FormalPara Zusammenfassung

Mit dem zunehmenden Fortschritt der Informations- und Kommunikationstechnologie schreitet die Digitalisierung und damit auch die Flexibilisierung der Arbeitswelt voran. Die Wissensarbeiter können heutzutage vermehrt selbstständig entscheiden, wann, wo und wie sie ihre Arbeitsaufgaben erledigen. Deshalb stellen wir in diesem Beitrag diesen Trend exemplarisch am Beispiel der Schweiz dar und zeigen, wie sich diese Flexibilisierung der Arbeitswelt – New Ways of Working – in den Unternehmen manifestiert. Wir betrachten sowohl den Nutzen als auch die Herausforderungen für die Mitarbeiter, Führungskräfte und Organisationen. Daraus leiten wir Schlüsse für die Unternehmenskultur ab. Konkret schlagen wir die Verankerung einer Vertrauenskultur und die Ertüchtigung der Mitarbeiter im Selbstmanagement vor. Und obwohl damit nicht alle Risiken von New Ways of Working abgemildert werden, zeigt dieser Beitrag anhand von Szenarien auf, wie Unternehmen durch Vertrauen und Selbstmanagement häufige Probleme von New Ways of Working – wie die Isolation und die Vermischung von Arbeits- und Privatleben – erfolgreich adressieren können.

1 Einleitung

Durch die zunehmende Digitalisierung am Arbeitsplatz (Johns u. Gratton 2013) und das Bestreben der Unternehmen, inspirierende Arbeitsumfelder zu schaffen (Bakker u. Derks 2010), verändern sowohl Unternehmen als Arbeitgeber als auch deren Mitarbeiter als Arbeitnehmer ihre Einstellung zur Arbeit. Ein zentraler Bestandteil ist die Flexibilisierung der Arbeitsprozesse – ein Trend, der allgemein unter dem Begriff New Ways of Working zusammenfasst wird (Ten Brummelhuis et al. 2012). Es wird prognostiziert, dass im Jahr 2020 etwa 89 Prozent der Unternehmen weltweit ihren Mitarbeitern flexible Arbeitsplätze anbieten werden (Citrix 2012)Footnote 1. Viele Unternehmen haben bereits in den letzten Jahren ein oder mehrere Aspekte von New Ways of Working implementiert. Dabei subsumiert man unter diesem Konzept eine Vielzahl von verschiedenen Methoden der Arbeitsgestaltung, um sowohl eine zeitliche und örtliche Flexibilität der Mitarbeiter als auch die Flexibilität bei der Wahl der Kommunikationsmedien zu ermöglichen (Ten Brummelhuis et al. 2012). Im Fokus stehen dabei vor allem die Beschäftigten in dienstleistungsbezogenen und wissensbasierten Berufen, in denen das Arbeiten im Home Office oder im Co-Working Space zur Norm wird (z. B. Deloitte 2016). Der Nutzen für die Unternehmen ist bereits in verschiedenen Studien hervorgehoben worden (Sánchez et al. 2007): New Ways of Working soll zur Reduktion von operativen Kosten, gleichzeitig produktiveren Mitarbeitern und effizienteren Arbeitsprozessen führen (Rennecker u. Godwin 2005). Demnach soll das Arbeitsengagement und die Zufriedenheit der Mitarbeiter steigen, da die Mitarbeiter mehr Kontrolle über ihre Arbeitsprozesse bekommen (u. a. Gajendran u. Harrison 2007).

Auch wenn New Ways of Working eine Vielzahl an Vorteilen versprechen, sollten die Herausforderungen für die Unternehmen und die Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Mitarbeiter differenziert betrachtet werden. Deshalb hinterfragen Blok und ihre Kollegen (2011) in ihrem Literaturreview berechtigterweise, ob es einen nachweislichen Zusammenhang zwischen New Ways of Working und den angestrebten Unternehmenszielen gibt. Interessanterweise finden sie für eine Vielzahl dieser hypothetischen Beziehungen nur wenige oder keine wissenschaftlichen Belege. Auch Demerouti und ihre Kollegen (2014) nehmen eine kritische Position zu dieser flexibilisierten Arbeitsgestaltung ein, indem sie anmerken, dass häufig lediglich die vermeintlichen Effizienz- und Kosteneffektivitätsgewinne auf der organisationalen Ebene betrachtet werden, nicht aber, welchen Einfluss New Ways of Working auf die Mitarbeiter, deren Privatleben und deren Familien haben können. Denn die Flexibilität von New Ways of Working bedeutet gleichzeitig die Auflösung von zeitlichen und örtlichen Grenzen und die Möglichkeit, überall und jederzeit zu arbeiten und für die Kollegen und Führungskräfte quasi permanent erreichbar zu werden. Damit steigt das Risiko eines Erschöpfungsgefühls bei den Mitarbeitern (Derks u. Bakker 2010), weil der Arbeitstag bei einer Erreichbarkeit von »24 Stunden am Tag, an sieben Tagen in der Woche« niemals endet. Folglich führen New Ways of Working auf der einen Seite zu mehr Autonomie, auf der anderen Seite steigt mit dem Wandel hin zu einer indirekten, beziehungsweise ergebnisorientierten Steuerung im Unternehmen das Risiko einer interessierten Selbstgefährdung der Mitarbeiter, die für den beruflichen Erfolg ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit beispielsweise mehr als zwölf Stunden oder trotz Krankheit arbeiten (Krause et al. 2012). Realistisch betrachtet hat die Flexibilisierung bei der Wissensarbeit sowohl Vorteile (z. B. bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Zeitersparnis durch Wegfall des Arbeitsweges, Gewinn an zeitlicher Flexibilität, Kosteneinsparungen durch die Reduktion von Arbeitsfläche, Reduktion der Verkehrsbelastung) als auch Nachteile (z. B. Gefühl der Überlastung, ständige Erreichbarkeit, Herausforderungen für die Arbeit-Familien-Balance, Gefühl der Isolation, Gefahr der interessierten Selbstgefährdung).

Für die Zusammenarbeit mit Kollegen und Führungskräften ist im Kontext von New Ways of Working wichtig zu berücksichtigen, dass traditionelle Formen von (Führungs-)Verhalten schwierig und nicht zielführend sind (Scherm u. Süß 2000; Offelmann u. Zülch 2006). Deshalb müssen dezentralisierte Ansätze zur Sicherstellung der Zusammenarbeit gewählt werden. Ein Ansatz ist Vertrauen, das laut einer aktuellen Studie von De Leede und Kraijenbrink (2014) essenziell für den Erfolg von New Ways of Working ist. Vertrauen ist wichtig für die Menschen, um zusammenzuleben, miteinander zu kooperieren und ihr Verhalten und ihre Bemühungen zu koordinieren. Täglich erleben die Menschen eine Vielzahl von sozialen Situationen, in denen sie abhängig von dem teilweise unvorhersehbaren Verhalten anderer Menschen sind (z. B. Righetti u. Finkenauer 2011). Bei solch einer Ungewissheit kann Vertrauen eine Kooperation ermöglichen (De Cremer et al. 2001; Mulder et al. 2006), auch in Situationen wie New Ways of Working, wo eine Sicherstellung der Arbeitsleistung durch Überprüfung sowohl durch die Führungskräfte als auch durch die Kollegen nicht – oder nur bedingt – möglich ist. Dabei erzeugt ein Vertrauenssprung (Möllering 2001), indem eine Person sich entscheidet, der anderen Person zu vertrauen, ein Gefühl der Verpflichtung zum zielführenden, konformen Verhalten (Skinner et al. 2014). Dieses Gefühl entsteht auch aufgrund der Norm zur Reziprozität, die durch Vertrauen bedingt wird (Cox 2004). Mayer und seine Kollegen (1995) schlagen vor, dass drei Aspekte für die Entscheidung, ob mein Gegenüber vertrauenswürdig ist oder nicht, wichtig sind: Fähigkeit, Wohlwollen und Integrität (Mayer et al. 1995). Dabei konnten Righetti und ihre Kollegin Finkenauer (2011) in Experimenten nachweisen, dass es einen Einfluss auf die Bewertung der Vertrauenswürdigkeit einer Person hat, wenn man bei ihr die Fähigkeit zum Selbstmanagement wahrnimmt (Righetti u. Finkenauer 2011). Gerade im Kontext von New Ways of Working ist Selbstmanagement, also die eigenständige Sicherstellung des Arbeitsengagements durch den einzelnen Mitarbeiter (Breevaart et al. 2014) nicht nur ein Substitut für ein traditionelles Führungsverhalten (Manz u. Sims 1980), sondern eine wichtige Fähigkeit, um die gewonnene Flexibilität zielführend zu nutzen und auf der Basis von Vertrauen zusammenzuarbeiten.

Aus der Perspektive einer positiven Arbeits- und Gesundheitspsychologie (Bakker u. Derks 2010) und dem zugrunde liegenden Konzept der Salutogenese von Aaron Antonovsky widmen wir uns in diesem Beitrag der Fragestellung, welchen Nutzen und welche Herausforderungen New Ways of Working für Wissensarbeiter bieten und wie Vertrauen und Selbstmanagement deren zielführende Zusammenarbeit im Rahmen von New Ways of Working sicherstellen können.

2 Die Arbeitswelt im Jahr 2016: Digital, virtuell und flexibel

Der Begriff »Digitalisierung« umfasste ursprünglich lediglich den Wandel von analogen zu digitalen Informationen und Prozessen im technischen Sinne (Negroponte 1995). Im Zuge dieses Beitrags interessieren wir uns auch für die veränderten Verhaltensweisen und die neuen Anforderungen an die Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter aufgrund der Digitalisierung und die damit einhergehenden Möglichkeiten. Denn nicht nur der vermehrte Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglicht und erfordert neue Formen der Strukturierung und Organisation von Arbeit, Technologien und Menschen (De Leede u. Kraijenbrink 2014), sondern auch die Zunahme der Beschäftigen im Dienstleistungssektor, die vornehmlich Wissensarbeit erbringen, eröffnet die Chance zu mehr Flexibilität in der Arbeitswelt im Jahr 2016.

2 Definition von New Ways of Working

Neben der Digitalisierung stellt das Konzept von New Ways of Working gemäß der Definition von Blok und ihren Kollegen (2011) vor allem den Aspekt der Flexibilität in den Mittelpunkt (vgl. auch Ten Brummelhuis et al. 2012; De Leede u. Kraijenbrink 2014). Demnach wird in einem flexibilisierten Arbeitsumfeld von Wissensarbeitern erwartet, selbstständig zu entscheiden, wann sie arbeiten, wo sie arbeiten und wie sie arbeiten. Das wann impliziert dabei, dass die Mitarbeiter eine größere Autonomie haben, gemäß ihrer eigenen Präferenzen zu entscheiden, zu welcher Zeit sie arbeiten möchten. Diese schedule flexibility löst die fixen Arbeitszeiten wie das früher übliche »nine to five« ab. Das wo bezieht sich auf den Ort der Tätigkeit. Die Mitarbeiter können frei wählen, ob sie lieber im Büro, zu Hause, im Café, im Co-Working-Space oder auch während des Pendelns im Bus oder im Flugzeug arbeiten möchten. Im Unternehmen gibt es keine fest zugewiesenen, personalisierten Büroarbeitsplätze mehr (Kelliher u. Anderson 2008), sondern es werden neutrale Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt, die für alle Mitarbeiter, die an diesem Tag in das Büro kommen, angemessen und zugänglich sind (sogenannte »Hot Desks«). Das wie beziehungsweise mit welchen Kommunikationsmitteln bezieht sich in dieser flexibilisierten Arbeitswelt auf die verschiedenen Kommunikationskanäle, die den Mitarbeitern bei der Interaktion mit Kollegen, Führungskräften und Kunden zur Verfügung stehen. Dies kann Telefongespräche, E-Mail, Online Messaging oder (online) virtuelle Meetings (Ten Brummelhuis et al. 2012; De Leede u. Kraijenbrink 2014; Demerouti et al. 2014), aber auch das persönliche Face-to-Face-Treffen umfassen.

2 Nutzen von New Ways of Working für die Mitarbeiter und Unternehmen

Die Möglichkeiten der flexiblen Arbeitsgestaltung von New Ways of Working ergeben sich vor allem aus der in den letzten Jahren signifikant weiterentwickelten Informations- und Kommunikationstechnologie. Heutzutage ist die E-Mail die am weitesten verbreitete Form der computergestützten Kommunikation in Unternehmen. Dabei können die Menschen auch über geografische Distanz hinweg in Kontakt miteinander treten (Renaud et al. 2006). Die Kommunikation via E-Mail ermöglicht es, Informationen aus vielen verschiedenen Quellen zu erhalten (Demerouti et al. 2014). Mit der zunehmenden Verbreitung von mobilen Endgeräten wie Smartphones erreicht die E-Mail-Kommunikation eine neue Dimension: Die Mitarbeiter sind heutzutage mit ihren mobilen Endgeräten zu jeder Zeit und an (fast) jedem Ort erreichbar (Derks u. Bakker 2010; Demerouti et al. 2014). Dabei können sie mit ihrem Smartphone nicht nur telefonieren und berufliche E-Mails schreiben und empfangen, sondern auch auf den Kalender (Middleton 2008), das Firmennetzwerk und die entsprechenden Softwareanwendungen sowie unternehmensinternen Informationen zugreifen. Wie Demerouti und ihre Ko-Autoren (2014) weiter ausführen, hat das Smartphone das Potenzial, die Ansprechbarkeit und die Verfügbarkeit von Informationen in Echtzeit zu erhöhen, die Entscheidungsfindung zu beschleunigen und die Flexibilität bei der Arbeitszeiteinteilung zu vergrößern. Neben dem Nutzen, der sich aus der intensiven Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologie ergibt, zeichnen sich New Ways of Working vor allem auch durch ihre Flexibilität aus. New Ways of Working eröffnen den einzelnen Mitarbeitern die Chance, eine bessere Balance zwischen den Domänen Arbeit, Freizeit und Familie zu finden (»Work-Life- und Work-Family-Balance«), indem sie sich die Zeit für ihre Arbeits- und Privataktivitäten so einteilen, wie es am besten zu ihrer aktuellen Situation passt (vgl. z. B. Collins et al. 2013; Dahm 2011; Park et al. 2011). Dies geht einher mit einem gestiegenen Gefühl der Autonomie (Gajendran u. Harrison 2007). Zusammenfassend, auch basierend auf den aktuellen Studien von Citrix (2012), Bitkom (2013), dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2015) und Deloitte (2016), können folgende Vorteile von New Ways of Working aus Sicht der Arbeitnehmer und Arbeitgeber festgehalten werden:

  • Bessere Vereinbarkeit von Arbeit, Freizeit und Familie für die Arbeitnehmer (»Work-Life- und Work-Family-Balance«)

  • Zeit- und Kostenersparnis durch den Wegfall des Arbeitsweges

  • Gewinn an zeitlicher und örtlicher Flexibilität

  • Gefühl der Autonomie durch mehr Kontrolle über den eigenen Arbeitstag und den Prozess der Leistungserbringung

  • Generelle Kosteneinsparungen für die Arbeitgeber (weniger Arbeits- und Büroflächen, Büroausstattung, Büromaterial usw.)

  • Reduktion der Verkehrsbelastung für die Gesellschaft als Ganzes aufgrund von weniger Fahrten der Arbeitnehmer zum Arbeitsplatz im Büro

2 Herausforderungen für die Mitarbeiter und Führungskräfte durch New Ways of Working

Auch wenn in zahlreichen Studien die Vorteilhaftigkeit von New Ways of Working hervorgehoben wird, entstehen dadurch auch diverse Herausforderungen. Bereits im Jahr 1985 haben Hiltz und Turoff vorausgesehen, dass mit der Verbreitung von E-Mails die Mitarbeiter sich mit Schwierigkeiten beim Management von eingehenden Nachrichten konfrontiert sehen werden (Hiltz u. Turoff 1985). Es kann ein Gefühl der Überlastung nicht nur durch die Anzahl und Länge der E-Mail-Nachrichten (Rennecker u. Derks 2012), sondern auch durch den Druck, schnell zu antworten entstehen (Derks u. Bakker 2010; Thomas et al. 2006). Darüber hinaus kann die Flexibilität von New Ways of Working und insbesondere auch die Nutzung von elektronischen Kommunikationsmitteln den Arbeitstag in den Abend, das Wochenende und den Urlaub verlängern und sich damit negativ auf das Privat- und Familienleben auswirken (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2015). Durch die intensive Nutzung von mobilen Endgeräten kann eine Norm im Unternehmen entstehen, die sich durch nomadisches Arbeiten und kontinuierliche Kommunikation auszeichnet (Hassan 2003). Die Möglichkeit zur permanenten Verbundenheit breitet sich in neue Umgebungen aus und resultiert in einem neuen Grad an ständiger Verfügbarkeit und Ansprechbarkeit allerorts (Pangert u. Schüpbach 2013). Es gibt Indikatoren dafür, dass das Verschwimmen dieser Grenzen die Ausgewogenheit von Arbeits- und Privatleben verschlechtert (Jarvenpaa u. Lang 2005). Des Weiteren haben Studien gezeigt, dass die Mitarbeiter von einem Gefühl der Isolation berichten, Schwierigkeiten haben, ohne Struktur zu arbeiten und der Wissens- und Informationsaustausch mit den Kollegen und Führungskräften erschwert ist (z. B. Cascio 2000). Folglich ergeben sich, auch basierend auf den Studien von Citrix (2012), Bitkom (2013), des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (2015) und von Deloitte (2016), folgende Herausforderungen für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einem Umfeld der New Ways of Working:

  • Gefühl der Überlastung durch Anzahl und Länge der E-Mails sowie Gefühl von Druck, schnell zu antworten

  • Ständige Erreichbarkeit: Der Arbeitstag wird teilweise in den Abend, das Wochenende oder den Urlaub verlängert

  • Herausforderungen für die Work-Life- und Work-Family-Balance durch fließende Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben

  • Die Arbeit von zu Hause führt zu einem Gefühl der Isolation von den Kollegen

  • Die Virtualität erschwert den Wissens- und Informationsaustausch zwischen Kollegen

New Ways of Working haben damit Auswirkungen sowohl auf das Arbeits- als auch auf das Privatleben, mit weitreichenden Folgen für die Gesundheit der Mitarbeiter. Mit dem Wandel hin zu einer indirekten beziehungsweise ergebnisorientierten Steuerung im Unternehmen steigt auch das Risiko einer interessierten Selbstgefährdung der Mitarbeiter. Das Konzept der interessierten Selbstgefährdung umfasst die persönlichen Arbeitshandlungen im Interesse des beruflichen Erfolgs ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit, wie beispielsweise »krank zur Arbeit kommen, auf Erholungspausen oder Urlaub verzichten, am Wochenende oder nachts arbeiten« (Krause et al. 2012, S. 192). In der bisherigen Forschung wird deutlich, dass vor allem für die folgenden Aspekte von Gesundheitsmanagement im Unternehmen eine Herausforderung durch New Ways of Working besteht:

  • Work-Life- und Work-Family-Balance: Fehlende Trennung von Arbeit und Privatleben kann den Erholungsprozess stören (u. a. Geurts u. Sonnentag 2006; Ten Brummelhuis et al. 2010) und Stress verursachen (Mann u. Holdsworth 2003), auch mit der Familie (Middleton 2008)

  • Gefahr der fehlenden Erholung, da durch die permanente Erreichbarkeit nicht mehr »abgeschaltet« werden kann (u. a. Demerouti et al. 2014; Meijman u. Mulder 1998; Rook u. Zijlstra 2006)

  • Damit einhergehendes mangelndes Wohlbefinden (z. B. Schlafstörungen, Müdigkeit, u. a. Grebner et al. 2005; Van Hooff et al. 2006)

  • Risiko von Erschöpfung, da die flexibilisierte Arbeit anstrengender sein kann und Extraaufgaben erforderlich sind (u. a. Ten Brummelhuis et al. 2012; Kattenbach et al. 2010)

  • Risiko von interessierter Selbstgefährdung der Mitarbeiter (u. a. Krause et al. 2012)

3 New Ways of Working am Beispiel der Schweiz

New Ways of Working ist ein weltweiter Trend, der durch den Wandel hin zur Dienstleistungs- und Wissensarbeit ermöglicht wird. Diese Entwicklung wird hier exemplarisch am Beispiel der Schweiz dargestellt, weil die Schweiz im internationalen Vergleich einen der höchsten Werte für wissensbasierte Berufe aufweist. Die aktuelle Schweiz-Studie »Der Arbeitsplatz der Zukunft« der Beratungsfirma Deloitte (2016) nutzt die Ergebnisse einer Befragung, die 2015 vom Bundesamt für Statistik (BFS), der Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Zürich und dem Befragungsinstitut Research Now durchgeführt wurde. Insgesamt 1.000 in der Schweiz wohnhafte Personen im erwerbsfähigen Alter nahmen an der repräsentativen Umfrage teil. Zusätzlich wurden persönliche Interviews mit Experten unter anderem der AXA Winterthur, Microsoft Schweiz, SBB, Swisscom und der Schweizerischen Post durchgeführt. Aktuell arbeiten 75 Prozent der Schweizer Beschäftigten im Dienstleistungssektor. Durch den Übergang von der Agrar- und Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft kommt den wissensbasierten Berufen somit eine immer größere Bedeutung zu. Die Wissensarbeit umfasst all jene Tätigkeiten, die vorwiegend aus wissens- und logikbasierter Kopfarbeit bestehen und nicht-routinemäßige Probleme durch nichtlineares und kreatives Denken lösen (Reinhardt et al. 2011). In der Schweiz ist die Anzahl der Beschäftigten in wissensintensiven Tätigkeiten seit 2008 von rund 1,7 Mio. auf 1,9 Mio. Beschäftigte gestiegen. Dieses entspricht einer Zunahme von 14 Prozent. Gemessen an der Zahl der Gesamtbeschäftigung hat der Anteil wissensintensiver Tätigkeiten im selben Zeitraum von 40 Prozent auf 43 Prozent zugenommen; die Schweiz ist damit ein internationaler Spitzenreiter. Im Vergleich dazu beträgt der Durchschnitt für die EU 36 Prozent und in den USA hat die Wissensarbeit einen Anteil von 38 Prozent (Deloitte 2016).

Dabei eröffnet die Zunahme von dienstleistungsbezogenen und wissensbasierten Berufen auf der einen Seite und die fortschreitende Digitalisierung auf der anderen Seite für die Menschen die Chance, orts- und zeitunabhängig arbeiten zu können. Schweizer Unternehmen setzen auf flexible Arbeitsplatzmodelle und ermöglichen es ihren Mitarbeitern, von zu Hause aus oder in Co-Working-Spaces zu arbeiten. Die Deloitte-Studie zeigt, dass 28 Prozent der Schweizer Beschäftigen zumindest teilweise im Home Office arbeiten (Deloitte 2016). Der Anteil an Home-Office-Arbeit in der Schweiz dürfte in den nächsten Jahren weiter zunehmen – insgesamt könnte etwa die Hälfte aller Beschäftigten in der Schweiz mobil oder von zu Hause aus arbeiten (Weichbrodt 2014). Hinzu kommt, dass dies von den Arbeitnehmern selbst gewünscht wird: Von den 72 Prozent der Schweizer Befragten, die noch kein Home Office machen, möchten 29 Prozent dies gerne tun (Deloitte 2016). Mit dieser Entwicklung hin zu flexibleren Arbeitsplatzmodellen liegt die Schweiz im weltweiten Trend. Gemäß einer globalen Umfrage von Citrix hatte 2012 jedes vierte der 1.900 befragten Unternehmen breitflächig mobile Arbeitsformen eingeführt. 2020 dürfte dieser Anteil auf 89 Prozent steigen. Dazu schaffen die meisten Unternehmen fixe Arbeitsplätze ab und setzen auf Hot-Desking, also neutrale, für alle nutzbare Arbeitsplätze, mit Folgen für die Anzahl der Arbeitsplätze. Laut der Citrix-Studie dürfte die Anzahl physischer Arbeitsplätze pro zehn wissensbasierte Mitarbeiter auf sieben physische Arbeitsplätze bis zum Jahr 2020 abnehmen (Citrix 2012). Hier zeigt sich erneut, wie weit fortgeschritten die Schweizer Betriebe zum Teil sind. Bereits jetzt existieren bei den Firmen SBB, Swisscom und der Schweizerischen Post pro zehn Mitarbeiter nur acht physische Arbeitsplätze. Bei Microsoft Schweiz kommen auf zehn Mitarbeiter sogar nur sechs physische Arbeitsplätze (Deloitte 2016).

Doch was sollten Unternehmen bei der Implementierung von New Ways of Working beachten? Die Schweizer Experten geben dafür in der Studie von Deloitte (2016) einige Handlungsempfehlungen:

  • Mitarbeiter sollten nicht nur von zu Hause arbeiten, sondern es sollte Tage mit Anwesenheitspflicht geben

  • Klare Abstimmung im Team, wer wann wo ist und wann alle verfügbar sind

  • Geeignete Balance im Team zwischen Anwesenheit und Abwesenheit schaffen

  • Clean-Desk-Policy einführen, sodass am nächsten Tag ein neuer Mitarbeiter denselben Arbeitsplatz nutzen kann (»Hot Desks«)

  • Gemeinschaftsgefühl im Team durch Zuordnung von bestimmten flexiblen Arbeitsplätzen an ein bestimmtes Team stärken, flankiert mit Teamevents

  • Begegnungszonen im Unternehmen aktiv gestalten, damit sich die Mitarbeiter bei Anwesenheit im Büro in entspannter Atmosphäre austauschen können

  • Das Unternehmen als einen Ort kreieren, an dem sich die Mitarbeiter wohlfühlen, z. B. durch eine Aufwertung der Einrichtung und die Einführung von Ruhezonen, Lounge-Bereichen und großen Cafeterien

Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung dieser praktischen Handlungsempfehlungen ist die entsprechende Unternehmens- und Führungskultur. Denn das Verhalten und die Führung sind kritische Erfolgsfaktoren für die zielführende Implementierung von New Ways of Working in Unternehmen (De Leede u. Kraijenbrink 2014). Damit die oben genannten Aspekte von den Mitarbeitern erfolgreich angenommen, berücksichtigt und umgesetzt werden, muss eine Kultur vorhanden sein, die von Vertrauen und Selbstmanagement gekennzeichnet ist, wie im Folgenden dargelegt wird.

4 Vertrauen, Selbstmanagement und Unternehmenskultur in New Ways of Working

Im Kontext von New Ways of Working ist es wichtig zu berücksichtigen, dass traditionelle Formen von (Führungs-)Verhalten durch die physische Verteilung der Mitarbeiter über verschiedene Arbeitsorte schwierig sind. In der heutigen digitalisierten Arbeitswelt ist Vertrauen deshalb essenziell (Bijlsma-Frankema u. Koopman 2004; Offelmann u. Zülch 2006). Auch die Fähigkeit zum Selbstmanagement, also die eigenständige Sicherstellung des Arbeitsengagements durch den einzelnen Mitarbeiter, ist im New-Ways-of-Working-Arbeitsumfeld ein Substitut für traditionelles Führungsverhalten. »Unter den Bedingungen zunehmender Virtualität und Flexibilität muss Führung noch stärker als bisher befähigen: Rahmenbedingungen müssen so gestaltet werden, dass eine selbstgesteuerte, eigenverantwortliche Aufgabenerledigung der Mitarbeiter möglich wird (Felfe et al. 2014, S. 146). Im Sinne einer Salutogenese, also einer auf positive Veränderungen ausgerichteten Gesundheitsförderung, kann durch eine Vertrauens- und Selbstmanagementkultur die arbeitsbezogene Gesundheit unterstützt und ein Aufblühen (»flourishing«) und die Entfaltung der Mitarbeiter ermöglicht werden (Fredrickson u. Dutton 2008). Dabei sehen sich die Mitarbeiter und Führungskräfte mit verschiedenen Chancen und gleichzeitig mit einigen Herausforderungen konfrontiert.

4.1 Vertrauen als Bestandteil der Unternehmenskultur

Je flexibler Unternehmen sind, desto größer ist der Bedarf an Vertrauen (Ducki 2012). Hierbei heben De Leede und Kraijenbrink (2014) hervor, dass die Einführung von New Ways of Working kein Allheilmittel an sich ist, sondern lediglich als Möglichkeit angesehen werden kann, die Mitarbeiter auf Basis von Vertrauen zu organisieren (De Leede u. Kraijenbrink 2014). Gemäß der häufig zitierten Vertrauensdefinition von Mayer und seinen Kollegen (1995) bezeichnet Vertrauen die »willingness of a party to be vulnerable to the actions of another party based on the expectation that the other will perform a particular action important to the trustor, irrespective of the ability to monitor or control that other party« (Mayer et al. 1995, S. 712). Demzufolge ermöglicht Vertrauen eine Zusammenarbeit auch in Situationen, in denen eine Überprüfung nicht oder nur bedingt möglich ist. Mit dem gewährten Vertrauensvorschuss verhalten sich die Individuen aufgrund positiver Erwartungen so, als wenn kein Risiko der Ausnutzung bestünde (Möllering 2001). Zusätzlich ergibt sich aus Vertrauen eine gewisse Verpflichtung (Skinner et al. 2014): Wenn jemand anderes bestimmte Erwartungen an einen richtet, ist es schwierig, sich aufgrund der Norm zur Reziprozität nicht konform zu verhalten (Cox 2004; Rigdon 2009; Carlin u. Love 2011). Darüber hinaus erzeugt Vertrauen ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, eine Art inneren Drang, die Kollegen und die Führungskräfte nicht hängen zu lassen (Shiue et al. 2010). Infolgedessen steigt mit Vertrauen der Grad an Kooperation (De Cremer et al. 2001; Mulder et al. 2006), wobei die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit, die sich aus Fähigkeit, Wohlwollen und Integrität zusammensetzt (Mayer et al. 1995), wichtig für die Vertrauensentscheidung ist:

  • Fähigkeit bezieht sich dabei auf die Fertigkeiten und Eigenschaften, die es dem Individuum ermöglichen, vom Interaktionspartner als kompetent wahrgenommen zu werden.

  • Wohlwollen bezieht sich auf gute Absichten und das Ausmaß, bis zu welchem einem Individuum zugetraut wird, anderen über die persönlichen Beweggründe oder den individuellen Nutzen hinaus zu helfen.

  • Integrität als dritter Aspekt der Vertrauenswürdigkeit bezieht sich auf das Ausmaß, bis zu welchem jemandem zugetraut wird, sich an gewisse Prinzipien zu halten, die das Individuum für das Gegenüber als zuverlässig und glaubwürdig erscheinen lässt.

Bei Vertrauen im Kontext von New Ways of Working bestehen einige Besonderheiten in der Art und Weise, wie Vertrauen aufgebaut und zum Ausdruck gebracht wird. Denn aufgrund der häufigen virtuellen Kooperation zwischen den einzelnen Mitarbeitern sind direkte verbale Kommunikation und visuelle Hinweisreize wie z. B. Mimik und Gestik nicht oder nur eingeschränkt gegeben. Folglich ist ein bewusstes digitales Kommunikationsverhalten wichtig, z. B. die explizite Verschriftlichung von Engagement, Freude und Optimismus, um eine Vertrauensentwicklung mit den Interaktionspartnern zu ermöglichen (Jarvenpaa u. Leidner 1999). Vertrauen in einer digitalisierten Arbeitswelt drückt sich unter anderem dadurch aus, dass Versäumnisse oder eine Verringerung der Kommunikation durch den anderen verziehen und gegebenenfalls externen Faktoren zugeschrieben werden (Jarvenpaa et al. 2004). Vertrauende Personen würden folglich das digitale Schweigen des anderen eher technischen Problemen zuschreiben, wohingegen nicht-vertrauende Personen eben dieses Schweigen als willentliche Arbeitsverweigerung des Interaktionspartners interpretieren (Cramton 2001; Piccoli u. Ives 2003). Eine Person, die den anderen vertraut, nimmt an, dass die anderen an der Aufgabe arbeiten – egal ob mit oder ohne Kommunikation und Interaktion (Dirks u. Ferrin 2001; Jarvenpaa et al. 2004). Kritisch betrachtet besteht in der virtuellen Zusammenarbeit ohne Sichtkontakt der Interaktionspartner gleichzeitig ein (größeres) Risiko, dass das Vertrauen ausgenutzt wird und der Vertrauensnehmer sich nicht konform verhält (z. B. Alnuaimi et al. 2010).

In ihrer Fallstudie zu New Ways of Working in einem niederländischen Versicherungsunternehmen konnten De Leede und Kraijenbrink (2014) zeigen, dass die Leistung der Mitarbeiter ansteigt, wenn sie das Gefühl haben, dass ihnen ihre Führungskräfte und ihre Kollegen vertrauen, »obwohl« sie zu Hause oder in einem flexiblen Büro arbeiten. Auch Badura und Walter (2014) weisen darauf hin, dass Mitarbeiter, die Vertrauen in ihre Führungskraft haben, bessere Arbeit leisten. Diese Erkenntnis deckt sich mit den Forschungsergebnissen von Peters und Kollegen (2014), die herausfanden, dass »solely implementing of a bundle of new working conditions on the job-category level does not suffice to achieve the desired positive work outcomes« (Peters et al. 2014, S. 13). Vertrauen ist in diesem flexiblen Arbeitskontext eine wichtige Jobressource (Peters et al. 2014; De Leede u. Kraijenbrink 2014). Auch aus der Literatur zu virtuellen Teams ist bekannt, dass Vertrauen essenziell für erfolgreiche und zufriedene Mitarbeiter bei der Arbeit über Distanz hinweg ist – sowohl Vertrauen zwischen Mitarbeitern und Führungskräften als auch Vertrauen zwischen Kollegen (vgl. z. B. De Leede et al. 2008; De Leede u. Kraijenbrink 2014; Jarvenpaa u. Leidner 1999).

Es liegt an den Unternehmen, eine Vertrauenskultur als Teil der Organisationskultur zu etablieren. Dabei wird eine Unternehmenskultur »…geprägt durch Vorgesetzte, die überdurchschnittlichen Einfluss in der Organisation haben, sei es durch ihre unmittelbaren Anweisungen oder dadurch, dass sie als Vorbild wirken oder prägen« (Von Rosenstiel 2007, S. 388). Eine Vertrauenskultur manifestiert sich dadurch, wie Entscheidungen getroffen oder Handlungen durchgeführt werden und wird auch beeinflusst durch die Art der Kommunikation. Dabei lebt Vertrauen von Erfahrungen (Lewicki u. Bunker 1995). Für die Entwicklung einer Vertrauenskultur im Unternehmen können die Führungskräfte eine Vorbildrolle übernehmen, indem sie ihren Mitarbeitern einen Vertrauensvorschuss (Möllering 2001) gewähren und die Mitarbeiter dies mit reziprokem Verhalten honorieren (Cox 2004; Rigdon 2009; Carlin u. Love 2011). Aber nicht nur zwischen Führungskräften und Mitarbeitern, sondern auch bei den Kollegen untereinander ist Vertrauen wichtig. Denn die Kollegen in einer flexibilisierten, virtuellen Arbeitswelt müssen sich darauf verlassen können, dass alle Aufgaben erledigt werden und nicht die Kollegen im Home Office nur die »angenehmen« Teile der Arbeit übernehmen und die »unangenehmen« für die Kollegen im Büro übrig lassen (De Leede u. Kraijenbrink 2014).

Doch wie lassen sich die Herausforderungen von New Ways of Working durch Vertrauen lösen? Das folgende Szenario soll die Rolle von Vertrauen im Kontext von New Ways of Working exemplarisch aufzeigen.

Herausforderung: Die Arbeit im Home Office oder Co-Working Spaces führt bei den Mitarbeitern zu einem Gefühl der Isolation und einer Unsicherheit bezüglich der Leistungserbringung von den Kollegen.

  • Im Sinne einer Vertrauenskultur im Unternehmen sollten sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiter versuchen, den eigenen Arbeitsstil (u. a. Zeiten, Rhythmus, Erreichbarkeit) zumindest teilweise mit den Arbeitsstilen der Interaktionspartner zu synchronisieren. Damit demonstriert man Wohlwollen zur Zusammenarbeit – ein wichtiger Bestandteil von Vertrauen. Ein gleicher Arbeitsstil führt dabei zu einem Gefühl der Zusammengehörigkeit (Nikolova et al. 2015) und wirkt folglich dem Gefühl der Isolation und Unsicherheit bezüglich der Kooperation entgegen.

  • Eine regelmäßige und offene Kommunikation mit den Kollegen und Führungskräften signalisiert vor allem in virtuellen Situationen, in denen man sich nicht sieht, dass man engagiert ist und an einem guten Ergebnis im Interesse aller Beteiligten arbeitet. Der Austausch von Wissen und Informationen mit den Kollegen liefert eine Vertrauensgrundlage für zukünftige Interaktionen (Jarvenpaa et al. 2004). Eine regelmäßige Kommunikation – per E-Mail oder Telefon – hilft den Interaktionspartnern bei der Einschätzung des Engagements, weil eine »traditionelle« Überprüfung nicht oder nur bedingt möglich ist. Wenn Vertrauen herrscht, wird ein »digitales Schweigen« beispielsweise aufgrund von anderweitigen Verpflichtungen nicht missbilligend gewertet.

  • Zusätzlich sollte es fest vereinbarte Tage der Anwesenheit im Büro geben, an denen alle Teammitglieder physisch am selben Ort sind (Deloitte 2016), um durch eine persönliche Face-to-Face-Interaktion Vertrauen aufzubauen und das Gefühl der Zugehörigkeit und Verbundenheit zu den Kollegen, zur Abteilung und zum Unternehmen zu stärken.

Wie die obigen Ausführungen zeigen, ist eine Vertrauenskultur eine wichtige Bedingung für eine ergebnisorientierte, flexible Arbeitswelt im Kontext von New Ways of Working. Allerdings kann man Vertrauen nicht »erzwingen«, sondern lediglich dessen Entwicklung unterstützen (Luhmann 2000; Osterloh u. Weibel 2006). Auch ist Vertrauen kein Allheilmittel, um allen Herausforderungen von New Ways of Working zu begegnen und eine arbeitsbezogene Gesundheitsförderung zu erreichen. Jedoch kann Vertrauen in seiner positiven, kooperationsfördernden Kraft viele Risiken von New Ways of Working abmildern. Dabei vertrauen die Führungskräfte und Kollegen auch in der Erwartung, dass die Vertrauensnehmer die an sie gestellten Aufgaben eigenverantwortlich erledigen werden. Damit ist die individuelle Fähigkeit zum Selbstmanagement nicht nur im flexibilisierten Arbeitskontext wie New Ways of Working im Allgemeinen essenziell, sondern ganz besonders wichtig in einer von Vertrauen geprägten Unternehmenskultur, wie im Folgenden dargestellt wird.

4.2 Eine Selbstmanagementkultur im Unternehmen etablieren

Durch die zunehmende Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort sind die Mitarbeiter nicht länger unter der konstanten und direkten Supervision von Kollegen und Führungskräften. Folglich wird die Fähigkeit zum selbstständigen Arbeiten wichtiger. Die Mitarbeiter müssen selbst die Führung über sich und ihre Tätigkeit übernehmen und ihr eigenes Arbeitsengagement sicherstellen. Selbstmanagement bezieht sich dabei auf das Management und die Kontrolle der Mitarbeiter über ihr eigenes Verhalten anstelle der externen Kontrolle durch ihre Führungskraft. Ebenso bedeutet es, dass die Mitarbeiter für ihre selbst getroffenen Entscheidungen verantwortlich sind (Breevaart et al. 2014). Interessanterweise sehen Manz und Sims (1980) im Selbstmanagement ein Substitut für Führungseffekte, weil die Individuen beim Selbstmanagement selbst die typischen Führungsaufgaben wie Leistungskontrolle, korrigierende Aktivitäten und Ressourcensuche übernehmen und ausführen. Dabei bedeutet Selbstmanagement auch, dass die Mitarbeiter trotz nicht gegebener externer Kontrolle gegebenenfalls Entscheidungen treffen, die für sie als Individuum selbst weniger attraktiv, aber für das Team oder das Unternehmen insgesamt wünschenswert sind (Manz u. Sims 1980; Breevaart et al. 2014). Insgesamt hat die bisherige Forschung zu Selbstmanagement gezeigt, dass Individuen, die sich selbst managen, zufriedener mit ihrer Arbeit und ihrer Karriere sind, mehr leisten und eine höhere Selbstwirksamkeit haben (Murphy u. Ensher 2001; Raabe et al. 2007; Uhl-Bien u. Graen 1998). Gemäß Houghton und Neck (2002) umfasst Selbstmanagement die folgenden Aktivitäten:

  • Selbstbeobachtung

  • selbstständig Ziele setzen

  • Selbsterinnerung

  • Selbstbelohnung

  • Selbstbestrafung

Dabei haben Frayne und Latham (1987) mit ihrer Forschung zu Selbstmanagement-Trainings bereits vor fast 30 Jahren gezeigt, dass Selbstmanagement trainiert werden kann. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend haben Frayne und Geringer (2000) ein Schulungsprogramm für Organisationen entwickelt, wobei sich in der Pilotstudie eine Gruppe von 15 Schulungsteilnehmern einmal pro Woche mit ihrem Trainer traf. Während dieser zweistündigen Treffen erhielten die Teilnehmer Vorlesungen, betrachteten gemeinsam Fallstudien und führten Gruppendiskussionen zu spezifischen Selbstmanagementstrategien durch. Im Vergleich zur Kontrollgruppe verbesserte sich deren Selbstwirksamkeit und Arbeitsleistung. Interessanterweise steigerte sich die Arbeitsleistung der Teilnehmer auch ein Jahr nach dem Training weiter (Frayne u. Geringer 2000). Die Ertüchtigung und Sensibilisierung der Belegschaft durch solche Selbstmanagementschulungen eröffnet den Unternehmen die Möglichkeit, ihre Mitarbeiter gezielt auf die veränderten Anforderungen von New-Ways-of-Working-Arbeitsumfeldern im Zuge eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements vorzubereiten. Durch die regelmäßige Arbeit bei physischer Abwesenheit vom Büro liegt auch die Verantwortung und Zuständigkeit für die Gesundheit, z. B. die Arbeitsplatz- und Pausengestaltung, vermehrt beim Mitarbeiter selbst, während der Arbeitsschutz durch das Betriebliche Gesundheitsmanagement unterstützender Natur wird (Ducki 2015; Lüdemann 2015). Deshalb sind Trainings zweckdienlich, auch weil Selbstmanagement »ansteckend« sein kann. Wenn ein Mitarbeiter bei einem Kollegen oder einer Führungskraft die Ausübung von Selbstmanagement wahrnimmt, steigert es den eigenen Grad an Selbstmanagement (Ackerman et al. 2009), was die Beziehungsqualität verbessern kann und somit dem Wohle der Beziehung förderlich ist. Denn Beziehungen sind am besten, wenn beide Partner ein hohes Level an Selbstmanagement haben (Vohs et al. 2011; Righetti u. Finkenauer 2011).

Doch wie lassen sich die Herausforderungen von New Ways of Working durch Selbstmanagement lösen? Das folgende Szenario soll die Rolle von Selbstmanagement im New Ways of Working exemplarisch aufzeigen.

Herausforderung: Die fließenden Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben können den Erholungsprozess stören und Stress bei den Mitarbeitern verursachen (Herausforderungen für die Work-Life- und Work-Family-Balance)

  • Im Sinne von Selbstmanagement und wie es für Verhaltensänderungen nötig ist, ist als erster Schritt zur Veränderung ein Bewusstsein für die aktuelle Situation zu erlangen (Bandura 1977). Deshalb muss der Mitarbeiter sich selbst dafür sensibilisieren, dass seine Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben verschwimmen. Dies kann beispielsweise dadurch erreicht werden, dass man mittels einer reflektierten Selbstbeobachtung einen durchschnittlichen Arbeitstag in einer New-Ways-of-Working-Arbeitswelt mit Zeitangaben, Arbeitsorten und Kommunikationsmedien erstellt.

  • Anschließend können die persönlichen Ziele und einzelnen Verantwortlichkeiten aufgeschrieben und nach Wichtigkeit und Präferenzen priorisiert werden. Da dies sowohl Arbeitsaufgaben und -zeiten als auch Tätigkeiten im Haushalt, Aufgaben als Vater/Mutter oder Ehemann/Ehefrau, Freizeitaktivitäten etc. umfasst, ermöglicht es die Planung einer »optimalen Woche«. Dafür ist es wichtig, sich sowohl mit seiner Familie und mit Freunden als auch mit seinen Kollegen und Führungskräften abzustimmen. Indem der Mitarbeiter ein derartiges Selbstmanagement demonstriert, wird er sowohl von den Kollegen als auch von den Führungskräften als vertrauenswürdiger wahrgenommen (Righetti u. Finkenauer 2011). Das »geschenkte« Vertrauen der Kollegen und Führungskräfte wiederum bedingt reziprokes konformes Verhalten (Cox 2004; Rigdon 2009; Carlin u. Love 2011) und motiviert damit wiederum Selbstmanagement beim Vertrauensnehmer.

  • Da die Mitarbeiter sich nun selbst organisieren, werden sie zu selbstständigen Gesundheitsmanagern (Lüdemann 2015) und müssen selbstständig genügend Erholungsphasen für sich einplanen oder sich um die Arbeitsplatzgestaltung kümmern. Wichtig ist es deshalb auch, den erstellten Zeitplan mit dem tatsächlichen Tages-/Wochenablauf zu vergleichen und – wo nötig – Anpassungen vorzunehmen (vgl. Demerouti et al. 2014).

Neben den genannten Vorteilen wie einer größeren Zufriedenheit, einer höheren Performanz und der Möglichkeit, Selbstmanagementkompetenzen in Trainings zu verbessern, unterscheiden sich Menschen grundsätzlich hinsichtlich ihrer Disposition zur Selbstmanagementfähigkeit (Tangney et al. 2004). Das bedeutet, dass die Fähigkeit sich selbst zu managen auch von der Neigung und Veranlagung des Individuums abhängt und damit nicht für jeden in der gleichen Ausprägung erlernbar und nutzbar ist. Daher merken De Boer und seine Kollegen (2015) an, dass die Mitarbeiter mit einem hohen Grad an Selbstmanagementkompetenz eher von flexibleren Arbeitsmodellen profitieren, weil sie besser mit den Möglichkeiten eigenverantwortlicher Kontrolle und entsprechender Verpflichtungen umgehen können. Im Gegensatz dazu führt die Autonomie, wie sie New Ways of Working bietet, bei Individuen mit einer geringer ausgeprägten Fähigkeit zum Selbstmanagement zu schlechteren Arbeitsergebnissen und gegebenenfalls zu Burnout (z. B. Schmidt et al. 2007; De Boer et al. 2015). Zusätzlich handelt es sich beim Selbstmanagement um eine begrenzte Ressource. In verschiedenen Experimenten wurde bereits vor 20 Jahren nachgewiesen, dass »das Vermögen«, sich selbst zu managen und zu kontrollieren, bei zu starker Beanspruchung eben diese Fähigkeiten abnehmen (z. B. Baumeister u. Heatherton 1996; Muraven et al. 1998). Folglich ist es wichtig, die Fähigkeit zum Selbstmanagement bei der Personalauswahl, bei der Arbeitsvergabe und der Aufgabenzuteilung zu berücksichtigen. Die Etablierung einer Selbstmanagementkultur und von Selbstmanagement-Trainings allein reicht demnach nicht aus, um allen Herausforderungen von New Ways of Working erfolgreich zu begegnen. Dennoch ist eine Selbstmanagementkultur ein wichtiger Bestandteil, der hilft, die Risiken eines flexiblen Arbeitsumfeldes zumindest teilweise abzumildern und sollte fest im Gesundheitsmanagement verankert werden.

5 Zusammenfassung

Die Entwicklung hin zu mehr Flexibilität in der Arbeitswelt bietet interessante Chancen für eine inspirierende Arbeit. Gleichzeitig sind New Ways of Working aber auch eine große Herausforderung für die Unternehmen. Ein richtiger Umgang der Mitarbeiter und Führungskräfte mit der gewonnenen Flexibilität und der damit einhergehenden permanenten Erreichbarkeit ist wichtig und muss im Sinne eines ganzheitlichen Betrieblichen Gesundheitsmanagements unterstützt werden. Denn mit New Ways of Working geht nicht nur eine Veränderung im Umgang mit der Informations- und Kommunikationstechnologie einher, sondern sie erfordern auch Verhaltensänderungen in der Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern und den Führungskräften, ebenso wie bei der Zusammenarbeit unter Kollegen. Indem die Mitarbeiter flexibler in der Wahl von Ort und Zeit für die Erledigung ihrer Arbeit sind, nimmt der Anteil des selbstständigen Arbeitens zu. Dies erfordert nicht nur ein neues Verständnis von Führung, sondern stellt auch verschiedene neue Anforderungen an jeden einzelnen Mitarbeiter (Breevaart et al. 2014). Mit New Ways of Working wird es erforderlich, dass die Mitarbeiter ihre Arbeit selbstständiger organisieren und ohne die direkte Supervision durch die Führungskräfte und teilweise auch ohne die (physische) Anwesenheit von Kollegen eigenmotiviert Leistung erbringen. Diese gewährte und gewonnene Autonomie über das wann, wo und wie der Arbeit erfordert folglich eine Unternehmenskultur, welche die Mitarbeiter und Führungskräfte unterstützt, indem sie zwischenmenschliches Vertrauen fördert und gleichzeitig die Fähigkeiten zum Selbstmanagement stärkt. Dabei haben wir in diesem Beitrag gezeigt, dass eine Vertrauens- und Selbstmanagementkultur im Unternehmen für eine erfolgreiche New-Ways-of-Working-Arbeitswelt dienlich ist, es aber weiterhin noch Herausforderungen gibt, die in der Praxis und Wissenschaft in Bezug auf New Ways of Working auch zukünftig berücksichtigt werden müssen.