Zusammenfassung
„Generation“ als Bezeichnung für ein gesellschaftliches Phänomen zu nehmen, ist in den letzten Jahrzehnten immer mehr in Mode gekommen. Nicht nur technische Geräte werden, um ihren Neuheitswert zu verkünden, mit dem Label „Generation“ versehen, etwa die neuen Handy-Generationen, und dann als kennzeichnend für das vermeintlich mit der technischen Neuerung verbundene Lebensgefühl auf eine Gruppe von Menschen übertragen (vgl. Illies, Generation Golf), nein, auch Gruppen, die sich von einer gesellschaftlichen oder historischen Situation betroffen fühlen, finden sich zusammen, konstruieren sich als Generation und plädieren mit medialer Hilfe dafür, in der Gesellschaft Gehör zu erhalten. Die „Generation Praktikum“ ist ein Beispiel: Mit Blogs, Foren, Workshops, Ratgebertexten, Tipps und Tricks sowie einer Praktikumsbörse wird im Internet dazu aufgerufen, sich über qualifizierende Praktika und ausbeuterische Praktikumsverhältnisse auszutauschen; eine Generation von Betroffenen, die sich zur gleichen Zeit in einer vermeintlich gleichen Lebenslage befindet und ähnliche Erfahrungen macht, rückt im Netz zusammen, artikuliert ein Wir-Gefühl und verschafft sich Aufmerksamkeit für ihre Belange (vgl. auch Parnes/ Vedder/Willer 2008). Das Etikett der Generation erweckt den Eindruck einer breiten Bevölkerungsgruppe, die ähnlichen historischen Bedingungen ausgesetzt ist, und verweist auf eine Art Kollektivschicksal, dessen Sichtbarmachung von großer gesellschaftlicher Relevanz ist. Generation wird hier als wirksame „Selbstthematisierungsformel“ (Jureit 2006, S. 9) verwandt. Auch Institutionen lassen sich die Vermarktung des Generationsbegriffs nicht entgehen, die katholische Kirche wirbt für die „Generation Benedikt“, womit allerdings nicht die des Papstes, sondern die junge Generation mit ihren Lebensfragen gemeint ist, die in einer Schrift wie in den entsprechenden Internetmedien „im Geiste des Papstes“ (Generation Benedikt 2007) beantwortet werden.
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Literatur
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Kraul, M., Merkens, H. (2011). Das Generationenkonzept in der qualitativen und quantitativen Bildungsforschung. In: Eckert, T., von Hippel, A., Pietraß, M., Schmidt-Hertha, B. (eds) Bildung der Generationen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92837-1_4
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