Seitdem sich Soziologie als selbständige Disziplin versteht, wird danach gefragt, wie „Gesellschaft“ zu denken ist. Antworten auf diese Frage schließen Überlegungen darüber ein, wie Individuen zu Mitgliedern einer Sozietät werden. So unterschiedlich in der Geschichte der Soziologie die Vorstellungen darüber waren, was unter einer „Gesellschaft“ zu verstehen sei, so wurde, sobald man zwischen Staat und bürgerlicher Gesellschaft unterschied, doch durchgängig bedacht, dass Individuen in sozialen Zusammenschlüssen leben – in Gruppen, kulturellen Gemeinschaften und Klassen – und dass solche Versämtlichungen zwischen Individuum und Gesellschaft vermitteln (vgl. Geiger 1982: 39ff.). Dabei wird auch durchaus zwischen „Männer“ und „Frauen“ differenziert. So tauchen bei Max Weber „Geschlechter“ im Zusammenhang mit genealogischen Linien auf: Er spricht von „Mutterfolge“ und „Vaterfolge“. Unter diesem Aspekt geht er der Frage nach, wie sich Matrilinearität bzw. Patrilinearität im Zuge von Prozessen der Vergemeinschaftung auf Positionen von Frauen und Männern in Rechtssystemen, in den Autoritätsstrukturen von Hauswirtschaften, in Sippen- und Sexualbeziehungen auswirken (Weber 1956: 286ff.). Talcott Parsons schreibt den Geschlechtern unterschiedliche Persönlichkeitsstrukturen zu, die im Zuge familialer Identifikationsprozesse erworben werden. Ihnen entsprechen bei ihm Geschlechtsrollen, die eine Form der Arbeitsteilung erlauben, welche für die industrialisierte Arbeitswelt funktional ist: Frauen wird die Rolle der Familienversorgerin zugewiesen, Männern die Berufsrolle (Parsons 1951, 1981; kritisch dazu: Zahlmann-Willenbacher 1979: 70ff.).
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Literatur
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Becker-Schmidt, R. (2008). Doppelte Vergesellschaftung von Frauen: Divergenzen und Brückenschläge zwischen Privat- und Erwerbsleben. In: Becker, R., Kortendiek, B. (eds) Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91972-0_8
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