1 Einleitung

Die Gewährleistung einer möglichst hohen Beteiligungsrate von Probanden einer Zufallsstichprobe ist als Gütekriterium in jeder epidemiologischen Feldstudie von wesentlicher Bedeutung. In verschiedenen Studien wurde gezeigt, dass eine Non-response-Rate von 30–50 % bei allgemeinen Umfragen in der Bevölkerung als normal angesehen werden kann (Goode u. Hatt attHatHatt 1968). Die höchste Verweigerungsquote wurde jeweils im Initialinterview beschrieben (DeMaio 1980). In Follow-up-Untersuchungen ist die Ausschöpfungquote höher: Häfner et al. (2000) beschreiben in unserer Mannheimer Langzeituntersuchung im Studienverlauf über fast 21 Jahre eine niedrige Verweigerungs-und Drop-out-Rate. Allgemein ist es schwierig, die Motive der expliziten Studienverweigerer zu erfahren, deshalb gibt es dazu auch nur sehr wenige Daten. Die Gründe für einen Studienabbruch in psychosomatisch epidemiologischen Untersuchungen sind noch wenig erforscht. Um einen Selektionsbias zu umgehen, ist es jedoch wichtig, ein detailliertes Bild über Gründe und eventuelle Prädiktoren einer Studienverweigerung in Follow-up-Studien zu bekommen.

Einige wenige Analysen über Studienabbrecher in epidemiologischen Längsschnittstudien – vor allem bezüglich ihres soziodemografischen Hintergrundes – konnten in den USA und Skandinavien erhoben werden, weil es dort eine längere Tradition an Bevölkerungsumfragen gibt. Eine erhöhte Rate an Abbrüchen wurde unter älteren Teilnehmern gefunden (DeMaio 1980; Häfner et al. 2000; Hawkin 1975; Slymen et al. 1996). Während DeMaio (1980) keinen Unterschied im Kooperationsverhalten zwischen Männern und Frauen fand, konnten Häfner et al. (2000) im Mannheimer Kohortenprojekt eine höhere Verweigerungsrate unter den Männer beschreiben. Bezüglich des sozialen Standes konnte eine weitere Teilnahme gefunden werden, vermehrt bei Probanden mit höherem Einkommen oder sozialem Status (Slymen 1996; Fischer et al. 2001) und unter Menschen, die sich selbst als sehr gesund ansahen. Die Verweigerer sind häufiger verwitwet, geschieden oder allein lebend (Turner et al. 1970).

Bei der Betrachtung von katamnestischen Untersuchungen nach stationärer oder ambulanter Psychotherapie findet man, abhängig vom Katamnesezeitpunkt sowie ob postalisch, telefonisch oder persönlich durchgeführt, eine 37 bis 84 %ige Teilnahme (Dührssen 1972; Dämmig 1981; Ruff u. Leikert 1995).

Abgesehen von diesen Faktoren ist die weitere Teilnahme stark abhängig vom Verhältnis zwischen Interviewer und Patient. Bei Interviewern, die älter sind (unabhängig von der Erfahrung), eine optimistische Grundeinstellung und eine positive Einstellung zum Fragebogen ausstrahlen, findet man eine höhere Compliance unter den Probanden, wohingegen es zu einem Anstieg der Verweigerungsrate kommt, je höher der Bildungsgrad und die soziale Distanz des Interviewers sind und je häufiger Interviews vom jeweiligen Interviewer durchgeführt werden sollen (Singer u. Glassmann 1983). Als Hauptgründe für eine Teilnahmeabsage an einer Studie wird vor allem genannt, dass der Fragebogen persönlich heikle Fragen beinhalten würde oder dass die Probanden wegen Zeitmangels nicht an der Studie teilnehmen könnten (Lundberg 2005).

Welche Faktoren Einfluss auf das Teilnahmeverhalten von Probanden haben, soll im Folgenden anhand der Mannheimer Kohortenstudie im Langzeitverlauf über 25 Jahre genauer betrachtet und analysiert werden. Dafür konnten in der E-Studie die Unterlagen aller Probanden überprüft werden. So war es möglich, bei den Abbrechern nicht nur zwischen „Drop outs“ und expliziten Teilnahmeverweigerern zu unterscheiden, sondern diese in genauer definierte Gruppen zu unterteilen. Die Studienverweigerer wurden eingeteilt in die aktiven Abbrecher, die eine Absage schickten, und in die passiven Abbrecher, die gar keine Reaktion zeigten, aber postalisch erreichbar waren. Zu den „Drop outs“ zählten wir die Verzogenen, die nicht erreichbar waren, und diejenigen, die bereits verstorben waren. Außerdem gab es zwei Sonderfälle, die wegen Demenz und schwerer Krankheit nicht an dem Interview teilnehmen konnten.

2 Methodik (und Verweigerungsrate im jeweiligen Querschnitt von A bis E)

A-Studie

Von den 1 004 zufällig gezogenen Personen aus dem Mannheimer Einwohnermelderegister der Jahrgänge 1935, 1945 und 1955 nahmen 600 Probanden an den ersten Querschnittserhebungen zu Häufigkeiten und Verlauf von psychogenen Erkrankungen zwischen 1979 und 1983 teil. Das Verhältnis Frauen zu Männer betrug 1:1. Es gab eine primäre Verweigerungsrate von 22,6 %.

B-Studie

In dieser zweiten Follow-up-Untersuchung verweigerten 57 Probanden eine weitere Teilnahme, wodurch die Verweigerungsrate jetzt 9,7 % betrug. Bei den Abbrechern handelte es sich eher um Frauen (34/23), wobei die älteren Jahrgänge überwogen. Das Ausmaß der psychogenen Beeinträchtigung hatte keine Bedeutung für das Teilnahmeverhalten (Schepank 1990).

c-Studie

In der c-Studie wurde die Risikoklientel mit mittelgradiger psychogener Beeinträchtigung (Werte von über 2 auf der körperlichen und/oder psychischen Ebene im Beeinträchtigungs-Schwere-Score nach Schepank, insgesamt jedoch im BSS-Summenwert nicht über 6) genauer untersucht. Dabei konnten 292 Probanden aus der B-Studie angeschrieben werden, wovon allerdingst 37 nicht erreichbar waren und 15 (5,9 %) die Teilnahme explizit ablehnten. Bei diesen Abbrechern überwogen die älteren, verheirateten, der Unterschicht angehörenden und eher zwanghaft strukturierten Frauen (Franz et al. 1992).

Dm-Studie

Zwischen 1991 und 1994 wurde erneut diese Risikopopulation mit mittlerer psychogener Beeinträchtigung befragt. Von diesen Probanden verweigerten 29 (12,2 %) eine weitere Teilnahme. Diese Ablehner waren eher verheiratete Männer des Jahrgangs 1945, die einen Abschluss an der Hauptschule hatten und der Unterschicht angehörten. In den BSS-Werten zeigte sich, verglichen mit den späteren Teilnehmern, bei den Abbrechern eine stärkere psychische Beeinträchtigung (Häfner et al. 2000), ohne dass dabei statistische Signifikanz erreicht würde.

De-Studie

In dieser Querschnittserhebung wurden die stabil seelisch Gesunden oder chronisch schwer psychogen Erkrankten ein drittes Mal untersucht. Es verweigerten eine weitere Teilnahme 27 (16,1 %) der 180 Extremgruppen -Probanden, so dass abzüglich der Drop outs noch 124 Personen an der Studie teilnahmen.

Eine Übersicht über das Teilnahmeverhalten zu den verschiedenen Studien gibt ◉ Tab. 5.1. Die soziodemografischen Daten der aktiven Verweigerer sind in ◉ Tab. 5.2 aufgeführt.

Tab. 5.1 Studienabbrecher und weitere Teilnehmer zu allen Querschnitts-Zeitpunkte
Tab. 5.2 Soziodemografie der aktiven Verweigerer der A- bis E-Studie

E-Studie

Anders als bei den vorangegangen Studien wurden in der E-Studie nicht nur die Probanden angeschrieben, die an der letzten Studie auch teilgenommen hatten, sondern alle 600 Probanden aus der Ausgangsstichprobe (A-Studie). Dabei mussten wir nach einem Zeitraum von fast 25 Jahren und einer fast 10-jährigen Kontaktunterbrechung seit der letzten Datenerhebung von einer hohen Abbrecherrate ausgehen. Gründe dafür konnten in erster Linie das hohe Alter vor allem des Jahrgangs 1935 und die Mobilitätsfreudigkeit des jüngeren Jahrgangs 1955 sein.

Die neuerliche Kontaktherstellung zu unseren Probanden ist ausführlich in ▶ Kapitel 4 beschrieben. Von den 600 Probanden des Ausgangssamples waren 37 bereits verstorben, einige Probanden waren trotz der Hilfe des Einwohnermeldeamtes nicht mehr zu erreichen, und einige lehnten passiv oder aktiv eine weitere Teilnahme ab (insgesamt 473 Probanden). Alle, die zugesagt hatten, wurden zu einem späteren Zeitpunkt erneut angerufen, ihre Teilnahme wurde überprüft und die Fragebögen angekündigt.

Abb. 5.1
figure 1

Das Mannheimer Kohortenprojekt. Flussdiagramm des zeitlichen Ablaufs und der Untersuchungsschritte, inkl. der E-Studie (Do = Drop outs; Vw = Verweigerer)

2.1 Längsschnitt (von A bis E)

In der E-Studie wurden alle 600 Probanden, die in der A-Studie teilgenommen hatten, erneut angeschrieben. Insgesamt 326 Probanden verweigerten aktiv oder passiv die weitere Teilnahme. Einige von ihnen hatten an allen Studien davor teilgenommen und lehnten bei der E-Studie das erste Mal ab, andere wiederum hatten schon an einer der Studien zuvor abgelehnt und konnten auch in dieser letzten Studie nicht zur Teilnahme motiviert werden. Die Aussagen und Daten über diese E-Abbrecher in der A-Studie sollen nun genauer betrachtet werden.

Von den 600 Probanden die an der A-Studie teilgenommen hatten und in der E-Studie erneut angeschrieben wurden, nahmen 86 Probanden am persönlichen Interview (einschließlich psychometrischer Untersuchung) teil, 41 Probanden füllten nur die Fragebögen aus, 173 Probanden verweigerten aktiv, 153 Probanden passiv die weitere Teilnahme, 108 Probanden waren verzogen, 37 Probanden waren bereits verstorben und 2 Probanden konnten wegen Krankheit nicht an der E-Studie teilnehmen. Die Geschlechts-und Jahrgangsverteilung der verschiedenen Gruppen kann den Abbildungen entnommen werden (◉ Abb. 5.2 und ◉ Abb. 5.3).

Abb. 5.2
figure 2

Verweigerer, Drop outs und Teilnehmer der E-Studie, bezogen auf das Geschlecht (600 Probanden)

Abb. 5.3
figure 3

Verweigerer, Drop outs und Teilnehmer der E-Studie, bezogen auf die Jahrgänge (600 Probanden)

2.2 A-Studie: Aktive Verweigerer

Die A-Studie ist für uns bezüglich der Abbrecher von besonderem Interesse, weil hier ein Datensatz mit Informationen vorliegt, in welchem alle Teilnehmer und auch die Studienabbrecher der E-Studie über 25 Jahre detailliert beschrieben sind. Es gibt nur wenige weitere Studien, in denen Studienteilnehmer und auch Studienabbrecher über ein derart langes Zeitintervall beobachtet und analysiert wurden. Die soziodemografischen Merkmale der beiden Abbrechergruppen und der Verstorbene n können ◉ Tab. 5.3 entnommen werden.

Tab. 5.3 Soziodemografische Merkmale der aktiven E-Studienabbrecher (n  173) (vgl. Anzahl passiver Abbrecher [153] und verstorbene Probanden [37] in der A-Studie)

Bei den aktiven Verweigerern handelt es sich um ältere verheiratete Frauen (39,3 % Jahrgang 1935). Die Absager stammen größtenteils aus der oberen Unterschicht oder unteren Mittelschicht. Sie hatten einen Hauptschulabschluss und absolvierten nach der Schule meist direkt eine Ausbildung.

In den BSS-Werten (7 Tage) wiesen die aktiven Abbrecher vor allem auf der psychischen und der sozialkommunikativen Ebene einen höheren Wert (Mittelwert psychische Subskala: 1,09, sozialkommunikative Subskala: 1,06) auf als die späteren Teilnehmer (Mittelwert psychische Subskala: 0,87, sozialkommunikative Subskala: 0,88). Auf der Ebene der körperliche Beeinträchtigung war die Differenz zwischen den späteren Ablehnern und den späteren Teilnehmern der E-Studie nicht so groß. Im BSS-Summenwert (7 Tage) hatten die aktiven Abbrecher einen Durchschnittswert von 3,42 und die weiteren Teilnehmer der E-Studie einen Wert von 2,80. Die späteren Abbrecher der E-Studie zeigten somit in der A-Studie eine psychisch stärkere Beeinträchtigung als die E-Teilnehmer (p  =  0,09) (◉ Tab. 5.4).

Tab. 5.4 Klinische Merkmale der aktiven E-Ablehner und E-Teilnehmer (t-test)

Von den 173 aktiven Ablehnern wurden 45 (26 %) in der A-Studie als Fall eingeteilt, davon erfüllten vier das Fallkriterium beim Cooper-Goldberg-Interview mit einer ICD-Diagnose , 13 erfüllten ein Kriterium beim Beschwerdescore mit einer ICD-Diagnose, und 28 Probanden hatten eine ICD-Diagnose, ein Kriterium beim Beschwerdescore und im Cooper-Goldberg-Interview.

Bis einschließlich der Dm-Studie wurde zu allen Studienzeitpunkten das Freiburger Persönlichkeitsinventar vorgelegt. Im Mittelwertsvergleich für die Skalen des FPI-Tests (t-test für unabhängige Stichproben) zeigten sich signifikante Unterschiede (t-test) zwischen späteren Abbrechern und Teilnehmern der E-Studie auf den Skalen Geselligkeit (p = 0,02), Gehemmtheit (p = 0,03) und Extraversion (p = 0,01). Die Gruppe der späteren Abbrecher schilderten sich zum Zeitpunkt der A-Studie als ungeselliger, weniger kontaktfreudig und zurückhaltender sowie eher schüchtern, nicht sehr selbstbewusst und wenig unterhaltsam (◉ Abb. 5.4).

Abb. 5.4
figure 4

FPI-Mittelwerte der E-Teilnehmer und E-Abbrecher zum Zeitpunkt der A-Studie

2.3 Passive Abbrecher

Bezüglich der soziodemografischen Daten waren die 153 passiven Abbrecher eher jüngere (35,3 % Jahrgang 1955), überwiegend verheiratete (68,0 %) Männer (58,8 %) aus der unteren Mittelschicht (39,3 %) und oberen Unterschicht (33,3 %), die meist in einem Angestelltenverhältnis (43,5 %) arbeiteten. 98 (64,0 %) Probanden hatten einen Hauptschulabschluss, Abitur hatten nur 15,7 %.

Passive Abbrecher hatten einen höheren BSS-Mittelwert auf der sozialkommunikativen Subskala, während die aktiven Abbrecher auf der körperlichen Ebene stärker beeinträchtigt waren. Beide Abbrechergruppen zeigten eine ähnliche psychogene Beeinträchtigung und auch in den BSS-Summenwerten in der Punktprävalenz (7 Tage) als auch im 1-Jahres-Intervall gab es keine nennenswerten Unterschiede zwischen passiven und aktiven Abbrechern.

Als Fall wurden 26,8 % eingestuft (vgl. aktive Abbrecher: 26 %). Von diesen 41 Probanden hatten die meisten (26 Probanden) eine ICD-Diagnose und zusätzlich ein Kriterium beim BSS und auch beim Cooper-Goldberg-Interview.

Die passiven Abbrecher unterschieden sich bei einem Mittelwertsvergleich für die FPI-Skalen nicht wesentlich von den aktiven Abbrechern. Auch bei ihnen fanden wir, verglichen mit den weiteren Teilnehmern, signifikante Unterschiede auf der Skala „Extraversion“. Sie zeigten sich als eher zurückhaltender, schüchterner, ungeselliger, depressiver und weniger selbstbewusste Personen.

2.4 Regressionsanalyse

In der binären Regressionsanalyse wollten wir noch einmal der Hypothese nachgehen, dass in der E-Studie eher die Probanden eine weitere Teilnahme aktiv oder passiv verweigern, die bereits in der A-Studie psychogen höher belastet und weniger gebildet waren. Neben dem Alter, dem Geschlecht, der Falleigenschaft, der kindlichen Belastung (6.–12.Lebensjahr) und dem BSS-Summenwerte (7 Tage) ging auch der Bildungsstand in die Berechnung ein. Diese Scores wurden als Prädiktoren-Variablen herangezogen und ihr Einfluss auf das Teilnahmeverhalten in der E-Studie untersucht.

Dabei fanden wir hochsignifikante Unterschiede zwischen den aktiven Abbrechern und den weiteren Teilnehmern: Hinsichtlich ihrer Schulbildung (p  =  0,001), ihrer psychosozialen Risikobelastung vom 6. bis 12. Lebensjahr (p  =  0,007) sowie dem BSS-Summenwert (p  =  0,007) lässt sich ein bedeutsamer Einfluss auf die spätere Studienverweigerung erkennen.

Die späteren aktiven Abbrecher waren also eher weniger gebildet, hatten eine höhere kindliche Belastung zwischen ihrem 6. und 12. Lebensjahr und waren psychogen höher belastet (◉ Tab. 5.5).

Sie sind zudem eher weiblichen Geschlechtes, und die Verweigerungsquote steigt mit dem Lebensalter.

Tab. 5.5 Aktive Abbrecher vs. Teilnehmer

Die passiven Abbrecher zeigten, verglichen mit den weiteren Teilnehmern zum Zeitpunkt der A-Studie, keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich Geschlecht, Jahrgang und der Falleigenschaft. Einen geringen Einfluss auf das spätere Teilnahmeverhalten lassen der Bildungsstand (p  =  0,079), die kindliche Belastung zwischen dem 6. und 12. Lebensjahr (p  =  0,074) sowie der BSS-Summenwert (p  =  0,87) erkennen.

2.5 Querschnitt (von D nach E)

Im Folgenden betrachten wir diejenigen Probanden, die an der D-Studie noch teilnahmen, ihre Teilnahme an der E-Studie jedoch verweigerten. 333 Probanden nahmen an der D-Studie teil, davon konnten nur 104 Probanden zur E-Studie motiviert werden.

Da sich die D-Studie aus zwei Risikopopulationen zusammensetzt, die Dm-Studie mit konstant mittelgradig beeinträchtigten (n  =  209) und die De-Studie (n  =  124) mit konstant sehr gesunden oder schwer kranken Probanden, werden die Abbrecher in diesen unterschiedlichen Gruppen zunächst einzeln betrachtet. Aus der Dm-Studie (n  =  209) nahmen 72,2 % nicht mehr an der E-Studie teil. Von diesen 151 Probanden verweigerten 75,5 % die weitere Teilnahme, und 24,5 % fielen unter die Drop outs. Aus der De-Studie nahmen 61,3 % nicht weiter an der E-Studie teil (davon: 84,2 % Verweigerer und 15,8 % Drop outs).

Tab. 5.6 Verweigerer und Drop-outs von D nach E

2.6 E-Verweigerer zur Dm-Studie (Mittelgruppe)

Die Dm-Studie (n  =  209) war die Fortführungsstudie der c-Studie, an der Probanden teilnahmen, die eine konstant mittelgradige Beeinträchtigung aufwiesen. Von dieser Risikopopulation gaben dann, nach über 10-jährigem Kontaktabbruch, noch 58 Probanden eine Zusage zur E-Studie, wovon 19 jedoch nur am schriftlichen Teil mitmachten wollten. Insgesamt gab es 151 Abbrecher, wovon 72 Probanden explizit die weitere Teilnahme verweigerten und 42 keine Reaktion zeigten. 37 Probanden konnten als Drop outs angesehen werden.

Bei den aktiven Verweigerern handelt es sich vornehmlich um ältere, meist aus dem Jahrgang 1945 (Jahrgang 1945: 38,0 %, Jahrgang 1955: 28,2 %), verheiratete (74,6 %) Frauen (57,7 %). Die meisten Verweigerer gehörten der oberen Unterschicht (33,8 %) oder unteren Mittelschicht (33,8 %) an.

Von den aktiven Abbrechern zeigten in der Dm-Studie die meisten eine geringgradige Beeinträchtigung, auf allen drei Ebenen (körperliche, sozialkommunikativ und psychisch). Die späteren aktiven Abbrecher sind zum Zeitpunkt der D-Studie (BSS-Summe 7 d) psychisch leicht stärker beeinträchtigt als die späteren Teilnehmer.

Als Fall wurden in der Dm-Studie 26,7 % der späteren aktiven E-Verweigerer, 16,7 % der passiven E-Abbrecher und verglichen dazu 11,1 % der späteren Teilnehmer eingestuft.

2.7 E-Verweigerer zur De-Studie (Extremgruppen )

In der De-Studie wurden all jene Probanden zusammengefasst, die im bisherigen Studienverlauf entweder stabil seelisch gesund oder chronisch schwer krank waren. Von diesen 124 Probanden der De-Studie lehnten 36 Probanden explizit eine weitere Teilnahme in der E-Studie ab, 30 Probanden zeigte keine Reaktion, und 12 fielen als Drop outs durch Unerreichbarkeit oder Tod aus der Studie heraus. Zu den späteren aktiven Abbrechern (36 Probanden) der E-Studie, die an der De-Studie jedoch noch teilgenommen hatten, gehörten vor allem ältere (50 % Jahrgang 1935), verheiratete (72,2 %) Männer und Frauen, und zwar zu gleichen Teilen. Sie kamen eher aus der unteren (47,2 %) und mittleren Mittelschicht(33,3 %).

Die aktiven Abbrecher zeigten zum Zeitpunkt der De-Studie eine stärkere psychogene Beeinträchtigungals die weiteren Teilnehmer auf allen drei Ebenen des Beeinträchtigungs-Schwere-Scores. Die Differenz, operationalisiert mit dem BSS-Summenscore, ist jedoch mit einem p-Wert von 0,07 statistisch nicht ganz signifikant. Einen BSS-Summenwert von über 5 zeigten 27,8 % der späteren aktiven Abbrecher, verglichen mit den Teilnehmern (12,5 %) fast doppelt so viele Probanden.

In dieser Extremgruppe erfüllten 27,8 % der späteren aktiven E-Verweigerern, von den passiven Abbrecher sogar 43,3 % und im Vergleich dazu nur 12,5 % der späteren E-Teilnehmer das Kriterium beim Beschwerdescore und wurden somit als Fall eingeteilt.

2.8 Verstorbene

Zuletzt sollen noch die Probanden genauer betrachtet werden, die seit der A-Studie im Studienverlauf sicher verstorben sind (37 Probanden). Dabei wurden die Informationen ausgewertet, die diese Probanden in der A-Studie angegeben haben.

Die Verstorbenen stammen größtenteils aus der Kohorte 1935 (59,5 %), sind eher männlich (56,8 %) und zum Zeitpunkt der A-Studie verheiratet (70,3 %). Sie hatten überwiegend die Hauptschule (73 %) besucht und gehörten der Mittelschicht (54,1 %) an.

Als Fall eingestuft wurden nur 15 Probanden (40,5 %), eine ICD-Diagnose 300-309 erhielten immerhin 25 (67,6 %) Probanden in der A-Studie.

Die Verstorbenen hatten in der A-Studie eher höhere BSS-Mittelwerte vor allem auf sozialkommunikativer Ebene, aber auch im BSS-Summenwert (◉ Tab. 5.7).

Tab. 5.7 Verstorbene BSS-Werte zum Zeitpunkt der A-Studie

Die psychosozialen Risikobelastungen in früher Kindheit und Kindheit und Jugend wurden im Rahmen der A-Studie mittels eines entsprechenden Expertenscores festgehalten. Hier wurden jetzt die Mittelwerte der 37 Verstorbenen mit der Restpopulation (n  =  536), also den noch Lebenden aus der A-Studie in einem t-Test für unabhängige Stichproben (2-seitige Signifikanzen) verglichen.

In den ersten sechs Lebensjahren zeigte sich eindrucksmäßig bei den Verstorbenen eine leicht stärkere Belastung als bei der Restpopulation (n.s.). In der Zeitspanne 6. bis 12. Lebensjahr konnte kein wesentlicher Unterschied hinsichtlich der Belastungsfaktoren (n.s.) zwischen den beiden Gruppen gefunden werden. Von den Verstorbenen waren 5,4 % in ihren ersten zwölf Lebensjahren extremen Belastungsfaktoren ausgesetzt, während es bei der Restpopulation bis zum 6. Lebensjahr nur 0,5 % und zwischen dem 6. und 12. Lebensjahr 1,1 % waren. Eine völlig unbeschwerte Kindheit erlebten in beiden Gruppen nur sehr wenige Probanden, und zwar bis zum 6. Lebensjahr 3 (8,1 %) Verstorbene und 83 (14,7 %) Probanden der Restpopulation und zwischen dem 6. und dem 12. Lebensjahr 4 (10,8 %) Verstorbene und 88 (15,6 %) Probanden der Restpopulation.

Meist bedingt durch den Krieg oder dessen Folgen (Gefangenschaft, Kriegsdienst) mussten viele Probanden ein Elternteil in ihrer Kindheit entbehren. Dabei war die Mutter bei 45,9 % der Verstorbenen (bei der Restpopulation nur bei 35,0 %) eine Zeit lang abwesend.

Es zeigte sich als statistische Tendenz, dass die Verstorbenen im Vergleich zur Restpopulation in ihrer Kindheit häufiger ohne ihre Mutter hatten auskommen (p  =  0,095) müssen.

Ein meist kriegsbedingtes Vaterdefizit fand sich bei 83,8 % der Verstorbenen, aber ebenso bei 84,7 % der Restpopulation. Hinsichtlich des Fehlens des Vaters in der Kindheit lässt sich also keine Vorhersage (n.s.) über die spätere Gesundheit oder einen früheren Tod treffen.

Wenn wir im Rahmen einer multiplen Analyse versuchen, dem Einfluss verschiedener Variablen auf die abhängige Variable „verstorben/nicht verstorben“ nachzugehen, lässt sich kein bedeutsamer Zusammenhang darstellen.

3 Zusammenfassung

Da das Mannheimer Kohorten-Projekt viele seiner Probanden über einen Zeitraum von 25 Jahren begleitet hat und vor allem in den ersten zwei Studien, der A-Studie (1979–1982) und der B-Studie (1983-1985), ausführliche Basisdaten der Probanden gesammelt werden konnten, war es uns möglich, ein differenziertes Bild der Studienabbrecher zu erhalten und eventuelle Prädiktoren zu finden, die möglicherweise auf einen späteren Abbruch deuten könnten.

Nach diesen 25 Jahren seit Studienbeginn 1979 wurden in der E-Studie alle 600 Probanden aus der Anfangsstichprobe erneut angeschrieben, unabhängig davon, ob sie bei einer der letzten Studien verweigert hatten oder nicht. Signifikante Unterschiede gab es zwischen den weiteren Teilnehmern und den aktiven Verweigerern. Demnach sind dies eher verheiratete ältere Frauen (bei den passiven Abbrechern eher jüngere Männer) die meist der Unter- bis Mittelschicht entstammen und signifikant häufiger kein Abitur haben als die weiteren Teilnehmer. Ebenso zeigen sie eine signifikant höhere psychogene Beeinträchtigung zu A, hatten zwischen ihrem 6. und 12. Lebensjahr eine signifikant höhere kindliche Belastung und erfüllten in den Querschnitten davor häufiger die Fallkriterien.