Auszug
Autonom alt werden — wer wünscht sich das nicht? In unserer individualisierten Gesellschaft, so (1994: 39), ist Autonomie längst zu einem zentralen Wert avanciert, der auch von alten Menschen allen anderen Werten gegenüber vorgezogen wird. Diese Tendenz lässt sich auch durch Untersuchungsergebnisse im Rahmen des Österreichischen Seniorenberichts 2000 bestätigen (Amann 2000: 606). Möglichst lange von der Hilfe anderer unabhängig zu sein, gehört dabei zu einer zentralen Vorstellung einer autonomen Lebensweise. Dieser Wunsch ist jedoch nicht nur auf einer persönlichen Ebene verankert, sondern findet sich auch in Leitbildern und Broschüren diverser Organisationen und Institutionen für alte Menschen wieder. Das autonome Alter ist laut Kade (1994) bereits zu einer Leitkategorie der Sozial- und Bildungspolitik für Alte avanciert. Auch die Beschäftigung mit dem Alter in der Sozialpädagogik und Sozialen Arbeit wird u.a. von der Frage geleitet, wie eine selbstbestimmte und selbstbewusste Lebenspraxis gefördert werden kann (Böhnisch 2001, Egger de Campo 2004, Knopf 2001, Mennemann 2005, Schweppe 2002, 2004, 2005, Winkler 2005). Einerseits wird Autonomie dabei in Anlehnung an den Diskurs der Individualisierung und reflexiven Moderne als epochale Notwendigkeit betrachtet, der es gilt, sozialpädagogisch unterstützend zu entsprechen. Freigesetzt aus traditionellen Rollen und Solidarmilieus, so die Quintessenz der Individualisierungstheorie, sind nun auch Alte gezwungen bzw. haben die Chance, ihr Leben autonom zu gestalten.
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Pichler, B. (2007). Autonomes Alter(n) — Zwischen widerständigem Potential, neoliberaler Verführung und illusionärer Notwendigkeit. In: Aner, K., Karl, F., Rosenmayr, L. (eds) Die neuen Alten — Retter des Sozialen?. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90472-6_4
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