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Macht, Recht, Ökonomie und Kontrolle im Kontext der Pflegevorsorge bei betagten Personen

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Das erzwungene Paradies des Alters?

Part of the book series: Alter(n) und Gesellschaft ((AUGES))

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Zusammenfassung

In diesem Beitrag geht es um Pflegevorsorge und Pflegeleistung für ältere Personen und um die Bedeutung des früher Vormundschaftsrecht genannten Rechtsgebietes und dessen rechtstatsächliche Ausgestaltung für ältere Personen. Aufzuzeigen ist vorab der Zusammenhang von ökonomischen Interessen, geschlechtsspezifischen Asymmetrien und den dazugehörigen allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen. Der zweite Teil besteht in einer Analyse der Rechtsgrundlage und deren Entwicklung in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Ausgangspunkt ist hier das römische Recht, welches die aktuellen Diskurse zu erhellen in der Lage ist. Der empirische Teil zeigt die rechtstatsächlichen Veränderungen auf, welche mit den Revisionen der hier angesprochenen Gesetzen einhergehen. Generell geht es um einen umfassenden Ansatz über die Care-Ökonomie bzw. die Pflegevorsorge und die Pflegeleistungen innerhalb des rechtlichen, sozialen und Ökonomischen Umfeldes nachzudenken und aktuelle Tendenzen festzuhalten.

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Notes

  1. 1.

    Tutela est […] vis ac potestas in capite libero ad tuendum eum, qui propter aetatem sua sponte se defendere nequit, iure civili data ac permissa. (Dig. 26,1,1 pr): „Die Vormundschaft ist […] die Gewalt und die Macht über einen freien Menschen, um den zu schützen, der sich wegen seines Alters aus eigener Kraft nicht verteidigen kann, gegeben und eingeräumt durch das ius civile.

    Est autem tutela […] ius ac potestas in capite libero ad tuendum eum qui propter aetatem se defendere nequit, iure civili data ac permissa. (Gai Inst. 1,13,1): „Die Vormundschaft ist […] das Recht und die Macht über einen freien Menschen, um den zu schützen, der sich wegen seines Alters nicht verteidigen kann, gegeben und eingeräumt durch das ius civile.

  2. 2.

    Art. 390 ZGB

    (1) Die Erwachsenenschutzbehörde errichtet eine Beistandschaft, wenn eine volljährige Person:

    1. wegen einer geistigen Behinderung, einer psychischen Störung oder eines ähnlichen in der Person liegenden Schwächezustands ihre Angelegenheiten nur teilweise oder gar nicht besorgen kann;

    2. wegen vorübergehender Urteilsunfähigkeit oder Abwesenheit in Angelegenheiten, die erledigt werden müssen, weder selber handeln kann noch eine zur Stellvertretung berechtigte Person bezeichnet hat.

    Art. 393 ZGB

    (1) Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.

    (2) Die Begleitbeistandschaft schränkt die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person nicht ein.

    Art. 398 ZGB

    (1) Eine umfassende Beistandschaft wird errichtet, wenn eine Person, namentlich wegen dauernder Urteilsunfähigkeit, besonders hilfsbedürftig ist.

    (2) Sie bezieht sich auf alle Angelegenheiten der Personensorge, der Vermögenssorge und des Rechtsverkehrs.

    (3) Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person entfällt von Gesetzes wegen.

  3. 3.

    § 1896 BGB

    (1) Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Betreuungsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer. Den Antrag kann auch ein Geschäftsunfähiger stellen. Soweit der Volljährige auf Grund einer körperlichen Behinderung seine Angelegenheiten nicht besorgen kann, darf der Betreuer nur auf Antrag des Volljährigen bestellt werden, es sei denn, dass dieser seinen Willen nicht kundtun kann.

    (1a) Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden.

    (2) Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1897 Abs. 3 bezeichneten Personen gehört, oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.

  4. 4.

    § 268 AGBG

    (1) Vermag eine volljährige Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist (behinderte Person), alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen, so ist ihr auf ihren Antrag oder von Amts wegen dazu ein Sachwalter zu bestellen.

    (2) Die Bestellung eines Sachwalters ist unzulässig, soweit Angelegenheiten der behinderten Person durch einen anderen gesetzlichen Vertreter oder im Rahmen einer anderen Hilfe, besonders in der Familie, in Pflegeeinrichtungen, in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder im Rahmen sozialer oder psychosozialer Dienste, im erforderlichen Ausmaß besorgt werden. Ein Sachwalter darf auch dann nicht bestellt werden, soweit durch eine Vollmacht, besonders eine Vorsorgevollmacht, oder eine verbindliche Patientenverfügung für die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person im erforderlichen Ausmaß vorgesorgt ist. Ein Sachwalter darf nicht nur deshalb bestellt werden, um einen Dritten vor der Verfolgung eines, wenn auch bloß vermeintlichen, Anspruchs zu schützen.

    (3) Je nach Ausmaß der Behinderung sowie Art und Umfang der zu besorgenden Angelegenheiten istder Sachwalter zu betrauen

    1. mit der Besorgung einzelner Angelegenheiten, etwa der Durchsetzung oder der Abwehr eines Anspruchs oder der Eingehung und der Abwicklung eines Rechtsgeschäfts

    2. mit der Besorgung eines bestimmten Kreises von Angelegenheiten, etwa der Verwaltung eines Teiles oder des gesamten Vermögens, oder,

    3. soweit dies unvermeidlich ist, mit der Besorgung aller Angelegenheiten der behinderten Person.

  5. 5.

    Daten: Schweiz: Kokes, 1996ff, Estermann, 2013; Österreich: Pilgram et al., 2009 sowie Fuchs, p.M.; Deutschland: Köller, 2011:7, sowie http://www.bundesanzeiger-verlag.de/fileadmin/BT-Prax/downloads/Statistik_Betreungszahlen/Betreuungszahlen_2012.pdf [Zugriff 20.7.2014], eigene Prävalenzberechnung für Deutschland und die Schweiz. Bezüglich Deutschland werden die durch das Statistische Bundesamt veröffentlichten und nicht aufgrund des Zensus 2011 revidierten Bevölkerungszahlen verwendet. Mit dem Zensus 2011 verlor die Bundesrepublik eine gute Million Einwohner, eine Größenordnung, die auch schon bei vorangehenden Zensi auftrat. Die Prävalenzen müssen aufgrund von Erhebungsinkonsistenzen, Rechtsänderungen und in den Ländern unterschiedlichen Zuordnung von Fällen mit einem Fehlerwahrscheinlichkeitsbereich von mindestens 10% interpretiert werden. Die Unterschiede in der Steigung der Prävalenzen Deutschland versus Österreich versus Schweiz und in ihrer absoluten Größe am Ausgangspunkt (Schweiz und Deutschland versus Österreich) sind dennoch signifikant.

  6. 6.

    Sachwalterrechtsänderungsgesetz 2006.

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Estermann, J. (2014). Macht, Recht, Ökonomie und Kontrolle im Kontext der Pflegevorsorge bei betagten Personen. In: Amann, A., Kolland, F. (eds) Das erzwungene Paradies des Alters?. Alter(n) und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02306-5_11

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