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Die sozialen Erwartungen

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Rolle, Status, Erwartungen und soziale Gruppe
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Zusammenfassung

Unter der Voraussetzung funktionaler Differenzierung ist die gesellschaftliche Kommunikation nicht durch soziale Normen vorreguliert. Die sozialen Erwartungen übernehmen in den Kommunikationssystemen eine besondere Funktion. Soziale Normen sind Erwartungen und Erwartungserwartungen, die unter den Mitgliedern sozialer Systeme als Rollenspieler gelten. Sie sind deshalb ein Strukturbestandteil sozialer Systeme. Erwartungen können enttäuscht und erfüllt werden. „Eine Erwartung steht immer im Kontext der Erwartung ihrer Enttäuschung, wie stark oder schwach dieses Moment im Einzelfall auch ausgeprägt sein mag, und damit, weil man nicht nicht erwarten kann, im Kontext ihres Austausches gegen eine andere Erwartung. Eine Erwartung ist eine Struktur auf dem Sprung, aber immerhin eine Struktur. Sie bestimmt sich selbst im Unterschied zu ihrer möglichen Enttäuschung, nutzt jedoch die Enttäuschung nicht etwa dazu, gar nicht mehr zu erwarten, sondern dazu etwas anderes zu erwarten, inklusive der Möglichkeit, nichts zu erwarten.“ Die Erwartung ist somit auf den Enttäuschungsfall bezogen. Die Enttäuschung gehört zur Erwartungsbefolgung (-erfüllung). Sie setzt die kognitive Orientierung und das damit einhergehende Lernen frei. Die Erwartungserwartungen sind Verhaltensregularitäten der Mitglieder sozialer Systeme, durch die die Anschlussrationalität von Kommunikationen geregelt ist, die strenger oder schwächer kongruent gesetzt sein können.Dabei wird von den Teilnehmern an den Kommunikationssystemen ein gemeinsam geteiltes Wissen unterstellt.

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Notes

  1. 1.

    Baecker, Form und Formen der Kommunikation, 88–89.

  2. 2.

    Die Erwartungserwartungen als Verhaltensregularitäten sind als Lewis-Konventionen zu beschreiben. Eine Lewis-Konvention ist nicht vereinbart und tritt erst dann ein, wenn sich die Vereinbarung erschöpft hat. Die Lewis-Konventionen sind nicht in normativen Begriffen definiert, im Sinne eines „sollte“ und „müsste“. Sie können aber als Normen derart eingestuft werden, dass sie mit der Qualifikation ausgestattet sind, dass man ihnen folgen „sollte“. Vgl. D. Lewis, Konventionen. Eine sprachphilosophische Abhandlung (1969), Berlin 1975.

  3. 3.

    Zu sozialen Normen vgl. Popitz, Soziale Normen, 61–157, Krawietz, „Risiko, Recht und normative Verantwortung“, in: Recht und Natur. Beiträge zu Ehren von Friedrich Kaulbach. Hrsg. von V. Gerhardt und W. Krawietz, Schriften zur Rechtstheorie, Heft 153 1992.

  4. 4.

    Luhmann, „7. Interaktion. Organisation, Gesellschaft. Anwendungen der Systemtheorie“, 213, in: Die Moral der Gesellschaft.

  5. 5.

    Luhmann, „Normen in soziologischer Perspektive (1969)“, 36–39, in: Die Moral der Gesellschaft. Die Unterscheidung geht auf J. Galtung zurück.

  6. 6.

    Dieser Gesichtspunkt wurde mit Bezugnahme auf C. Schmitt und G. Agamben von Ortmann, Regel und Ausnahme hervorgehoben.

  7. 7.

    Aus der umfangreichen Literatur z. B. L. v. Friedeburg (Hrsg.), Jugend in der modernen Gesellschaft, Köln 1965, H. Fend, Sozialisation und Erziehung, Weinheim 1969, M. L. Kohn, „Social Class and Parental Authority, Social Class and the Exercise of Parental Authority“, „Social Class and Parent-Child-Relationship“, American Socialological Review 63 1963, H. G. Rolff, Sozialisation und Auslese durch die Schule, Heidelberg 1969.

  8. 8.

    Luhmann, „Kausalität im Süden“, in: Soziale Systeme 1 1995, 17–18.

  9. 9.

    K. Weick, Der Prozess des Organisierens, Frankfurt a. M. 1985, 14–15.

  10. 10.

    Luhmann, „Interpenetration – Zum Verhältnis personaler und sozialer Systeme“, in: Zeitschrift für Soziologie 6 1977, 71.

  11. 11.

    Luhmann, Legitimation durch Verfahren, Neuwied 1969, „Klassische Theorie der Macht“, in: Zeitschrift für Politik 16 1969, 149–170.

  12. 12.

    Ortmann, Regel und Ausnahme, „An die Stelle einer klaren Grenze tritt eine Unschärfe, eine wie zunächst gesagt worden ist, Grauzone, Zwischenzone, ein (Halb-)Schatten, ein Zwielicht, eine strategische Zone, ein Manövrier- und Spielraum für die auf Regeln Rekurrierenden, eine Zone, wie Giorgio Agamben sie mit Blick auf das Gegensatzpaar „Regel/Ausnahme“ genannt hat, der Ununterschiedenheit, der Indifferenz.“ 22.

  13. 13.

    Vgl. zu der Charakterisierung des Organisationshandeln durch die Bestimmung Preyer, „Die Rationalitätsbegriffe des Handelns. Eine Grundlegung zu einer Typologie sozialen Handelns“, ProtoSociology 6 1994, Rationalität I, 131–35. Die Analyse der Bestimmung ist von A. Reinach, Die apriorischen Grundlagen des bürgerlichen Rechts, Halle 19222 motiviert, die einer erweiterten Interpretation zugeführt wird.

  14. 14.

    Das trifft auch auf Rechtsnormen zu. Sie sind Bestimmungen, die durch die Rechtsentscheidung des Richters als einer Stelle in der formalen Organisation des Rechtssystems autorisiert sind. Sie hat bei Frei- und Schuldsprüchen unter Umständen eine organisationell durchgeführte Bestrafung zur Folge.

  15. 15.

    Dazu Preyer, „Neufassung des Problems der moralischen Kommunikation“, in: Gesellschaft im Umbruch II Jenseits von National und Wohlfahrtsstaat, Frankfurt a. M. 2009, 146–69.

  16. 16.

    Implikatur ist das, was eine Sprecheräußerung im Hinblick auf ihre Interpretation ergänzt.

  17. 17.

    Vgl. zu diesen Rechtfertigungsstufen Preyer, „Die Rationalitätsbegriffe des Handelns. Eine Grundlegung zu einer Typologie sozialen Handelns“, 147–150, A. Ulfig, „Stufen der Rechtfertigung“, in: ProtoSociology Vol. 8/9 1996: Rationality II, 197–209.

  18. 18.

    Zur Unterscheidung zwischen Entscheidungs- und Handlungsgründen Preyer, Soziologische Theorie der Gegenwartsgesellschaft II, Lebenswelt, System, Gesellschaft, Wiesbaden 2006, 168–169, „Recht ohne moralische Bindung – Entscheidung als Selbstreferenz des Rechts“, in: Rechtstheorie 3 2011, 283–306.

  19. 19.

    Zum Kommunikationsmedium der Argumente Preyer, Soziologische Theorie der Gegenwartsgesellschaft II. Lebenswelt, System, Gesellschaft, 204–07.

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© 2012 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH

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Preyer, G. (2012). Die sozialen Erwartungen. In: Rolle, Status, Erwartungen und soziale Gruppe. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-94121-9_7

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-94121-9_7

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-17731-1

  • Online ISBN: 978-3-531-94121-9

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