Zusammenfassung
In diesem Beitrag wird zunächst die zunehmende gesellschaftliche Relevanz der assistierten Reproduktion skizziert. Dann wird auf die rechtlichen Rahmenbedingungen reproduktionsmedizinischer Behandlungen und die Regelungen zur Kostenübernahme mit besonderem Fokus auf Deutschland eingegangen. Daran schließt sich ein Überblick über in Deutschland zugelassene bzw. nicht zugelassene Verfahren an. Im Anschluss daran werden die quantitative Entwicklung assistierter Reproduktion und mögliche Erfolgsindikatoren dargestellt. Der Beitrag schließt mit einer Diskussion einiger sozialer und ethischer Implikationen der zunehmenden Nutzung reproduktionsmedizinischer Verfahren im Hinblick auf Lebensformen, Mutter- und Vaterschaft sowie Verwandtschaft. Plädiert wird für eine gesellschaftliche Debatte der realistischen Einschätzung der Möglichkeiten und Folgen der Reproduktionsmedizin.
Bei vorliegendem Beitrag handelt es sich um eine aktualisierte und teilweise geänderte Version des Beitrags von Trappe (2013).
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Notes
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Die Begriffe „assistierte Reproduktion“ und „Reproduktionsmedizin“ werden in diesem Beitrag synonym verwendet.
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Dabei wird eine rigide Begriffsbestimmung des Embryos zugrunde gelegt: „Als Embryo im Sinne des Gesetzes gilt bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an …“. (ESchG § 8 (1)).
- 3.
Gemeint sind damit Embryonen, die zur Unfruchtbarkeitsbehandlung außerhalb des Körpers gezeugt wurden und die nach Abschluss der Behandlung übrig geblieben sind (Riedel 2008a).
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Eine Verfassungsbeschwerde über die Einschränkung der Kostenübernahme wurde vom Bundesverfassungsgericht abgewiesen (Bundesverfassungsgericht 2009).
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„Die Kosten für künstliche Befruchtungen sind beachtlich, sie betragen in Deutschland für eine Standard-IVF-Behandlung inklusive Medikamenten etwa 3.000 Euro. Wird zusätzlich eine Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) durchgeführt, was bei männlicher Subfertilität angezeigt ist, so erhöht sich der Betrag auf etwa 3.600 Euro. Die Erfolgswahrscheinlichkeit der Behandlungen schwankt mit dem Alter der Frau und anderen Faktoren … Daraus errechnen sich Kosten von ungefähr 15.000 Euro pro lebend geborenem Kind“ (Rauprich 2008, S. 32).
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- 7.
Die Beurteilung der Embryonalentwicklung nach morphologischen Kriterien ist lediglich eine indirekte Methode mit prognostisch bedingter Unschärfe zur Abschätzung des Entwicklungspotentials des Embryos. Die Auswahl für die weitere Embryokultur muss aufgrund der Regelungen des ESchG noch im Stadium der im Befruchtungsvorgang befindlichen imprägnierten Eizelle erfolgen (Revermann und Hüsing 2010, S. 41). Die morphologische Begutachtung ist daher nicht mit dem eSET vergleichbar.
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„In jedem einzelnen Fall wird dabei nach der individuellen Konstellation des Paares (Alter, Anzahl und Verlauf vorangegangener Behandlungen etc.) mit dem Paar gemeinsam festgelegt, wie viele befruchtete Eizellen über das Vorkernstadium hinaus weiter kultiviert werden sollen, damit nach einer in-vitro Kulturdauer von bis zu 5 Tagen eine Anzahl von maximal zwei entwicklungsfähigen Embryonen transferiert werden kann. Dies können dann im Einzelfall auch mehr als 3 Vorkernstadien sein. Damit wird aber klar, dass von dieser Methode lediglich die Paare profitieren können, die überhaupt eine gewisse Anzahl an befruchteten Eizellen zur Verfügung haben“ (DIR 2011, S. 12/13).
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In der Mehrzahl europäischer Staaten stellt die Kryokonservierung überzähliger, menschlicher Embryonen das Verfahren erster Wahl dar (Griesinger et al. 2008, s. 27). Bei strikter Anwendung der Dreierregel nach ESchG können überzählige Embryonen nur in Ausnahmefällen entstehen, während dies bei Anwendung des eSET und der PID regelmäßig der Fall ist (Riedel 2008b). In vielen Ländern mit liberalerer Gesetzgebung stellt das Schicksal einer großen Anzahl eingefrorener Embryonen mittlerweile ein vielschichtiges Problem dar (Grady 2008).
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Dieser Thematik widmet sich auch der 2010 produzierte niederländische Dokumentarfilm „Eggs for later“ (http://www.imdb.com/video/wab/vi1370856473/). Eine im Jahr 2013 vom Kölner Marktforschungs- und Beratungsinstitut YouGov in Deutschland durchgeführte Meinungsumfrage ergab, dass von 536 befragten Frauen 27 Prozent sich vorstellen könnten, ihre Eizellen zur Erfüllung eines späteren Kinderwunsches einfrieren zu lassen (http://yougov.de/news/2013/10/15/kunstliche-befruchtung-jede-vierte-frau-wurde-sich/).
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1984 wurde das erste IVF-Kind in der DDR geboren (Revermann und Hüsing 2010, S. 48).
- 12.
Auch wenn die Ursache der Fertilitätseinschränkung beim männlichen Partner gelegen hat, werden statistisch immer die Frauen erfasst, die sich letztlich der ART-Behandlung unterziehen müssen.
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Genauere Analysen des Kostenaspekts legen nahe, dass es wesentlich ist, zwischen kurz- und langfristigen Auswirkungen zu unterscheiden (Connolly et al. 2009).
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Bei der letzten europäisch vergleichenden Auswertung der Daten zur assistierten Reproduktion durch die „European Society of Human Reproduction and Embryology“ (ESHRE) für das Jahr 2009 wird ausgewiesen, dass in Deutschland 1,5 % der Geborenen mittels Reproduktionsmedizin gezeugt wurden. Länder mit einem deutlich höheren Anteil sind Dänemark (4,5 %), Slowenien (4,5 %) und Belgien (3,9 %) (Ferraretti et al. 2013, S. 2322).
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Bemerkenswert ist, dass der Trend zum Transfer von weniger Embryonen nicht durch das Inkrafttreten des GMG gebrochen wurde. „Für die betroffenen Paare liegt die Entscheidung über die Anzahl der zu übertragenden Embryonen damit in einem Spannungsfeld aus persönlichen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Abwägungen“ (Revermann und Hüsing 2010, S. 98).
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Wenn es unvermeidbar ist, wird bei Mehrlingsschwangerschaften auf die fetale Reduktion zurückgegriffen. Dabei werden Feten im Mutterleib getötet, um einer extremen Frühgeburtlichkeit vorzubeugen und so Schwangerschafts- und Geburtsrisiken zu begrenzen. Im Jahr 2011 wurden in Deutschland in insgesamt mindestens 217 Fällen fetale Reduktionen oder induzierte Aborte vorgenommen, von denen 243 Embryonen betroffen waren (DIR 2013, S. 14).
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Zum Vergleich: Bezogen auf alle Lebendgeborenen im Jahr 2011 in Deutschland handelte es sich bei nur 3,5 % um Mehrlingskinder (Statistisches Bundesamt 2013).
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Eine höhere Baby-take-home-rate als Deutschland weisen Großbritannien, Slowenien, Schweden, Norwegen und Island auf (Revermann und Hüsing 2010, S. 96).
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Beier et al. (2012) berechnen mit Hilfe eines Mikrosimulationsmodells, dass durch das Aufschieben des Alters bei der Erstgeburt der Anteil ungewollt kinderloser Frauen in Westdeutschland im Zeitraum von 1985 bis 2007 von etwa 3,5 auf 6,5 Prozent gestiegen ist.
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Hier werden Daten des Beziehungs- und Familienpanels pairfam genutzt, welches von Josef Brüderl, Johannes Huinink, Bernhard Nauck und Sabine Walper geleitet wird. Die Studie wird als Langfristvorhaben durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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Auch Rainer et al. (2011) betonen, dass bei einer größeren Verfügbarkeit von ART Frauen stärker dazu tendieren könnten, Geburten noch weiter im Lebenslauf aufzuschieben, als sie es sonst tun würden. Diesen „Verhaltenseffekt“ halten sie insbesondere in Ländern mit hoher Fertilität für wahrscheinlich.
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Weltweit haben beispielsweise die steigende Nachfrage nach und der zunehmende Mangel an Eizellen zu einem internationalen Eizellhandel und Fertilitätstourismus geführt. „Die Entwicklung des Reproduktionstourismus hat zum einen mit einer Erweiterung der Angebotspalette zu tun, zum anderen kommen vor allem die strukturellen und ökonomischen Unterschiede zwischen den Ländern bzw. Regionen zum Tragen“ (Berg 2008: 244). Der Kommerzialisierung des weiblichen Körpers wird im Kontext der Eizellspende ebenso wie bei der Leihmutterschaft auch global Vorschub geleistet (Rudrappa 2012).
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Trappe, H. (2016). Reproduktionsmedizin: Rechtliche Rahmenbedingungen, gesellschaftliche Relevanz und ethische Implikationen. In: Niephaus, Y., Kreyenfeld, M., Sackmann, R. (eds) Handbuch Bevölkerungssoziologie. Springer NachschlageWissen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-01410-0_19
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