Zusammenfassung
Auf den demografischen Wandel bezogene ‚demografisierende‘ Argumente erzeugen durch den Rückgriff auf scheinbar objektive Zahlen Vorstellungen von einer Unbezahlbarkeit des Sozialstaats. Damit werden Einschnitte in das soziale Netz als unumgänglich dargestellt und ein Generationenkonflikt unterstellt. Dieser prägt Bilder vom Alter als Last für Individuen, Familien und Gesellschaft, die beeinflussen, was die Alten selbst, aber auch die Jüngeren mit Blick auf sie als legitim erachten. Ein genauerer Blick auf und hinter die Zahlen zeigt, dass auf diese Weise der Gegensatz zwischen Arm und Reich verschleiert und in einen zwischen Jung und Alt umgedeutet wird. Die Soziale Arbeit ist gefordert, demografisierende Argumente als solche zu erkennen, um deren Beitrag zur Rechtfertigung des Umbaus des Sozialstaats einordnen zu können, der sich in vielfältiger Weise auf alte und junge Nutzer*innen Sozialer Arbeit auswirkt.
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Notes
- 1.
Z. B. Jonas Fehling auf Focus-online v. 10.6.2016 (https://www.focus.de/finanzen/altersvorsorge/neue-oecd-studie-vergreisungs-schock-in-deutschland-rentner-schwemme-bedrohlicher-als-finanzkrise_id_3698471.html, Zugegriffen: 14. Februar 2021), Rina Goldenberg für die Deutsche Welle v. 20.07.2020 (https://www.dw.com/de/geburtenrate-sinkt-deutschland-%C3%BCberaltert/a-54389384, Zugegriffen: 14. Februar 2021), Thilo Sarrazin: Deutschland schafft sich ab (Sarrazin 2011), Harold James im Handelsblatt v. 11.04.2016 (https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/wenn-die-alten-die-politik-dominieren-krieg-der-generationen/13428300.html?ticket=ST-5192964-0PZO4BTtCLPMMNWZqex3-ap4, Zugegriffen: 14. Februar 2021).
- 2.
Diesen Begriff machte ein von Eva Barlösius und Daniela Schiek herausgegebenes Buch populär (Barlösius und Schiek 2007).
- 3.
Prognosen/Vorausschätzungen haben das Ziel, die Entwicklungen möglichst genau vorherzusagen. Da das nicht mit hinreichender Sicherheit genau möglich ist, sollten Prognosen immer mehrere Varianten bzw. einen Korridor und die errechneten Wahrscheinlichkeiten angeben (Konfidenzintervall). Für Projektionen werden Modellrechnungen erstellt, denen bestimmte Modellannahmen zugrunde liegen, bspw. zur Zahl der zugewanderten Migrant*innen in einem Jahr (Messerschmidt 2017, 79 f.). Die Begriffe Prognose und Projektion werden jedoch oft synonym benutzt. Das Bundesamt für Statistik bezeichnet seine Bevölkerungsvorausberechnungen als Projektionen (https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Bevoelkerungsvorausberechnung/aktualisierung-bevoelkerungsvorausberechnung.html, Zugegriffen: 30. Januar 2021).
- 4.
(14., koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung für Deutschland, https://www.destatis.de/DE/Themen/Querschnitt/Demografischer-Wandel/Aspekte/demografie-bevoelkerungsentwicklung.html, Zugegriffen: 31. Januar 2021).
- 5.
Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Bundesrepublik ist zwischen 1992 und 2005 von 77 % auf 67 % zurückgegangen, dann aber bis 2019 wieder auf ein Niveau von 74 % angestiegen (Bundeszentrale für politische Bildung 2020).
- 6.
In dieser Publikation wird der Altenquotient angepasst an das Renteneintrittsalter mit der Zahl der Menschen im Alter ab 67 Jahren berechnet. Deshalb kommt es zu geringen Abweichungen gegenüber Abb. 1.
- 7.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/4878/umfrage/bruttoinlandsprodukt-von-deutschland-seit-dem-jahr-1950, Zugegriffen: 31. Januar 2021.
- 8.
- 9.
https://www.insm.de/insm/kampagne/rente-muss-gerecht-bleiben/faire-rente#forderung3, Zugegriffen: 27. Juli 2021.
- 10.
Das Rentenniveau zeigt die Höhe einer Rente (45 Jahre Beitragszahlung auf Basis eines durchschnittlichen Einkommens) in Prozent des durchschnittlichen Einkommens einer*eines Arbeitnehmer*in. Es wird als Netto-Wert vor Steuern angegeben. Von der Rente und vom durchschnittlichen Brutto-Einkommen werden die Sozialabgaben (Kranken- und Pflegeversicherung) jeweils abgezogen sowie vom Einkommen zusätzlich die durchschnittlichen Beiträge zur privaten Altersvorsorge. Steuern werden nicht berücksichtigt, vgl. https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Rente/Allgemeine-Informationen/Wissenswertes-zur-Rente/FAQs/Rente/Rentenniveau/Rentenniveau_Liste.html#6f9591ae-34db-4f93-a15e-d2c24d984336, Zugegriffen: 07. Februar 2021.
- 11.
Auch bei der Pflegeversicherung lohnt sich ein genauerer Blick auf Finanzierung und Leistungen: Arbeitgeber*innen zahlen weniger Beiträge als Arbeitnehmer*innen; die nicht kostendeckenden Teilkasko-Leistungen zwingen pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen, selbst zu pflegen oder selbst zu zahlen; der mit der Pflegeversicherung eingeführte Pflegemarkt erlaubt es zwar privaten Anbieter*innen, Gewinne zu erwirtschaften, kann aber keine flächendeckend gute Versorgung gewährleisten (Winker 2015; Zimmermann 2020; Rothgang und Domhoff 9/2019).
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Heusinger, J. (2022). Demografisierung als Strategie im Krisendiskurs. In: Bleck, C., van Rießen, A. (eds) Soziale Arbeit mit alten Menschen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37573-7_4
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