei dieser Krankheit unkontrolliert gebildet, da die Hemmung von Kallikrein, einer weiteren Plasmaprotease, ebenfalls gestört ist. Das Enzym ist eine Komponente des Kininsystems (Abschn. 3.1.3), die durch Gewebeschäden aktiviert wird und ebenfalls unter der Kontrolle von C1INH steht. Man kann das erbliche Angioödem vollkommen heilen, wenn man C1INH ersetzt. Eine ähnliche, außerordentlich seltene Krankheit des Menschen ist die Folge eines teilweisen Mangels an Carboxypeptidase N (CPN). Diese Metalloproteinase inaktiviert die Anaphylatoxine C3a und C5a sowie Bradykinin und Kallikrein. Menschen mit einem partiellen CPN-Mangel leiden an wiederkehrenden Angioödemen, da C3a und Bradykinin im Serum verzögert inaktiviert werden.

Abb. 2.37
figure 37

Die Komplementaktivierung wird von einer Reihe von Proteinen reguliert, die dazu dienen, die Wirtszelle vor zufälliger Schädigung zu schützen. Die Proteine wirken in verschiedenen Stadien der Komplementkaskade. Sie zerlegen Komplexe oder katalysieren den enzymatischen Abbau kovalent gebundener Komplementproteine. Die Komplementkaskade ist links schematisch dargestellt, die regulatorischen Reaktionen rechts. Die C3-Konvertase des alternativen Weges wird ebenfalls von DAF, CR1, MCP und Faktor H reguliert

Da die hochreaktive Thioesterbindung der aktivierten C3- und C4-Moleküle nicht zwischen Akzeptorgruppen auf Körperzellen und Pathogenoberflächen unterscheiden kann, haben sich Mechanismen entwickelt, die verhindern, dass die geringen Mengen von C3 und C4, die auf Körperzellen abgelagert werden, eine vollständige Komplementaktivierung auslösen. Im Zusammenhang mit der Kontrolle des alternativen Komplementwegs haben wir diese Mechanismen bereits vorgestellt (Abb. 2.27), aber sie dienen auch als wichtige Regulatoren für die Konvertase des klassischen Weges (Abb. 2.37, zweite und dritte Reihe). In Abschn. 2.2.6 wurden die Proteine besprochen, die jedes C3b- oder C4b-Molekül inaktivieren, das an eine Körperzelle gebunden hat: Das sind Faktor I im Plasma und seine beiden membrangebundenen Proteincofaktoren MCP und CR1. Der zirkulierende Faktor I ist eine aktive Serinprotease, kann aber C3b und C4b nur spalten, wenn sie an MCP und CR1 gebunden sind. Unter diesen Bedingungen spaltet Faktor I C3b zuerst zu iC3b und dann später zu C3dg, was zur dauerhaften Inaktivierung von C3b führt. C4b wird auf ähnliche Weise durch Spaltung zu C4c und C4d inaktiviert. MCP oder CR1 kommen auf den Zellwänden von Mikroorganismen nicht vor, sodass C3b und C4b dort nicht abgebaut werden. Stattdessen wirken diese Faktoren als Bindungsstellen für die Faktoren C2 und B, wodurch die Komplementaktivierung stimuliert wird. Die Bedeutung von Faktor I zeigt sich bei Personen mit einem genetisch bedingten Faktor-I-Mangel. Aufgrund der unkontrollierten Komplementaktivierung werden die Komplementproteine schnell ausgedünnt und die Betroffenen leiden an wiederholten Infektionen durch Bakterien, vor allem mit ubiquitären eitererregenden Bakterien.

Es gibt auch Plasmaproteine, die für Faktor I als Cofaktor fungieren können, insbesondere das C4b-bindende Protein (C4BP) (Abb. 2.36). Es bindet an C4b und wirkt vor allem in der flüssigen Phase als Regulator des klassischen Komplementwegs. Faktor H hingegen bindet C3b sowohl in der flüssigen Phase als auch an einer Zellmembran und trägt so dazu bei, zwischen C3b auf der Oberfläche von Körperzellen und C3b auf mikrobiellen Oberflächen zu unterscheiden. Faktor H kann durch seine größere Affinität für Sialinsäurereste auf den Glykoproteinen der körpereigenen Zellmembranen Faktor B aus der Bindung an C3b auf Körperzellen verdrängen. Außerdem ist C3b auf Zellmembranen von den Cofaktorproteinen DAF und MCP gebunden. Faktor H, DAF und MCP konkurrieren effektiv mit Faktor B um die Bindung an C3b, das sich an eine Körperzelle geheftet hat, sodass das gebundene C3b-Molekül durch Faktor I zu iC3b und C3dg abgebaut und die Komplementaktivierung blockiert wird. Im Gegensatz dazu bindet Faktor B bevorzugt an C3b auf mikrobiellen Membranen, wo DAF und MCP nicht exprimiert werden und wo es keine Sialinsäurereste gibt, die Faktor H anziehen. Da Faktor B auf einer mikrobiellen Oberfläche in einer größeren Menge vorkommt, wird dadurch mehr von der C3-Konvertase C3bBb gebildet und die Komplementaktivierung verstärkt.

Das entscheidende Gleichgewicht zwischen der Blockierung und Aktivierung des Komplements an Zelloberflächen zeigt sich bei Personen, die für Mutationen in einem der regulatorischen Proteine MCP, Faktor I oder Faktor H heterozygot sind. In diesen Fällen ist die Konzentration an funktionsfähigen regulatorischen Proteinen verringert und die Verschiebung des Gleichgewichts in Richtung der Komplementaktivierung führt zu einer Prädisposition für das atypische hämolytisch-urämische Syndrom. Aufgrund der ineffektiv regulierten Komplementaktivierung ist diese Erkrankung gekennzeichnet durch eine Schädigung der Blutplättchen und der roten Blutkörperchen sowie eine Nierenentzündung. Ein weiteres gravierendes Problem für die Gesundheit, das mit einer Komplementfehlfunktion zusammenhängt, ist das signifikant erhöhte Risiko für eine altersbedingte Maculadegeneration, die bedeutendste Ursache für Blindheit bei älteren Menschen in den Industriestaaten. Die Erkrankung hängt vor allem mit Einzelnucleotidpolymorphismen im Faktor-H-Gen zusammen. Bei Polymorphismen in anderen Komplementgenen hat man ebenfalls festgestellt, dass sie die Krankheit befördern oder vor ihr schützen können. Demnach können selbst geringe Veränderungen in der Aktivierung oder Regulation dieses wirksamen Effektorsystems zur Entwicklung degenerativer oder entzündlicher Krankheiten beitragen.

Die Konkurrenz zwischen DAF oder MCP und Faktor B um die Bindung an das oberflächengebundene C3b ist ein Beispiel für den zweiten Mechanismus zur Hemmung der Komplementaktivierung auf Körperzellen. Durch die Bindung an C3b und C4b auf der Zelloberfläche blockieren diese Proteine kompetitiv die Bindung von C2 an das zellgebundene C4b-Molekül und von Faktor B an das C3b-Molekül, wodurch die Bildung der Konvertase verhindert wird. DAF und MCP schützen auch durch einen dritten Mechanismus vor dem Komplement, indem sie die Dissoziation von C4b2a- und C3bBb-Konvertasen, die sich bereits gebildet haben, verstärken. CR1 gehört wie DAF zu den Membranproteinen der Körperzellen, die das Komplementsystem über beide Mechanismen regulieren, indem sie die Dissoziation der Konvertase stimulieren und als Cofaktor wirken. Alle Proteine, welche die homologen C4b- und C3b-Moleküle binden, besitzen jeweils eine oder mehrere Kopien von einem gemeinsamen Strukturelement, das man als kurze Konsensuswiederholung (short consensus repeat, SCR) oder (speziell in Japan) als Sushi-Domäne bezeichnet.

Neben den Mechanismen, die die Bildung der C3-Konvertase und die Anlagerung von C4 und C3 an Zellmembranen hemmen, gibt es weitere inhibitorische Mechanismen, die ein unerwünschtes Eindringen des membranangreifenden Komplexes in Membranen verhindern. Wie wir in Abschn. 2.2.11 festgestellt haben, polymerisiert der membranangreifende Komplex an C5b-Molekülen, welche die C5-Konvertase freigesetzt hat. Der MAC-Komplex dringt vor allem neben der Position der C5-Konvertase in Zellmembranen ein, also in der Nähe zur Komplementaktivierung auf einem Krankheitserreger. Einige neu gebildete membranangreifende Komplexe können jedoch von der Stelle der Komplementaktivierung weg diffundieren und in Membranen von angrenzenden Körperzellen eindringen. Mehrere Plasmaproteine, darunter vor allem Vitronectin (das auch als S-Protein bezeichnet wird), binden an die C5b67-, C5b678- und C5b6789-Komplexe und hemmen so deren zufälliges Eindringen in Zellmembranen. Membranen von Körperzellen enthalten auch das intrinsische Protein CD59 (oder Protectin), das die Bindung von C9 an den C5b678-Komplex hemmt (Abb. 2.37, untere Reihe). CD59 und DAF sind beide, wie viele andere Membranproteine auch, über einen Glykosylphosphatidylinositol-(GPI-)Anker mit der Zelloberfläche verknüpft. Eines der Enzyme, die an der Synthese der GPI-Schwänze beteiligt sind, wird vom PIGA-Gen auf dem X-Chromosom codiert. Tritt beim Menschen eine somatische Mutation in diesem Gen in einem Klon von hämatopoetischen Stammzellen auf, kommt es zu einem Funktionsverlust von CD59 und DAF. Das führt zur Krankheit paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie, bei der es in den Blutgefäßen zu einer episodischen Zerstörung von roten Blutkörperchen durch das Komplement kommt. Rote Blutkörperchen, denen nur CD59 fehlt, können ebenfalls aufgrund der spontanen Aktivierung der Komplementkaskade leicht zerstört werden.

2.13 Krankheitserreger produzieren verschiedene Arten von Proteinen, die die Komplementaktivierung blockieren können

Pathogene Bakterien haben unterschiedliche Mechanismen entwickelt, durch die sie die Aktivierung des Komplementsystems blockieren können und so der Vernichtung durch diese erste Abwehrlinie der angeborenen Immunität entkommen (Abb. 2.38). Viele Pathogene nutzen dafür einen Mechanismus, durch den sie die Oberfläche von Körperzellen nachahmen, indem sie Komplementregulatoren des Wirtes zu ihrer eigenen Oberfläche dirigieren. Das geschieht dadurch, dass sie Oberflächenproteine exprimieren, die lösliche regulatorische Komplementproteine wie C4BP und Faktor H binden. So produziert beispielsweise das gramnegative pathogene Bakterium Neisseria meningitidis das Faktor-H-bindende Protein (fHbp), das den Faktor H an sich zieht (Abschn. 2.2.6), und das Protein PorA der äußeren Membran, das an das C4BP bindet. Durch die Rekrutierung von Faktor H und C4BP kann der Krankheitserreger C3b inaktivieren, das an seiner Oberfläche angelagert wurde, und kann so den Folgen der Komplementaktivierung entgehen. Das Komplement ist für die Abwehr von Neisseria-Spezies von Bedeutung und verschiedene Komplementschwächen gehen mit einer erhöhten Anfälligkeit für dieses Bakterium einher.

Abb. 2.38
figure 38

Von unterschiedlichen Krankheitserregern erzeugte Proteine, die das Komplementsystem unwirksam machen

Ein weiterer Mechanismus der Krankheitserreger ist die Freisetzung von Proteinen, die die Komplementfaktoren direkt hemmen. Das grampositive pathogene Bakterium Staphylococcus aureus verfügt über mehrere dieser Mechanismen. Das Staphylokokkenprotein A (Spa) bindet an die Fc-Region von Immunglobulinen und stört dadurch die Rekrutierung und Aktivierung von C1. Diese Bindungsspezifität hat man schon früher als biochemisches Verfahren für die Aufreinigung von Antikörpern genutzt. Das Protein Staphylokinase (SAK) spaltet Immunglobuline, die an die Oberfläche der mikrobiellen Membran gebunden haben, und verhindert dadurch die Komplementaktivierung, wodurch das Bakterium der Phagocytose entgeht. Der Staphylokokken-Komplementinhibitor (SCIN) bindet an die C3-Konvertase des klassischen Weges, an C4b2a sowie an die C3-Konvertase C3bBb des alternativen Weges und blockiert deren Aktivität. Andere Phasen der Komplementaktivierung, etwa die Bildung der C5-Konvertase, können ebenfalls durch Proteine gehemmt werden, die von diesem oder anderen Pathogenen produziert werden. Wir werden auf die Regulation des Komplementsystems zurückkommen, wenn wir uns in Kap. 13 damit befassen, wie das Immunsystem manchmal versagt oder durch Krankheitserreger ausmanövriert wird.

2.13 Zusammenfassung

Das Komplementsystem ist einer der wichtigsten Mechanismen, durch die eine Pathogenerkennung in eine wirkungsvolle Verteidigung gegen beginnende Infektionen umgesetzt wird. Das Komplement ist ein System von Plasmaproteinen, das direkt durch Krankheitserreger oder indirekt durch die an Pathogene gebundenen Antikörper aktiviert werden kann. Dies führt zu einer Kaskade von Reaktionen, die auf der Oberfläche von Krankheitserregern abläuft und aktive Komponenten mit verschiedenen Effektorfunktionen erzeugt. Es gibt drei Arten der Komplementaktivierung: den Lektinweg, der durch die Mustererkennungsrezeptoren MBL und Ficoline aktiviert wird, den klassischen Weg, der direkt durch die Bindung von Antikörpern an die Oberfläche von Pathogenen ausgelöst wird, und den alternativen Weg, der durch die spontane Anlagerung von C3b auf mikrobiellen Oberflächen in Gang gesetzt und durch Properdin verstärkt wird und eine Verstärkungsschleife für die beiden anderen Wege darstellt. Die frühen Ereignisse bestehen bei allen drei Wegen aus einer Abfolge von Spaltungsreaktionen, bei denen das größere Spaltprodukt kovalent an die Oberfläche des Erregers bindet und zur Aktivierung der nächsten Komponente beiträgt. Die Wege haben als gemeinsamen Schritt die Bildung einer C3-Konvertase, die C3 spaltet und die aktive Komplementkomponente C3b bildet. Die Bindung vieler C3b-Moleküle an das Pathogen ist das zentrale Ereignis der Komplementaktivierung. Spezifische Komplementrezeptoren erkennen gebundene Komplementkomponenten, besonders C3b und seine inaktiven Fragmente. Diese Rezeptoren befinden sich auf phagocytotischen Zellen, die Pathogene aufnehmen, welche von C3b und seinen inaktiven Fragmenten opsonisiert wurden. Die kleinen Spaltprodukte von C3 und C5 binden an spezifische Rezeptoren, die an trimere G-Proteine gekoppelt sind, und locken so Phagocyten, beispielsweise neutrophile Zellen, zu Infektionsherden und aktivieren sie. Zusammen sorgen all diese Vorgänge für die Aufnahme und Zerstörung von Pathogenen durch Phagocyten. Die C3b-Moleküle, die an die C3-Konvertase selbst binden, lösen auch die späten Ereignisse der Komplementaktivierung aus, indem sie C5 binden und so dessen Spaltung durch C2a oder Bb ermöglichen. Das größere C5b-Fragment setzt die Bildung des membranangreifenden Komplexes in Gang, der zur Lyse bestimmter Pathogene führen kann. Ein System aus löslichen und membrangebundenen komplementregulatorischen Proteinen schränkt die Komplementaktivierung auf Körpergewebe ein und verhindert so Schädigungen durch die unangebrachte Bindung von aktivierten Komplementfaktoren oder die spontane Komplementaktivierung im Plasma. Viele Krankheitserreger produzieren eine Reihe verschiedener löslicher und membranassoziierter Proteine, die der Komplementaktivierung entgegenwirken und so die Infektion durch den Mikroorganismus unterstützen.

2.13 Kapitelzusammenfassung

In diesem Kapitel haben wir uns mit den bereits existierenden, konstitutiven Bestandteilen der angeborenen Immunität beschäftigt. Die Epitheloberflächen des Körpers bilden eine beständige Barriere gegen das Eindringen von Krankheitserregern und sie besitzen spezialisierte Anpassungen wie etwa Cilien, verschiedene antimikrobielle Moleküle und eine Schleimschicht, die zusammen die einfachste Form der angeborenen Immunität bilden. Das Komplementsystem ist ein stärker spezialisiertes System, das die direkte Erkennung von Mikroorganismen mit einem komplexen Effektorsystem kombiniert. Von den drei Reaktionswegen, die das Komplementsystem aktivieren können, gehören zwei zur angeborenen Immunität. Der Lektinweg basiert auf Mustererkennungsrezeptoren, die an Membranen von Mikroorganismen binden können, während der alternative Weg auf der spontanen Komplementaktivierung beruht, die auf den Membranen der Körperzellen durch körpereigene Moleküle herunterreguliert wird. Das wichtigste Ereignis der Komplementaktivierung ist die Anhäufung von C3b-Molekülen auf mikrobiellen Membranen, die wiederum von Komplementrezeptoren auf phagocytotischen Zellen erkannt werden. So werden Zellen, die durch C3a und C5a zu Infektionsherden gelenkt wurden, dazu stimuliert, die Mikroorganismen zu beseitigen. Darüber hinaus initiiert C5b den membranangreifenden Komplex, der Mikroorganismen direkt lysieren kann. Die Komplementkaskade wird reguliert, um einen Angriff auf Körpergewebe zu verhindern, wobei genetische Varianten der regulatorischen Mechanismen zu Autoimmunerkrankungen und altersbedingten Gewebeschädigungen führen können.