Auszug
Im Gegensatz zur Vorliebe der heutigen Sozialwissenschaften für monströse Termini hat das unscheinbare, altmodische Wort „Lebenslauf“ in den letzten Jahrzehnten eine erstaunliche Bedeutung als Leitbegriff zur Reflexion und Erforschung des in einer sich ständig wandelnden Gesellschaft auf sich selbst gestellten Individuums gewonnen. Vorläufer dieser Entwicklung, die hier nur durch einige exemplarische Titel belegt werden kann, waren Charlotte Bühler (1959) mit ihrem Buch „Der menschliche Lebenslauf als psychologisches Problem“, einer am Konzept biologischer Grundtendenzen (anpassende Selbstbeschränkung und schöpferische Expansion, Ordnung und Entspannung) und der Selbstbestimmung nach Lebenszielen (Bühler/Massarik 1969) orientierten Psychologie der Persönlichkeitsentwicklung, und Jürgen Henningsen (1962;1981) mit seiner von Henry Adams und Max Frisch inspirierten These vom Lebenslauf als in der Autobiographie „sprachlich gestaltetem Bildungschicksal.“ Die interdisziplinäre Kommunikation wurde dann durch Bernd Neumanns (1970) unter dem Titel „Identität und Rollenzwang“ erschienenen Versuch befruchtet, seine das Verhältnis von Lebenslauf und Lebensplan verfolgende Darstellung der Geschichte der neuzeitlichen Autobiographie durch Gebrauch soziologischer Kategorien in eine „Theorie der Autobiographie“ umzusetzen.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Ausubel, D.P./ Sullivan, E.V.: Das Kindesalter. München 1974.
Baacke, D./ Schulze, Th. (Hrsg.): Aus Geschichten lernen. München 1979.
Bandura, A.: Lernen am Modell. Stuttgart 1976.
Bandura, A.: Sozial-kognitive Lerntheorie. Stuttgart 1979.
Beck, U.: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt a.M. 1986.
Berger, P./ Luckmann, Th.: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt a.M. 1980.
Bernstein, B.: Studien zur sprachlichen Sozialisation. Düsseldorf 1972.
Bleidick, U.: Pädagogik der Behinderten. Berlin-Charlottenburg 1972.
Brinkmann, W./ Petersen, J. (Hrsg.): Theorien und Modelle der Allgemeinen Pädagogik. Donauwörth 1998.
Bühler, Ch.: Der menschliche Lebenslauf als psychologisches Problem. 1. Aufl. 1933. 2. völlig veränderte Aufl. Göttingen 1959.
Bühler, Ch./ Massarik, F. (Hrsg.): Lebenslauf und Lebensziele. Stuttgart 1969.
Connolly, K./ Bruner, J.S. (Hrsg.): The Growth of Competence. London, New York 1974.
Eibl-Eibesfeldt, I.: Der vorprogrammierte Mensch. Das Ererbte als bestimmender Faktor im menschlichen Verhalten. Wien 1973.
Erikson, E.H.: Die Ontogenese der Ritualisierung. In: Psyche 7/1968, S. 481–502.
Goffman, E.: Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen. Frankfurt a.M. 1972.
Heitmeyer, W. u.a.: Gewalt. Schattenseiten der Individualisierung bei Jugendlichen aus unterschiedlichen Milieus. Weinheim, München 1998.
Henningsen, J.: Autobiographie und Erziehungswissenschaft. Eine methodologische Erörterung. In: Neue Sammlung 2 (1962), S. 450–461.
Henningsen J.: Autobiographie und Erziehungswissenschaft. Fünf Studien. Essen 1981.
Herbart, J.F.: Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet. Pädagogische Schriften (Hrsg. v. Bartholomäi, F. von Sallwürk, E.). Bd. 1. Langensalza 1903, S. 258f. (3. Buch, 5. Kap., Abschnitte 20-23).
Hurrelmann, K. (Hrsg.): Sozialisation und Lebenslauf. Reinbek 1976.
Kagan, J.: Die Natur des Kindes. München, Zürich 1984.
Kant, I.: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Werke in sechs Bänden (Hrsg. v. W. Weischedel, Bd. VI, Darmstadt 1964.
Kaye, K.: The Mental and Social Life of Babies. How Parents Create Persons. Chicago 1982.
Kohli, M. (Hrsg.): Soziologie des Lebenslaufs. Darmstadt, Neuwied 1978.
Kohli, M.: Gesellschaftszeit und Lebenszeit. Der Lebenslauf im Strukturwandel der Moderne. In: Berger, J. (Hrsg.): Die Moderne-Kontinuitäten und Zäsuren. Soziale Welt, Sonderband 4. Göttingen 1986, S. 183–208.
Kraft, V.: Pestalozzi oder das pädagogische Selbst. Eine Studie zur Psychoanalyse des pädagogischen Denkens. Bad Heilbrunn 1996.
Krüger, H.-H./ Marotzki, W. (Hrsg.): Erziehungswissenschaftliche Biographieforschung. 2. Aufl. Opladen 1996.
Lasch, Ch.: Das Zeitalter des Narzißus. MÏnchen 1982.
Lejeune, Ph.: Der autobiographische Pakt. In: Niggl, G. (Hrsg.): Die Autobiographie. Darmstadt 1989, S. 214–257.
Lenzen, D.: Lebenslauf oder Humanontogenese? Vom Erziehungssystem zum kurativen System-von der Erziehungswissenschaft zur Humanvitologie. In: Lenzen, D./ Luhmann, N. 1997, S. 228–247.
Lenzen, D.: Allgemeine Pädagogik-Teil-oder Leitdisziplin der Erziehungswissenschaft. In: Brinkmann, W./ Petersen, J. (Hrsg.): Theorien und Modelle der Allgemeinen Pädagogik. Donauwörth 1998, S. 32–54.
Lenzen, D./ Luhmann, N. (Hrsg.): Weiterbildung im Erziehungssystem. Frankfurt a.M. 1997.
Levy, R.: Der Lebenslauf als Statusbiographie. Stuttgart 1977.
Loch, W.: Die Bedeutung der Nachbarschaft im Leben des Kindes. In: Das neue Erlangen, 1967, S. 610–617.
Loch, W.: Enkulturation als anthropologischer Grundbegriff der Pädagogik. In: Bildung und Erziehung 21 (1968), S. 161–178.
Loch, W.: Lebenslauf und Erziehung. Essen 1979a.
Loch, W.: Curriculare Kompetenzen und pädagogische Paradigmen. Zur anthropologischen Grundlegung einer biographischen Erziehungstheorie. In: Bildung und Erziehung 32 (1979b), S. 241–266.
Loch, W.: Anfänge der Erziehung. Zwei Kapitel aus einem verdrängten Curriculum. In: Maurer, F. (Hrsg.): Lebensgeschichte und Identität. Beiträge zu einer biographischen Anthropologie. Frankfurt a.M. 1981, S. 31–83.
Loch, W.: Stufen kindlichen Lernens als Aufgaben der Erziehung. In: Loch, W. (Hrsg.): Lebensform und Erziehung. Essen 1983, S. 47–59.
Loch, W.: Selbstverwirklichung und Spiel im Jugendalter. In: Spanhel, D. (Hrsg.): Das Spiel bei Jugendlichen. Ansbach 1985, S. 16–42.
Loch, W.: Das Vaterbild im Lebenslauf. In: Dikow, J. (Hrsg.): Die Bedeutung biographischer Forschung für den Erzieher. Münstersche Gespräche zu Themen der wissenschaftlichen Pädagogik, H. 5. Münster 1988, S. 32–52.
Loch, W.: Die Funktion der Nachahmung beim Selbständigwerden des Kindes. In: Ullrich, H./ Hamburger, F. (Hrsg.): Kinder am Ende ihres Jahrhunderts. Langenau-Ulm 1991.
Loch, W.: Die Konstellation der bedeutungsvollen Anderen im Bewußtsein des Kindes. In: Brozio, P./ Weiß, E. (Hrsg.): Pädagogische Anthropologie, biographische Erziehungsforschung, pädagogischer Bezug. Hamburg 1993, S. 12–70.
Loch, W.: Grundbegriffe einer biographischen Erziehungstheorie. In: Leonhard, H.-W. et al. (Hrsg.): Pädagogische Erkenntnis. Grundlagen pädagogischer Theoriebildung. Weinheim, München 1995, S. 109–129.
Loch, W.: Forschungen zur Anthropologie des Kindes. In: Bartmann, Th./ Ulonska, H. (Hrsg.): Kinder in der Grundschule. Anthropologische Grundlagenforschung. Bad Heilbrunn 1996, S. 147–179.
Loch, W.: Die allgemeine Pädagogik in phänomenologischer Hinsicht. In: Brinkmann, W./ Petersen, J. 1998a, S. 308–333.
Loch, W.: Entwicklungstufen der Lernfähigkeit im Lebenslauf. In: Brödel, R. (Hrsg.): Lebenslanges Lernen-lebensbegleitende Bildung. Neuwied, Kriftel 1998b, S. 91–109.
Loch, W.: Die Darstellung des Kindes in pietistischen Autobiographien. In: Interdisziplinäres Zentrum für Pietismusforschung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Hrsg.): Das Kind in Pietismus und Aufklärung. Tübingen 2000, S. 143–182.
Ludwig, P.H.: Sich selbst erfüllende Prophezeiungen im Alltagsleben. Stuttgart 1991.
Luhmann, N.: Erziehung als Formung des Lebenslaufs. In: Lenzen, D./ Luhmann, N. 1997, S. 11–29.
Marotzki, W.: Entwurf einer strukturalen Bildungstheorie. Weinheim 1990.
Marotzki, W. (Hrsg.): Magdeburger Bibliographie zur Biographieforschung. Magdeburg 1998.
Mead, M.: Der Konflikt der Generationen. Jugend ohne Vorbild. Olten, Freiburg 1971.
Moore, O.K./ Anderson, A.R.: Einige Prinzipien zur Gestaltung von Erziehungsumwelten selbstgesteuerten Lernens. In: Lehman, J./ Portele, G. (Hrsg.): Simulationsspiele in der Erziehung. Weinheim/Basel 1976, S. 29–73.
Neumann, B.: Identität und Rollenzwang. Zur Theorie der Autobiographie. Frankfurt a.M. 1970.
Piaget, J.: Das Erwachen der Intelligenz beim Kinde. Stuttgart 1969a.
Piaget, J.: Nachahmung, Spiel und Traum. Stuttgart 1969b.
Plessner, H.: Conditio humana. Pfullingen 1964.
Rössner, L.: “Lernzwang” als erziehungswissenschaftliche Kategorie. In: Die Deutsche Schule 63 (1971), S. 75–84, 152–163.
Rowe, D. C.: Genetik und Sozialisation. Die Grenzen der Erziehung. Weinheim 1997.
Schapp, W.: In Geschichten verstrickt. Zum Sein von Mensch und Ding. Wiesbaden 1976.
Scheuerl, H.: Das Spiel. Untersuchungen über sein Wesen, seine pädagogischen Möglichkeiten und seine Grenzen. Weinheim, Berlin 1959.
Schmitz, H.: System der Philosophie. Bd. 3. Bonn 1977.
Schmitz, H.: System der Philosophie. Bd. 5. Bonn 1980.
Schütze, F.: Prozeßstrukturen des Lebensablaufs. In: Matthes, J. et al. (Hrsg.): Biographie in handlungswissenschaftlicher Perspektive. Nürnberg 1981, S. 67–156.
Schulze, Th.: Autobiographie und Lebensgeschichte. In: Baacke, D./ Schulze, Th. 1979, S. 51–98.
Sennett, R.: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität. Frankfurt a.M. 1983.
Sennett, R.: Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus. Berlin 1998.
Sloterdijk, P.: Literatur und Lebenserfahrung. Autobiographien der Zwanziger Jahre. München 1978.
Spitz, R.: Vom Säugling zum Kleinkind. Stuttgart 1976.
Stern, D.N.: Die Lebenserfahrung des Säuglings. Stuttgart 1993.
Sutton-Smith, B.: Die Dialektik des Spiels. Schorndorf 1978.
Sutton-Smith, B.: Toys as Culture. New York, London 1986.
Toman, W.: Familienkonstellationen. München 1974.
Weiß, E.: Sigmund Freud und die biographische Erziehungsforschung. Kiel/Köin 1998.
White, R. W.: Motivation reconsidered: the concept of competence. In: Psychological Review 66 (1959), S. 297–333.
Zinnecker, J.: Sorgende Beziehungen zwischen Generationen im Lebensverlauf. In: Lenzen, D./ Luhmann, N. 1997, S. 199–227.
Author information
Authors and Affiliations
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2006 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Loch, W. (2006). Der Lebenslauf als anthropologischer Grundbegriff einer biographischen Erziehungstheorie. In: Krüger, HH., Marotzki, W. (eds) Handbuch erziehungswissenschaftliche Biographieforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90010-0_5
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90010-0_5
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-14839-7
Online ISBN: 978-3-531-90010-0
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)